AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I416.2169252.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Dr. Christian SCHMAUS, Chwallagasse 4/11, 1060 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.11.2015 gab er hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, ursprünglich bereits im Jahr 2005 - gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder - den Irak verlassen zu haben, nachdem sein Vater mehrfach „von unbekannten Personen“ bedroht worden sei. Der Vater habe ein Schreiben bekommen in welchem er aufgefordert worden sei, das Land zu verlassen. Nachdem die Familie darauf hin ihren Wohnort gewechselt habe, habe er dieses Schreiben erneut erhalten. Einige Tage darauf sei ein Freund des Vaters des Beschwerdeführers getötet worden, wobei der Vater in weiterer Folge ein weiteres Schreiben erhalten habe, in welchem ausgeführt worden sei, dass er „der Nächste sei“. Daher habe die Familie des Beschwerdeführers den Irak verlassen und sich ab dem Jahr 2005 zunächst in Syrien niedergelassen, sei jedoch – nachdem dort der Krieg ausgebrochen sei – im Jahr 2013 wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Nachdem sie nach ihrer Rückkehr in den Irak jedoch abermals bedroht worden seien, sei die Familie in die Türkei geflüchtet. Auf die Frage, ob es denn konkrete Hinweise gebe, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe, gab er zu Protokoll, dass es „jemanden“ gebe „der einen ähnlichen Namen hat wie wir“, deshalb werde die Familie von der Regierung gesucht. Aufgrund dessen befürchte er, „dass sie mich in ein Gefängnis werfen und ich nicht mehr rauskomme“.
2. Am 20.07.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) einvernommen. Hierbei gab er - befragt zu seinen Fluchtgründen – an, dass es im Jahr 2005 zu konfessionellen Konflikten im Irak gekommen sei und sich schiitische Milizen formiert hätten, welche willkürlich Sunniten getötet hätten. Ein Nachbar der Familie des Beschwerdeführers, welcher selbst Schiit gewesen sei, habe gehört, dass eine Liste von Personen aus der Wohngegend existieren würde, welche getötet werden sollten. Auf dieser Liste sei auch der Vater des Beschwerdeführers gestanden, woraufhin die Familie zu Verwandten gezogen sei. Schiiten hätten das Haus der Familie des Beschwerdeführers verwüstet und übernommen. Im Juli 2005, nachdem sein Vater den Irak bereits verlassen habe und vor der übrigen Familie nach Syrien gegangen sei, sei der Beschwerdeführer während einer Durchsuchung des Hauses seines Großvaters von schiitischen Milizen entführt worden, nachdem diese ihm vorgeworfen hätten, die Durchsuchung zu stören. Nachdem seine Mutter Lösegeld bezahlt habe, habe man den Beschwerdeführer nach zwei Stunden wieder freigelassen und sei er daraufhin mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern - einem Bruder und einer Schwester - ebenfalls nach Syrien ausgereist. Im Falle seiner Rückkehr in den Irak befürchte der Beschwerdeführer abermals entführt zu werden. Eine von den staatlichen Behörden ausgehende Verfolgung befürchte er hingegen nicht. Im Rahmen dieser Verhandlung brachte der Beschwerdeführe diverse Integrationsunterlagen, ein Schulzeugnis aus Syrien, eine Sterbeurkunde seines Cousins aus dem Jahr 2012, eine behördliches Dokument, wonach sein Vater im Jahr 2015 eine amtliche Namensberichtigung im Irak durchgeführt habe, sowie ein auf den Beschwerdeführer ausgestelltes "UNHCR Refugee Certificate" aus der Türkei von 2013 und ein weiteres "UNHCR Refugee Certificate" aus Syrien von 2011, lautend auf seinen Vater, auf welchem jedoch auch dessen Ehefrau und drei Kinder, darunter der Beschwerdeführer, vermerkt sind, in Vorlage. Bereits im Vorfeld dieser Einvernahme hatte der Beschwerdeführer der belangten Behörde überdies seinen irakischen Personalausweis sowie seine irakische Staatsbürgerschaftskarte übermittelt.
3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 08.08.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß „§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak gemäß „§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG“ (Spruchpunkt II.) ab. Zugleich wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt, gemäß „§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen und gemäß „§ 52 Abs. 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß „§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG“ mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
4. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 25.04.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert.
5. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I416 neu zugewiesen.
6. Mit Schriftsatz vom 17.12.2020 ("I. Vollmachtsbekanntgabe, II. Urkundenvorlage") übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht ein Konvolut an Integrationsunterlagen.
7. Mit Schriftsatz vom 13.04.2021 ("Stellungnahme & Urkundenvorlage in Vorbereitung auf die mündliche Beschwerdeverhandlung am 20.04.2021") brachte der Beschwerdeführer im Vorfeld der für den 20.04.2021 anberaumten Beschwerdeverhandlung eine weitere schriftliche Stellungnahem unter Anschluss von Integrationsunterlagen sowie Beweismitteln beim Bundesverwaltungsgericht ein. U.a. wurde in dem Schreiben ausgeführt, dass dem Vater des Beschwerdeführers zwischenzeitlich in Finnland der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei und Kopien von dessen finnischen Konventionsreisepass sowie finnischer Aufenthaltsberechtigungskarte, überdies polizeilicher Unterlagen betreffend die angebliche Ermordung eines Onkels des Beschwerdeführers in Bagdad im Jahr 2018, angeschlossen.
8. Am 20.04.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung sowie seiner Lebensgefährtin J.B. als Zeugin abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung noch vier von ihm verfasste Bewerbungsschreiben aus dem Jahr 2019 in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.
Er leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung, welche einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegensteht und ist erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein, wo er sich seit (spätestens) 10.11.2015 aufhält.
Er stammt aus Bagdad, wo er bis zu seinem zwölften Lebensjahr mit seinen Eltern, einem Bruder und einer Schwester gelebt und fünf Jahre die Schule besucht hat. Im Anschluss übersiedelte er mit seiner Familie nach Syrien, wo er für sechs weitere Jahre die Schule besucht hat. Im Jahr 2013 kehrte die Familie kurzzeitig in den Irak zurück, wo dem Beschwerdeführer, seiner Mutter und seinen Geschwistern Visa für die Türkei ausgestellt wurden und sie in weiterer Folge in die Türkei übersiedelten, während der Vater im Irak blieb. Im Sommer 2015 kehrte der Beschwerdeführer, nachdem er sich temporär auch in Georgien aufgehalten hatte, noch ein weiteres Mal für etwa zwei Monate nach Bagdad zurück, ehe er abermals in die Türkei ausreiste und von dort aus schlussendlich seine Ausreise nach Europa antrat. Er hat in der Türkei Berufserfahrung als Koch, als Dolmetscher sowie als Hilfsarbeiter gesammelt. Seine Mutter und seine Geschwister leben nach wie vor in der Türkei, während sein Vater mittlerweile als Asylberechtigter in Finnland lebt. In Bagdad leben noch zumindest ein Großvater, Onkeln sowie Tanten und zumindest eine Cousine des Beschwerdeführers, welche Frauenärztin ist.
In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Angehörigen, führt jedoch seit dem Frühjahr 2018 eine Beziehung mit der österreichischen Staatsangehörigen J.B., wobei seit 09.11.2018 ein gemeinsamer Wohnsitz besteht. J.B. und der Beschwerdeführer hatten sich kennengelernt, als J.B. als Betreuerin für eine Hilfsorganisation in der damaligen Flüchtlingsunterkunft des Beschwerdeführers tätig war. Zum Entscheidungszeitpunkt bestreitet J.B. ihren Lebensunterhalt als Angestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei. Es besteht kein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihr und dem Beschwerdeführer. Insbesondere aufgrund der Beziehung zu J.B. hat der Beschwerdeführer in Österreich überdies diverse Bekanntschaften, vorwiegend zu Freunden und Verwandten von J.B., geschlossen.
Der Beschwerdeführer ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und bestreitet seinen Lebensunterhalt seit seiner Einreise über die staatliche Grundversorgung.
Er hat in den Jahren 2017 und 2018 wiederholt Remunerantentätigkeiten für eine Stadtgemeinde geleistet, hat eine Einstellungszusage eines Lebensmittelhändlers und spricht Deutsch auf Sprachniveau A2.
Er ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak aufgrund seiner sunnitischen Konfession, seines Namens oder seines familiären Hintergrundes der Gefahr einer Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre.
Er wird im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:
Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:
1.3.1. Allgemeine Sicherheitslage:
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).
Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).
Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/ , Zugriff 13.3.2020
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/ , Zugriff 13.3.2020
- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf , Zugriff 13.3.2020
- Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html , Zugriff 13.3.2020
- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html , Zugriff 13.3.2020
- Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html , Zugriff 13.3.2020
- Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02 , Zugriff 13.3.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020 , Zugriff 13.3.2020
- FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710 , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html , Zugriff 13.3.2020
- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/ , Zugriff 13.3.2020
- New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations , Zugriff 13.3.2020
- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9 , Zugriff 13.3.2020
- Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5 , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html , Zugriff 13.3.2020
1.3.2. Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen:
Die Zahl der durch Gewalt ums Leben gekommenen ist zwischen 2017 und 2019 erheblich gesunken. Waren 2015 noch etwa 17.500 zivile Gewaltopfer im Irak zu beklagen, so ist diese Zahl im Jahr 2020 auf 902 Gewaltopfer gesunken. Im Jahr 2021 gab es nach vorläufigen geschätzten Angaben bis April nur noch 235 zivile Todesopfer im Irak (Statista 6.5.2021).
Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Februar 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020).
Der Rückgang an Vorfällen mit IS-Bezug Ende 2019 wird mit den Anti-Regierungsprotesten in Zusammenhang gesehen, da der IS bereits in den vorangegangenen Jahren seine Angriffe während solcher Proteste reduziert hat. Schließlich verstärkte der IS seine Angriffe wieder (Joel Wing 3.2.2020).
Quellen:
- ACCORD (26.2.2020): Irak, 4. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2025321/2018q4Iraq_de.pdf , Zugriff 13.3.2020
- IBC - Iraq Bodycount (2.2020): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/ , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html , Zugriff 13.3.2020
- Statista Research Department - deutsches Online-Portal für Statistik (6.5.2021): Anzahl der dokumentierten zivilen Todesopfer im Irakkrieg und in den folgenden Jahren von 2003 bis 2021*, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163882/umfrage/dokumentierte-zivile-todesopfer-im-irakkrieg-seit-2003/#professional , Zugriff 11.5.2021
1.3.3. Sicherheitslage Bagdad:
Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).
Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).
Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staate (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019; Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).
Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020).
Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).
Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020).
Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.
Quellen:
- Al Monitor (11.3.2016): The rise of Islamic State sleeper cells in Baghdad, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-baghdad-belts-harbor-islamic-state.html , Zugriff 13.3.2020
- ISW - Institute for the Study of War (2008): Baghdad Belts, http://www.understandingwar.org/region/baghdad-belts , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html , Zugriff 13.3.2020
- OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, http://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf , Zugriff 13.3.2020
Im Einklang mit der allgemeinen Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2018 und 2019 wird auch über Bagdad berichtet, dass sich die Sicherheitslage dort weitgehend stabilisiert hat. Über das Jahr 2018 hinweg blieben Überreste des IS in den Vororten von Bagdad („Bagdad-Gürtel“) aktiv und starteten gelegentliche USBV-Angriffe auf zivile Ziele. Es wird jedoch berichtet, dass die Fähigkeit des IS, Großanschläge mit hohen Opferzahlen durchzuführen, signifikant zurückgegangen ist. Anfang 2019 wurde berichtet, dass der IS sich weitgehend zurückgezogen hat, während die ISF ihre Kontrolle über den „Bagdad-Gürtel“ verstärkte, wodurch die Sicherheitsvorfälle noch weiter abnahmen. Jedoch soll der IS im April 2019 versucht haben, seine Stützzone in den südwestlichen Gegenden des Bagdad-Gürtels auszudehnen. Während es in den vergangenen Jahren Berichte über fast tägliche Entführungen aus politischen Gründen oder gegen Lösegeld gab, wurde für das Jahr 2018 und Anfang 2019 diesbezüglich von einem Rückgang berichtet. In Bagdad ereignen sich nach wie vor Fälle gezielter Tötungen hochrangiger Persönlichkeiten.
In Bezug auf die Lage in der Stadt Bagdad vertritt UNHCR die Ansicht, dass die einzigen Personengruppen, hinsichtlich derer keine externe Unterstützung vorauszusetzen ist, arabisch-schiitische und arabisch-sunnitische alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer und kinderlose Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten sind. Abhängig von den jeweiligen Umständen sind solche Personen möglicherweise in der Lage, in der Stadt Bagdad ohne Unterstützung durch ihre Familie und/oder ihren Stamm zu bestehen.
Quellen:
- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen (Mai 2019): https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2020/01/Schutzerwägungen-Irak-2019-korrigiert.pdf , S 23f sowie S 141, Zugriff 10.3.2021
Im Jahr 2019 wurden in Bagdad insgesamt 42 sicherheitsrelevante Vorfälle im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten verzeichnet, welche zu 37 zivilen Todesopfern und 13 verletzten Zivilpersonen geführt hatten. Die Anzahl ziviler Todesopfer belief sich hierbei nur noch auf gut ein Zehntel des Vorjahres 2018, wo diese noch bei 398 lag (und sich bereits im Vergleich zu den noch 728 zivilen Todesopfern des Jahres 2017 mehr als halbiert hatte).
Zwischen 1. Jänner und 31. Juli 2020 kam es in Bagdad nur noch zu vier sicherheitsrelevanten Vorfällen im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten, welche zu drei zivilen Todesopfern und fünf verletzten Zivilpersonen geführt hatten.
Quellen:
- EASO Country of Origin Information Report: Iraq, Security Situation (October 2020), https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/10_2020_EASO_COI_Report_Iraq_Security_situation.pdf , S 80f, Zugriff 10.3.2021
- EASO Country of Origin Information Report: Iraq, Security Situation (March 2019), https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/publications/EASO-COI-Report-Iraq-Security-situation.pdf , S 77, Zugriff 10.3.2021
Im Gouvernement Bagdad ereignen sich nach wie vor sicherheitsrelevante Vorfälle, jedoch nicht flächendeckend und mit derartiger Regelmäßigkeit, dass automatisch Gründe vorliegen würden um die Annahme zu rechtfertigen, dass eine nach Bagdad zurückkehrende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
Quellen:
- EASO Country Guidance: Iraq, Guidance note and common analysis (January 2021), https://easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf , S 136, Zugriff 8.3.2020
1.3.4. Protestbewegung:
Seit 2014 gibt es eine Protestbewegung, in der zumeist junge Leute in Scharen auf die Straße strömen, um bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus zu fordern (WZ 9.10.2018).
So kam es bereits 2018 im Südirak zu weitreichenden Protesten in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Ebenso kam es im Jahr 2019 zu Protesten, wobei pro-iranische Volksmobilisierungskräfte (PMF) beschuldigt wurden, sich an der Unterdrückung der Proteste beteiligt und Demonstranten sowie Menschenrechtsaktivisten angegriffen zu haben (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera 25.10.2019).
Seit dem 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Eine weitere Forderung der Demonstranten ist die Abschaffung des ethnisch-konfessionellen Systems (muhasasa) zur Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019).
