BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L517.2185541.1.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 30.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. Johann Postlmayr, gegen den Bescheid (Behindertenpass) des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 17.08.2017, OB: XXXX , nach einer mündlichen Verhandlung am 30.09.2019 und in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, iVm § 1 ff der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen und darüber hinaus festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 60 vH beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
02.05.2017 – Antrag der beschwerdeführenden Partei („bP“) auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (belangte Behörde, „bB“)
19.07.2017 – Erstellung eines Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Psychiatrie (Dr. XXXX ), GdB 60 vH, Nachuntersuchung 2020
21.07.2017 – Erstellung eines Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin (Dr. XXXX ), GdB 20 vH, Dauerzustand
08.08.2017 – Erstellung einer Gesamtbeurteilung eines Sachverständigen für Allgemeinmedizin (Dr. XXXX ), GdB 60 vH, Nachuntersuchung 2020
17.08.2017 – Übermittlung des bis 31.07.2020 befristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem GdB von 60 vH
04.10.2017 – Beschwerde der bP
24.10.2017 – Vorlage ergänzender Befunde
07.11.2017 – Vorlage ergänzender Befunde
09.01.2018 – Untersuchung der bP für das Sachverständigengutachten vom 27.01.2018
10.01.2018 – Stellungnahme der bP zur Untersuchung am 09.01.2018
27.01.2018 – Erstellung eines Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin (Dr. XXXX ), GdB 60 vH, Nachuntersuchung 1/2020
08.02.2018 – Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht
09.08.2018 und 21.08.2018 – Vorlage des Gutachtens zu XXXX vom 30. April 2018 (Dr. XXXX ; Facharzt für Psychiatrie und Neurologie)
24.08.2018 – Bekanntgabe der neuen Adresse durch die bP und nochmalige Vorlage des Gutachtens zu XXXX vom 30. April 2018 (Dr. XXXX ; Facharzt für Psychiatrie und Neurologie)
31.08.2018 – Übermittlung der Bestätigung der Meldung aus dem ZMR durch die bP
10.09.2018 – Bestellung eines Sachverständigen (Dr. XXXX ; Facharzt für Psychiatrie und Neurologie)
19.12.2018 – Übermittlung eines am 27.11.2018 erstellten Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie und psychotherapeutische Medizin (Dr. XXXX )
11.01.2019 – Ersuchen um Gutachtensergänzung
18.01.2019 – Erstellung des ergänzenden Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie, Neurologie, psychotherapeutische Medizin (Dr. XXXX ), GdB 70 vH, Dauerzustand
04.02.2019 – Bestellung eines Sachverständigen (Dr. XXXX ; Facharzt für HNO)
30.03.2019 – Erstellung des Sachverständigengutachtens des Facharztes für HNO (Dr. XXXX ), GdB 20 vH, Dauerzustand
22.05.2019 – Erstellung eines Gesamtgutachtens (Dr. XXXX unter Berücksichtigung der GA von Dr. XXXX , Dr. XXXX und Dr. XXXX ), GdB 60 vH, Dauerzustand
28.05.2019 – Parteiengehör
21.06.2019 – Stellungnahme der bP
30.09.2019 – Verhandlung und Senat
04.10.2019 – Antrag der bP auf Zustellung einer ungekürzten Erkenntnisausfertigung
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.
Am 02.05.2017 stellte die bP unter Vorlage von Befunden erstmalig einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Das im Auftrag der bB am 19.07.2017 nach der Einschätzungsverordnung erstellte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie (Dr. XXXX ; Begutachtung durchgeführt am 18.07.2017) weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„…
Anamnese:
Der Klient zog sich am 03.07.2016 bei einem Sturz über eine Stiege ein Schädel-Hirn-Trauma mit schmalem akuten Subduralhämatom rechts frontal und traumatischer Subarachnoidalblutung zu. Er befand sich längere Zeit lang im Koma. Der Unfall passierte nach einer Parteiveranstaltung (war Stadtrat) auf dem Weg nach Hause und ist nun auch als Arbeitsunfall eingestuft worden.
Derzeitige Beschwerden:
Seit dem Schädel-Hirn-Trauma besteht nun bei dem Klienten ein doch ausgeprägtes organisches Psychosyndrom mit Gedächtnisstörungen, Denkverlangsamung, massiv erhöhter Erschöpfbarkeit, erhöhter emotionaler Irritabilität und Defiziten auch im Bereich der Merkfähigkeit. Der Klient ist dadurch nicht mehr arbeitsfähig.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Fachärztliche Kontrollen bei Dr. XXXX .
Medikamente:
Nervenruh
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Fachärztlicher Bericht Dr. XXXX vom 29.03.2017:
Diagnose:
- Hirnorganische Psychosyndrom bei Z.n. SHT 07/20 16
Arztbrief Rehaklinik XXXX , Aufenthalt vom 24.08. bis 21.09.2016:
Diagnosen:
- Z.n. Schädel-Hirn-Trauma mit schmalem akuten Subduralhämatom rechts frontal und traumatischer SAB im Rahmen eines Sturzereignisses am 03.07.2016
- Z.n. Tracheostoma
- Arterielle Hypertonie
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Nicht durchgeführt.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Status Psychicus:
Bewusstsein klar, orientiert, Antrieb vermindert, Konzentrationsfähigkeit vermindert, Merkfähigkeit reduziert, verschiedene kognitive Einschränkungen durch seine mangelnde Problemlösungsfähigkeit, kann früheres Wissen nicht mehr integrieren, Affizierbarkeit allseits eingeschränkt, Stimmung depressiv bis leicht dysphorisch, Duktus etwas sprunghaft - durch die Merkfähigkeitsprobleme immer wieder unterbrochen, keine wahnhaften Denkinhalte, optische Halluzinationen berichtet - er sehe Pferdchen vorbeispringen, Suizidgedanken sind latent vorhanden, Appetit vermindert, Durchschlafstörungen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1 Organisches Psychosyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 07/2016
Nach dem Schädel-Hirn-Trauma ist nun ein doch ausgeprägtes organisches Psychosyndrom vorhanden mit verschiedensten kognitiven Einschränkungen im Sinne von mangelnder Merkfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit, Problemlösungskapazität, emotionale Labilität und Irritabilität - insgesamt Verlangsamung des Denkvorganges. Der Klient ist dbzgl. nicht mehr arbeitsfähig. Er ist fachärztlich in Kontrolle.
PosNr 04.01.02 GdB 60%
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
[X] Nachuntersuchung 2020, weil im Verlauf noch eine Veränderung der psychischen Befindlichkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit eintreten kann.
…“
Das im Auftrag der bB am 21.07.2017 nach der Einschätzungsverordnung erstellte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin (Dr. XXXX ; Begutachtung durchgeführt am 18.07.2017) weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„…
Anamnese:
Es liegt ein Antrag zur Ausstellung eines Behindertenpasses vor-Erstantrag. Die Untersuchung wird am 18.07.2017 in der Zeit von 11:30-12:00 durchgeführt. Das vorliegende Gutachten wird nach den Richtlinien der EVO, den vorliegenden Befunden und einer eingehenden klinischen Untersuchung erstellt. Zusätzlich zum Allgemeinmedizinischen Gutachten wurde auch ein psychiatrisches Gutachten erstellt.
