LVwG Niederoesterreich LVwG-AV-1003/002-2016 ua

LVwG NiederoesterreichLVwG-AV-1003/002-2016 ua19.12.2016

VwGVG 2014, §28 Abs3
AVG 1991, §52
BauO NÖ 1996, §6
VwGVG 2014, §28 Abs3
AVG 1991, §52
BauO NÖ 1996, §6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2016:LVwG.AV.1003.002.2016.ua

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von

1. Frau EK und Herrn Mag. HK,

2. Frau EF und Herrn WF, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herwig Ernst,

3. Frau Mag. EW, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herwig Ernst, sowie

4. Herrn DI AM, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herwig Ernst,

5. Frau IR und Herrn Ing. KR,

6. Frau Dr. BW, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Paulinz

gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 24. Juni 2016, Zl. GZ 30-2874-16, betreffend baubehördliche Genehmigung, den

BESCHLUSS

gefasst:

1. Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der Stadtgemeinde *** zurückverwiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

B e g r ü n d u n g :

 

 

I.a) Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer sind Miteigentümer des im Norden an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes .***, KG ***, dem die projektierten

Mehrfamilienhäuser (MFH) 4, 5 und 6 sowie das Doppelhaus (DH) 4 zugewandt sind. Weiters befindet sich im nordwestlich liegenden Bereich die Einfahrt zur Tiefgarage.

 

b) Die Fünftbeschwerdeführer sind Miteigentümer des im Süden des Baugrundstückes liegenden und von diesem durch den *** (Grundstück ***, KG ***) getrennten Grundstückes ***, KG ***, dem das projektierte MFH 1 sowie das DH 1 zugewandt sind. Ihnen zugewandt sind ferner ein Parkplatz mit 4 Stellplätzen sowie die Ausfahrt der Tiefgarage.

 

c) Die Sechstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der im Osten des Baugrundstückes liegenden und von diesem durch das Grundstück ***, KG ***, getrennten Grundstücke ***, .*** und ***, alle KG ***, denen das projektierte MFH 7 sowie das DH 5 zugewandt sind.

 

d) Im Jänner 2015 beantragte die „SL-GmbH“ (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 96 Wohneinheiten, einer Kleinkindergruppe, einer Tiefgarage mit 139 PKW-Abstellplätzen, sowie Abstellanlagen im Freien für insgesamt 21 Kfz auf dem Grundstück .***, KG ***. Das Grundstück ist im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde *** als Bauland-Wohngebiet gewidmet. Der Bebauungsplan legt eine höchstzulässige Gebäudehöhe von 8 m und eine offene Bebauungsweise fest, wobei von der *** ein 3 m breiter, entlang des *** ein 5 m breiter vorderer Bauwich einzuhalten ist. Im Bereich der *** bzw. des östlich angrenzenden Fußweges ist kein vorderer Bauwich verordnet.

 

II.a) Vor Durchführung der Bauverhandlung am 8. Juli 2015 und in derselben wandte Herr Mag. HK zunächst eine Beeinträchtigung der Standsicherheit der auf seinem Grundstück befindlichen Bauwerke, nämlich einer Gartenmauer einerseits sowie des Gebäudes andererseits ein, zumal durch die Auswirkung des Vorhabens auf den Grundwasserspiegel die Fundamente dieser Baulichkeiten befeuchtet und instabil werden würden. Auch könne es durch eine zu erwartende Beeinflussung des Grundwasserspiegels zu einer Austrocknung seiner Liegenschaft und seines Gebäudes kommen. Aufgrund der Gebäudehöhe sei weiters mit einer sein Gebäude bedrohenden Brandbelastung zu rechnen. Im Zusammenhang mit den Kfz-Stellplätzen würden Lärm- und Abgasimmissionen ebenso eingewandt, wie eine örtlich unzumutbare Belästigung durch die Scheinwerfer fahrender Kraftfahrzeuge. Durch den Kinderspielplatz sei weiters mit einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung zu rechnen, durch den Müllraum nahe der Grundstücksgrenze mit Geruchs- und Lärmemissionen. Auch würde das Gebäude selbst Lärm von der *** reflektieren. Eingewandt würde auch die Gebäudehöhe, zumal das Grundstück des Beschwerdeführers ganzjährig kaum Sonneneinstrahlung haben werde und folglich verschatte bzw. auch eine ausreichende Belichtung der Hauptfenster nicht mehr gegeben sei. Auch sei den Einreichunterlagen nicht zu entnehmen, dass das Objekt ausschließlich der Wohnnutzung dienen solle, und würden im Übrigen Niederschlagswässer auch auf das Grundstück des Beschwerdeführers abgeleitet.