Im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Im Zuge der Proteste kam es in mehreren Gouvernements von Seiten anti-iranischer Demonstranten zu Brandanschlägen auf Stützpunkte pro-iranischer PMF-Fraktionen und Parteien, wie der Asa‘ib Ahl al-Haq, der Badr-Organisation, der Harakat al-Abdal, Da‘wa und Hikma (Carnegie 14.11.2019; vgl. ICG 10.10.2019), sowie zu Angriffen auf die iranischen Konsulate in Kerbala (RFE/RL 4.11.2019) und Najaf (RFE/RL 1.12.2019).
Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig riefen die Behörden im Oktober und November 2019 Ausgangssperren aus (AI 18.2.2020; vgl. Al Jazeera 5.10.2019; ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und implementierten zeitweilige Internetblockaden (UNAMI 10.2019; vgl. AI 18.2.2020; USDOS 11.3.2020).
Die irakische Menschenrechtskommission berichtete Ende Dezember 2019, dass seit Beginn der Proteste am 1.10.2019 mindestens 490 Demonstranten getötet wurden (AAA 28.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020), darunter 33 Aktivisten, die gezielt getötet wurden. Mehr als 22.000 Menschen wurden verletzt. 56 Demonstranten gelten nach berichteten Entführungen als vermisst, während zwölf weitere wieder freigelassen wurden (AAA 28.12.2019). Mitte Jänner 2020 berichtet Amnesty International von 600 Toten Demonstranten seit Beginn der Proteste (AI 23.1.2020).
Quellen:
- AAA - Asharq Al-Awsat (28.12.2019): Iraq: Human Rights Commission Says 490 Protesters Killed Since October, https://aawsat.com/english/home/article/2056146/iraq-human-rights-commission-says-490-protesters-killed-october , Zugriff 13.3.2020
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2025831.html , Zugriff 13.3.2020
- AI - Amnesty International (23.1.2020): Iraq: Protest death toll surges as security forces resume brutal repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023297.html , Zugriff 13.3.2020
- Al Jazeera (25.10.2019): Dozens killed as fierce anti-government protests sweep Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/dozens-killed-fierce-anti-government-demonstrations-sweep-iraq-191025171801458.html , Zugriff 13.3.2020
- Al Jazeera (5.10.2019): Iraq PM lifts Baghdad curfew, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/iraq-pm-lifts-baghdad-curfew-191005070529047.html , Zugriff 13.3.2020
- Al Mada (2.10.2019): ساحاتالاحتجاجتتحولإلىمناطقحرب („Proteste werden zu Kriegsgebieten“), https://almadapaper.net/view.php?cat=221822 , Zugriff 13.3.2020
- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq , Zugriff 13.3.2020
- BBC News (4.10.2019): Iraq protests: 'No magic solution' to problems, PM says, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-49929280 , Zugriff 13.3.2020
- Carnegie - Carnegie Middle East Center (14.11.2019): How Deep Is Anti-Iranian Sentiment in Iraq?, https://carnegie-mec.org/diwan/80313 , Zugriff 13.3.2020
- Diyaruna (7.8.2019): Iran-backed militias suppress Iraqi protests, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/08/07/feature-01 , Zugriff 13.3.2020
- ICG - International Crisis Group (10.10.2019): Widespread Protests Point to Iraq’s Cycle of Social Crisis, https://www.ecoi.net/de/dokument/2018263.html , Zugriff 13.3.2020
- ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq’s summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/b61-how-cope-iraqs-summer-brushfire , Zugriff 13.3.2020
- ISW - Institute for the Study of War (22.10.2019): Iraq's Sustained Protests and Political Crisis, https://iswresearch.blogspot.com/2019/10/iraqs-sustained-protests-and-political.html , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq’s October Protests Escalate And Grow, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-and-grow.html , Zugriff 13.3.2020
- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html , Zugriff 13.3.2020
- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.12.2019): Iraqi Protesters Torch Iranian Consulate For Second Time Within Week, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022938.html , Zugriff 13.3.2020
- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.11.2019): Security Forces Shoot At Baghdad Protesters, Several Killed In Karbala, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019395.html , Zugriff 13.3.2020
- Rudaw (13.10.2019): Iraq launches probe into killing of protesters, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/13102019 , Zugriff 13.3.2020
- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (10.2019): Demonstrations in Iraq; 1-9 October 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019889/UNAMI_Special_Report_on_Demonstrations_in_Iraq_22_October_2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020
- WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=994916&em_loc=69&em_ref=/nachrichten/welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politik/Ausland&em_absatz_bold=0 , Zugriff 13.3.2020
1.3.5. Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha’bi:
Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017; vgl. FPRI 19.8.2019; Clingendael 6.2018; Wilson Center 27.4.2018). Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen (GIZ 1.2020a; vgl. FPRI 19.8.2019; Wilson Center 27.4.2018) und werden vorwiegend vom Iran unterstützt (GS 18.7.2019). PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS (Reuters 29.8.2019). Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei (Wilson Center 27.4.2018).
Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Die pro-iranischen schiitischen Milizen, die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen, und die nicht schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen „Widerstandseinheiten Schingal“. Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 11.3.2020; vgl. Clingendael 6.2018). In einigen Städten, vor allem in Gebieten, die früher vom IS besetzt waren, dominieren PMF die lokale Sicherheit. In Ninewa stellen sie die Hauptmacht dar, während die reguläre Armee zu einer sekundären Kraft geworden ist (Reuters 29.8.2019).
Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien, unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mossul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.1.2019). Vertreter und Verbündete der PMF haben Parlamentssitze inne und üben Einfluss auf die Regierung aus (Reuters 29.8.2019).
Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.1.2019; vgl. FPRI 19.8.2019). Leiter der PMF-Dachorganisation, der al-Hashd ash-Sha‘bi-Kommission, ist Falah al-Fayyad, dessen Stellvertreter Abu Mahdi al-Mohandis eng mit dem Iran verbunden war (Al-Tamini 31.10.2017). Viele PMF-Brigaden nehmen Befehle von bestimmten Parteien oder konkurrierenden Regierungsbeamten entgegen, von denen der mächtigste Hadi Al-Amiri ist, Kommandant der Badr Organisation (FPRI 19.8.2019). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen sie, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten des Assad-Regimes in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind (USDOS 13.3.2019).
Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und den iranischen Revolutionsgarden. Es ist keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch den Premierminister und die ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 13.3.2019).
In vielen der irakischen Sicherheitsoperationen übernahm die PMF eine Führungsrolle. Als Schnittstelle zwischen dem Iran und der irakischen Regierung gewannen sie mit der Zeit zunehmend an Einfluss (GS 18.7.2019).
Am 1.7.2019 hat der irakische Premierminister Adel Abdul Mahdi verordnet, dass sich die PMF bis zum 31.7.2019 in das irakische Militär integrieren müssen (FPRI 19.8.2019; vgl. TDP 3.7.2019; GS 18.7.2019), oder entwaffnet werden müssen (TDP 3.7.2019; vgl. GS 18.7.2019). Es wird angenommen, dass diese Änderung nichts an den Loyalitäten ändern wird, dass aber die Milizen aufgrund ihrer nun von Bagdad bereitgestellte Uniformen nicht mehr erkennbar sein werden (GS 18.7.2019). Einige Fraktionen werden sich widersetzen und versuchen, ihre Unabhängigkeit von der irakischen Regierung oder ihre Loyalität gegenüber dem Iran zu bewahren (FPRI 19.8.2019). Die Weigerung von Milizen, wie der 30. Brigade bei Mossul, ihre Posten zu verlassen, weisen auf das Autoritätsproblem Bagdads über diese Milizen hin (Reuters 29.8.2019).
Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa‘ib Ahl al-Haqq und den Kata’ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen bezüglich Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF (AA 12.1.2019).
Die PMF gehen primär gegen Personen vor, denen eine Verbindung zum IS nachgesagt wird, bzw. auch gegen deren Familienangehörigen. Betroffen sind meist junge sunnitische Araber und in einer Form der kollektiven Bestrafung sunnitische Araber im Allgemeinen. Es kann zu Diskriminierung, Misshandlungen und auch Tötungen kommen (DIS/Landinfo 5.11.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Einige PMF gehen jedoch auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten vor (USDOS 11.3.2020).
Die PMF sollen, aufgrund guter nachrichtendienstlicher Möglichkeiten, die Fähigkeit haben jede von ihnen gesuchte Person aufspüren zu können. Politische und wirtschaftliche Gegner werden unabhängig von ihrem konfessionellen oder ethnischen Hintergrund ins Visier genommen. Es wird als unwahrscheinlich angesehen, dass die PMF über die Fähigkeit verfügen, in der Kurdischen Region im Irak (KRI) zu operieren. Dementsprechend gehen sie nicht gegen Personen in der KRI vor. Nach dem Oktober 2017 gab es jedoch Berichte über Verstöße von PMF-Angehörigen gegen die kurdischen Einwohner in Kirkuk und Tuz Khurmatu, wobei es sich bei den angegriffenen zumeist um Mitglieder der politischen Partei KDP und der Asayish gehandelt haben soll (DIS/Landinfo 5.11.2018).
Geleitet wurden die PMF von Jamal Jaafar Mohammad, besser bekannt unter seinem Nom de Guerre Abu Mahdi al-Mohandis, einem ehemaligen Badr-Kommandanten, der als rechte Hand von General Qasem Soleimani, dem Chef der iranischen Quds-Brigaden fungierte (GS 18.7.2019). Am 3.1.2020 wurden Abu Mahdi Al-Muhandis und Generalmajor Qassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff in Bagdad getötet (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020). Als Rechtfertigung diente unter anderem ein Raketenangriff, der der Kataib-Hezbollah (KH) zugeschrieben wurde, auf einen von US-Soldaten genutzten Stützpunkt in Kirkuk, bei dem ein Vertragsangestellter getötet wurde (MEMO 21.2.2020). Infolge dessen kam es innerhalb der PMF zu einem Machtkampf zwischen den Fraktionen, die einerseits dem iranischen Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei, andererseits dem irakischen Großayatollah Ali as-Sistani nahe stehen (MEE 16.2.2020).
Der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei ernannte Brigadegeneral Esmail Ghaani als Nachfolger von Soleimani (Al Monitor 23.2.2020). Am 20.2.2020 wurde Abu Fadak Al-Mohammedawi zum neuen stellvertretenden Kommandeur der PMF ernannt (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020). Vier PMF-Fraktionen, die dem schiitischen Kleriker Ayatollah Ali as-Sistani nahe stehen, haben sich gegen die Ernennung Mohammadawis ausgesprochen und alle PMF-Fraktionen aufgefordert, sich in die irakischen Streitkräfte unter dem Oberbefehl des Premierministers zu integrieren (Al Monitor 23.2.2020).
Asa‘ib Ahl al-Haqq
Die Asa‘ib Ahl al-Haqq (AAH; Liga der Rechtschaffenen oder Khaz‘ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz‘ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak (Süß 21.8.2017). Sie ist eine Abspaltung von As-Sadrs Mahdi-Armee und im Gegensatz zu As-Sadr pro-iranisch (Clingendael 6.2018). Asa‘ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern (Süß 21.8.2017). Asa‘ib Ahl al-Haqq bildet die 41., 42. und 43. der PMF-Brigaden (Wilson Center 27.4.2018; vgl. Al-Tamini 31.10.2017). Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata’ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierungskräfte, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Qais al Khaz‘ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017; vgl. Wilson Center 27.4.2018).
Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF
Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).
Die PMF genießen auch breite Unterstützung in der irakischen Bevölkerung für ihre Rolle im Kampf gegen den Islamischen Staat nach dem teilweisen Zusammenbruch der irakischen Armee im Jahr 2014 (TDP 3.7.2019). Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen, wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017).
Einige PMF haben sich Einkommensquellen erschlossen, die sie nicht aufgeben wollen, darunter Raub, Erpressung und Altmetallbergung (FPRI 19.8.2019). Es wird angenommen, dass die PMF einen Teil der lokalen Wirtschaft in Ninewa kontrollieren, was von diesen zurückgewiesen wird (Reuters 29.8.2019). Im Norden und Westen des Irak haben Amtspersonen und Bürger über Schikanen durch PMF-Milizen und deren Eingreifen in die Stadtverwaltungen und das alltägliche Leben berichtet. Damit geht der Versuch einher, bisweilen unter Einsatz von Demütigungen und Prügel, Kontrolle über Bürgermeister, Distrikt-Vorsteher und andere Amtsträger auszuüben (ACCORD 11.12.2019). In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mossul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018).
Neben der Finanzierung durch den irakischen sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf – mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem so hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen – oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind und waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind (Posch 8.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html , Zugriff 13.3.2020
- Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html , Zugriff 13.3.2020
- Al-Tamini - Aymenn Jawad Al-Tamimi (31.10.2017): Hashd Brigade Numbers Index, http://www.aymennjawad.org/2017/10/hashd-brigade-numbers-index , Zugriff 13.3.2020
- Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (6.2018): Power in perspective:Four key insights into Iraq’s Al-Hashd al-Sha’abi, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-06/PB_Power_in_perspective.pdf , Zugriff 13.3.2020
- DIS/Landinfo - Danish Immigration Service; Norwegian Country of Origin Information Center (5.11.2018): Northern Iraq: Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), https://www.ecoi.net/en/file/local/1450541/1226_1542182184_iraq-report-security-idps-and-access-nov2018.pdf , Zugriff 13.3.2020
- ICG - International Crisis Group (30.7.2018): Iraq’s Paramilitary Groups: The Challenge of Rebuilding a Functioning State, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/188-iraqs-paramilitary-groups-challenge-rebuilding-functioning-state , Zugriff 13.3.2020
- FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/ , Zugriff 13.3.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/ , Zugriff 13.3.2020
- GS - Global Security (18.7.2019): Hashd al-Shaabi / Hashd Shaabi, Popular Mobilisation Units / People’s Mobilization Forces, https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hashd-al-shaabi.htm , Zugriff 13.3.2020
- MEE - Middle East Eye (16.2.2020): Iran and Najaf struggle for control over Hashd al-Shaabi after Muhandis's killing, https://www.middleeasteye.net/news/iran-and-najaf-struggle-control-over-hashd-al-shaabi-after-muhandis-killing , Zugriff 13.3.2020
- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/ , Zugriff 13.3.2020
- Posch, Walter (8.2017): Schiitische Milizen im Irak und in Syrien –Volksmobilisierungseinheiten und andere, per E-mail
- Reuters (29.8.2019): Baghdad's crackdown on Iran-allied militias faces resistance, https://www.reuters.com/article/us-iraq-militias-usa/baghdads-crackdown-on-iran-allied-militias-faces-resistance-idUSKCN1VJ0GS , Zugriff 13.3.2020
- Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 13.3.2020
- TDP - The Defense Post (3.7.2019): Mahdi orders full integration of Shia militias into Iraq’s armed forces, https://thedefensepost.com/2019/07/03/iraq-mahdi-orders-popular-mobilization-units-integration/ , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004254.html , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020
- Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq , Zugriff 13.3.2020
1.3.6. Sunnitische Araber:
Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019). Bei willkürlichen Verhaftungen meist junger sunnitischer Männer wird durch die Behörden auf das Anti-Terror-Gesetz verwiesen, welches das Recht auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren vorenthält (USDOS 21.6.2019). Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.1.2019).