03.07.2016: Schädel-Hirn-Trauma nach Sturz über eine Stiege-Subdural- Haematom rechts frontal.
Weitere vorliegenden Erkrankungen:
1.) Arterielle Hypertonie.
2.) Raynaud-Syndrom.
3.) Psoriasis vulgaris.
4.) Fraktur Os sacrum und Bizepssehnenriss rechte Schulter
Derzeitige Beschwerden:
Patient gibt an, dass er immer Kopfschmerzen habe. Seit dem Unfall habe er auch Schlaflosigkeit und einen Tinnitus im linken Ohr. Wenn er längere Zeit einen Gegenstand fixiert, wird er schwindlig. Auch die Geschmacksempfindlichkeit habe sich geändert.
Weiters gibt er Schmerzen über dem linken Rippenbogen an. Patient kommt mit dem eigenen Auto zur Untersuchung.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Nervenruh,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Entlassungsbrief, 2016, Uniklinikum- XXXX .
Diagnosen:
1.) Schädel-Hirn-Trauma mit schmalem akuten Subduralhämatom rechts frontal und traumatischer Subarachnoidalblutung im Rahmen eines Sturzereignisses am 03.07.2016.
2.) Raynaud-Syndrom.
3.) Positiver Nachweis eines Lupusantikoagulations-Antikörpers 2006 und 2008;
4.) Arterielle Hypertonie.
5.) Fraktur Os sacrum bei Zustand nach Sturz am 02.05.2005.
6.) Psoriasis vulgaris.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Altersgemäßer, guter Allgemeinzustand.
Ernährungszustand:
Normaler Ernährungszustand.
Größe: 172,00 cm Gewicht: 75,00 kg Blutdruck: 130/90
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/ Hals: HNAP: frei, nicht druckschmerzhaft, SD: tastbar, frei verschieblich, LK: keine pathologischen Lymphknoten tastbar, Sehen/Hören: altersgemäß, Zahnstatus: saniert, Thorax/ Lunge: knöcherner Thorax seitengleich, VA, Lungenbasen frei verschieblich, keine pathologischen RG's auskultierbar,
Herz: HT rein, rhythmisch, normofrequent,
Abdomen: Bauchdecke weich, im Thoraxniveau gelegen, keine pathologischen Resistenzen tastbar, Bruchpforten geschlossen, Leber und Milz nicht tastbar,
Wirbelsäule: o. B.
Obere Extremitäten: o. B.
Untere Extremitäten: o. B.
Neurologischer Status: derzeit keine sensiblen und motorischen Ausfälle vorhanden, Gefäßstatus: periphere Gefäße beiderseits gut tastbar,
Haut: altersgemäße Hautstruktur,
Nikotin: 0
Alkohol: 0
Gesamtmobilität – Gangbild:
Die Mobilität ist nicht eingeschränkt-eine Gehstrecke von 300-400 m kann zurückgelegt werden, Einbeinstand beiderseits gegeben, Zehen-und Fersengang bds. durchführbar, das Gangbild ist normalschrittig unsicher,
Status Psychicus:
Patient ist allseits orientiert, Antrieb vermindert, Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich reduziert, Merkfähigkeit reduziert, Vergesslichkeit, Duktus etwas sprunghaft, keine pathologischen Denkinhalte vorhanden, subdepressives Zustandsbild,
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1 Chronische Schmerzsyndrom-rezidivierende Kopfschmerzepisoden.
Einstufung mit 20 %- Analgetika werden nur bei Bedarf eingenommen.
PosNr 04.11.01 GdB 20%
2 Tinnitus linkes Ohr.
Einstufung mit 20 %- inkludiert sind hier auch die gelegentlichen Schwindelanfälle.
PosNr 12.02.02 GdB 20%
Gesamtgrad der Behinderung 20v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Position 1 ergibt auch den Gesamtgrad der Behinderung von 20 %- Position 2 hat aufgrund der Geringfügigkeit keinen steigernden Einfluss.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Derzeit liegen keine weiteren Erkrankungen zur Einstufung vor.
Schmerzsymptomatik im rechten Kniegelenk- keine Funktionseinschränkungen-daher keine Einstufungsrelevanz.
Raynaud- Syndrom- keine Einstufungsrelevanz vorhanden.
Arterielle Hypertonie- keine medikamentöse Therapie.
Psoriasis vulgaris- derzeit keine Effloreszenzen ersichtlich.
Fraktur Os sacrum und Bizepssehnenriss rechte Schulter bei Zustand nach Sturz am 02.05.2005- folgenlos abgeheilt.
Psychiatrisches Gutachten wird von Dr. XXXX gesondert erstellt.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Erstgutachten.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Erstgutachten.
[X] Dauerzustand
…“
Die im Auftrag der bB am 08.08.2017 nach der Einschätzungsverordnung erstellte Gesamtbeurteilung eines Arztes für Allgemeinmedizin (Dr. XXXX ) weist nachfolgenden Inhalt auf:
„…
Zusammenfassung der Sachverständigengutachten
Name der/des SV Fachgebiet Gutachten vom
Dr. XXXX Allgemeinmedizin 21.07.2017
Dr. XXXX Psychiatrie 19.07.2017
Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung.
Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1 Organisches Psychosyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 07/2016
Nach dem Schädel-Hirn-Trauma ist nun ein doch ausgeprägtes organisches Psychosyndrom vorhanden mit verschiedensten kognitiven Einschränkungen im Sinne von mangelnder Merkfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit, Problemlösungskapazität, emotionale Labilität und Irritabilität - insgesamt Verlangsamung des Denkvorganges. Der Klient ist dbzgl. nicht mehr arbeitsfähig. Er ist fachärztlich in Kontrolle.
PosNr 04.01.02 GdB 60%
2 Chronische Schmerzsyndrom-rezidivierende Kopfschmerzepisoden.
Einstufung mit 20 %- Analgetika werden nur bei Bedarf eingenommen.
PosNr 04.11.01 GdB 20%
3 Tinnitus linkes Ohr.
Einstufung mit 20 %- inkludiert sind hier auch die gelegentlichen Schwindelanfälle.
PosNr 12.02.02 GdB 20%
Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die eingeschränkte geistige Leistungsbreite unter Lfnr 1 ist das führende Leiden. Die im Übrigen angeführten Leiden steigern nicht
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Schmerzen rechte Kniegelenk
Raynaud- Syndrom- keine Einstufungsrelevanz vorhanden.
Arterielle Hypertonie- keine medikamentöse Therapie.
Psoriasis vulgaris- derzeit keine Effloreszenzen ersichtlich.