 

b) Frau EK wandte neben einer Beeinträchtigung der Standsicherheit ihres Gebäudes aufgrund der Auswirkungen des Projekts auf das Grundwasser Brandschutzüberlegungen ebenso ein wie Immissionsbelastungen durch Lärm, Geruch und Abgase. Weiters würden durch das Vorhaben das Grundstück bzw. das Haus der Beschwerdeführerin beschattet und würde die Verkehrssituation unzumutbar.

c) Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer erhoben eine Reihe von Einwendungen im Zusammenhang mit der Bauführung und forderten weiters eine „Bedachtnahme“ auf Wahrung des bisherigen Zustandes betreffend „Besonnung“ auf ihrer Liegenschaft, zumal ihnen ein „Anspruch auf Energieeinsparung“ zustehe. Weiters forderten sie im Zusammenhang mit der Tiefgarage die „Wahrung des Anspruchs auf Lärmschutz“ durch Begutachtung im Planungsverfahren sowie durch „bauakustische Messungen“ und die Berücksichtigung etwaiger Beeinträchtigungen durch „Emissionen betreffend Abluft aus der Tiefgarage sowie durch Abgase der Zentralheizungen des Neubaus durch Gutachtenserstattung samt Messungen“. Unter Bezugnahme auf § 43 Abs. 3 NÖ BauO würde ferner die „Wahrung bestehender psychologischer Verhältnisse betreffend tunlichst ‚freiem Ausblick durch Fenster‛, bzw. das Bedürfnis ‚von außen nicht eingesehen zu werden’, bedungen“. Eingewandt würden auch eine Überschreitung der maximalen Gebäudehöhe (dies auch im Zusammenhang mit einer erfolgten Geländeänderung) sowie ein Widerspruch gegen das Ortsbild. Aufgrund des geringen Flurabstandes (Geländefläche bis Wasserspiegel) führe die projektierte Versickerung zu einem Ansteigen des Grundwasserspiegels und fehle ein Nachweis, dass die örtliche Aufspiegelung des Grundstücks der Beschwerdeführer nicht erreicht werde. Die Drittbeschwerdeführerin ergänzte schließlich dahingehend, im Hinblick auf die Tiefe der Garage eine Beeinträchtigung des Hausbrunnens zu befürchten.

 

d) Die Fünftbeschwerdeführer wandten gegen das Projekt zunächst eine Beeinträchtigung des Ortsbildes und eine Zunahme des Verkehrs auf der *** ein. Ferner sei bei Ausfahrten aus der Tiefgarage in Abend- und Nachtstunden eine Blendung an den Hauptfenstern der Beschwerdeführer zu befürchten, sei ein auf dem Baugrundstück vorhandener Kastanienbaum zu erhalten und sollten auf diesem zumindest 50 weitere Parkmöglichkeiten vorgesehen werden. Aus den Projektunterlagen sei weiters nicht zu ersehen, dass keine straßenseitige Zufahrt für Feuerwehr und Rettung verlangt würde. Auch befürchteten sie durch das Vorhaben eine Beeinträchtigung in ihren Wasserrechten.