Es gibt zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, PMF und Peshmerga (USDOS 11.3.2020). Noch für das Jahr 2018 gibt es Hinweise auf außergerichtliche Hinrichtungen von sunnitischen Muslimen in und um Mossul (USCIRF 4.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html , Zugriff 13.3.2020
1.3.6.1. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative für arabische Sunniten im Irak:
Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens eines Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden, da die Regionen fürchten, dass sich IS-Kämpfer unter den Schutzsuchenden befinden.
Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen von Nöten, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.
Quellen:
- Australian Government (26.06.2017): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 17.07.2020
- IOM - International Organization for Migration (17.05.2017): Iraq Mission, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , Zugriff 17.07.2020
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, June 2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff 17.07.2020
Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in Erbil frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragen. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.
Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region Sulaimaniyya zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodann den Daueraufenthalt beantragen. In Sulaimaniyya ist nach Berichten der UNHCR kein Bürge notwendig, um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in Sulaimaniyya in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in Sulaimaniyya am Bildungssystem teilhaben. Binnengeflüchtete haben in dort die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.
In Bagdad gibt es mehrere sunnitisch mehrheitlich bewohnte Stadtviertel. Zur Einreise von sunnitischen Arabern in das Stadtgebiet Bagdads müssen sich diese einem Sicherheitscheck unterziehen, vor allem, wenn sie aus vom IS dominierten Gebieten kommen. Darüber hinaus kann es notwendig werden, einen Bürgen vorzuweisen. Auch um Bagdad herum gibt es Flüchtlingslager und Aufnahmestationen.
Quellen:
- IOM - International Organization for Migration (17.05.2017): Iraq Mission, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , Zugriff 17.07.2020
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (12.04.2017): Iraq: Relevant COI for assessments on the availability of an internal flight or relocation alternative (IFA/IRA); Ability of persons ariginating from (previously or currently) ISIS-held or conflict areas to legally access and remain in proposed areas of relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf , Zugriff 17.07.2020
1.3.6.2. Schiitische und sunnitische Namensgebung:
Quellen zufolge ist es im Irak schwierig, allein aufgrund des Namens einer Person festzustellen, ob diese Sunnit oder Schiit ist. Traditionell sind Namen wie XXXX , Abu Bakr und Yazid sunnitische Namen, während Ali, Hassan und Hussein als schiitisch gelten. Mehrere Quellen berichten, dass die Namen Ali und Hussein im Irak jedoch als neutral angesehen werden können, da sie sowohl bei Sunniten als auch bei Schiiten beliebt sind.
Eine große Zahl von Irakern hat es seit der US-geführten Invasion des Irak 2003 und den darauf folgenden konfessionell motivierten Unruhen, die 2008 wieder abebbten, vermieden, ihren Kindern Namen mit religiöser Konnotation zu geben.
Die finnische Asylbehörde Finnish Immigration Service (FIS) berichtet am 29.04.2015, dass Sunniten aufgrund ihrer Namen Probleme an Kontrollpunkten erlebt haben. Bereits von 2003 bis 2005, während des konfessionell motivierten Konflikts, erwarben viele Iraker zwei Ausweispapiere, einen mit einem sunnitischen Namen und einen weiteren mit einem schiitischen Namen. Dies galt insbesondere für Menschen, die aus beruflichen Gründen zwischen verschiedenen Stadtteilen pendeln mussten. Das Gleiche gilt bis heute.
XXXX scheint einer der Namen zu sein, die Sunniten Probleme bereiten. So gab es bereits während des Bürgerkriegs 2006 Probleme in Bezug auf den Namen XXXX . Im Juli 2006 fand die Polizei 14 junge Männer tot in Bagdad auf. Die mit Kopfschüssen getöteten Männer waren alles Sunniten, die den Vornamen XXXX trugen. Unterdessen haben Schiiten Berichten zufolge, aufgrund ihrer Namen, Probleme durch sunnitische militante Gruppen wie den Islamischen Staat (IS) erlebt.
Al-Monitor ist eine Onlinezeitung mit Sitz in Washington, DC., welche durch eigene und übersetzte Inhalte Reportagen und Analysen über den Nahen Osten bietet. Am 24.9.2013 berichtet Al-Monitor, dass während des Bürgerkriegs im Irak von 2006 bis 2008 sowohl bewaffnete sunnitische als auch schiitische Gruppen Kontrollpunkte errichtet haben, um Angehörige der jeweils anderen Glaubensrichtung aufzugreifen und zu töten, wobei zur Identifizierung ihrer Opfer meist auf Namen mit religiöser und historischer Konnotation zurückgegriffen wurde. Zum Beispiel ist XXXX ein sunnitischer Name, während Abdel-Hussein schiitisch ist.
Jene, die eine neutrale Haltung einnehmen und sich nicht um ihre Religionszugehörigkeit kümmern, werden von den Bewaffneten beider Glaubensrichtungen als potenzielle Opfer betrachtet, da sie kleine religiöse Details, Begriffe und Verhaltensweisen, die als Beweise für ihre religiöse Zugehörigkeit herangezogen werden, nicht beachten.
Quellen:
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Irak: Schiitische und sunnitische Namensgebung (17.6.2019): https://www.ecoi.net/en/file/local/2010697/IRAK_MR_MIN_schiitische -sunnitische Namensgebung_2019_06_17_KE.odt , Zugriff 11.5.2021
1.3.7. Allgemeine Menschenrechtslage:
Die Verfassung vom 15.10.2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.1.2019).
Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Rekrutierung von Kindersoldaten durch Elemente der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Shingal Protection Units (YBS) und PMF-Milizen; Menschenhandel; Kriminalisierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 11.3.2020).
Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten (USDOS 21.6.2019). Es wird berichtet, dass tausende Männer und Buben, die aus Gebieten unter IS-Herrschaft geflohen sind, von zentral-irakischen und kurdischen Kräften willkürlich verhaftet wurden und nach wie vor als vermisst gelten. Sicherheitskräfte einschließlich PMFs haben Personen mit angeblichen IS-Beziehungen auch in Lagern inhaftiert und gewaltsam verschwinden lassen (AI 26.2.2019).
Die Verfassung und das Gesetz verbieten Enteignungen, außer im öffentlichen Interesse und gegen eine gerechte Entschädigung. In den vergangenen Jahren wurden Häuser und Eigentum von mutmaßlichen IS-Angehörigen, sowie Mitgliedern religiöser und konfessioneller Minderheiten, durch Regierungstruppen und PMF-Milizen konfisziert und besetzt (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung, einschließlich des Büros des Premierministers, untersucht Vorwürfe über Missbräuche und Gräueltaten, bestraft die Verantwortlichen jedoch selten (USDOS 11.3.2020).
Im Zuge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste haben Sicherheitskräfte unter anderem scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt und hunderte Menschen getötet (HRW 31.1.2020).
Der IS begeht weiterhin schwere Gräueltaten, darunter Tötungen durch Selbstmordattentate und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die Behörden untersuchen IS-Handlungen und verfolgen IS-Mitglieder nach dem Anti-Terrorgesetz von 2005 (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf , Zugriff 13.3.2020
- HRW - Human Rights Watch (31.1.2020): Iraq: Authorities Violently Remove Protesters, https://www.ecoi.net/en/document/2023934.html , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html , Zugriff 13.3.2020
1.3.8. Grundversorgung und Wirtschaft:
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.1.2019). Der irakische humanitäre Reaktionsplan schätzt, dass im Jahr 2019 etwa 6,7 Millionen Menschen dringend Unterstützung benötigten (IOM o.D.; vgl. USAID 30.9.2019). Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die grassierende Korruption verstärkt vorhandene Defizite zusätzlich. In vom Islamischen Staat (IS) befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.1.2019).
Nach Angaben der UN-Agentur UN-Habitat leben 70% der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.1.2019). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018). Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 12.1.2019).
Wirtschaftslage
Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des IS und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mossul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im April 2019 (GIZ 1.2020c). Iraks Wirtschaft erholt sich allmählich nach den wirtschaftlichen Herausforderungen und innenpolitischen Spannungen der letzten Jahre. Während das BIP 2016 noch um 11% wuchs, verzeichnete der Irak 2017 ein Minus von 2,1%. 2018 zog die Wirtschaft wieder an und verzeichnete ein Plus von ca. 1,2% aufgrund einer spürbaren Verbesserung der Sicherheitsbedingungen und höherer Ölpreise. Für 2019 wurde ein Wachstum von 4,5% und für die Jahre 2020–23 ebenfalls ein Aufschwung um die 2-3%-Marke erwartet (WKO 18.10.2019).
Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 1.2020c). Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Der Irak besitzt kaum eigene Industrie jenseits des Ölsektors. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.1.2019).
Die Arbeitslosenquote, die vor der IS-Krise rückläufig war, ist über das Niveau von 2012 hinaus auf 9,9% im Jahr 2017/18 gestiegen. Unterbeschäftigung ist besonders hoch bei IDPs. Fast 24% der IDPs sind arbeitslos oder unterbeschäftigt (im Vergleich zu 17% im Landesdurchschnitt). Ein Fünftel der wirtschaftlich aktiven Jugendlichen ist arbeitslos, ein weiters Fünftel weder erwerbstätig noch in Ausbildung (WB 12.2019).
Die Armutsrate im Irak ist aufgrund der Aktivitäten des IS und des Rückgangs der Öleinnahmen gestiegen (OHCHR 11.9.2019). Während sie 2012 bei 18,9% lag, stieg sie während der Krise 2014 auf 22,5% an (WB 19.4.2019). Einer Studie von 2018 zufolge ist die Armutsrate im Irak zwar wieder gesunken, aber nach wie vor auf einem höheren Niveau als vor dem Beginn des IS-Konflikt 2014, wobei sich die Werte, abhängig vom Gouvernement, stark unterscheiden. Die südlichen Gouvernements Muthanna (52%), Diwaniya (48%), Maisan (45%) und Dhi Qar (44%) weisen die höchsten Armutsraten auf, gefolgt von Ninewa (37,7%) und Diyala (22,5%). Die niedrigsten Armutsraten weisen die Gouvernements Dohuk (8,5%), Kirkuk (7,6%), Erbil (6,7%) und Sulaymaniyah (4,5%) auf. Diese regionalen Unterschiede bestehen schon lange und sind einerseits auf die Vernachlässigung des Südens und andererseits auf die hohen Investitionen durch die Regionalregierung Kurdistans in ihre Gebiete zurückzuführen (Joel Wing 18.2.2020). Die Regierung strebt bis Ende 2022 eine Senkung der Armutsrate auf 16% an (Rudaw 16.2.2020).
Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Arbeitsmöglichkeiten haben im Allgemeinen abgenommen. Die monatlichen Einkommen im Irak liegen in einer Bandbreite zwischen 200 und 2.500 USD (Anm.: ca. 185-2.312 EUR), je nach Position und Ausbildung. Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD (Anm.: ca. 0,9 EUR) pro Tag verdienen, zu unterstützen. Aufgrund der Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land sind derzeit keine dieser Weiterbildungsprogramme, die nur durch spezielle Fonds zugänglich sind, aktiv (IOM 1.4.2019).
Stromversorgung
Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.1.2019). Sie deckt nur etwa 60% der Nachfrage ab, wobei etwa 20% der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 17.9.2019). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.1.2019).
Wasserversorgung
Etwa 70% des irakischen Wassers haben ihren Ursprung in Gebieten außerhalb des Landes, vor allem in der Türkei und im Iran. Der Wasserfluss aus diesen Ländern wurde durch Staudammprojekte stark reduziert. Das verbleibende Wasser wird zu einem großen Teil für die Landwirtschaft genutzt und dient somit als Lebensgrundlage für etwa 13 Millionen Menschen (GRI 24.11.2019).
Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Insbesondere Dammprojekte der irakischen Nachbarländer, wie in der Türkei, haben großen Einfluss auf die Wassermenge und Qualität von Euphrat und Tigris. Der damit einhergehende Rückgang der Wasserführung in den Flüssen hat ein Vordringen des stark salzhaltigen Wassers des Persischen Golfs ins Landesinnere zur Folge und beeinflusst sowohl die Landwirtschaft als auch die Viehhaltung. Das bringt in den besonders betroffenen südirakischen Gouvernements Ernährungsunsicherheit und sinkenden Einkommensquellen aus der Landwirtschaft mit sich (EPIC 18.7.2017).
Die Wasserversorgung wird zudem von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem fehlt es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.1.2019). Im Südirak und insbesondere Basra führten schlechtes Wassermanagement und eine unzureichende Regulierung von Abwasser und die damit einhergehende Verschmutzung dazu, dass im Jahr 2018 mindestens 118.000 Menschen wegen Magen-Darm-Erkrankungen in Krankenhäusern behandelt werden mussten (HRW 22.7.2019; vgl. HRW 14.1.2020; AA 12.1.2019).
Nahrungsmittelversorgung
Etwa 1,77 Millionen Menschen im Irak sind von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, ein Rückgang im Vergleich zu 2,5 Millionen Betroffenen im Jahr 2019 (USAID 30.9.2019; vgl. FAO 31.1.2020). Die meisten davon sind IDPs und Rückkehrer. Besonders betroffen sind jene in den Gouvernements Diyala, Ninewa, Salah al-Din, Anbar und Kirkuk (FAO 31.1.2020). 22,6% der Kinder sind unterernährt (AA 12.1.2019).
Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurden unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Trotz konfliktbedingter Einschränkungen und Überschwemmungen entlang des Tigris (betroffene Gouvernements: Diyala, Wasit, Missan und Basra), die im März 2019 aufgetreten sind, wird die Getreideernte 2019 wegen günstiger Witterungsbedingungen auf ein Rekordniveau von 6,4 Millionen Tonnen geschätzt (FAO 31.2.2020).
Trotzdem ist das Land von Nahrungsmittelimporten abhängig (FAO 31.1.2020). Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UNFAO) schätzt, dass der Irak zwischen Juli 2018 und Juni 2019 etwa 5,2 Millionen Tonnen Mehl, Weizen und Reis importiert hat, um den Inlandsbedarf zu decken (USAID 30.9.2019).
Im Südirak und insbesondere Basra führen schlechtes Wassermanagement und eine unzureichende Regulierung von Abwasser und die damit einhergehende Verschmutzung dazu, dass Landwirte ihre Flächen mit verschmutztem und salzhaltigem Wasser bewässern, was zu einer Degradierung der Böden und zum Absterben von Nutzpflanzen und Vieh führt (HRW 22.7.2019; vgl. HRW 14.1.2020; AA 12.1.2019).
