VwGH Ro 2017/10/0015

VwGHRo 2017/10/001526.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision 1. der S G KG in K, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in 3500 Krems an der Donau, Utzstraße 9 (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2017/10/0015),

2. K B & Co KG, 3. U E KG, 4. R B KG und 5. A B & Co KG, alle in K und vertreten durch Riel Grohmann Sauer, Rechtsanwälte in 3500 Krems an der Donau, Gartenaugasse 1 (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2017/10/0016), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 25. Oktober 2016, Zl. LVwG-AV-769/001-2014, betreffend Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde: Landeshauptmann von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: V B in O, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Normen

62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
62014CO0581 Naderhirn VORAB;
62015CO0634 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2;
VwGG §21 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
62014CO0581 Naderhirn VORAB;
62015CO0634 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2;
VwGG §21 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 und den zweit- bis fünftrevisionswerbenden Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die von der erstrevisionswerbenden Partei im Verfahren zur hg. Zl. Ro 2017/10/0016 sowie von den zweit- bis fünftrevisionswerbenden Parteien im Verfahren zur hg. Zl. Ro 2017/10/0015 eingebrachten Revisionsbeantwortungen werden zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. Oktober 2016 erteilte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Mitbeteiligten - aufgrund deren als Beschwerde zu wertenden Berufung gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 2003 - die Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Krems an der Donau mit einem näher umschriebenen Standort. Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht zu.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Kern die Auffassung zugrunde, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere zuletzt dessen Beschlusses vom 30. Juni 2016, Rechtssache C-634/15 ("Sokoll-Seebacher II"), verbleibe - wie beispielsweise auch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 12. Juli 2016, Zl. LVwG-050013/47/GF/Mu, entschieden habe - für die Anwendung des § 10 Abs. 2 Z. 3 Apothekengesetz (ApG) kein Raum. Es seien daher - neben den persönlichen Voraussetzungen und dem Nachweis der Verfügungsbefugnis der Konzessionswerberin - lediglich die in § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 ApG genannten Bedarfskriterien zu prüfen. Mangels Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG gebe es auch für eine Einschränkung mit Blick auf den von der Mitbeteiligten beantragten Standort der beabsichtigten Apotheke "hinsichtlich der Bedarfslage nach der derzeitigen Rechtslage keinen Raum".

3 Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf dessen Beschluss vom 15. Oktober 2015, Rechtssache C-581/14 ("Naderhirn")), erscheine die "bisherige Judikatur der Höchstgerichte zur vorübergehenden Weitergeltung EU-widriger Normen für eine Übergangszeit und bei ausschließlich inlandsbezogenem Sachverhalt" als "nicht mehr anwendbar".

4 Die Zulassung der Revision "zur Frage des verbleibenden Regelungsinhaltes des § 10 Apothekengesetz" begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Österreichischen Apothekenkammer vom 10. August 2016. (Darin wurde unter anderem unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2011, VfSlg. 19.529, und Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs ausgeführt, dass unter bestimmten Voraussetzungen unionsrechtswidrige Bestimmungen bei rein inlandsbezogenen Sachverhalten vorerst weiter anzuwenden seien.)

5 2. Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden ordentlichen Revisionen.

6 Die Mitbeteiligte hat jeweils eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revisionen beantragt.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Revisionen - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

7 1. Die erstrevisionswerbende Partei bringt in ihrer Revision im Kern vor, nach der Rechtsprechung des VfGH, etwa zur Zl. G 61/10 u.a., sei eine vom EuGH als unionsrechtswidrig erkannte Bestimmung "für eine zeitlich angemessene Dauer weiterhin anzuwenden", was auch vorliegend mit Blick auf § 10 Abs. 2 ApG zutreffe. Auch die Revision der zweit- bis fünftrevisionswerbenden Parteien weist in diesem Sinn auf die einschlägige VfGH-Rechtsprechung hin.

8 2. Mit hg. Erkenntnis vom 29. März 2017, Zl. Ra 2016/10/0141, hat der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. Juli 2016, Zl. LVwG-050013/47/GF/Mu, auf welches sich die Begründung des vorliegend angefochtenen Erkenntnisses unter anderem stützt, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

9 Der vorliegende Fall gleicht in seinen maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen jenem, der dem genannten Erkenntnis zur Zl. Ra 2016/10/0141 zugrunde lag. Aus den dort ersichtlichen Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ist auch das vorliegend angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

10 Entgegen der vom Verwaltungsgericht erkennbar vertretenen Auffassung kann auch aus dem Beschluss des EuGH vom 15. Oktober 2015, Rechtssache C-581/14 , keineswegs abgeleitet werden, die im angeführten Erkenntnis referierte Rechtsprechung des VfGH (vgl. dort Rz 30), welche sich auf rein innerstaatliche, somit nicht unmittelbar dem Unionsrecht unterliegende Sachverhalte bezieht, wäre "nicht mehr anwendbar".

11 3. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

13 Die Zurückweisung der von den revisionswerbenden Parteien im jeweils anderen Revisionsverfahren eingebrachten "Revisionsbeantwortungen", in denen beantragt wurde, den Revisionen Folge zu geben, folgt daraus, dass eine "Mitbeteiligung" auf Seiten des Revisionswerbers nicht in Betracht kommt (vgl. § 21 Abs. 1 Z. 4 VwGG sowie die Rechtsprechungsnachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 E 14f zu § 21 VwGG).

Wien, am 26. April 2017

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