 

e) Die Sechstbeschwerdeführerin wandte ein, dass das Projekt von einem falschen Geländeniveau ausgehe, zumal dieses gegenüber dem ursprünglichen um 70 cm angehoben worden sei. An der Grenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin sei eine Böschung eingezeichnet, die in der Natur nicht vorhanden sei, sodass es zur Ableitung von Oberflächenwässern auf ihr Grundstück käme. Unter dem Titel „Gefährdung der Standsicherheit und Trockenheit der Gebäude“ wandte sie ein, dass durch das Garagenprojekt die Erhaltung der Wasserzuführung zur Anspeisung eines Brunnens gefährdet wäre. Auch könne die Standsicherheit im Zuge der Baumaßnahmen infolge Änderung der Grundwassersituation durch Setzungen beeinträchtigt werden. Durch die angedachte Bauführung der Baugrubensicherung müssten zur Wasserfreihaltung auch massive Abpumpmaßnahmen erfolgen, um den Auftrieb von Baukörpern zu verhindern, wodurch es wieder zu Sedimentverlagerungen und dann zu möglichen Geländeabsenkungen, Geländeunterspülungen bzw. Fundamentunterspülungen kommen würde. Weiters würden die MFH 6 und 7 sowie das DH 5 die zulässige Gebäudehöhe deutlich übersteigen und würden die erforderlichen Mindestabstände im Bauwich nicht eingehalten. Schließlich würden im Zusammenhang mit der Tiefgarage und der Zentralheizungsanlage Lärm, Geruch, Staub, Feinstaub und Abgase entstehen. In der Bauverhandlung erhob sie die Einwendungen der Erst-, Zweit- und Viertbeschwerdeführer hinsichtlich Erschütterungen, Beeinträchtigungen der Standsicherheit und Emissionen zu ihren eigenen. Auch nach der Projektänderung hielt die Sechstbeschwerdeführerin ihre Einwendungen im Zusammenhang mit der Gebäudehöhe im Hinblick auf die Geländeanschüttung sowie die übrigen Einwendungen aufrecht.

 

f) Ausweislich des vorliegenden Aktes holte die Erstbehörde eine Stellungnahme der Landesstelle für Brandverhütung (16.4.2015, 679/15 Hs-be) ein, in der diese feststellte, dass dem Projekt bei Einhaltung einiger Auflagen aus brandschutztechnischer Sicht keine Bedenken entgegenstünden. Ferner legte sie ihrer Entscheidung eine schallschutztechnische Untersuchung der NUA-Umweltanalytik GmbH (4.2.2015, L-2893-1/2-15) ergänzt um eine Immissionsberechnung desselben Unternehmens zur geplanten Kindertagesstätte (22.8.2015, L-2893-1/4-15), eine Emissionsanalyse und Immissionsprognose betreffend staub- und gasförmige Luftschadstoffe desselben Unternehmens (20.5.2015, A-2209-1/2-2014), ein ärztliches Gutachten Dris. PR vom 12. Juli 2015 sowie eine geotechnische Stellungnahme der GZ GmbH vom 4. November 2014 zugrunde (die beiden letztgenannten Gutachten bzw. Stellungnahmen lagen der Baubehörde im Zeitpunkt der Verhandlung noch nicht vor). Mit Ausnahme der Stellungnahme der Brandverhütungsstelle und des ärztlichen Gutachtens wurden die Untersuchungen und Gutachten – ausweislich der Akten – stets im Auftrag der Bauwerberin erstattet und von dieser der Erstbehörde vorgelegt. Der Bauverhandlung am 8. Juli 2015 selbst wurde – der Verhandlungsniederschrift zufolge – ein Bausachverständiger beigezogen, der sich in dieser punktuell zur Gebäudehöhe äußerte. Im Übrigen beschränken sich seine in der Niederschrift wiedergegebenen Aussagen überwiegend auf die rechtliche Würdigung des Vorhabens bzw. finden sich (Seite 10 der Niederschrift) Hinweise, wonach die „Bauwerberschaft“ binnen 14 Tagen ein medizinisches Gutachten bzw. ein Bodengutachten vorzulegen habe.

 

III.a) Im Oktober 2015 legte die Bauwerberin in mehrfacher Hinsicht abgeänderte Projektunterlagen vor, wovon insbesondere die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. November 2015 unter Hinweis auf § 22 Abs. 2 NÖ BauO 1996 verständigt wurden.