Das Sozialsystem wird vom sogenannten „Public Distribution System“ (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen (K4D 18.5.2018; vgl. USAID 30.9.2019). Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schwerer Ineffizienz gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch nur sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-07/PB_PSI_water_challenges_Iraq.pdf , Zugriff 13.3.2020
- EPIC - Enabling Peace in Iraq Center (18.7.2017): Drought in the land between two rives, https://www.epic-usa.org/iraq-water/ , Zugriff 13.3.2020
- Fanack (17.9.2019): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/ , Zugriff 18.2.2020
- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (31.1.2020): Country Briefs, Iraq, http://www.fao.org/giews/countrybrief/country.jsp?code=IRQ , Zugriff 13.3.2020
- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (8.2.2018): Iraq: Recovery and Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf , Zugriff 13.3.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020c): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 13.3.2020
- GRI - Global Risk Insights (24.11.2019): Water Shortage and Unrest in Iraq, https://globalriskinsights.com/2019/11/water-shortage-and-unrest-in-iraq/ , Zugriff 13.3.2020
- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2022678.html , Zugriff 13.3.2020
- HRW - Human Rights Watch (22.7.2019): Irak: Wasserkrise in Basra, https://www.hrw.org/de/news/2019/07/22/irak-wasserkrise-basra , Zugriff 13.3.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_-_Country_Fact_Sheet_2018,_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2 , Zugriff 13.3.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (o.D.): Iraq 2019, Humanitarian Compendium, https://humanitariancompendium.iom.int/appeals/iraq-2019 , Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (18.2.2020): Poverty Rate In Iraq Down But Still Higher Than Pre-War Level, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/poverty-rate-in-iraq-down-but-still.html , Zugriff 13.3.2020
- K4D - Knowledge for Development Program (18.5.2018): Iraqi state capabilities, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b18e952e5274a18eb1ee3aa/Iraqi_state_capabilities.pdf , Zugriff 13.3.2020
- OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights (11.9.2019): Committee on the Rights of Persons with Disabilities discusses the impact of the armed conflict on persons with disabilities in Iraq, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=24976&LangID=E , Zugriff 13.3.2020
- Rudaw (16.2.2020): ISIS caused massive spike in Iraq’s poverty rate, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/160220201 , Zugriff 13.3.2020
- USAID - Unites States Agency for International Development (30.9.2019): Food Assistance Fact Sheet: Iraq, https://www.usaid.gov/iraq/food-assistance , Zugriff 13.3.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 13.3.2020
- WB - World Bank, The (12.2019): Unemployment, youth total (% of total labor force ages 15-24) (modeled ILO estimate), Iraq, https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.1524.ZS?locations=IQ , Zugriff 13.3.2020
- WB - World Bank, The (19.4.2019): Republic of Iraq, http://pubdocs.worldbank.org/en/300251553672479193/Iraq-MEU-April-2019-Eng.pdf , Zugriff 13.3.2020
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (18.10.2019): Die irakische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html , Zugriff 13.3.2020
1.3.8.1. Aktuelle Versorgungslage in Bagdad (Lebensmittel, Wasser, Strom):
Ernährungssicherheit
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) erstellte im April 2019 eine Karte der sozioökonomischen Situation der Bevölkerung Bagdads, die sich auf Erhebungen von 2016 und 2018 stützt. Laut WFP hätten 99 Prozent der Haushalte in Bagdad einen „akzeptablen Lebensmittelkonsum“. 53 Prozent der Haushalte seien „ernährungssicher“, 46 Prozent nur marginal ernährungssicher und 1 Prozent sei ernährungsunsicher. (WFP, 2019, S. 101)
WFP zusammen mit der Weltbank, IFAD (International Fund for Agricultural Development) und FAO (UN Food and Agricultural Organization) erstellte einen detaillierten Bericht zu Ernährungssicherheit im Irak im Zeitraum Juni bis August 2020 unter Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19. Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sei aufgrund stetiger internationaler Lebensmittelhandelsströme und einer günstigen Inlandsproduktion stabil geblieben. Die Funktionalität des Lebensmittelmarktes und der Zugang der Haushalte zu Nahrungsmitteln hätten sich im Vergleich zum April kurz nach Beginn des Ausbruchs verbessert. Die Preisstabilität gebe laut den UNO-Organisationen und der Weltbank jedoch Anlass zur Sorge. Die Grundnahrungsmittelpreise hätten sich nicht wesentlich verändert. Die Preise für Gemüse - insbesondere für Tomaten - würden jedoch stark schwanken. (FAO/World Bank/WFP/IFAD, 23. September 2020, S. 2)
Die Verfügbarkeit von Lebensmitteln sowie anderer Artikel sei im ganzen Land gut. (FAO, World Bank, WFP, IFAD, 23. September 2020, S. 18)
Ökonomische Konsequenzen von COVID-19 sowie Bewegungseinschränkungen und Infektionsängste hätten jedoch den Zugang zu Lebensmitteln im Irak erschwert. Während 2016 rund 1,5% der Menschen mit unzureichendem Lebensmittelkonsum registriert worden seien, habe laut dem Hunger Monitoring System des WFP der Wert von April bis August 2020 zwischen 5 und 9,3 Prozent fluktuiert. Rund 13,7 Prozent der Befragten, was rund 5,3 Millionen Menschen entspreche, habe angegeben, am 9. August negative Bewältigungsstrategien zur Deckung ihres Lebensmittelbedarfs angewendet zu haben. Zusätzliche Gesundheits- und Hygienekosten würden dazu führen, dass Personen nicht genügend Lebensmittel für ihre Familie kaufen könnten. Der Tageslohn eines Hilfsarbeiters habe vor COVID-19 31 kg Weizenmehl kaufen können; das sei jedoch auf 27 kg gesunken. (FAO/World Bank/WFP/IFAD, 23. September 2020, S. 22)
WFP, World Bank, IFAD und FAO gaben in ihrem zweiwöchentlichen Update zur Ernährungssicherheit im Irak Mitte November 2020 an, dass laut des Mobile Vulnerability Analysis and Monitoring Systems von WFP rund 3 Millionen Menschen im ganzen Land mit unzureichendem Lebensmittelkonsum leben würden. Laut des irakischen Planungsministeriums sei die Armutsquote im Irak durch COVID-19 von 20 auf 30 Prozent gestiegen. In Bagdad hätten 10 Prozent der Bevölkerung unzureichenden Lebensmittelkonsum. 9,8 Prozent der landesweit Befragten würden negative Bewältigungsstrategien zur Deckung ihres Lebensmittelbedarfs anwenden. 12 Prozent hätten Probleme mit dem Zugang zu Märkten. (FAO, WFP, World Bank, IFAD, 16. November 2020, S. 8)
Wasserversorgung
Laut dem WFP hätten basierend auf Erhebungen von 2016 70 Prozent der Bevölkerung Bagdads kontinuierliche Verfügbarkeit von Trinkwasser und 91 Prozent würden ihr Wasser vom allgemeinen Wasserversorgungsnetz erhalten, die restlichen 9 Prozent von in Flaschen abgefülltem Wasser. (WFP, 2019, S. 101)
Im Vergleich dazu veröffentlichen die staatlichen Einrichtungen Iraks folgende Zahlen:
Die zentrale Statistikorganisation (Central Statistical Organization Iraq, CSO) gibt auf ihrer Webseite zu einer Erhebung der Situation von Bagdad 2018 an, dass 86,9 Prozent der Einwohner Bagdads 2017 mit Trinkwassernetzen versorgt seien, und 75,9 Prozent der Einwohner mit einem Abwassersystem. (CSO, ohne Datum a)
Das irakische Planungsministerium (Ministry of Planning, MOP) veröffentlicht im Juni 2018 einen National Development Plan, laut dem der Prozentsatz der Bevölkerung, der mit reinem Trinkwasser versorgt werde, in Bagdad bei 100 Prozent liege. (MOP, Juni 2018, S. 160)
Das Abwassersystem in Bagdad sei alt und habe seine Lebensdauer überschritten. Es leide unter vielen Problemen, insbesondere in Regenperioden. Es sei nicht in der Lage, die täglichen Wassermengen zu absorbieren, insbesondere angesichts beispielloser Regenfälle im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die die Entwurfs- und Notfallberechnungen überschreiten würden. Ende 2016 sei 90% der Bevölkerung mit Kanalisation ausgestattet gewesen. Die restlichen 10% würden viele Nichtwohn- und Landwirtschaftsgebiete umfassen. (MOP, Juni 2018, S. 163)
Die Weltbank berichtet im Jänner 2018, dass die EinwohnerInnen von Bagdad vor allem in den heißen Sommermonaten mit täglichen Unterbrechungen der Wasserversorgung zu kämpfen hätten. Bagdad sei von Ausbrüchen von durch Wasser übertragenen Krankheiten betroffen. Das Trinkwassernetzwerk sei durch Abwasser kontaminiert. Kontaminierte Wasserversorgung und unsachgemäße Entsorgung von Abwasser würden Familien dazu zwingen, einen erheblichen Teil ihres Einkommens für die medizinische Behandlung und Wasser in Flaschen auszugeben. (World Bank, 31. Jänner 2018)
Das Enabling Peace in Iraq Center (EPIC) schreibt in einem Artikel über die Wasserkrise im Irak vom Juli 2017, dass das Trinkwasser oft von schlechter Qualität sei. Dies führe zur Verbreitung von durch Wasser übertragbaren Krankheiten wie Typhus, Ruhr, Hepatitis B und Cholera. Bagdad sei auch von dieser Wasserverschmutzung betroffen. In Bagdads Sadr City sei es zum Beispiel nur möglich, sauberes Wasser in Flaschen abgefüllt zu erhalten. Dies sei aber für viele der ärmeren EinwohnerInnen zu teuer. (EPIC, 18. Juli 2017)
Stromversorgung
Al-Jazeera zitiert in einem Artikel von 2018 EinwohnerInnen Bagdads, die regelmäßige Stromausfälle in der Hauptstadt beschreiben. Laut einer 42-jährigen Mutter von vier Kindern aus Shawaka gebe es in ihrem Stadtteil im Sommer nur zwei bis vier Stunden Strom pro Tag.
Die Häufung der Stromausfälle sei von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich. Einige Haushalte würden nur vier Stunden Strom pro Tag erhalten, andere bis zu 20.
Einwohner, die es sich leisten könnten, würden daher auf Generatoren zurückgreifen. Ein Generator versorge 70 Haushalte. Der Generator schalte sich automatisch ein, sobald der Strom ausfalle. Laut dem Inhaber eines solchen Generators liefere der Generator zwischen 500 und 600 Ampere Strom pro Monat, wobei jedes Ampere für 25,000 Irakische Dinar (umgerechnet etwa 14,15 Euro, Anm. ACCORD) verkauft werde. Laut Al-Jazeera würde ein Haushalt durchschnittlich 125,000 Irakische Dinar (umgerechnet etwa 70,73 Euro, Anm. ACCORD) pro Monat ausgeben, um die Stromausfälle auszugleichen. Dies sei nicht für alle erschwinglich. (Al-Jazeera, 31. Juli 2018)
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund, UNICEF) und die Weltbank veröffentlichen im Juli 2020 eine Analyse der Auswirkungen von COVID-19 auf Armut im Irak. Die Armut sei 2020 um 11,7 Prozent auf 31,7 Prozent gestiegen, im Vergleich zu 20,0 Prozent aus den Jahren 2017-2018. Kinder unter 18 Jahren seien mit einer höheren Armutsrate von 37,9 Prozent konfrontiert. (UNICEF/World Bank, Juli 2020, S. 22)
Laut UNICEF und der Weltbank würden 42 Prozent der Bevölkerung in Hinblick auf mehr als einen der Aspekte des Vulnerabilitätsindex (Bildung, Gesundheit, Lebensbedingungen und finanzielle Sicherheit) Mängel aufweisen. Familien mit mehr als sieben Mitgliedern, insbesondere Familien mit mehr als einem Kind, würden mit mehr als 46 Prozent eine hohe Anfälligkeitsrate für Vulnerabilität aufweisen. (UNICEF/World Bank, Juli 2020, S. 23)
Quelle:
- ACCOD - Anfragebeantwortung zum Irak: Versorgungslage Bagdad (Lebensmittel, Wasser, Strom), Wohnungsmarkt, Schulbesuch [a-11469-2] (20.1.2021): https://www.ecoi.net/de/dokument/2045330.html , Zugriff 11.5.2021
1.3.9. Medizinische Versorgung:
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art. Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).
Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.1.2019). Für das Jahr 2020 werden in Flüchtlingslagern der kurdischen Gouvernements Dohuk und Sulaymaniyah erhebliche Lücken in der Gesundheitsversorgung erwartet, die auf Finanzierungsengpässe zurückzuführen sind (UNOCHA 17.2.2020).
EASO vertritt die Ansicht, dass angesichts der medizinischen Versorgung im Irak, welche insbesondere im urbanen Raum sichergestellt ist, nicht jede Person mit einer Gesundheitsbeeinträchtigung im Fall ihrer Rückkehr in den Irak automatisch dem Risiko ausgesetzt, einen ernsthaften Schaden im Sinne der Statusrichtlinie und somit einer Verletzung in ihren durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte zu erleiden. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Schadens anhand der individuellen Umstände, wie z. B. Alter oder Art. der geistigen oder körperlichen Gesundheitsbeeinträchtigung im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen (EASO 06/2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- EASO Country Guidance: Iraq, Guidance note and common analysis, June 2019, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Iraq_2019.pdf , S 89f, Zugriff 20.04.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/ , Zugriff 13.3.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_-_Country_Fact_Sheet_2018,_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2 , Zugriff 13.3.2020
- UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf , Zugriff 13.3.2020
- UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (17.2.2020): Iraq: Humanitarian Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian-bulletin-january-2020.pdf , Zugriff 13.3.2020
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html , Zugriff 13.3.2020
1.3.9.1. COVID-19-Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 11.5.2021 bislang 632.000 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierter Personen und 10.392 Todesfälle; im Irak wurden bislang 1,12 Millionen Infektionen bestätigt, davon sind 1,01 Millionen Personen bereits wieder genesen, 15.800 Personen sind gestorben (Stand: 11.5.2021). In Relation zur Einwohnerzahl ist die Infektions- sowie die Sterberate im Irak somit prozentual noch deutlich unter jener von Österreich.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (etwa Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leiden oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%.
Aufgrund der weiterhin stark steigenden Infektionszahlen hat die irakische Regierung für 30.7. bis 9.8.2020 eine neuerliche komplette Ausgangssperre beschlossen (BMEIA 6.8.2020; vgl. GoI 27.7.2020; UNHCR 4.8.2020). Diese Einschränkungen gelten nicht für die KRI (BMEIA 6.8.2020).
Bereits im Juli 2020 gab das Gesundheitsministerium bekannt, dass die Krankenhäuser fast vollständig ausgelastet sind (IRC 2.7.2020). Es herrschen Engpässen bei der Versorgung mit Sauerstoff und mit Schutzausrüstungen (MEMO 3.8.2020).
Nachdem private Kliniken im Juli temporär geschlossen wurden (GoI 7.7.2020), erlaubt die irakische Regierung deren Wiedereröffnung, sofern sie die vom Gesundheitsministerium und dem irakischen Ärzteverband festgelegten Bedingungen erfüllen (GoI 27.7.2020).
Die Sicherheitskräfte sind angewiesen, die Richtlinien zur Schutzmaskenpflicht, zur sozialen Distanzierung und weitere umzusetzen, einschließlich der Verhängung von Geldstrafen und der Beschlagnahme von Fahrzeugen derjenigen, die gegen die Regeln verstoßen (GoI 27.7.2020; vgl. MEMO 3.8.2020).