Fraktur Os sacrum und Bizepssehnenriss rechte Schulter bei Zustand nach Sturz am 02.05.2005- folgenlos abgeheilt
…
[X] Nachuntersuchung 2020, weil entsprechend Empfehlung Dr. XXXX
…“
Mit Schreiben der bB vom 17.08.2017 wurde der bP der bis 31.07.2020 befristet ausgestellte Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH übermittelt.
Am 04.10.2017 erhob die bP Beschwerde und brachte im Wesentlichen zusammengefasst vor, sie erachte sich in ihren Rechten verletzt: wegen des in § 46 BBG bestehenden Neuerungsverbotes und wegen des als Bescheid geltenden zugesandten Behindertenpasses, der entgegen der Bestimmungen der §§ 58 bis 60 AVG nicht begründet werden müsse (Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, Verstoß gegen das faire Verfahren). Die bP stelle aus den genannten Gründen den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge – allenfalls nach Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages nach Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit a B-VG an den Verfassungsgerichtshof – dieser Beschwerde Folge geben und den behördlichen Bescheid (den Behindertenpass vom 18.08.2017) dahingehend abändern, dass ein höherer Grad der Behinderung festgelegt und dieser nicht befristet werde.
Am 24.10.2017 legte die bP weitere Befunde vor (Ambulanzbericht vom 24.01.2006; fachärztlicher Befund Dr. XXXX vom 03.03.2006; MR-Untersuchung KH XXXX vom 10.08.2012; vorläufiger ärztlicher Entlassungsbericht vom 05.12.2012; Befund vom 07.04.2016; Arztbrief vom Krankenhaus XXXX vom 11.10.2017).
Am 07.11.2017 brachte die bP weitere Befunde in Vorlage (klinisch-psychologischer Befund von Mag. XXXX vom 30.05.2017; Befund von Dr. XXXX vom 02.09.2016; ärztlicher Befundbericht Dr. XXXX vom 25.10.2017).
Am 09.01.2018 erfolgte die Untersuchung der bP für das Sachverständigengutachten vom 27.01.2018.
Mit einer E-Mail vom 10.01.2018 nahm die bP Stellung betreffend „Schuppenflechten“, indem sie ausführte: „…wie eben kurz telefonisch besprochen sehen Sie im Anhang das Foto von den Tabletten die ich noch nehme. Auf diesem Foto ist das Medikament Prednisolon zu sehen das ich gegen Schuppenflechte verschrieben bekommen habe. Ich habe leider darauf vergessen das ich auch diese Seite mit den Medikamenten herzeige, aber seit meinem Unfall kann ich mir nicht mehr merken. Ich habe auch vergessen zu erwähnen das ich Schlafprobleme habe, dann wäre das alles nicht passiert und ich hätte auf das 4 Foto nicht vergessen. Auf die Frage von Frau Dr. XXXX konnte ich nicht antworten welche Medikamente ich für was nehme, weil ich das Verständnis nicht mehr habe seit meinem Unfall. Es gibt auch einen Arztbrief vom Krankenhaus XXXX wo das bestätigt wird.“
Das im Auftrag der bB am 27.01.2018 nach der Einschätzungsverordnung erstellte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin (Dr. XXXX ; Begutachtung durchgeführt am 09.01.2018) weist nachfolgenden Inhalt auf:
„…
Anamnese:
Vorgutachten - Gesamtgutachten aus Allgemeinmedizin 21.7.2017 und Psychiatrie 19.7.2017 - 60%.
Beschwerde.
Neu:
Z.n. Arthroskopie mit subacromialer Dekompression und Tenotomie der langen Bizepssehne, sowie Synovektomie am 6.12.2017.
Derzeitige Beschwerden:
Im Vordergrund der Beschwerden für Herrn XXXX steht die eingeschränkte Merkfähigkeit und ein Konzentrationsdefizit, sowie eine emotionale Instabilität seit dem SHT 2016 und eine Ageusie und Anosmie.
Körperliche Beschwerden i.S. von Schmerzen im Bereich des rechten Knie,-und linken Schultergelenkes, wobei im Bereich der Schulter ein Z.n. operativer Sanierung vor 1 Monat besteht, das Kniegelenk wurde im August 2017 arthroskopiert.
Zusätzlich Kopfschmerzen bei Föhnwetter mit umfangreicher Schmerztherapie und Behandlung an der Schmerzambulanz im Kh d. BHS.
Bezüglich der Schuppenflechte derzeit keine Hauteffloreszenzen, keine Behandlung.
Schmerzen in den Fingern bei bekanntem Raynaud Syndrom bei sehr kalten
Umgebungstemperaturen, mit entsprechender Kleidung sei dies lt. Herrn XXXX nahezu kein Problem.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Oxynorm, Oxycontin, Oxycodon, Dedolor, Novalgin, Cymbalta, Vimovo.
…
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
25.10.2017 Dr. XXXX /FA HNO:
Diagnose: postcontusioneile.zentraie Ageusie u. Anosmie Parakusie Tinnitus Ii Ttteraeie: Abschließende Beurteilung: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hier posttraumatische Veränderungen mit schlechter Prognose. Eine Verbesserung, zumindest des Geruches und des Geschmackes, ist nach einem Jahr nicht mehr zu erwarten. Kausale Therapie besteht keine.
11.10.2017 Arztbrief Orthopädie XXXX :
Aufnahmegrund Schmerzen rechtes Kniegelenk bei Z. n. ASK am 2.8.2017 sowie Schulterschmerzen links
Diagnosen Impingement omi sin.
«Bursitis subacromialis links i art. Hypertonie Z. n. Schädel-Hirn-Trauma 2016 Raynaud-Syndrom
Allergie keine bekannt
Durchgeführte Maßnahmen Konservative Therapie, Schmerztherapie, rheumatologisches Konsil, Physiotherapie Am 5.10.2017 Infiltration linke Schulter subacromial und periartikulär (5 ml Xyloneural + 0,5 ml Celestan) sowie Infiltration rechtes Kniegelenk (5 ml Xyloneural und + 1 Ampulle Celestan). MRT rechtes Knie und MRT linke Schulter.
10.8.2012 LWS MR:
Ergebnis: Geminderte Lendenlordose. Als L6 zu bezeichnender lumbosakraler Übergangswirbel. Linksbetonte nach caudal hernierende Diskusextrusion L5-L6 mit zumindest Kontakt zur linken Nervenwurzel L6. Facettengelenksarthrose der caudalen LWS-Funktionssegmente.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 170,00 cm Gewicht: 73,00 kg Blutdruck: n.g.
Klinischer Status – Fachstatus:
Alkohol: gelegentlich, Nikotin: negiert.
Caput/Collum: Brille wird verwendet; Hörvermögen altersentsprechend unauffällig; Gebiß:
saniert.
Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen,
Pulmo: SKS, VA, keine RG´s.
Cor: HA rhythmisch, HT rein, normofrequent, keine pathologischen Geräusche.