 

b) Hierauf wiederholten die Beschwerdeführer im Wesentlichen ihre bisherigen Bedenken und ergänzten sie. So hielten die Zweit- und Drittbeschwerdeführer fest, dass es erforderlich sein werde, ein „Baugrundgutachten zur Definition der bodenmechanischen und gründungstechnischen Rahmenbedingungen und als Voraussetzung für Bauhilfsmaßnahmen zusätzlich zu einer Beweissicherung erstellen zu lassen“. Bindiger Boden solle vor dem Austrocknen geschützt werden, damit gegebenenfalls durch das Schrumpfen des Bodens Setzungen in ihrem Objekt verhindert werden bzw. durch Bildung von Schrumpfrissen im Boden kein späterer Wasserzutritt begünstigt würde. Infolge Einfluss des Vorhabens auf die Grundwasserverhältnisse unmittelbar auf die Bodeneigenschaft bzw. Gründung könnten „Differenzsetzungen keinesfalls ausgeschlossen werden“, sondern wären solche vielmehr zu befürchten. Hinsichtlich der Gebäudehöhe ragten Mauerteile des MFH 5 über die „Umhüllende“ hinaus und seien die im Einreichplan eingezeichneten Geländehöhen nicht nachvollziehbar.

 

c) Nach Vorlage des geänderten Projekts im Oktober 2015 lassen sich den vorliegenden Akten – mit Ausnahme der Verständigung der Nachbarn nach § 22 Abs. 2 NÖ BauO 1996 bzw. der seitens der Bauwerberin erfolgten Vorlage einer Immissionsberechnung des Unternehmens zur geplanten Kindertagesstätte keine weiteren Ermittlungsschritte entnehmen.

 

d) Mit Bescheid vom 16. März 2016, 30-56-15 CNr. 599/2, erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** der Bauwerberin die beantragte baubehördliche Baubewilligung. In ihren Berufungen wiederholten die Beschwerdeführer im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen, wies die belangte Behörde die Berufungen mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab und bestätigte die Baubewilligung (in einer gegenüber dem Erstverfahren hinsichtlich der Stellplatzanzahl reduzierten Form). In ihren Beschwerden wiederholten die Beschwerdeführer im Wesentlichen abermals ihr bisheriges Vorbringen.

 

Das Landesverwaltungsgericht stellt dazu fest:

 

IV. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG – mit Beschluss. Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Im konkreten Fall langte der verfahrenseinleitende Antrag am 30. Jänner 2015 bei der Erstbehörde ein, sodass das fragliche Verfahren – unbeschadet der Projektsänderungen i.S.d. § 13 Abs. 8 AVG im Oktober 2015 bzw. während des Berufungsverfahrens (VwGH 22.11.2005, 2005/05/0135 m.w.N.) – mit Ablauf des 31. Jänner 2015 anhängig war und folglich nach § 70 Abs. 1 NÖ BauO 2014 nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen ist, mithin nach jener, wie sie an diesem Tag bestand. Folglich findet auf das Verfahren insbesondere die NÖ BauO 1996 Anwendung.

 

V. Nach § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 werden subjektiv-öffentliche Rechte durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ ROG 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleistet und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 11) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

 

Diese Aufzählung ist taxativ, sodass Nachbarn keine darüber hinausgehenden Rechte geltend machen können, wobei auch ihre Verfahrensrechte nicht über jene Themenkreise hinausgehen, in denen ihnen ein Mitspracherecht zusteht (z.B. VwGH 2.8.2016, Ro 2014/05/0003; 29.9.2016, Ro 2014/05/0094). Beziehen sich Einwendungen daher auf Themenkreise, denen im baubehördlichen Bewilligungsverfahren entweder gar keine Relevanz zukommt oder die in § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 nicht angesprochen sind, sind sie als unzulässig zu werten (vgl. VwGH 18.12.2003, 2002/06/0068) und scheidet eine Rechtsverletzung jedenfalls aus.