Seit dem 23.7.2020 sind die internationalen Flughäfen Bagdad, Najaf und Basra wieder für kommerzielle Linienflüge geöffnet. Sämtliche Flughäfen wurden zuvor am 17.3.2020 geschlossen (Al Jazeera 23.7.2020; vgl. Rudaw 1.8.2020). Passagiere müssen vor dem Boarding einen negativen COVID-19 Test vorweisen (Al Jazeera 23.7.2020). Mit der Wiedereröffnung des Internationalen Flughafens Erbil (KRI) am 1.8. wird es auch wieder eine Luftverbindung zwischen Bagdad und Erbil geben (Rudaw 1.8.2020).
Seit Beginn des COVID-19-Ausbruchs im Irak im März 2020 gehören vertriebene Familien zu den am stärksten betroffenen Personen, auch durch sekundäre Auswirkungen, wie mangelnde Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu verdienen und sozioökonomische Folgendavon (UNHCR 4.8.2020).
Es gilt Schutzmaskenpflicht für sämtliche öffentliche Orte, wie Märkte, Restaurants und andere kommerzielle Einrichtungen, wie Firmen. Bei zuwiderhandeln drohen den Inhabern Geldstrafen und temporäre Zwangsschließungen. Auch Beerdigungen, Hochzeitsfeiern und andere gesellschaftliche Veranstaltungen sind unter Androhung von Geldstrafen verboten (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 3.8.2020A). Kliniken und Labore bleiben per Verordnung für14 Tage geschlossen (Gov.KRD 5.8.2020). Um den steigenden Infektionszahlen im Gouvernement Erbil entgegenzuwirken wurden mittlerweile vier Krankenhäuser als alleinige COVID -19 Behandlungszentren deklariert (Rudaw 3.8.2020B).
Aktuelle Maßnahmen umfassen weiterhin ein Reiseverbot zwischen den kurdischen Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Dohuk und Halabja, sowie ein Reiseverbot innerhalb derselben, ausgenommen bei Notfällen und mit Sondergenehmigungen (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 3.8.2020A; UNHCR 4.8.2020).
Der Grenzübergang Ibrahim Khalil zur Türkei wurde für den Zeitraum vom 4. bis zum 11.August COVID -19-anlassbezogen für den Personenverkehr geschlossen (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Garda 4.8.2020). Die Grenzübergänge Haji Omaran und Bashmakh zum Iran sind für Bürger der KRI, die heimkehren wollen geöffnet (Gov.KRD 5.8.2020).
Am 1.8.2020 nahmen die internationalen Flughäfen in Erbil und Sulaymaniyah wieder ihren Betrieb auf (Gov.KRD 5.8.2020; vgl. Rudaw 1.8.2020). Personen, die über die Flughäfen einreisen müssen jedoch auf eigene Kosten einen COVID -19-Test machen und sich zur Selbstquarantäne verpflichten, bei deren Verstoß sie mit einem Bußgeld bestraft werden. Personen, die positiv auf COVID -19 getestet wurden und die die Quarantäne missachten müssen alle anfallenden medizinischen Kosten für evtl. infizierte Personen übernehmen und werden strafrechtlich verfolgt (Artikel 368-369 des geänderten Gesetzes 111 von 1969) (Gov.KRD 5.8.2020).
Die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich im Irak nicht wesentlich verändert; bei bestimmten Gütern kam es jedoch zu standortspezifischen Preisschwankungen. In einer offiziellen Erklärung erklärte das Handelsministerium, dass der Mangel an finanziellen Zuweisungen die Fähigkeit des Ministeriums in Frage stelle, PDS-Güter (Public Distribution System) konsequent zu beschaffen (WFP 2.6.2020).
Quellen:
- AGES: FAQ Coronavirus, https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/ , Zugriff 11.5.2021
- Al Jazeera (23.7.2020): Iraq resumes commercial flights despite rise in corona virus cases, https://www.aljazeera.com/news/2020/07/iraq-resumes-commercial-flights-rise-coronavirus-cases-200723120054091.html , Zugriff 6.8.2020
- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (6.8.2020): Reiseinformation–Irak, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/irak/ , Zugriff 3.11.2020
- BMSGPK: Informationen zum Coronavirus, https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html , Zugriff 11.5.2021
- Coronavirus: COVID-19 Fälle in Österreich, https://coronavirus.datenfakten.at/ , Zugriff 11.5.2021
- Garda (4.8.2020): Iraq: Kurdish Authorities close border with Turkey on August 4 due to COVID-19 /update 46, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/365991/iraq-kurdish-authorities-close-border-with-turkey-on-august-4-due-to-covid-19-update-46 , Zugriff 6.8.2020
- GoI - Government of Iraq (7.7.2020): Covid-19: Higher Committee for Health and National Safety announces new measures, https://gds.gov.iq/covid-19-higher-committee-for-health-and-national-safety-announces-new-measures/ , Zugriff 6.8.2020
- GoI - Government of Iraq (27.7.2020): Covid-19: Iraqi government imposes total curfew during Eid Al-Adha, permits reopening of private health clinics, https://gds.gov.iq/covid-19-iraqi-government-imposes-total-curfew-during-eid-al-adha-permits-reopening-of-private-health-clinics/ , Zugriff 6.8.2020
- Gov.KRD - Kurdistan Regional Government (5.8.2020): Situation Update Coronavirus (COVID-19), https://gov.krd/coronavirus-en/situation-update/ , Zugriff 6.8.2020
- IRC - International Rescue Committee (2.7.2020): Iraq: 600% rise in COVID-19 cases through June means urgent action is needed to slow the spread of the disease, https://www.rescue.org/press-release/iraq-600-rise-covid-19-cases-through-june-means-urgent-action-needed-slow-spread , Zugriff 6.8.2020
- MEMO - Middle East Monitor (3.8.2020): 'Total curfew': Coronavirus cases, deaths rise in Iraq, https://www.middleeastmonitor.com/20200803-total-curfew-coronavirus-cases-deaths-rise-in-iraq/ , Zugriff 6.8.2020
- Rudaw (1.8.2020): Commercial flights to and from the Kurdistan Region resume after months long ban, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/01082020 , Zugriff 6.8.2020
- Rudaw (3.8.2020A): Further travel, social restrictions announced in KRG lockdown update, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/030820201 , Zugriff 6.8.2020
- Rudaw (3.8.2020B): Major Erbil hospital to only treat coronavirus patients as cases surge, https://www.rudaw.net/english/lifestyle/03082020 , Zugriff 6.8.2020
- UNHCR (4.8.2020): IRAQ | UNHCR COVID-19 UPDATE, https://reporting.unhcr.org/sites/default/files/UNHCR Iraq - COVID-19 Update - 04-08-20.pdf , Zugriff 6.8.2020
- WFP - World Food Programme (2.6.2020): Iraq COVID-19 Food Security Monitor, Weekly Update – Issue 7, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/COVID Weekly Food Security Monitor Iraq_2June2020_EN_final draft.pdf , Zugriff 5.6.2020
1.3.10. Behandlung nach Rückkehr:
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Kurdischen Region im Irak (KRI) finden regelmäßig statt. In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortführung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.1.2019).
Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).
Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger (IOM 1.4.2019). Die Miete für 250 m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD (Anm.: ca. 296 EUR) (IOM 13.6.2018). Die Wohnungspreise in der KRI sind 2018 um 20% gestiegen, während die Miete um 15% gestiegen ist, wobei noch höhere Preise prognostiziert werden (Ekurd 8.1.2019). In den Städten der KRI liegt die Miete bei 200-600 USD (Anm.: ca. 185-554 EUR) für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 12 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 8-19 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 23-31 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000-60.000 IQD (Anm.: ca. 31-46 EUR) für privaten oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom. Die Rückkehr von IDPs in ihre Heimatorte hat eine leichte Senkung der Mietpreise bewirkt. Generell ist es für alleinstehende Männer schwierig Häuser zu mieten, während es in Hinblick auf Wohnungen einfacher ist (IOM 1.4.2019).
Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussen sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 12.2019).
Im Zuge seines Rückzugs aus der nordwestlichen Region des Irak, 2016 und 2017, hat der Islamische Staat (IS) die landwirtschaftlichen Ressourcen vieler ländlicher Gemeinden ausgelöscht, indem er Brunnen, Obstgärten und Infrastruktur zerstörte. Für viele Bauerngemeinschaften gibt es kaum noch eine Lebensgrundlage (USCIRF 4.2019). Im Rahmen eines Projekts der UN-Agentur UN-Habitat und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) wurden im Distrikt Sinjar, Gouvernement Ninewa, binnen zweier Jahre 1.064 Häuser saniert, die während der IS-Besatzung stark beschädigt worden waren. 1.501 Wohnzertifikate wurden an jesidische Heimkehrer vergeben (UNDP 28.4.2019).
Es besteht keine öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche für Rückkehrer. Private Immobilienfirmen können jedoch helfen (IOM 1.4.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- Ekurd Daily (8.1.2019): Property prices increasing in Iraqi Kurdistan after years of stagnation, https://ekurd.net/property-prices-kurdistan-2019-01-08 , Zugriff 13.3.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/ , Zugriff 13.3.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_-_Country_Fact_Sheet_2018,_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2 , Zugriff 13.3.2020
- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf ;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 13.3.2020
- IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635 - Iraq_Returnees_Snapshot-Report - V5.pdf , Zugriff 13.3.2020
- REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles, Drivers and Return, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe_in_2016_june_2017 (1).pdf , Zugriff 13.3.2020
- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
- UNDP - United Nations Development Programme (28.4.2019): UN-Habitat and UNDP Upscale Support on Housing Rehabilitation and Secure Tenure for the Returnees in Sinjar, https://www.iq.undp.org/content/iraq/en/home/presscenter/pressreleases/2019/04/28/un-habitat-and-undp-upscale-support-on-housing-rehabilitation-an.html , Zugriff 13.3.2020
1.3.11. Dokumente:
Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 12.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 13.3.2020
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die zitierten Länderberichte zum Irak sowie in die seitens des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, der Grundversorgung sowie dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.04.2021 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, sowie seiner Lebensgefährtin J.B. als Zeugin.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Verfahren im Original in Vorlage gebrachten – sowie sich in Kopie im Akt befindlichen – irakischen Personalausweises sowie Staatsbürgerschaftsnachweises fest.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Herkunft, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner Konfession ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zur Schulbildung des Beschwerdeführers ergeben sich ergänzend aus einem im Administrativverfahren in Kopie in Vorlage gebrachten Schulzeugnis aus Syrien, seine Aufenthalte in Syrien sowie in der Türkei überdies aus einem vorgelegten, auf den Beschwerdeführer ausgestellten "UNHCR Refugee Certificate" aus der Türkei von 2013 und einem weiteren vorgelegten "UNHCR Refugee Certificate" aus Syrien von 2011, lautend auf seinen Vater, auf welchem jedoch auch dessen Ehefrau und drei Kinder, darunter der Beschwerdeführer, vermerkt sind.
Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser im Verfahren einmalig – im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 20.07.2017 - vorgebracht hat, seit seiner Kindheit an Asthma zu leiden, was er vergessen habe in der Erstbefragung zu erwähnen, jedoch benötige er aufgrund dessen weder Medikamente noch stehe er in ärztlicher Behandlung (AS 92). Medizinische Befunde brachte er zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Vorlage und gab er zuletzt in der Beschwerdeverhandlung am 20.04.2021 wiederum ausdrücklich an, körperlich und geistig keine Probleme zu haben und „Gott sei Dank“ an keinen chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen zu leiden (Protokoll S 3). Aus dem Gesagten war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung leidet, welche einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegensteht. Daran ändert auch die aktuell durch das Virus Sars-CoV-2 bzw. die Krankheit COVID-19 vorliegende Pandemie nichts, da der Beschwerdeführer an keiner in der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung, BGBl. II Nr. 203/2020, als medizinische Indikatoren für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe aufgelisteten, schwerwiegenden Erkrankung leidet. Dies wurde vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht. Auch ist keine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ersichtlich, zumal er bis zuletzt im Verfahren auf seine Arbeitsfähigkeit und -willigkeit hingewiesen, Bewerbungsschreiben und eine Einstellungszusage in Vorlage gebracht sowie in Österreich auch Remunerantentätigkeiten geleistet hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass er in der Beschwerdeverhandlung überdies vorgebracht hat, in seiner Freizeit Fußball zu spielen und Sport zu treiben (Protokoll S 15f), während auch die Zeugin J.B. zu Protokoll gab, dass „Sport, Rad fahren, Fußball spielen“ zu seinen Hobbies zählen würden (Protokoll S 19).
Die Feststellung zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet seit (spätestens) 10.11.2015 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem zentralen Melderegister und dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister.
Die Feststellungen bezüglich der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin J.B. ab dem Frühjahr 2018 ergeben sich insbesondere aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin J.B. in der Beschwerdeverhandlung, ergänzend aus einem Konvolut an in Vorlage gebrachter Lichtbilder, welche den Beschwerdeführer und J.B., teils gemeinsam mit weiteren Personen, bei diversen Alltagsaktivitäten zeigen, sowie insgesamt acht vorgelegter Unterstützungsschreiben. Aus diesen Schreiben, welche überwiegend aus dem unmittelbaren Umfeld von J.B. (Mutter; Arbeitsumfeld; Pfarrgemeinde, in welcher sie sich engagiert; Freundeskreis) stammen, ergibt sich überdies, dass der Beschwerdeführer in Österreich - insbesondere aufgrund seiner Beziehung zu J.B. - diverse Bekanntschaften, vorwiegend zu Freunden und Verwandten von J.B., geschlossen hat und manifestiert sich dieser Umstand auch in den Angaben von J.B. in der Beschwerdeverhandlung, wo diese auf die Frage des erkennenden Richters, ob sie Freunde des Beschwerdeführers nennen könne, entgegnete: „Er ist in meinem Freundeskreis. Er hat Freunde, aber keine engen. Er hat einen Freund namens O. mit dem er telefoniert, dieser lebt jedoch nicht nahe bei uns“ (Protokoll S 18). Die Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers bei J.B. seit 09.11.2018 ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister. Dass J.B. ihren Lebensunterhalt als Angestellte in einer Rechtsanwaltskanzlei bestreitet, ergibt sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung in Zusammenschau mit einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger.
Der Umstand, dass er seinen Lebensunterhalt seit seiner Einreise über die staatliche Grundversorgung bestreitet, ergibt sich aus einer Abfrage in der Applikation "Betreuungsinformation (Grundversorgung)". Daraus ergibt sich zugleich unweigerlich die Feststellung seiner mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit.
Die seitens des Beschwerdeführers in den Jahren 2017 und 2018 für eine Stadtgemeinde geleisteten Remunerantentätigkeiten ergeben sich aus diesbezüglich in Vorlage gebrachter E-Mail Korrespondenzen, Remunerantentätigkeitslisten, sowie Bestätigungsschreiben der Stadtgemeinde Schwechat vom 10.07.2017, vom 17.04.2018, sowie vom 25.05.2018.
Die Einstellungszusage zugunsten des Beschwerdeführers seitens eines Lebensmittelhändlers ergibt sich aus einer Vorlage derselben, ausgestellt durch die "Emir Vural KG" am 05.11.2020, welche jedoch nicht einmal den Mindestinhalt eines Arbeitsvorvertrages - das Beschäftigungsausmaß und das in Aussicht stehende Entgelt – enthält.