Abdomen: BD weich, kein DS im Epigastrium, keine pathologischen Resistenzen palpabel, Hepar und Lien nicht palpiert, Nierenlager bds. frei,
Miktion und Defäkation: unauffällig
WS-HWS: gerade, Nackenhartspann, Kinn-Sternumabstand: 3/15 cm, kein KS über gesamter HWS; Rotation: 50-0-50°,
WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur mäßig verspannt, kein Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang
WS-LWS: minimaler Klopfschmerz über unterer LWS, ISG bds. frei; Lasegue bds. negativ, Lendenlordose, Beckengeradstand;
Obere Extremität: KG 5 bds.; Sensibilität stgl. und unauffällig.
Aktive Abduktion linkes Schultergelenk 90°, links 170°, Schürzengriff beidseits durchführbar, Nackengriff links nicht durchführbar, Außenrotation bei angelegtem Ellbogen links: 40°.
Schulter rechts,-Ellbogen-, Hand und Fingergelenke zeigen sich weitgehend unauffällig, frei von äußeren Entzündungszeichen und in ihren jeweiligen Richtungen uneingeschränkt beweglich.
Untere Extremität: KG 5 beidseits, Sensibilität stgl. und unauffällig.
Hüften bds.: kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz; kein Stauchungs- oder Rüttelschmerz,
Extension / Flexion S: 0-100° bei ausgeprägter Gegenspannung; Ab/Adduktion: 30-0-20°;
Außen/Innenrotation: 45-0-40°
Knie rechts: Extension / Flexion S: 0-130°endlagig schmerzhaft, Druckschmerz lateraler Gelenksspalt, bandstabil, keine Entzündungszeichen; Valgus/Varusstress: negativ; Zohlenzeichen: negativ, minimale Krepitationen hör- und spürbar.
Knie links: weitgehend unauffällig mit minimalem DS medialer GS.
Pulse allseits palpabel, keine Varizen, keine Ödeme;
Sprunggelenk bds. unauffällig.
Gesamtmobilität – Gangbild:
freigehend ohne hinken und raumgreifend
Status Psychicus:
Der Patient von klarer Bewusstseinslage, er ist räumlich, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ orientiert.
Aufmerksamkeit, Konzentration und formales Denken sind unauffällig. Es besteht keine Angstsymptomatik, keine Halluzinationen vorhanden.
Affektivität und Antrieb ebenfalls unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen,
welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1 Organisches Psychosyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 07/2016
Nach dem Schädel-Hirn-Trauma ist nun ein doch ausgeprägtes organisches Psychosyndrom vorhanden mit verschiedensten kognitiven Einschränkungen im Sinne von mangelnder Merkfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit, Problemlösungskapazität, emotionale Labilität und Irritabilität - insgesamt Verlangsamung des Denkvorganges.
Posttraumatische Ageusie und Anosmie
PosNr 04.01.02 GdB 60%
2 Chronisches Schmerzsyndrom
Kopfschmerzepisoden, sowie Schmerzen im rechten Knie und linken Schultergelenk, wobei bei Z.n. Schulteroperation vor 1 Monat naturgemäß ein postoperativer Schmerz besteht, Behandlung an einer Schmerzambulanz
PosNr 04.11.01 GdB 20%
3 Ohrgeräusch links
dekompensiert bei auch gelegentlich auftretenden Schwindelattacken
PosNr 12.02.02 GdB 20%
4 Funktionseinschränkung Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und alten Bandscheibenschäden geringe Beschwerden, keine Schmerzausstrahlung, keine Sensibilitätsstörungen angegeben
PosNr 02.01.01 GdB 20%
Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die eingeschränkte geistige Leistungsbreite unter Lfnr 1 ist das führende Leiden. Die im Übrigen angeführten Leiden steigern bei fehlender erheblicher zusätzlicher Einschränkung den GdB nicht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Raynaud- Syndrom- keine Einstufungsrelevanz vorhanden, mit entsprechender Kleidung bei kalten Umgebungstemperaturen gut beherrschbar.
Arterielle Hypertonie- keine medikamentöse Therapie.
Psoriasis vulgaris- derzeit keine Effloreszenzen ersichtlich, keine Behandlung, daher kein Krankheitswert.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Vorbekannte Leiden unverändert zu Vorgutachten, das bisher nicht eingeschätzte Wirbelsäulenleiden wurde nach Kriterien der EVO eingeschätzt und in das Gesamtschmerzkalkül mit einbezogen.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Insgesamt keine Änderung des GdB, auch die neu beigebrachten Befunde führen zu keine
kalkülsrelevanten Änderung.
[X] Nachuntersuchung 01/2020, weil im Verlauf noch eine Veränderung der psychischen Befindlichkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit eintreten kann, lt. psychiatrisch fachärztlichem Gutachten …“
In der Folge wurde – nach Vorlage der Beschwerde am BVwG am 08.02.2018 – von der bP ein neues Gutachten zu XXXX vom 30. April 2018 (Dr. XXXX ; Facharzt für Psychiatrie und Neurologie) übermittelt (am 09.08.2018, 21.08.2018 sowie am 24.08.2018).
Am 10.09.2018 erfolgte die Bestellung eines Sachverständigen (Facharzt für Psychiatrie und Neurologie) mit dem Ersuchen um Beantwortung nachfolgender Fragen:
- Hat das Gutachten XXXX Dr. XXXX vom 30.04.2018 einen Einfluss auf die getroffenen Einschätzungen?
- Hat das Gutachten XXXX Dr. XXXX eine Auswirkung auf den jeweils gewählten Grad der Behinderung?
- Inwieweit beeinflussen sich die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen, welche Auswirkungen haben sie auf den Gesamtgrad der Behinderung und welche Funktionsbeeinträchtigungen führen zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung?
- Ergibt sich aufgrund der Ausführung des Sachverständigen XXXX Dr. XXXX auf S. 14, 1. Absatz und S. 16, vorletzter Absatz des genannten Gutachtens, wonach aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine Verbesserung der Hirnverletzung nicht mehr zu erwarten ist, da zusätzlich das Alter des Patienten eine derartige Rehabilitation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwahrscheinlich macht, eine Änderung der Einschätzung des Bedarfs einer Nachuntersuchung?
Am 19.12.2018 übermittelte der bestellte Sachverständige das vom BVwG in Auftrag gegebene Gutachten vom 27.11.2018, welches ua ausführte, dass aufgrund des aktuellen Befundes aus psychiatrischer und neurologischer Sicht ein Grad der Behinderung (GdB) von 70% anzusetzen ist. Nicht berücksichtigt sind dabei die unter fachfremde Diagnosen angeführten Einschränkungen aus dem HNO-ärztlichen Bereich. Eine Verbesserung des Zustandes der bP ist aufgrund der abgelaufenen Zeit seit dem Schädelhirntrauma und auch aufgrund des Verlaufes nicht zu erwarten.