 

Angesprochen sind mit Blick auf den vorliegenden Fall zunächst alle Einwendungen, soweit sie eine mögliche Beeinträchtigung bestehender Brunnen (VwGH 28.11.2011, AW 2011/05/0077), den Ortsbildschutz (VwSlg 10.119 A/1980) oder die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen (VwGH 19.5.2015, 2012/05/0097) betreffen, eine Beschattung des Nachbargrundstücks bzw. eine allfällige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit einer Photovoltaikanlage (VwGH 25.9.2012, 2010/05/0158) relevieren, eine Beeinträchtigung der bisherigen Aussicht (VwGH 31.1.1995, 93/05/0056) geltend machen oder aber die Bauausführung selbst betreffen (vgl. VwGH 15.5.2014, 2011/05/0125 bis 0126; 22.12.2015, Ra 2015/06/0123; 11.3.2016, Ra 2014/06/0043). Die diesbezüglichen Einwendungen gehen daher jedenfalls ins Leere.

 

Darüber hinaus besteht zufolge § 6 Abs. 2 Z 2 aE NÖ BauO 1996 kein Schutz vor Immissionen (§ 48), die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben (VwGH 27.4.2016, 2013/05/0074). I.d.S. sind namentlich auf vorgeschriebene Müllbehälter zurückzuführende Immissionen (insb. die damit einhergehende Geruchsentwicklung) von den Nachbarn hinzunehmen (VwGH 13.12.2011, 2008/05/0062). Diese Sondernorm gelangt allerdings dann nicht zur Anwendung, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine über das übliche Maß hinausgehende Immissionsbelastung der Nachbarn nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, wie dies auf Tiefgaragen wie die gegenständliche, welche mit besonderen Lüftungen bzw. Schallverhältnissen verbunden sind, zutrifft (VwGH 5.10.2016, Ro 2014/06/0044). In die Beurteilung einzubeziehen sind im Übrigen auch Lärmimmissionen, bei denen der Lärm nicht originär vom projektierten Bauwerk ausgeht, aber von diesem reflektiert wird (VwGH 15.5.2012, 2009/05/0083 m.w.N.).

 

Als zulässig erweisen sich grundsätzlich auch die Einwendungen betreffend des Abstandes von der Grundstücksgrenze bzw. der Gebäudehöhe, wobei diesfalls der Beurteilung das im Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides jeweils bestehende zulässige Gelände zugrunde zu legen ist (VwGH 16.12.2008, 2007/05/0250; 23.8.2012, 2011/05/0185), näherhin jenes, das das Vorhaben unmittelbar umgibt (VwSlg 16.271 A/2004). Die Berechnung der Gebäudehöhe hat dabei im vorliegenden Fall anhand der einschlägigen Bestimmungen der NÖ BauO 1996 zu erfolgen.

 

Zulässig sind grundsätzlich auch die Einwendungen betreffend die Trockenheit und Standfestigkeit der konsentierten (VwGH 26.4.2013, 2011/07/0204) Bauwerke der Nachbarn. Denn wenngleich dem Nachbarn kein Recht darauf zusteht, dass durch das Bauvorhaben der Grundwasserhaushalt (Grundwasserspiegel) nicht beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 25.2.2011, 2009/05/0220), gilt dann anderes, wenn die durch das Bauvorhaben bewirkte Änderung des Grundwasserspiegels die Trockenheit bzw. Standfestigkeit von konsensmäßigen Bauwerken der Nachbarn zu beeinträchtigen geeignet sind (zum Ablenken von Oberflächenwässern auf bestehende Nachbarbauwerke vgl. VwGH 26.4.2013, 2011/07/0204). Ob durch das Vorhaben Grundwasser auf die Bauwerke der Nachbarn abgelenkt wird bzw. allenfalls durch ein durch das Vorhaben bewirktes Ansteigen des Grundwasserspiegels Nachbarbauwerke im Grundwasserkörper zu liegen kommen, ist daher auch im Bauverfahren ebenso zu prüfen wie die Frage, ob durch eine allfällige Anhebung des Grundwasserspiegels die Tragfähigkeit des Untergrundes unter Nachbarbauwerken beeinträchtigt wird (VwSlg 17.558 A/2008).