Die Deutsch-Kenntnisse des Beschwerdeführers auf Sprachniveau A2 ergeben sich aus einem in Vorlage gebrachten ÖSD-Zertifikat vom 03.03.2021 in Zusammenschau mit dem unmittelbaren und persönlichen Eindruck, welchen das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer gewinnen konnte.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.3. Zu den Fluchtgründen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer begründete seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.07.2017 im Wesentlichen damit, dass es im Jahr 2005 zu konfessionellen Konflikten im Irak gekommen sei und sich schiitische Milizen formiert hätten, welche willkürlich Sunniten getötet hätten. Ein Nachbar der Familie des Beschwerdeführers, welcher selbst Schiit gewesen sei, habe gehört, dass eine Liste von Personen aus der Wohngegend existieren würde, welche getötet werden sollten. Auf dieser Liste sei auch der Vater des Beschwerdeführers gestanden, woraufhin die Familie zu Verwandten gezogen sei. Schiiten hätten das Haus der Familie des Beschwerdeführers verwüstet und übernommen. Im Juli 2005, nachdem sein Vater den Irak bereits verlassen habe und vor der übrigen Familie nach Syrien gegangen sei, sei der Beschwerdeführer während einer Durchsuchung des Hauses seines Großvaters von schiitischen Milizen entführt worden, nachdem diese ihm vorgeworfen hätten, die Durchsuchung zu stören. Nachdem seine Mutter Lösegeld bezahlt habe, habe man den Beschwerdeführer nach zwei Stunden wieder freigelassen und sei er daraufhin mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern - einem Bruder und einer Schwester - ebenfalls nach Syrien ausgereist. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, abermals entführt zu werden. Eine von den staatlichen Behörden des Irak ausgehende Verfolgung befürchte er hingegen nicht (AS 95ff).
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen sowie insbesondere aufgrund des persönlichen und unmittelbaren Eindrucks, welcher vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.04.2021 gewonnen werden konnte, zum Schluss, dass dieses Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist. Dies aufgrund nachfolgender Erwägungen:
Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.11.2015 sein im weiteren Verlauf des Verfahrens zentral geltend gemachtes Fluchtvorbringen, nämlich seine eigene Entführung durch schiitische Milizen, nicht einmal rudimentär erwähnt und stattdessen ein in wesentlichen Punkten gänzlich anders gelagertes Fluchtvorbringen erstattet hatte. Während er vor dem BFA etwa ausdrücklich zu Protokoll gab, sein Vater habe über einen Dritten – nämlich einem benachbarten Schiiten – erfahren, dass er auf einer Todesliste der schiitischen Milizen aufscheinen würde und sei somit lediglich „indirekt bedroht“ worden (AS 95), so hatte er in der Erstbefragung noch angegeben, sein Vater habe mehrere, im weiteren Verlauf des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt mehr erwähnte, Drohschreiben erhalten, welche die Familie im Jahr 2005 zur Ausreise veranlasst hätten. Auch hatte der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung noch explizit zu Protokoll gegeben, dass zunächst ein Freund des Vaters getötet worden sei und sein Vater im Anschluss ein Schreiben erhalten habe, wonach er „der Nächste“ sein werde, weswegen seine Familie den Irak verlassen habe (AS 9). Vor dem BFA verharrte der Beschwerdeführer hinsichtlich etwaiger Todesfälle jedoch lediglich in gänzlich abstrakten, allgemein gehaltenen Ausführungen, wonach im Jahr 2005 „willkürlich wegen der Konfession getötet“ worden sei und sich „Milizen gegründet“ hätten, welche „Unruhen angestiftet“ und „Sunniten getötet“ hätten (AS 95), ohne konkrete Ermordungen im unmittelbaren Umfeld seiner Familie auch nur rudimentär zu erwähnen. Im Hinblick auf eine etwaige Rückkehrgefährdung hatte der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung überdies noch vorgebracht, er befürchte, aufgrund seines Namens von der Regierung gesucht und inhaftiert zu werden (AS 11). Vor dem BFA gab er hingegen an, er habe Angst, abermals entführt zu werden, eine von den staatlichen Behörden des Irak ausgehende Bedrohung verneinte er hingegen ausdrücklich (AS 97). Dessen ungeachtet kann eine staatliche Verfolgung des Beschwerdeführers ohnedies bereits ausgehend von seinen eigenen Angaben im Verfahren, wonach ihm, seiner Mutter und seinen Geschwistern noch im Jahr 2013 im Irak Visa für die Türkei ausgestellt worden seien (AS 93) und sie im Anschluss den Irak auf legalem Weg, somit offenkundig unter Passieren der Grenzkontrollen, in Richtung Türkei verlassen hätten, ausgeschlossen werden.
Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass die polizeiliche Erstbefragung eines Asylwerbers im Sinne des § 19 AsylG 2005 insbesondere der Ermittlung seiner Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, so hat der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst wiederum ausdrücklich klargestellt, dass ein gänzlich von den Angaben im weiteren Verlauf des Verfahrens abweichendes Vorbringen eines Asylwerbers in seiner Erstbefragung ein relevantes Argument gegen dessen Glaubwürdigkeit darstellt (vgl. VwGH 10.02.2021, Ra 2021/18/0019). Sofern der Beschwerdeführer überdies von sich aus vor dem BFA Übersetzungsfehler im Rahmen der Erstbefragung monierte und um entsprechende Richtigstellungen ersuchte – ungeachtet des Umstandes, dass er am Ende der Erstbefragung ausdrücklich bestätigt hatte, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben habe und dem Protokoll durch seine unterschriftliche Unterfertigung Vollständigkeit und Richtigkeit attestierte (AS 11) – ist festzuhalten, dass es sich hierbei lediglich um das Geburtsdatum seines Vaters (Erstbefragung, AS 5: 1962; Einvernahme BFA, AS 92: 1963), seine Angaben bezüglich des Verbleibs seines Reisepasses (Erstbefragung, AS 7: im Meer verloren; Einvernahme BFA, AS 92: dem Schlepper übergeben) sowie die Umstände, dass er seit seiner Kindheit an Asthma leide und neben einem Bruder auch noch eine Schwester habe, welche ebenfalls mit der Familie geflüchtet sei (AS 92), handelte und um keine der zuvor aufgezeigten Widersprüche und Unstimmigkeiten.
Selbst die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seiner persönlichen Historie im Rahmen seiner Erstbefragung decken sich jedoch nicht mit seinen nachfolgenden Angaben im Verfahren und hatte er die betreffenden Divergenzen von sich aus ebenfalls nicht vor dem BFA gerügt. So gab er bei seiner Erstbefragung noch zu Protokoll, im Jahr 2013 mit dem Bus von Syrien nach Bagdad zurückgekehrt und nach einem Monat dort wieder mit dem Bus nach Ankara ausgereist zu sein. Zwischenzeitlich habe er sich auch in Georgien aufgehalten, sei mit dem Flugzeug nach Ankara und von dort aus abermals mit dem Bus nach Bagdad zurückgekehrt, wo er sich im Sommer 2015 noch einmal für zwei Monate aufgehalten habe, ehe er mit dem Bus wieder in die Türkei nach Ankara und weiter nach Tokat gereist sei, wo er sich „bis 22.10.2015“ aufgehalten und an diesem Tag weiter über Izmir nach Griechenland gereist sei (AS 7). Vor dem BFA stritt er hingegen ab, im Jahr 2015 noch ein weiteres Mal in seine Heimatstadt Bagdad zurückgekehrt zu sein (AS 93) und gab überdies an, sich im Jahr 2013 nicht für einen Monat in Bagdad, sondern für „ca. 7 Tage“ in Erbil aufgehalten zu haben, wo ihm, seiner Mutter und seinen Geschwistern Visa für die Türkei ausgestellt worden seien (AS 93). Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer seine Reisebewegungen im Rahmen seiner Erstbefragung durchaus detailliert dargelegt hatte und sogar von sich aus den exakten Tag im Oktober 2015 benannte, an dem er – nachdem er von Bagdad wieder in die Türkei zurückgekehrt war – seine Reise nach Europa angetreten habe, und auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass grundsätzlich den ersten Angaben eines Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (vgl. etwa VwGH 02.01.2017, Ra 2016/18/0323; 05.10.1988, 88/01/0155; 08.04.1987, 85/01/0299), geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht nur – wie allseits unbestritten - im Jahr 2013, sondern noch ein weiteres Mal im Jahr 2015 für einen Zeitraum von etwa zwei Monaten in den Irak zurückgekehrt ist und diesen Umstand nachträglich, wohl aus verfahrenstaktischen Gründen, zu verschleiern versuchte. Dass der Beschwerdeführer zuletzt in der Beschwerdeverhandlung zu Protokoll gab, „überhaupt keinen Kontakt“ zu Angehörigen in seinem Herkunftsstaat mehr zu haben, unter abermaligem Verweis auf Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher, nunmehr im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA (Protokoll S 13), wo er noch ausdrücklich angegeben hatte, mit seiner in Bagdad lebenden Cousine, welche Frauenärztin sei, in Kontakt zu stehen (AS 95f), legt überdies den Schluss nahe, dass er gezielt, durch wiederholten Verweis auf nachträglich im Beweisverfahren nur noch schwerlich zu belegende Übersetzungsfehler, Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens zu nehmen versucht, zumal er die Verständigung mit dem Dolmetscher im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA auf konkrete Nachfrage des Einvernahmeleiters noch als „Sehr gut“ bezeichnet hatte (AS 97) und auch die Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Protokolls durch seine unterschriftliche Unterfertigung bestätigte (AS 98).
Auch vermochte der Beschwerdeführer die Modalitäten bezüglich seiner eigenen Entführung im Jahr 2005 nicht stringent zu schildern. Zwar verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass die behaupteten Ereignisse mittlerweile ca. sechzehn Jahre zurück liegen würden und der Beschwerdeführer damals erst elf Jahre gewesen sei, sodass dem Umstand, dass sich seine betreffenden Schilderungen im gegebenen Zusammenhang sowohl vor dem BFA als auch in der Beschwerdeverhandlung äußerst vage und oberflächlich gestalteten und jegliche Realkriterien, wie sie für Erzählungen von selbst wahrgenommenen Ereignissen typisch sind - etwa eigene Gefühle oder auch nur unwesentliche Details oder Nebenumstände – vermissen ließen, keine all zu große Bedeutung zugemessen werden kann. Dennoch ist nicht nachvollziehbar, weshalb er in der Beschwerdeverhandlung lediglich angab, er sei „angehalten“ worden weil, er XXXX heiße bzw. sein Vater gesucht worden sei (Protokoll S 5f), während er vor dem BFA, neben einem eingangs eher beiläufig erwähnten Verweis auf seinen Namen im gegebenen Zusammenhang (AS 95: „Ich wurde wegen meinem Namen entführt“), explizit und auch etwas ausführlicher zu Protokoll gegeben hatte, er wäre im Rahmen einer Durchsuchung des Hauses seines Großvaters von Milizen mitgenommen worden, da diese ihm vorgeworfen hätten, die Hausdurchsuchung zu stören (AS 96). Diese angebliche Hausdurchsuchung oder eine ihm unterstellte Störung selbiger erwähnte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung wiederum mit keinem Wort.
Zudem kommt den seitens des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen in Vorlage gebrachten Beweismitteln keinerlei Beweiskraft zu. So ist eingangs auf die Ausführungen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak zu verweisen, wonach dort jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung zu beschaffen ist (vgl. Punkt II.1.3.11.). Dessen ungeachtet erscheint bemerkenswert, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA eine angebliche Sterbeurkunde seines Cousins aus dem Jahr 2012 in Vorlage brachte, ohne jedoch dessen Tod oder die Umstände seines Todes in Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen auch nur rudimentär im weiteren Verlauf des Verfahrens zu erwähnen (lediglich in der Beschwerde, AS 222, wird mit einem Satz unsubstantiiert angegeben: „2012 wurde auch der Cousin des Beschwerdeführers ermordet“). Ein Übersetzungsfehler in Zusammenhang mit dem in der Erstbefragung noch behaupteten Tod eines Freundes seines Vaters, welcher der Flucht der Familie vorangegangen sei, ist ebenfalls auszuschließen, da die Ermordung des Cousins im Jahr 2012 und somit erst Jahre nach der Ausreise der Familie stattgefunden hätte, wobei im gegebenen Zusammenhang überdies zu betonen ist, dass der Beschwerdeführer und seine Angehörigen, ausgehend von seinen Angaben, unbestritten nach dem Jahr 2012 ohnedies noch einmal in den Irak zurückgekehrt sind.
Was die nunmehr im Beschwerdeverfahren in Vorlage gebrachten Polizeiberichte aus dem Jahr 2018 anbelangt, wonach ein Onkel des Beschwerdeführers im Februar 2018 in Bagdad von schiitischen Milizen ermordet worden sei, nachdem diese in dessen Haus gekommen seien und nach dem Beschwerdeführer und seinem Vater gefragt hätten, was aus Sicht des Beschwerdeführers überdies als Beweis dafür diene, „dass sie uns immer noch verfolgen“ (Verhandlungsprotokoll S 9), ist festzuhalten, dass auf keinem der vorgelegten Schriftstücke das Datumsfeld in der linken oberen Ecke befüllt ist (die betreffenden Felder lauten: "Date: / / 2018", ohne dass ein Tag oder Monat eingefüllt worden wäre). Überdies vermochte der Beschwerdeführer, welcher in der Beschwerdeverhandlung angegeben hatte, „ein oder zwei Monate“ nach dem angeblichen Tod seines Onkels im Februar 2018 von dessen Ermordung erfahren zu haben, nachdem ihm sein Vater die betreffenden Dokumente geschickt habe (Protokoll S 10), nicht ansatzweise schlüssig darzulegen, weshalb er die betreffenden Beweismittel nicht bereits eher in das Verfahren eingebracht habe. So war er im Beschwerdeverfahren stets rechtlich vertreten, habe, ausgehend von seinen eigenen Angaben, seit dem Frühjahr 2018 über die in Rede stehenden Beweismittel verfügt und brachte diese dennoch erst im unmittelbaren Vorfeld der Beschwerdeverhandlung, mit Schriftsatz vom 13.04.2021 ("Stellungnahme & Urkundenvorlage in Vorbereitung auf die mündliche Beschwerdeverhandlung am 20.04.2021"), in Vorlage. Selbst in einer bereits zuvor im Wege seiner Rechtsvertretung eingebrachten schriftlichen Eingabe vom 17.12.2020 hatte er diese Beweismittel bzw. einen in Gestalt der Ermordung seines Onkels geänderten Sachverhalt noch gänzlich unerwähnt gelassen. Der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, man könne „nicht solche Dokumente über die Post schicken, es ist besser solche Dokumente dem Richter zu übergeben“ (Protokoll S 9), mutet vor dem Hintergrund, dass die Beweismittel letztlich sehr wohl postalisch beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurden, wenig überzeugend an und sind diese letzten Endes im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Totalfälschung zu qualifizieren, zumal auch der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass ein nachträglich gesteigertes Fluchtvorbringen in der Regel unglaubhaft ist, denn kein Asylwerber würde wohl bei lebensnaher Betrachtung eine sich bietende Gelegenheit, ein zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Vor diesem Hintergrund verliert auch das untrennbar mit dem angeblichen Tod des Onkels in Zusammenhang stehende, ebenfalls im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer im Irak zusätzlich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen seitens der Familienmitglieder des ermordeten Onkels ausgesetzt wäre, nachdem sein Großvater mütterlicherseits innerhalb des Stammes ein Verfahren gegen seinen Vater eröffnet habe, weil dieser für das Sterben des Onkels verantwortlich gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S 8 in Zusammenschau mit S 2 der schriftlichen Eingabe vom 13.04.2021), seine Grundlage und ist ebenso gänzlich unglaubhaft. Vielmehr ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer durch wiederholt neue Vorbringen das Verfahren zu seinen Gunsten zu beeinflussen versuchte, mit dem augenscheinlichen Kalkül, dass ihm wohl eines seiner unterschiedlich gelagerten, ins Treffen geführten Vorbringen letztlich zum erhofften Schutzstatus verhelfen würde.