Mit Schreiben vom 11.01.2019 erging seitens des BVwG eine Aufforderung an den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, eine Ergänzung der fehlenden Gutachtensbestandteile vorzunehmen, weil das Gutachten vom 27.11.2018 für die festgestellten Diagnosen weder eine Positionsnummer noch einen – den jeweiligen Diagnosen und Positionsnummern entsprechenden – Grad der Behinderung aufweist. Eine Begründung für die jeweilige Wahl der Positionsnummer und den entsprechenden Grad der Behinderung, den vom Facharzt festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. sowie Ausführungen dazu, ob und welche Gesundheitsschädigungen keinen Grad der Behinderung erreichen, fehlt ebenso wie eine Stellungnahme zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten.
Das daraufhin erstellte ergänzende Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie (Dr. XXXX ) vom 18.01.2019 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„…
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1 Zustand nach SHT 2016
PosNr 03.01.03 GdB 60%
2 Depression
PosNr 03.06.01 GdB 20%
Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die Pos. 1 wird durch die Pos. 2 um eine Stufe angehoben
…
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Die Depression wurde im Vorgutachten nicht berücksichtigt
[X] Dauerzustand…“
Am 04.02.2019 erfolgte die Bestellung eines Sachverständigen (Facharzt für HNO) mit dem Ersuchen um Beantwortung nachfolgender Fragen:
- Welchen Einfluss haben die im Zuge ihrer Begutachtung festgestellten Gesundheitsschädigungen auf die im allgemeinmedizinischen Gutachten Dr. XXXX und in dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten Dr. XXXX festgestellten Diagnosen?
- Inwieweit beeinflussen sich die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen; welche Auswirkungen haben sie auf den Gesamtgrad der Behinderung und welche Funktionsbeeinträchtigungen führen zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung?
- Welcher Gesamtgrad der Behinderung ist im Sinne einer Gesamtbeurteilung in einer Gesamtschau mit den im allgemeinmedizinischen und psychiatrisch-neurologischen festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen festzustellen?
Das daraufhin erstellte Sachverständigengutachten des Facharztes für HNO (Dr. XXXX ) vom 30.03.2019 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„…
Anamnese:
Bezüglich eines Einspruchs wird heute ein Gutachten nach den Vorgaben Bundessozialministeriumsservice angefertigt.
Die Anamnese wird als bekannt, vorausgesetzt.
Z.n. Schädel-Hirn-Trauma mit Subduralhämatom rechts frontal und traumatischer Subarachnoidalblutung im Rahmen Sturzereignisses, Z.n. Tracheostoma und Verschluß desselben.
Von HNO-ärztlicher Seite gibt der Patient an, dass er schlechter höre, er habe ein ständiges Ohrgeräusch auf der linken Seite, manchmal auch eine Echoempfindung. Er ist auf der linken Seite mit einem HdO-Gerät versorgt und kommt mit diesem gut zurecht.
Des Weiteren klagt er manchmal über Geschmacksmißempfindungen, so könne er kein Fleisch mehr essen, da ihm davor ekle, auch beim Riechen kann er manche Düfte nicht unterscheiden.
Die genannten Defizite bestehen seit dem Unfall (Schädel-Hirn-Trauma), sie sind allerdings bei den Untersuchungen nicht richtig zur Sprache gekommen, deshalb die erneute Begutachtung.
…
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
HNO - STATUS:
Ohren: Gehörgänge, Trommelfelle bland, die Pauken lufthaltig.
Nase: äußere Nase o.B., die Nasenhöhlen unauffällig, das Septum annähernd median, die Schleimhäute bland, kein pathologisches Sekret am Nasenboden.
Cavum oris: die Mundschleimhäute bland, die Zunge wird gerade augestreckt Die Rachenhinterwand: o.B., Z.n. TE,
Epipharynx: frei.
Hypopharynx und Larynx: die Stimmbänder gut einsehbar, symmetrisch beweglich, kein Hinweis auf Raumforderung oder Flüssigkeitsretention.
Tympanometrie: unauffällig.
Audiogramm: rechtes Ohr: hier die Schwelle bei 35 dB beginnend, ansteigend zwischen 20 und 30 dB, verlaufend bis 1000 Hz, danach leichter Anstieg auf 15 bis 20 dB bis 4000 Hz und erneuter Abfall auf 35 dB bei 6000 Hz.
links: die Schwelle zwischen 40 und 50 dB bis 3000 Hz verlaufend, danach Hochtonabfall auf 65 dB, es besteht hier eine mäßig- gradige Schallleitungskomponente zwischen 10 und 20 dB, die Knochenleitung zwischen 25 und 30 dB verlaufend, einer gering- bis mittelgradigen kombinierten Schwerhörigkeit links entsprechend.
Tinnitus kann nur schwer angegeben werden, befindet sich linksseitig im Hochtonbereich, bei ca. 4000 Hz überschwellig.
Otoneurologisch bestehen keine vestibulären Spontanzeichen, normaler Geh- und Tretversuch, keine Fallneigung, kein Nystagmus, die Lagerungsprobe unauffällig, Kalorisation: seitengleiche Erregbarkeit der lateralen Bogengänge, eine peripher vestibuläre Störung ergibt sich nicht.
Audiometrie: rechtes Ohr: hier die Schwelle bei 35 dB beginnend, ansteigend
zwischen 20 und 30 dB, verlaufend bis 1000 Hz.
Links: die Schwelle hier bei 40 dB und 125 Hz beginnend,
abfallend auf 50 dB bei 1000 bis 2000 Hz, danach Hochtonabfall auf 65 dB bei 400 und 6000 Hz mit Wiederanstieg. Es besteht hier eine mäßiggradige Schallleitungskomponente zwischen 10 und 20 dB, die Knochenleitung zwischen 30 und 35 dB verlaufend, einer gering- bis mitteigradigen kombinierten Schwerhörigkeit entsprechend.
Tinnitus kann nur schwer angegeben werden, erfindet sich linksseitig im Hochtonbereich bei ca. 4000 Hz überschwellig.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
1 Verlust des Riechvermögens und Beeinträchtigung der Geschmackwahrnehmung, GdB 20%
PosNr 12.04.05
2 Einschränkung des Hörvermögens, GdB 10%
PosNr 12.02.01
3 Ohrgeräusche (Tinnitus) im Wesentlichen kompensiert, keine psychovegetative Begleiterscheinungen, GdB 10%
PosNr 12.02.02
Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Begründung der Rahmensätze:
Ad 1)
Einschränkung des Geschmacksinnes sowie des Riechens teilweise im Sinne einer Paraguesie und Aguesie, diesbezüglich 20%.
Ad 2)
Laut Audiogramm Einschränkung des Hörvermögens linksseitig. Laut Tabelle hier eine Hörminderung von 60%, rechtsseitig eine Hörminderung von 18%, einer Normalhörigkeit entsprechend. Aus der Gesamttabelle ergibt sich ein Wert von 10% GdB.
Ad 3)
Tinnitus, im Wesentlichen gut kompensiert, überschwellig bei 4000 Hz, diesbezüglich 10%.
