BVwG G314 2233467-1

BVwGG314 2233467-122.4.2021

B-VG Art133 Abs4
GEG §6a Abs1
GGG Art1 §14
GGG Art1 §16 Abs1 Z1 litc
GGG Art1 §18 Abs1
GGG Art1 §18 Abs2 Z2
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §32 TP1
GGG Art1 §6 Abs2
JN §58 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2233467.1.00

 

Spruch:

G314 2233467-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch die Rechtsanwälte Mag. Hans Georg POPP und Mag. Armin POSAWETZ, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2020, XXXX, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am XXXX.2015 brachte die beschwerdeführende Partei (BF) beim Bezirksgericht XXXX zu XXXX im elektronischen Rechtsverkehr eine Räumungsklage ein und brachte dazu vor, die beklagte Partei habe das (näher beschriebene) Bestandobjekt nicht geräumt, obwohl das Mietverhältnis am XXXX.2015 geendet habe. Für die Klage wurde die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 102 entrichtet.

In der Verhandlung vom XXXX.2015 schlossen die BF und die beklagte Partei einen gerichtlichen Vergleich. Dieser lautet auszugsweise:

„A)

Die beklagte Partei verpflichtet sich bis XXXX.2016 bei sonstiger Exekution, die vom Untermietvertrag umfassten, als „XXXX“ betitelten Haupt- und Nebenräumlichkeiten und freien Flächen […] zu räumen und der klagenden Partei geräumt von den eigenen Fahrnissen zu übergeben […].

B)

(1) Die beklagte Partei verpflichtet sich, für die Dauer des Mietverhältnisses am 1. eines jeden Monats im Vorhinein einen monatlichen Mietzins zu bezahlen, der sich zusammensetzt wie folgt: […]. Die Summe der monatlich zu entrichtenden Miete beträgt somit EUR 1.808,88 netto + 20 % Mwst […].

(2) Die beklagte Partei verpflichtet sich, für die Dauer des Mietverhältnisses am 1. eines jeden Monats im Vorhinein als Akonto die anteilig zu verrechnenden Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben […] zu zahlen, welche sich wie folgt berechnen […].

(8) Der somit errechnete Gesamtbrutto-Untermietzins (Nettomietzins von EUR 1.808,88 + aliquoter Betriebskostenanteil von EUR 898,79 + 20 % Mwst. beträgt aktuell EUR 3.249,21 (in Worten: […]) und ist am 1. eines jeden Monats im Vorhinein auf das Konto der Vermieterin […] einzuzahlen […]. „

Im Zuge der Nachprüfung der Gebühren und Kosten im Jahr 2020 wurden der BF nach erfolgloser Lastschriftanzeige mit dem als Mandatsbescheid erlassenen Zahlungsauftrag vom XXXX.2020 die restliche Pauschalgebühr für den Vergleich von EUR 7.573 sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 7.581, zur Zahlung vorgeschrieben.

Aufgrund der dagegen von der BF erhobenen Vorstellung wurden ihr mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 7.675 (Bemessungsgrundlage: EUR 390.656) abzüglich der entrichteten Gebühr von EUR 102 zuzüglich der Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 7.581, vorgeschrieben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass im Grundverfahren ein streitwerterhöhender Vergleich iSd § 18 Abs 2 Z 2 GGG abgeschlossen worden sei, in dem einerseits ein Räumungstermin und andererseits ein bestimmter zu zahlender Mietzins ohne zeitliche Begrenzung vereinbart worden seien. Es sei eine Verpflichtung auf unbestimmte Zeit begründet worden; dem Vergleich könne nicht entnommen werden, dass die Zahlungsverpflichtung (z.B. im Fall der nicht fristgerechten Räumung) mit dem festgelegten Räumungstermin erlöschen solle. Die Bemessungsgrundlage betrage bei Streitigkeiten über Räumungsklagen gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG EUR 750. Dazu kämen die im Vergleich zur Zahlung übernommenen Beträge, in die die Betriebskosten als Teil des vereinbarten und zu zahlenden Benützungsentgelts einzubeziehen seien. Da sich die beklagte Partei zur Zahlung dieser Beträge ohne zeitliche Fixierung verpflichtet habe, betrage die Bemessungsgrundlage gemäß § 14 GGG iVm § 58 Abs 1 JN das Zehnfache der Jahresleistung.

Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Behebung des angefochtenen Bescheids. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückerweisungsantrag gestellt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass das Bestandverhältnis zwischen den Parteien des Grundverfahrens am XXXX.2015 geendet habe. Mit dem Vergleich sei kein neues Mietverhältnis begründet, sondern lediglich der XXXX.2016 als Endtermin für die Räumungsverpflichtung vereinbart worden. Punkt B. des Vergleichs sei keine neue Verpflichtung, sondern die Konkretisierung von Punkt A. Die strittige Höhe des Mietzinses und der Betriebskosten sei der Übersicht halber angepasst und konkretisiert worden; es sei aber kein neues Vertragsverhältnis begründet worden. Die Verpflichtung zur Miet- und Betriebskostenzahlung habe bereits bestanden und sei im Vergleich (zur Vermeidung einer Verlängerung des Verfahrens und weiterer Kosten) exekutierbar konkretisiert worden. Die im Vergleich übernommene Zahlungsverpflichtung habe jedenfalls mit dem in Punkt A. fixierten Endtermin, somit am XXXX.2016, geendet. Die im Vergleich festgehaltene Rechtsbeziehung übersteige keinesfalls ein Jahr, sodass nicht von einer unbestimmten Dauer gesprochen werden könne. Es fehle ein Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien auch den Fall eines vertragswidrigen Verhaltens der beklagten Partei hätten regeln wollen.

Der Präsident des Landesgerichts XXXX legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt. Der Inhalt der von der BF erhobenen Klage und des Vergleichs vom XXXX.2015 ergeben sich aus den entsprechenden Aktenbestandteilen des Grundverfahrens (XXXX des Bezirksgerichts XXXX). In der Beschwerde, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht entgegentritt, wird nur die rechtliche Beurteilung der Vorschreibungsbehörde bekämpft. Der relevante Sachverhalt steht somit anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Im vorliegenden Fall sind die Bestimmungen des GGG in der im Oktober 2015 geltenden Fassung anzuwenden.

Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen. Als „bürgerliche Rechtssachen“ gelten alle gerichtlichen Verfahren, auf die die Bestimmungen der JN anzuwenden sind (Dokalik, Gerichtsgebühren13 TP 1 GGG Bemerkung 5), also auch die hier zu beurteilende Räumungsklage, für die die BF bereits bei Klagseinbringung eine Pauschalgebühr von EUR 102 entrichtete. Im Zuge des aufgrund dieser Klage eingeleiteten Verfahrens schlossen die Parteien am 09.10.2015 einen gerichtlichen Vergleich. Der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für diesen Vergleich wurde gemäß § 2 Z 1 lit a GGG mit der Beurkundung durch das Entscheidungsorgan begründet.

Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.

Nach § 18 Abs 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage grundsätzlich für das ganze Verfahren gleich. Eine Ausnahme tritt gemäß § 18 Abs 2 Z 2 GGG dann ein, wenn der Wert des Streitgegenstands infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird oder Gegenstand des Vergleichs eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt. In diesen Fällen ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwerts zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Geht der – nach gerichtsgebührenrechtlichen Kriterien zu ermittelnde – Wert des Vergleichs über jenen des ursprünglichen Klagebegehrens hinaus, ist für diesen „höherwertigen Vergleich“ gemäß § 18 Abs 2 Z 2 GGG eine Ergänzungsgebühr zu entrichten, sofern es sich beim Gegenstand des Vergleichs um eine Leistung handelt. Dieser Begriff ist in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst etwa auch Feststellungen über das Bestehen oder Nichtbestehen einer ziffernmäßig bestimmten Forderung (siehe z.B. Dokalik, GGG13 TP 1 GGG Anm 14).

Der Abschluss eines „höherwertigen Vergleichs“ im Zuge eines Gerichtsverfahrens ist gebührenrechtlich einer Klagsausdehnung gleichzusetzen (siehe z.B. VwGH 23.10.2008, 2006/16/0052). Für die Gebührenpflicht eines solchen Vergleichs ist entscheidend, dass der Vergleich eine Verpflichtung enthält. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach dem Wert der Leistung, zu der sich die Parteien verpflichtet haben; es kommt auf die im Vergleich übernommenen Verpflichtungen an. Ein Vergleich führt auch dann zur Neubewertung des Streitgegenstands, wenn er in Ansehung eines gar nicht mehr strittigen Anspruchs geschlossen wird, oder wenn darin eine schon vertraglich bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird (siehe etwa VwGH 29.11.2001, 2001/16/0354). Auch ein Vergleichspunkt, der allenfalls nur zur Klarstellung dient, ist gebührenrechtlich von Bedeutung. Unbeachtlich ist dagegen, ob ein Exekutionstitel geschaffen wurde (vgl. die bei Dokalik, GGG13 § 18 GGG E 41 ff wiedergegebene Rechtsprechung). Bei der Berechnung der Pauschalgebühr nach § 18 Abs 2 Z 2 GGG ist die für das Klagebegehren ermittelte Bemessungsgrundlage der Leistung, zu der sich der Beklagte im Vergleich verpflichtet, gegenüberzustellen (VwGH 09.09.1993, 92/16/0085).