Sofern der Beschwerdeführer überdies in der Beschwerdeverhandlung vorbrachte, „man“ habe später erfahren, dass es die schiitische Miliz Asa‘ib Ahl al-Haqq gewesen sei, welche seinen Onkel im Jahr 2018 entführt und ermordet habe (Protokoll S 8), was Beweis dafür sei, „dass sie uns noch immer verfolgen“ (Protokoll S 9), ist der Vollständigkeit halber überdies noch auf die Ausführungen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu verweisen, wonach die Asa‘ib Ahl al-Haqq erst im Jahr 2006 gegründet wurde (vgl. Punkt II.1.3.5.), sodass jeglicher Bezug dieser Miliz zu den angeblich für den Beschwerdeführers und seine Familie im Jahr 2005 fluchtauslösenden Ereignissen ausgeschlossen werden kann.
Bezüglich des Vaters des Beschwerdeführers und des im gegebenen Zusammenhang seitens der Rechtsvertretung im Rahmen der Beschwerdeverhandlung getätigten Hinweises auf Erwägungsgrund 36 der Statusrichtlinie, wonach Familienangehörige aufgrund der alleinigen Tatsache, dass sie mit einem Flüchtling verwandt sind, gefährdet sein können, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann, ist festzuhalten, dass ungeachtet dessen, ob und aus welchen Gründen dem Vater des Beschwerdeführers in Finnland tatsächlich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, wovon angesichts seines in Kopie in Vorlage gebrachten, finnischen Konventionsreisepasses ausgegangen werden kann, nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Asylverfahren eine Bindungswirkung in Bezug auf andere Parteien betreffende Verfahren nicht besteht (vgl. VwGH 16.06.2020, Ra 2020/19/0029, mwN) und lässt sich vor dem Hintergrund des erhobenen Sachverhaltes auch aus dem Umstand, dass dem Vater des Beschwerdeführers zwischenzeitlich der Status des Asylberechtigten in Finnland zuerkannt wurde, keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers im Irak ableiten.
Aus dem Gesagten gelangt das Bundesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Hinblick auf seine eigene Entführung im Jahr 2005 bzw. die Ermordung seines Onkels im Jahr 2018 durch Milizen gedanklich konstruiert hat. Jedoch erscheint im Rahmen einer Gesamtschau glaubhaft, dass er, seine Eltern und seine Geschwister den Irak im Jahr 2005 aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage oder tatsächlich aufgrund konfessioneller Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, welche laut der einschlägigen Länderberichte insbesondere in der Phase des Bürgerkriegs nach der Entmachtung Saddam Husseins im Jahr 2003 aufflammten, ab dem Jahr 2008 jedoch wieder abebbten (vgl. dazu insbesondere die Punkte II.1.3.6. bis II.1.3.6.2.), verlassen haben, nachdem der Schulbesuch des Beschwerdeführers in Syrien (durch das in Vorlage gebrachte Zeugnis aus Syrien), sein Aufenthalt in der Türkei sowie der Aufenthalt seiner gesamten Familie in Syrien (durch die in Vorlage gebrachten "UNHCR Refugee Certificates"), als auch der nunmehrige Schutzstatus seines Vaters in Finnland (durch dessen in Kopie in Vorlage gebrachten finnischen Konventionsreisepass und finnischer Aufenthaltsberechtigungskarte) aufgrund der diesbezüglich im Verfahren in Vorlage gebrachten Bescheinigungsmittel dokumentiert sind und sich auch die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren bezüglich der Reisebewegungen seiner Familie, abgesehen von seiner später wiederum abgestrittenen, abermaligen Rückkehr nach Bagdad im Jahr 2015, im Wesentlichen als stringent erwiesen.
Doch auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie den Irak im Jahr 2005 aufgrund konfessioneller Probleme verlassen hat, lässt sich keine konkrete Gefahr einer aktuellen, individuell gegen seine Person gerichteten Verfolgung im Irak ableiten, da das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage in seinem aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzustellen hat (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) und insoweit gegenständlich zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr in den Irak aufgrund seiner sunnitischen Konfession, seines Namens oder seines familiären Hintergrundes der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Dies ist vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte jedoch zu verneinen. Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft, welche mit einem Anteil von ca. 35% bis 40% der Gesamtbevölkerung die größte Gruppe der Minderheiten des Irak darstellen und in allen Gesellschaftsbereichen als auch in der Politik vertreten sind, existiert im Irak nicht (vgl. zuletzt VwGH 25.09.2020, Ra 2019/19/0407, wo eine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak unter Verweis auf die seitens des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen seiner ständigen Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien, nach denen die Asylrelevanz einer Gruppenverfolgung zu prüfen ist, explizit verneint wurde; oder VwGH 29.06.2018, Ra 2018/18/0138, wo eine Gruppenverfolgung von Sunniten spezifisch in Bagdad ausdrücklich negiert wurde). Diese Annahme wird nicht zuletzt bereits durch die eigenen Angaben des Beschwerdeführers untermauert, wonach er und seine gesamte Kernfamilie im Jahr 2013, nach ihrer ursprünglichen Ausreise im Jahr 2005, in den Irak zurückgekehrt seien und sich seine Mutter, seine Geschwister und er in weiterer Folge Visa für die Türkei ausstellen hätten lassen, während sein Vater noch bis zum Jahr 2015 unbehelligt - wenngleich in der autonomen Region Kurdistan – im Irak gelebt, gearbeitet und gespart habe, ehe er die Ausreise nach Europa angetreten habe (AS 94ff, Verhandlungsprotokoll S 8f). Überdies gab der Beschwerdeführer an, „die Familie meiner Eltern“ sowie u.a. eine Cousine, welche als Frauenärztin arbeite, würde nach wie vor in Bagdad leben (AS 95), ohne dass im gegebenen Zusammenhang je vorgebracht wurde, dass diese aufgrund ihrer Konfession Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wären (vgl. etwa seine Einvernahme vor dem BFA, AS 96: „Frage: Wie kann Ihre Cousine im Irak leben? Antwort: Sie ist Frauenärztin. Mehr weiß ich nicht“). Das Vorbringen seitens des Rechtsvertreters in der Beschwerdeverhandlung, wonach sich aus der rezenten Ermordung des Onkels die Aktualität der dem Beschwerdeführer drohenden Verfolgung auf Grund der landesweiten Vernetzung schiitischer Milizen ergebe und ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe (Protokoll S 13), widerstreitet somit sowohl den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, als auch den einschlägigen Länderberichten sowie höchstgerichtlichen Judikatur und entbehrt vor diesem Hintergrund jeglicher Grundlage. Vielmehr stünde es dem Beschwerdeführer ohne weiteres offen, sich in einem mehrheitlich sunnitisch geprägten Stadtteil seiner Heimatstadt Bagdad niederzulassen. Seit dem 23.07.2020 ist der – vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie temporär geschlossene - internationale Flughafen Bagdad wieder für kommerzielle Linienflüge geöffnet und sofern es für ihn notwendig sein sollte, für eine Einreise als sunnitischer Araber einen Bürgen vorzuweisen, ist davon auszugehen, dass er hierfür auf einen seiner in Bagdad lebenden Angehörigen zurückgreifen wird können. Auch um Bagdad herum gibt es Flüchtlingslager und Aufnahmestationen (zum grundsätzlichen Bestehen innerstaatlicher Fluchtalternativen für arabische Sunniten im Irak vgl. Punkt II.1.3.6.1.).
Bezüglich des Namens des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass sein Vorname XXXX , wie sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Schiitische und sunnitische Namensgebung" vom 17.06.2019 ergibt, traditionell tatsächlich eine sunnitische Konnotation aufweist, wobei es eine große Zahl von Irakern seit der US-geführten Invasion des Irak ab dem Jahr 2003 und den darauf folgenden, konfessionell motivierten Unruhen, welche 2008 wieder abebbten, vermieden hat, ihren Kindern Namen mit religiöser Konnotation zu geben. Auch wird in dieser Anfragebeantwortung, in Einklang mit im Beschwerdeschriftsatz zitierten Länderberichten (AS 231ff), darauf hingewiesen, dass der Name XXXX Sunniten Probleme bereiten kann und während des Bürgerkriegs im Jahr 2006 vierzehn mit Kopfschüssen getötete, junge Männer in Bagdad aufgefunden wurden, welche alle Sunniten waren und den Vornamen XXXX trugen. Unterdessen haben Schiiten Berichten zufolge aufgrund ihrer Namen Probleme durch sunnitische militante Gruppen wie den IS erlebt. Auch hätten Berichten zufolge während des Bürgerkriegs im Irak von 2006 bis 2008 sowohl bewaffnete sunnitische als auch schiitische Gruppen Kontrollpunkte errichtet, um Angehörige der jeweils anderen Glaubensrichtung aufzugreifen und zu töten, wobei zur Identifizierung ihrer Opfer meist auf Namen mit religiöser und historischer Konnotation zurückgegriffen worden sei (vgl. Punkt II.1.3.6.2.). Konkrete, aktuellere Vorfälle finden sich jedoch in keinem der einschlägigen Länderberichte, sodass sich der im Beschwerdeschriftsatz zum Ausdruck gebrachte, aus diesen Berichten abgeleitete Schluss, „dass Männer mit dem Namen XXXX verfolgt werden“ (AS 233), als nicht zulässig erweist. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Quellenlage festzuhalten, dass es zwar - insbesondere während der Zeit konfessioneller Unruhen nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003 bis zum Jahr 2008, wo diese wiederum abebbten – tatsächlich zu Vorfällen kam, die zur Ermordung von Menschen auf Grund ihres sunnitisch oder schiitisch konnotierten Namens führten, die relevante Anzahl, insbesondere was die jüngere Vergangenheit sowie die Gegenwart betrifft, jedoch nicht feststellbar ist und die Gefahr einer systematischen Verfolgung im Irak aufgrund einer konfessionell konnotierten Namensgebung in keinem der einschlägigen Länderberichte Deckung findet. Zwar ist es durchaus möglich und plausibel, dass manche Namen traditionell der sunnitischen bzw. der schiitischen Glaubensrichtung des Islams zugeordnet werden können, jedoch geht lediglich aufgrund des Tragens eines solchen Namens noch keine spezifische Gefahr einer Verfolgung einer Person hervor, zumal die Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft an sich – wie zuvor bereits dargelegt - im Irak ebenfalls keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung begründet. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer Namensänderung hinzuweisen, welche, wie u.a. in einem im Beschwerdeschriftsatz zitierten Länderbericht aus dem Jahr 2015 behauptet wird (AS 232), durchaus häufig von Irakern mit sunnitisch konnotierten Namen in Anspruch genommen werde und welche wohl auch der Vater des Beschwerdeführers selbst im Jahr 2015 habe durchführen lassen, wie mit einem seitens des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA als Beweismittel in Vorlage gebrachten Dokument bescheinigt werden soll (AS 111).
Zusammengefasst gelangt das Bundesverwaltungsgericht somit zum Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht nicht gelungen ist, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen und er weder aufgrund seiner sunnitischen Konfession, noch aufgrund seines Namens oder seines familiären Hintergrundes im Irak der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist, sodass die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich auch den tragenden Erwägungen der belangten Behörde hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an, wonach der Beschwerdeführer als junger und gesunder Mann mit Berufserfahrung und ohne Sorgepflichten durchaus in der Lage sein wird können, sich durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, im Irak eine Lebensgrundlage zu schaffen. Überdies verfügt er zumindest in Gestalt eines Großvaters, Onkeln und Tanten sowie einer Cousine über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Heimatstadt Bagdad und ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm gegebenenfalls nicht möglich sein sollte, zu diesen in Kontakt treten zu können. Im Verfahren wurden keine Gründe dargelegt, weshalb er etwa keine Unterkunft bei Angehörigen (wenn auch nur vorübergehend) nehmen oder von ihnen anderweitig Unterstützung erfahren könnte. Naturgemäß steht es auch seinen Eltern bzw. J.B. frei, ihn von Finnland, von der Türkei oder von Österreich aus finanziell zu unterstützen. Doch selbst wenn der Beschwerdeführer – wider Erwarten – im Irak keine familiäre Unterstützung erfahren sollte, ist im gegebenen Zusammenhang vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichthof wiederholt auf die "Indizwirkung" von Empfehlungen internationaler Organisationen für den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsfindungsprozess hingewiesen hat, wobei den Richtlinien des UNHCR hierbei besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. zuletzt VwGH 11.02.2021, Ra 2021/20/0026, mwN), auf die in den "UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" vertretene Ansicht hinzuweisen, wonach ein alleinstehender, körperlich leistungsfähiger arabisch-sunnitischer Mann im arbeitsfähigen Alter und ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten, wie der Beschwerdeführer, abhängig von den jeweiligen Umständen möglicherweise sogar in der Lage sein wird können, in der Stadt Bagdad ohne Unterstützung durch seine Familie und/oder seinen Stamm zu bestehen (vgl. Punkt II.1.3.3.). Die Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln ist in Bagdad ebenso gewährleistet (vgl. Punkt II.1.3.8. sowie II.1.3.8.1.).
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht und gab er zuletzt in der Beschwerdeverhandlung ausdrücklich zu Protokoll, keine körperlichen oder geistigen Probleme zu haben und an keinerlei chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen zu leiden (Protokoll S 3). Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt bei unter 1% (vgl. Punkt II.1.3.9.1.). Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen im Sinne des Art. 3 EMRK.
Eine Rückkehr in den Irak führt somit im Falle des Beschwerdeführers nicht automatisch dazu, dass er in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und in seinen durch Art. 2 und Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt würde. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage in Bagdad nicht von willkürlicher Gewalt bedroht, wobei im Hinblick auf eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers an dieser Stelle, unter Verweis auf die seitens des Verwaltungsgerichtshofes wiederholt betonte Verpflichtung zur Beachtung der vom UNHCR und EASO herausgegebenen Richtlinien aus dem einschlägigen Unionsrecht (vgl. zuletzt VwGH 11.02.2021, Ra 2021/20/0026, mwN), explizit auf die seitens EASO zum Ausdruck gebrachte Ansicht hinzuweisen ist, wonach sich im Gouvernement Bagdad zwar nach wie vor sicherheitsrelevante Vorfälle ereignen, jedoch nicht flächendeckend und mit derartiger Regelmäßigkeit, dass automatisch Gründe vorliegen würden um die Annahme zu rechtfertigen, dass eine nach Bagdad zurückkehrende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.3.). Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalles naturgemäß stets zu berücksichtigen sind, wurden risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf den Beschwerdeführer im Verfahren ebenfalls nicht substantiiert vorgebracht.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Dem Beschwerdeführer wurde im Vorfeld der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak übermittelt und dieses sowie die weiteren im Akt enthaltenen Feststellungen und Berichte zur allgemeinen Situation im Irak mit ihm und seiner Rechtsvertretung im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erörtert, wobei den unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen hierbei nicht substantiiert entgegengetreten wurde.