GdB aus HNO-ärztlicher Sicht 20%.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Stellungnahme zu den Sachverständigengutachten Dr. XXXX vom 19.7.2017, Fachgebiet Psychiatrie. Diagnose: organisches Psychosyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma (07/2016) GdB 60%.
In diesem Gutachten werden eventuelle HNO-Defizite nicht speziell angeführt.
Gutachten Doz. Dr. XXXX vom 27.11.2018 und 18.1.2019. Ergebnisse:
- Z.n. Schädei-Hirn-Trauma, GdB 20%
- Depression GdB 20%
GdB 70%.
Dr. XXXX Befundbericht vom 25.10.2017.
Diagnosen:
- postcontusionelie zentrale Ageusie und Anosmie
Krankenhaus XXXX Abteilung für Orthopädie.
Diagnosen:
- Impigement omi sin.
- Psorias vulgaris
- arterielle Hypertonie
- Raynaud-Syndrom
Dr. XXXX .
Diagnosen:
- Varixknoten rechtes Kniegelenk
- arterielle Hypertonie
- Raynaud-Syndrom -Z.n. Fractura Os sacrum
Dr. XXXX Facharzt für Psychiatrie, fachärztliche Stellungnahme vom 29.3.2017, Hirnorganisches Psychosyndrom bei Z.n. Schädel-Hirn-Trauma.
Dr. XXXX , Facharzt für HNO.
Benigner paroxysmaler Lagerungschwindel, Befund vom 20.9.2016.
Primarius Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, Gutachten vom 30.4.2018. Diagnosen:
- Z.n. Schädel-Hirn-Trauma 2016
- posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom
- organische Persönlichkeitsveränderung
- Z.n. paroxysmaler Lagerungsschwindel
- zentrale Ageusie und Anosmie
- Parakusie links mit Tinnitus links
Stellungnahme aus HNO-ärztlicher Sicht:
Im Gutachten vom Primarius Dr. XXXX wurden die Defizite bei Geschmack- und Geruchssinnes erwähnt, ebenso Wortfindungsstörungen.
Dies ist als Folge des Schädel-Hirn-Traumas und dem damit verbundenen organischen Psychosyndrom zu werten.
Aus HNO-ärztlicher Sicht ist eine Verbesserung auf Grund der hirnorganischen Verletzungen, wie im Gutachten erwähnt, nicht mehr zu erwarten.
Stellungnahme Dr. XXXX :
In seiner Beurteilung beschreibt er unter laufend 2) Tinnitus linkes Ohr Eine Einstufung mit 20% und er inkludiert hier auch die Schwindelanfälle.
Aus HNO-ärztlicher Sicht ist der Tinnitus gut kompensiert, aktuelle Schwindelanfälle oder Vestibularisausfälle sind hier nicht zu verifizieren.
Eine Korrektur auf 10% GdB erscheint angebracht.
Zum Gutachten vom Dr. XXXX : hier wurde in der Beurteilung die Bewertung der laufenden Nummer 3) mit 20% übernommen. Hier gilt ebenfalls ein, im wesentlichen kompensierter Tinnitus ohne Schwindelattacken.
Diesbezüglich: Empfehlung bei 10% GdB.
Die Geschmack- und Geruchsdefizite wurden hier im Rahmen des organischen Psychosyndroms mitbewertet.
Dr. XXXX :
Hier wird ein Lagerungsschwindel beschrieben. Die Episoden sind aber schon längst abgeklungen, es besteht zum jetzigen Zeitpunkt kein Hinweis mehr auf einen peripheren vestibulären Schwindel.
Diesbezüglich wird er auch in der Beurteilung nicht berücksichtigt.
Bezüglich des Befundes von Dr. XXXX :
aus HNO-gutachterlicher Sicht dem Befund vollinhaltlich zugestimmt werden, auch hier ergibt das Audiogramm einen identen Befund.
Fragenbeantwortung:
Welchen Einfluss haben die im Zuge Ihrer Begutachtung festgestellten Gesundheitsschädigungen auf die im allgemeinmedizinischen Gutachten Dr. XXXX und in den psychiatrisch-neurologischen Gutachten Dr. XXXX festgestellten Diagnosen?
1. Die in laufender Nr. 3 angeführte Beurteilung: Ohrgeräusch links mit Schwindelattacken sollte auf zehn reduziert werden, dafür die HNO-Beurteilung: Verlust des Riechvermögens und Beeinträchtigung der Geschmackwahrnehmung mit 20% angeführt werden.
Inwieweit beeinflussen sich die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen, welche Auswirkungen haben sie auf den Gesamtgrad der Behinderung und welche Funktionsbeeinträchtigungen führen zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung?
2. Die Beeinträchtigung des Geschmack- und Geruchssinnes führt zu einer deutlichen Verminderung der Lebensqualität, bei, bereits vorhandenen Gedächtnisstörungen und Unsicherheiten der Orientierung im täglichen Leben, führt Fehlschmecken und Riechen zu einer zusätzlichen Verunsicherung und zu einer Destabilisierung im Wahrnehmungssystems. Diesbezüglich wird eine Steigerung der Gesamtbeurteilung um eine Stufe empfohlen, da erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen zu erwarten sind.
Welcher Gesamtgrad der Behinderung ist im Sinne einer Gesamtbeurteilung ist In einer Gesamtschau mit den allgemeinmedizinischen und psychiatrisch-neurologischen festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen festzustellen?
3. Der Gesamtgrad der Behinderung sollte aus HNO-ärztlicher Sicht um eine Stufe erhöht werden.
[X] Dauerzustand
Bezüglich der Nachuntersuchung ist bei posttraumatischen Störungen des Geruchs- und Geschmacksinnes nach einem Intervall von über einem Jahr keine wesentliche Besserung mehr zu erwarten. Eine Nachuntersuchung ist diesbezüglich nicht mehr erforderlich.
Ein am 22.05.2019 erstelltes Gesamtgutachten einer Allgemeinmedizinerin und Fachärztin für Orthopädie (Dr. XXXX ) weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„Anamnese:
Gesamtgutachten der Sachverständigengutachten aus den Fächern:
Allgemeinmedizin Dr. XXXX vom 27.1.2018 Psychiatrie Univ. Doz. Dr. XXXX vom 18.1.2019 HNO Dr. XXXX vom 30.3.2019.
Derzeitige Beschwerden:
Eingeschränkte Merkfähigkeit und ein Konzentrationsdefizit, sowie eine emotionale Instabilität seit dem SHT 2016, Ageusie und Anosmie.
Körperliche Beschwerden im rechten Kniegelenk und linken Schultergelenk, wobei im Schulter ein Z.n. operativer Sanierung 12/2017 besteht, das Kniegelenk wurde 8/2017 arthroskopiert.
Zusätzlich Kopfschmerzen bei Föhnwetter unter umfangreicher Schmerztherapie und Behandlung an der Schmerzambulanz im KH d. BHS.