 

VI. Soweit nun die Behörde selbst nicht über ausreichend Sachverstand verfügt, hat sie sich zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts entsprechender tauglicher (grundsätzlich Amts-) Sachverständiger zu bedienen (VwGH 27.1.2016, Ra 2015/05/0042). Bei Sachverständigen i.d.S. handelt es sich um unparteiische Beweispersonen (RIS-Justiz RS0040641), die von der Behörde ausgewählt (VwSlg 12.324 A/1986) und bestellt werden und aufgrund ihrer Fachkenntnis im Auftrag der Behörde rechtserhebliche Tatsachen feststellen (Befund) und aus diesen Tatsachen Schlüsse ziehen (Gutachten i.e.S.). Nicht als Sachverständige i.S.d. § 52 AVG sind demgegenüber von den Parteien beigezogene fachkundige Personen zu werten (Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 52 Rz 28). Daraus ergibt sich, dass alleine die Vorlage von Befunden und Gutachten durch die Parteien die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu ersetzen vermag (vgl. zuletzt VwGH 6.7.2016, Ro 2016/08/0012), sofern sich nicht aus dem Gesetz ausnahmsweise anderes ergibt (VwGH 9.9.2015, 2013/03/0120). Vielmehr sind auch sie grundsätzlich durch von der Behörde beigezogene Sachverständige auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 25.2.2005, 2003/05/0099).

 

Im konkreten Fall holten die Erst- bzw. die belangte Behörde einerseits ein Ortsbildgutachten, eine Stellungnahme der Landesstelle für Brandverhütung und ein (nicht das gesamte Projekt abdeckendes) medizinisches Gutachten ein. Andererseits zog die Erstbehörde der Bauverhandlung einen bautechnischen Amtssachverständigen bei, der sich in dieser Verhandlung zwar zu Fragen der Gebäudehöhe äußerte, seiner Beurteilung aber das ursprüngliche, in weiterer Folge abgeänderte Projekt zugrunde legte. Im Übrigen, näherhin hinsichtlich möglicher Immissionsbelastungen (insbesondere durch die Garage und die Kindertagesstätte) auf der einen und der Tragfähigkeit des Bodens auf dem Baugrundstück auf der anderen Seite beschränkten sie sich auf die von der Bauwerberin vorgelegten Befunde und Gutachten, ohne diese (unter Beiziehung tauglicher Sachverständiger i.S.d § 52 AVG) einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit zu unterziehen. Zur Frage möglicher Auswirkungen des Projekts auf die Standfestigkeit und Trockenheit der Nachbarbauwerke forderten die Erstbehörde bzw. der bautechnische Amtssachverständige von der Bauwerberin zwar ein Gutachten ein (Seite 10 der Niederschrift), begnügte sich in weiterer Folge jedoch mit der geotechnischen Stellungnahme der GZ GmbH vom 4. November 2014, die insoweit keinerlei Ausführungen enthält. Nach der der Bewilligung zugrunde liegenden Projektsänderung wurden seitens der Erst- sowie der belangten Behörde (mit Ausnahme der Wahrung des Parteiengehörs) keinerlei weiteren Ermittlungsschritte mehr gesetzt.