Zusammengefasst ist sohin festzuhalten, dass sich die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak zweifelsfrei aus den unter Punkt II.1.3. zitierten Quellen ergeben und weder diesen Quellen noch deren Inhalt im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegengetreten wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abs. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. ausführlich dargelegt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Seinem Fluchtvorbringen hinsichtlich seiner angeblichen Entführung durch Milizen im Jahr 2005 und der rezenten Ermordung seines Onkels im Jahr 2018 durch die schiitisch Miliz Asa‘ib Ahl al-Haqq war unter Abwägung aller in der Beweiswürdigung dargelegten Gründe die Glaubhaftigkeit zu versagen und ist er zum Entscheidungszeitpunkt auch weder aufgrund seiner sunnitischen Konfession, noch aufgrund seines Namens oder seines familiären Hintergrundes im Irak der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.
Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mwN). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Fremder bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).
Überdies ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Abschiebung in seinen Heimatstaat droht, weil der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK angenommen werden kann (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Das Vorliegen solcher exzeptionellen Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303, mwN).
3.2.2. Dem Beschwerdeführer droht im Irak keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art. 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art. 3 EMRK - was im Irak aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Grund dafür vor anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu erleiden oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein. Nachdem keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welche zur Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein "ernsthafter Schaden" im Sinne des Art. 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht im Irak ebenfalls nicht. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak nicht mit jener in Österreich vergleichbar, jedoch erreichen die nach den einschlägigen Länderberichten vorgekommenen sicherheitsrelevanten Vorfälle nicht ein derart hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen würden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet tatsächlich in Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter Punkt II.1.3.1. bis II.1.3.4.).
Der Beschwerdeführer konnte auch nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation im Irak und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Die Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Beschwerdeführers im Irak liegt ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die im Irak allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen vor, die dazu führen könnten, dass er bei einer Rückkehr in den Irak einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.
Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Irak ebenfalls nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr in den Irak mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.
Dafür, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall ebenfalls keinen Anhaltspunkt. Er ist jung, gesund und erwerbsfähig, verfügt über Berufserfahrung und hat keine Sorgepflichten. Zudem verfügt er zumindest in Gestalt eines Großvaters, Onkeln und Tanten sowie einer Cousine über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Heimatstadt Bagdad und ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm gegebenenfalls nicht möglich sein sollte, zu diesen in Kontakt treten zu können. Im Verfahren wurden keine Gründe dargelegt, weshalb er etwa keine Unterkunft bei Angehörigen (wenn auch nur vorübergehend) nehmen oder von ihnen anderweitig Unterstützung erfahren könnte. Naturgemäß steht es auch seinen Eltern bzw. J.B. frei, ihn von Finnland, von der Türkei oder von Österreich aus finanziell zu unterstützen.
Sofern der der Verwaltungsgerichthof wiederholt auf die "Indizwirkung" von Empfehlungen internationaler Organisationen für den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsfindungsprozess hingewiesen hat, wobei den Richtlinien des UNHCR hierbei besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. zuletzt VwGH 11.02.2021, Ra 2021/20/0026, mwN), ist selbst bei hypothetischer Annahme, der Beschwerdeführer würde im Falle seiner Rückkehr nach Bagdad keine Unterstützung seitens seiner Angehörigen erfahren, auf die in den "UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" vertretene Ansicht hinzuweisen, wonach ein alleinstehender, körperlich leistungsfähiger arabisch-sunnitischer Mann im arbeitsfähigen Alter und ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten, wie der Beschwerdeführer, abhängig von den jeweiligen Umständen möglicherweise sogar in der Lage sein wird können, in der Stadt Bagdad ohne Unterstützung durch seine Familie und/oder seinen Stamm zu bestehen (vgl. Punkt II.1.3.3.). Die Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln ist in Bagdad ebenso gewährleistet (vgl. dazu insbesondere die Punkte II.1.3.8. sowie II.1.3.8.1.). Der Umstand, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers im Irak möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf den Beschwerdeführer (vgl. Punkt II.2.3.).
Damit erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet und war dementsprechend gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides – erster Spruchteil):
3.3.1. Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 ("Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK") von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, d.h. auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005. Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides – im Umfang des ersten Spruchteiles - gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides – zweiter Spruchteil):
3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG 2005) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (vgl. § 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht, und im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“, ist die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers von etwa fünfeinhalb Jahren im gegenständlichen Fall wohl zwar nicht als sehr kurz, aber auch nicht als besonders lange zu bewerten. Von der in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur, die bei einem über zehnjährigen Aufenthalt (sofern diese Dauer nicht durch gewisse Umstände relativiert wird) regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich ausgeht, ist die Länge des Aufenthalts des Beschwerdeführers jedoch eine erhebliche Zeitspanne entfernt und seine Aufenthaltsdauer somit nicht als so lange zu bewerten, dass sie sein Interesse an einem Verbleib in Österreich automatisch zum Überwiegen bringen würde. Seine Aufenthaltsdauer wird zusätzlich dadurch relativiert, dass er illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und sich lediglich auf Grundlage des verfahrensgegenständlichen, unbegründeten Asylantrags in Österreich aufhielt.
Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht alleine maßgeblich, sondern ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf sonstige Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer eines Fremden in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. zuletzt VwGH 03.12.2019, Ra 2019/18/0471, mwN), wobei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes selbst die Kombination aus Fleiß, Arbeitswille, Unbescholtenheit, dem Bestehen sozialer Kontakte in Österreich, dem verhältnismäßig guten Erlernen der deutschen Sprache sowie der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor dem Hintergrund einer Aufenthaltsdauer von knapp vier Jahren keine "außergewöhnliche Integration" darstellt (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0212).
Fallgegenständlich beruhte der nunmehr etwa fünfeinhalbjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes auch nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat erst in drei kürzlich ergangenen Entscheidungen, bei annähernd gleicher Aufenthaltsdauer wie im Fall des Beschwerdeführers, jedoch bei teils erheblich gewichtigeren Integrationsschritten wie im vorliegenden Beschwerdefall (u.a. Deutschkenntnisse auf Sprachniveau B1, Ausbildung in Sozial- und Pflegeberuf, Lehre zum Bäcker), ausführlich dargelegt, dass es maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste und zuvor ergangene Rückkehrentscheidungen bestätigt (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093; 27.02.2020, Ra 2019/01/0471; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Der darin angeführte Aspekt, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen, trifft auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zu.
Auch wenn es einzelne Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers, seien es seine Deutsch-Kenntnisse auf Sprachniveau A2, seine fallweisen, allerdings bereits wieder Jahre zurückliegenden Remunerantentätigkeiten für eine Stadtgemeinde oder seine, insbesondere aufgrund seiner Beziehung zu J.B., in Österreich geschlossenen Bekanntschaften, anzuerkennen gilt, so wird das Gewicht seiner privaten Interessen letztlich dadurch gemindert, dass sie allesamt über einen Zeitraum entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Auch kann seine Integration vor dem Hintergrund seines mittlerweile fünfeinhalbjährigen Aufenthaltes im Lichte der vorzitierten, höchstgerichtlichen Judikatur keineswegs als "außergewöhnlich" bezeichnet werden. Insbesondere kann er – wie dargelegt – bislang lediglich Deutsch-Kenntnisse auf Sprachniveau A2 vorweisen, ist nicht selbsterhaltungsfähig und ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nach, während er seinen Lebensunterhalt seit seiner Einreise über die staatliche Grundversorgung bestreitet. Auch seine im Beschwerdeverfahren in Vorlage gebrachte Einstellungszusage eines Lebensmittelhändlers, welche jedoch nicht einmal den Mindestinhalt eines Arbeitsvorvertrages (das Beschäftigungsausmaß und das in Aussicht stehende Entgelt) enthält, vermag seinen persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht zu verleihen, zumal die ersten vier Wochen stets als Probezeit gelten und sich aus einem Arbeitsvorvertrag keinerlei Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten lässt (vgl. VwGH 13.10.2011, 2011/22/0065, mwN).
Hinsichtlich der aufrechten Beziehung des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen J.B. ist dem Vorbringen in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 13.04.2021, wonach nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ein nach Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben grundsätzlich nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen ("marriage-based relationships") beschränkt ist, sondern auch andere faktische Familienbindungen ("de facto family ties") erfasst, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben, beizutreten (vgl. auch VwGH 23.02.2011, 2011/23/0097; 08.09.2010, 2008/01/0551, jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. VwGH 24.06.2019, Ra 2019/20/0101, mit Verweis auf das Urteil des EGMR 02.11.2010, Yigit/Türkei, 3976/05, Rn. 93 und 96).
Auch wenn man die Beziehung des Beschwerdeführers zu J.B. angesichts ihrer Intensität sowie insbesondere aufgrund des gemeinsamen Wohnsitzes seit November 2018 im Lichte der vorzitierten Judikatur durchaus als Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu klassifizieren vermag, so weist der Verwaltungsgerichthof dessen ungeachtet ebenso in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG als maßgeblich relativierend einbezogen werden darf, wenn sich dieser zum Zeitpunkt der Entstehung eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2020, Ra 2019/14/0545, mwN). Diese Überlegungen gelten insbesondere auch für eine Eheschließung mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person, wenn dem Fremden zum Zeitpunkt des Eingehens der Ehe die Unsicherheit des Bestehens eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich in evidenter Weise klar sein musste (vgl. VwGH 14.10.2019, Ra 2019/18/0396, mwN) und daher umso mehr für eine in einer solchen Situation begründete Lebensgemeinschaft (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0187). Auch nach der Rechtsprechung des EGMR kann sich ein Beschwerdeführer im Kontext des Art. 8 EMRK nicht auf eine Beziehung zu einer neuen Freundin und auf die Geburt eines gemeinsamen Kindes aus dieser Beziehung berufen, wenn die Beziehung zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als sein weiterer Aufenthalt unsicher war (vgl. EGMR 16.04.2013, Udeh/Schweiz, 12020/09, Rn. 50).
Gegenständlich gaben der Beschwerdeführers sowie J.B. im Verfahren übereinstimmend an, seit dem Frühjahr 2018 eine Beziehung zu führen, wobei seit November 2018 ein gemeinsamer Wohnsitz besteht. Die Beziehung wurde somit unstreitig zu einem Zeitpunkt eingegangen, als der verfahrensgegenständliche Asylantrag des Beschwerdeführers bereits erstinstanzlich – mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 08.08.2017 – abgewiesen worden war. Im konkreten Fall durften somit weder der Beschwerdeführer, noch in gleicher Weise J.B., darauf vertrauen, im Bundesgebiet ein dauerhaftes Familienleben führen zu können. Der Umstand, dass J.B. den Beschwerdeführer sogar in ihrer damaligen Funktion als Betreuerin in einem Flüchtlingsquartier kennengelernt hatte, unterstreicht noch die Annahme, dass sich beide seines unsicheren Aufenthaltsstatus in evidenter Weise bewusst sein mussten und wird das Gewicht der über diesen Zeitraum entstandenen, privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet dadurch erheblich gemindert (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; überdies VfSlg. 19.086/2010, wo der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang erklärt, dass „eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde“).
Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer und J.B. keine gemeinsamen Kinder haben und auch ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis der berufstätigen J.B. zum Beschwerdeführer, welcher seinerseits seinen Lebensunterhalt seit seiner Einreise über die staatliche Grundversorgung bestreitet, ausgeschlossen werden kann, erscheint es dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall durchaus zumutbar, den Kontakt zu J.B. für die Dauer eines ordnungsgemäßen Niederlassungsverfahrens über moderne Kommunikationsmittel oder wechselseitige Besuchsaufenthalte aufrecht zu erhalten. Da im vorliegenden Fall auch kein Einreiseverbot gegen ihn verhängt wurde, ist es ihm naturgemäß nicht verwehrt, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) in das Bundesgebiet zurückzukehren.
Abgesehen von seiner Beziehung zu J.B. weist der Beschwerdeführer in Österreich offenkundig keinen maßgeblichen Grad an gesellschaftlicher oder sozialer Integration auf und erscheinen seine ansonsten geschlossenen Bekanntschaften, ausgehend von den acht in Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben, überwiegend eine „Begleiterscheinung“ seiner Beziehung mit J.B. zu sein, welche in der Beschwerdeverhandlung, befragt zu seitens des Beschwerdeführers gepflegten Freundschaften, selbst ausdrücklich angab, dieser sei „in meinem Freundeskreis“, er selbst habe keine engen Freunde, lediglich einen Freund namens O., mit dem er telefoniere, welcher jedoch nicht in der Nähe des Beschwerdeführers und J.B. lebe (Protokoll S 18).
Dementgegen kann nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat Irak ausgegangen werden, zumal er dort durchgehend die ersten elf Jahre seines Lebens verbracht hat, hauptsozialisiert wurde und seine Enkulturation erfahren hat. Er spricht nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der irakischen Kultur weiterhin vertraut, insbesondere da er auch nach seiner ursprünglichen Ausreise aus dem Irak im Jahr 2005, bis zum Erreichen seiner Volljährigkeit und noch darüber hinaus - zunächst in Syrien und ab dem Jahr 2013 in der Türkei - zusammen mit seinen Eltern (bzw. ab 2013 mit seiner Mutter) und seinen beiden Geschwistern, welche allesamt aus dem Irak stammen, gelebt hat. Zudem hielt er sich in den Jahren 2013 und 2015 abermals im Irak auf und verfügt in seiner Heimatstadt Bagdad über familiäre Anknüpfungspunkte. Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat besteht sohin nicht.
Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stellt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Stärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich dar, da der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält (vgl. VwGH 26.04.2005, 2005/21/0063, mwN).
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. dazu VwGH 12.03.2002, 98/18/0260; 18.01.2005, 2004/18/0365; 03.05.2005, 2005/18/0076; 17.01.2006, 2006/18/0001; 09.09.2014, 2013/22/0246).
Aus dem Gesagten schlägt die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessensabwägung im Rahmen einer Gesamtschau zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann und war die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung daher nicht zu beanstanden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind ebenso erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (etwa vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des zweiten Spruchteils von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides – dritter Spruchteil):
3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2. Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. zuletzt VwGH 21.01.2021, Ra 2021/18/0005, mwN).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des dritten Spruchteils von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was auf solche "besonderen Umstände" im Sinne des § 55 Abs. 2 FPG schließen ließe. Weder aus dem Verwaltungsakt noch in der mündlichen Verhandlung sind Umstände hervorgekommen, die als "besondere Umstände" im Sinne des § 55 Abs. 2 FPG zu werten wären. Daher traf die belangte Behörde zu Recht den Ausspruch, dass die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.
Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, als sie sich gegen den Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise, Spruchpunkt IV., wendet und war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
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