Bezüglich der Schuppenflechte derzeit keine Hautefiloreszenzen, keine Behandlung. Schmerzen in den Fingern bei bekanntem Raynaud Syndrom bei sehr kalten Umgebungstemperaturen, mit entsprechender Kleidung sei dies It. Herrn XXXX nahezu kein Problem.
HNO Beschwerden: Der Patient gibt an, dass er schlecht höre, er habe ein ständiges
Ohrgeräusch auf der linken Seite, manchmal auch eine Echoempfindung. Er ist auf der linken Seite mit einem HdO-Gerät versorgt und kommt mit diesem gut zurecht.
Des Weiteren klagt er manchmal über Geschmacksmißempfindungen, so könne er kein Fleisch mehr essen, da ihm davor ekle, auch beim Riechen kann er manche Düfte nicht unterscheiden.
Die gesamten Defizite bestehen seit dem Unfall (Schädel-Hirn-Trauma), sie sind allerdings bei den Untersuchungen nicht richtig zur Sprache gekommen, deshalb die erneute Begutachtung.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel
Oxynorm, Oxycontin, Oxycodon, Dedolor, Novalgin, Cymbalta, Vimovo.
…
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
den jeweiligen Fachgutachten zu entnehmen
Untersuchungsbefund:
…
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
dem allgemeinmedizinischen Gutachten vom 27 1.2018 und dem HNO fachärztlichen Gutachten vom 30.3.2019 zu entnehmen.
Gesamtmobilität - Gangbild:
freigehend ohne hinken und raumgreifend
Psycho(patho)logischer Status:
Der Patient von klarer Bewusstseinslage, er ist räumlich, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ orientiert.
Aufmerksamkeit, Konzentration und formales Denken sind unauffällig. Es besteht keine Angstsymptomatik, keine Halluzinationen vorhanden.
Affektivität und Antrieb ebenfalls unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1 Organisches Psychosyndrom bei Z.n. Schädel-Hirn-Trauma 7/2016; nach dem Schädel-Hirn-Trauma ist nun ein doch ausgeprägtes organisches Psychosyndrom vorhanden mit verschiedensten kognitiven Einschränkungen im Sinne von mangelnder Merkfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit, Problemlösungskapazität, emotionale Labilität und Irritabilität - insgesamt Verlangsamung des Denkvorganges; posttraumatische Ageusie und Anosmie.
Pos. Nr. 04.01.02 GdB 60%
2 Depressio
Pos. Nr. 03.06.01 GdB 20%
3 Chronisches Schmerzsyndrom; Kopfschmerzepisoden, sowie
Schmerzen im rechten Kniegelenk und linken Schultergelenk, Behandlung an einer Schmerzambulanz
Pos. Nr. 04.11.01 GdB 20%
4 Ohrgeräusch links - dekompensiert bei auch gelegentlich auftretenden Schwindelattacken
Pos. Nr. 12.02.02 GdB 20%
5 Funktionseinschränkung Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und alten Bandscheibenschäden - geringe Beschwerden, keine Schmerzausstrahlung, keine
Sensibilitätsstörungen
Pos. Nr. 02.01.01 GdB 20%
6 Einschränkung des Hörvermögens
Pos. Nr. 12.02.01 GdB 10%
Gesamtgrad der Behinderung 60v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, die weiteren Leiden erhöhen den GdB bei fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung und Geringfügigkeit nicht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Raynuad Syndrom - keine Einstufungsrelevanz vorhanden, mit entsprechender Kleidung bei kalten Umgebungstemperaturen gut beherrschbar.
Arterielle Hypertonie - keine medikamentöse Therapie.
Psoriasis vulgaris - derzeit keine Hauteffloreszenzen ersichtlich, keine Behandlung, kein Krankheitswert.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Psychiatrische Stellungnahme: die Depression wurde im Vorgutachten nicht berücksichtigt. Allgemeinmedizinische Stellungnahme: bisher nicht eingeschätztes Wirbelsäulenleiden wurde ergänzt, insgesamt keine Änderung des GdB.
[X] Dauerzustand
…“
Am 28.05.2019 gewährte das BVwG Parteiengehör. Die bP nahm dazu am 21.06.2019 wie folgt Stellung: „Dr. XXXX kommt zu einem Grad der Behinderung von 70%, der HNO-Facharzt Dr. XXXX zu einem solchen von 20%, Frau Dr. XXXX in Summe zu 60% unter Berücksichtigung der bisher bekannten Vorfallsfolgen sowie des Wirbelsäulenleidens. Auf Seite 28 des Gutachtens von Dr. XXXX ergibt sich, dass das HNO-Gutachten dabei nicht berücksichtigt ist. Wenn es nach der Einschätzungsverordnung und deren Anlage nicht zu einer Addition der Grade der Behinderung kommt, muss der HNO-Bericht dennoch entsprechend Berücksichtigung finden, ebenso die von mir mit Schriftsatz vom 24.10.2017 vorgelegten Befunde, woraus in Summe ein Grad der Behinderung von 80% gerechtfertigt erscheint.“
Am 30.09.2019 fand die mündliche Verhandlung und die anschließende Senatsbesprechung am Bundesverwaltungsgericht statt.
Am 04.10.2019 beantragte die bP die Zustellung einer ungekürzten Erkenntnisausfertigung des am 30.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses und nahm Stellung, indem sie ausführte, dass darin auch begründet werden möge, warum vom im Beschwerdeschriftsatz vom 04.10.2017 angeregten Gesetzesprüfungsantrag zu § 46 BBG Abstand genommen worden sei.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen (…).“; vgl dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände (04.10.2017) und die Vorlage ergänzender Befunde (24.10.2017 und 07.11.2017) führten im Ermittlungsverfahren zur Einholung eines Gutachtens (27.01.2018: Ärztin für Allgemeinmedizin). Zudem wurde dem vorgelegten Gutachten ( XXXX vom 30. April 2018: Dr. XXXX ; Facharzt für Psychiatrie und Neurologie) Rechnung getragen, indem weitere Gutachten erstellt wurden (18.01.2019: Facharzt für Psychiatrie, Neurologie, psychotherapeutische Medizin; 30.03.2019: Facharzt für HNO). In einem daraufhin erstellten Gesamtgutachten (22.05.2019) kam die Allgemeinmedizinerin abschließend zum Ergebnis – dies auch in Zusammenschau mit der mündlichen Erörterung am 30.09.2019 – dass die Einschätzung unverändert bleibt und ein Grad der Behinderung von 60 vH vorliegt.