 

VII. Wenngleich das Verwaltungsgericht nach Art. 130 Abs. 4 B-VG bzw. § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat (i.d.S. EBRV 1618 BlgNR 24.GP 13 f; EBRV 2009 BlgNR 24. GP 6 f), gilt dies bei Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht schlechthin. Vielmehr besteht in derartigen Fällen aufgrund der genannten Bestimmungen in Zusammenschau mit § 28 Abs. 3 VwGVG eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zu einer solchen Ergänzung und einer darauf folgenden Sachentscheidung nur dann, wenn dies im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, also das Verfahren insgesamt schneller oder kostengünstiger zu einem Abschluss gebracht werden kann. Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn die belangte Behörde zentrale Sachverhaltsermittlung gänzlich unterlassen oder bloß ansatzweise ermittelt hat (u.a. VwGH 6.7.2016, Ra 2015/01/0123). Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, mwN; 6.7.2016, Ra 2015/01/0123). Ist dies der Fall, besteht keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur Sachentscheidung und kann es sich auf eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zurückziehen (vgl. VwSlg 11.795 A/1985; VwGH 9.12.1986, 84/05/0097; 24.9.1992, 91/06/0235; VwGH 17.2.1994, 93/06/0242; 5.5.1994, 94/06/0006; 20.10.1994, 94/06/0137; 25.6.1996, 95/05/0293). Untermauert wird dies durch das – aus ihrem in Art. 130 Abs. 1 B-VG umschriebenen Aufgabenbereich erschließbaren (EBRV 1618 BlgNR 24.GP 12) – Wesen der Verwaltungsgerichte als zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit, nicht jedoch zur Führung der Verwaltung berufene Einrichtungen. Mit diesem ist es nämlich – nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Gewaltentrennung – unvereinbar, dass es sich beim Verwaltungsgericht um jene Behörde handelt, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt – wenn auch nur in einem Teilaspekt – ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (i.d.S. VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315). Demgemäß statuiert die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ein grundsätzlich eingliedriges Administrativverfahren mit nachgeordneter Kontrolle durch das Verwaltungsgericht und schließlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, wobei es den Verwaltungsbehörden zukommt, den gesamten für die Entscheidung relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Dieses System würde aber völlig unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens – wenn auch nur zu einem wesentlichen Teilaspekt – vor das Verwaltungsgericht käme. Nicht nur, dass dadurch im Ergebnis der gesetzlich intendierte Instanzenzug verkürzt würde, was mit den allgemeinen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht in Einklang stünde (z.B. VwGH 29.4.2013, 2010/16/0089 m.w.N.), würde die Einrichtung der verwaltungsbehördlichen Instanz damit zur bloßen Formsache (vgl. VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; 12.9.2013, 2013/21/0118).

 

Im konkreten Fall liegen der angefochtenen Entscheidung über weite Strecken bloß die von der Bauwerberin vorgelegten (wenn auch von sachverständigen Personen erstellten) Antragsunterlagen zugrunde, ohne dass diese von der Behörde bzw. von ihr beigezogenen Sachverständigen auf ihre Richtigkeit geprüft worden wären. Hinsichtlich der Frage der Auswirkung des Vorhabens auf die Trockenheit und Standfestigkeit der Nachbargebäude zogen sich die Verwaltungsbehörden schließlich darauf zurück, der Bauwerberin die Vorlage eines entsprechenden Gutachtens aufzutragen, ließen insoweit aber schlussendlich die geotechnische Stellungnahme der GZ GmbH vom 4. November 2014 genügen, obwohl diese insoweit keinerlei Aussagen enthält. Zum abgeänderten, der Bewilligung zugrunde liegenden Projekt fehlt schließlich jegliche Ermittlungstätigkeit (sowohl durch die Erst- als auch durch die belangte Behörde). Vor diesem Hintergrund rechtfertigen sowohl die über weite Strecken gänzlich unterbliebenen Ermittlungen sowie der Umstand, dass zur Frage der Auswirkung des Vorhabens auf die Trockenheit und Standfestigkeit der Nachbargebäude trotz Erkennens der Notwendigkeit entsprechender Feststellungen nicht einmal von der Bauwerberin entsprechende Befunde bzw. Gutachten eingefordert wurden, vor dem Hintergrund der obzitierten Rechtsprechung die Kassation der angefochtenen Entscheidung.

 

VIII. Mit der nunmehrigen Entscheidung in der Sache ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos und kann ein gesonderter Abspruch hierüber entfallen (VwGH 30.1.2015, Ra 2014/02/0174).

 

IX. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.

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