Die Gerichtsgebühr ist unter Zugrundelegung des neuen Streitwerts zu bemessen. Nach § 14 GGG ist die Bemessungsgrundlage der Wert des Streitgegenstands nach den §§ 54 bis 60 JN. Die für die Bewertung wiederkehrender Leistungen relevante Bestimmung ist § 58 Abs 1 JN, wonach bei wiederkehrenden Leistungen als Wert des Rechts bei unbestimmter Dauer das Zehnfache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen ist.

Für Vergleiche nach § 18 Abs 2 Z 2 GGG ist nur die klagende Partei, hier also die BF, zahlungspflichtig (VwGH 11.07.2000, 99/16/0183).

Wird im gerichtlichen Räumungsvergleich vom Beklagten die zeitlich nicht exakt begrenzte Verpflichtung zur Zahlung eines Betrags übernommen, so errechnet sich die vom Kläger für einen „höherwertigen Vergleich“ zu entrichtende Ergänzungsgebühr unter Anwendung des zehnfachen Jahreswerts (vgl. z.B. VwGH 21.03.2012, 2009/16/0267 und 30.01.2020, Ra 2020/16/0002).

Hier wurde im Grundverfahren ein Vergleich iSd § 18 Abs 2 Z 2 GGG geschlossen, weil sich die beklagte Partei (zusätzlich zu der schon mit der Klage geltend gemachten Räumung) auch zur Zahlung eines regelmäßig zu entrichtenden Benützungsentgelts verpflichtet hat. Mangels einer zeitlichen Begrenzung dieser Zahlungsverpflichtung wurde eine Verpflichtung auf unbestimmte Zeit begründet. Dem Vergleich selbst kann nicht entnommen werden, dass die Leistungsverpflichtung, z.B. für den Fall nicht fristgerechter Räumung, mit dem in Aussicht genommenen Räumungstermin erlöschen soll (vgl. VwGH 16.12.2014, 2013/16/0023). Allein aus dem vereinbarten Räumungstermin kann keine zeitliche Begrenzung der Entgeltleistung abgeleitet werden (siehe z.B. VwGH 21.09.2005, 2005/16/0166). Die Vereinbarung eines Räumungstermins sagt nämlich noch nichts darüber aus, ob dadurch und vor allem mit welchem konkreten Ende auch die finanzielle Verpflichtung zur Leistung eines Entgelts für die tatsächliche Benützung des Bestandobjekts, die ja keineswegs zwingend mit dem vereinbarten Räumungstermin enden muss, terminisiert ist (VwGH 23.10.2008, 2006/16/0090).

Daraus, dass sich die beklage Partei im Vergleich zur Zahlung von Mietzins und Betriebskosten „für die Dauer des Mietverhältnisses“ verpflichtete, ergibt sich keine konkrete zeitliche Begrenzung der Leistungsverpflichtung. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien des Grundverfahrens war bereits vor Einbringung der Klage beendet und es wurde (auch nach dem Standpunkt der BF) mit dem Vergleich kein neues Bestandverhältnis begründet. Der Wortfolge „für die Dauer des Mietverhältnisses“ kann daher keine konkrete zeitliche Begrenzung der Verpflichtung zur Zahlung des Benützungsentgelts entnommen werden, zumal kein Mietverhältnis, und damit auch kein Endzeitpunkt eines Mietverhältnisses, festgelegt wurde.

Zu der (gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG mit EUR 750 zu bewertenden) Räumungsverpflichtung kommt daher eine weitere Bemessungsgrundlage von EUR 389.906 (EUR 3.249,21 x 12 x 10, gerundet gemäß § 6 Abs 2 GGG). Die von der Vorschreibungsbehörde herangezogene Bemessungsgrundlage von EUR 390.656 ist somit nicht zu beanstanden. Die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG beträgt (nach der am 09.10.2015 geltenden Rechtslage) EUR 7.675 (1,2 % vom jeweiligen Streitwert zuzüglich 2 987 Euro, siehe TP 1 GGG idF BGBl I Nr. 87/2015). Dazu kommt gemäß § 6a Abs 1 GEG die Einhebungsgebühr von EUR 8. Die Vorschreibung des Erhöhungsbetrags nach TP 1 iVm § 18 Abs 2 Z 2 GGG von EUR 7.581 (EUR 7.683 abzüglich der bereits entrichteten Gebühr von EUR 102) erfolgte somit zu Recht. Der angefochtene Bescheid ist demnach nicht zu beanstanden, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

Die Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung unterbleibt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.

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