Dem Vorbringen der bP in den Stellungnahmen und der mündlichen Verhandlung war kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung und Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, erweist sich das eingeholte Gesamtgutachten iVm den vorher erstellten Sachverständigenbeweisen sowie der ergänzenden Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung als schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen:
Das Organische Psychosyndrom wurde bei Zustand nach einem Schädelhirntrauma im Juli 2016 in der Einschätzungsverordnung im Organsystem 04 Nervensystem, 04.01 Cerebrale Lähmungen, als Funktionseinschränkung mittleren Grades unter Position 04.01.02 (Rahmensatz 50 – 70%) mit dem mittleren Grad der Behinderung von 60% eingestuft. 50 – 60% ist gekennzeichnet durch den Ausfall mehrerer Muskelgruppen. Die Sachverständige berücksichtigte bei der Einstufung in Position (04.01.02) und Rahmensatz (60%) die Auswirkungen der Defizite auf das Organsystem an sich und auf den gesamten Organismus. Mit einbezogen in die Beurteilung wurden sohin die verschiedensten kognitiven Einschränkungen (im Sinne von mangelnder Merkfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit, Problemlösungskapazität, emotionaler Labilität und Irritabilität, insgesamt einer Verlangsamung des Denkvorganges). Entgegen den Einwendungen der bP (vgl. dazu Seite 5 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung) wurden die posttraumatische Ageusie (Geschmacksverlust) und Anosmie (Riechverlust) – beide Modalitäten gingen durch das Schädelhirntrauma verloren – bei der Bewertung beachtet und wurden die funktionellen Einschränkungen der bP nachvollziehbar mit 60% bewertet.
Schlüssig wurde u. a. im Zuge der Erörterung der Einschätzungsverordnung und in Zusammenschau mit den Ausführungen der bP dargelegt, warum die Voraussetzungen für eine Einstufung im Sinne der Position 04.01.02 in den oberen Rahmensatz von 70% (hier sind Hilfsmittel für die Fortbewegung unerlässlich) nicht vorliegen. Dies ergibt sich aus der Begutachtung am 22.05.2019, als die bP tatsächlich keine Hilfsmittel für die Fortbewegung braucht (arg.: „Gesamtmobilität und Gangbild: freigehend ohne Hinken und raumgreifend.“, vgl. das allgemeinmedizinische Gesamtgutachten vom 22.05.2019) und auch aus dem im Zuge der mündlichen Verhandlung am 30.09.2019 gewonnenen persönlichen Eindruck der bP. Obschon die sozialen Fähigkeiten der bP eingeschränkt sind und es Rückzugstendenzen gibt (arg.: Die bP „hat keine Freunde mehr und ist antriebslos“; vgl. Seite 6 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung), liegt ein sozialer Rückzug dennoch nicht vor (arg.: Die bP „wohne bei“ ihrem „Bruder und ist zur Verhandlung mit einem Bekannten gefahren“ und „fuhr“ die bP „zwar als Beifahrer zur“ Verhandlung, „fahre aber zu Hause selbst und ist auch im Besitz eines Führerscheins“, vgl. Seite 6 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung). Sowohl die affektiven Defizite (das sind psychische Störungen, bei denen es über einen längeren Zeitraum hinweg zu Abweichungen von Stimmung und Antrieb kommt) – die bP gibt an, keine Freude mehr am Leben zu haben und antriebslos zu sein (vgl. Seite 6 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung) – und die kognitiven Defizite (das sind Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit) – die bP wendet ein, sie müsse sich alles aufschreiben, da sich nur wenig oder gar nichts merke und auch schnell überfordert sei (vgl. Seite 6 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung) – wurden von der Sachverständigen in die Bewertung miteinbezogen. Mit dem Vorbringen der bP, sie habe anfangs zwar versucht, am Abend auszugehen, vermag die bP zudem nicht aufzuzeigen, dass sie an Apathie (bezeichnet den Zustand der Gleichgültigkeit gegenüber Menschen und der Umwelt) leidet, auch wenn sie dies nicht mehr schaffe, weil sie immer wieder auf diverse Ereignisse angesprochen werde und ihr das einfach zu viel sei. Richtigerweise ist die Sachverständige daher davon ausgegangen, dass sich der Gesundheitszustand der bP von demjenigen einer Person unterscheidet, der eine Funktionseinschränkung mittleren Grades im Sinne der Positionsnummer 04.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 70% erreicht.
Zutreffend wurden des Weiteren der jeweiligen Position zugeordnet und entsprechend bewertet: Die Depressio unter die Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 20%, das chronische Schmerzsyndrom (mit Kopfschmerzepisoden, Schmerzen im rechten Kniegelenk und linken Schultergelenk, Behandlung an einer Schmerzambulanz) unter die Positionsnummer 04.11.01 als leichte Verlaufsform mit einem Grad der Behinderung von 20%, das Ohrgeräusch links (dekompensiert bei auch gelegentlich auftretenden Schwindelattacken) unter die Positionsnummer 12.02.02 mit 20% Grad der Behinderung als Tinnitus leichten bis mittleren Grades, die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und alten Bandscheibenschäden (geringe Beschwerden, keine Schmerzausstrahlung, keine Sensibilitätsstörungen) unter die Positionsnummer 02.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 20% als Funktionseinschränkungen geringen Grades und die Einschränkung des Hörvermögens unter die Positionsnummer 12.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 10%.
Konkret hat die Sachverständige nachvollziehbar als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung dargelegt, dass das Leiden in Position 1 (Organisches Psychosyndrom) das Hauptleiden darstellt und die weiteren Leiden den Gesamtgrad der Behinderung (60 vH) aufgrund fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung und Geringfügigkeit nicht erhöhen. Das konnte die bP auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht entkräften, als diese diesbezüglich lediglich unsubstantiiert ausführt, sie beeinspruche die Gesamtbeurteilung des Gesundheitszustandes und damit in keiner Weise aufzeigt, warum eine erhöhende Wirkung vorliegen soll. Hinzukommend hat die bP weder Ungereimtheiten noch Widersprüche im Sachverständigenbeweis aufgezeigt noch ist sie den Ausführungen der Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Darüber hinaus gab die Allgemeinmedizinerin in der Befragung an, dass im psychiatrisch fachärztlichen Gutachten die Depression mit einer Einschätzung von 20% zwar zu einer Steigerung des Grundleidens geführt hat, dass ihrer Ansicht zufolge die Depression aber keine negativen oder sonstigen Auswirkungen auf das Grundleiden hat (vgl. Seite 6 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung), dies auch deswegen, als die von der bP angeführten Beschwerden bzw. Leiden alle bereits im führenden Leiden mitberücksichtigt wurden und es daher auch in Zusammenschau mit der Depression zu keiner Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung führt (vgl. Seite 7 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung). Schlussfolgernd ist auszuführen, dass sich die einzelnen Defizite weder ungünstig beeinflussen noch die Kompensationsmöglichkeiten beschränken oder im Zusammenwirken besonders ungünstig auf den Gesamtorganismus wirken.
Zur von der bP eingenommenen Medikation gibt die Sachverständige zu Protokoll, dass eine deutliche Reduktion der Schmerzmittel vorgenommen worden sei, hinzugekommen sei ein Medikament gegen Bluthochdruck und gegen Rheuma. Die Medikation bei der psychischen Erkrankung habe sich zwar geändert, nicht jedoch die Wirkstoffgruppen. Das führt aber im Ergebnis zu keiner anderslautenden Einschränkung. Selbst bei Berücksichtigung der Rheumamedikation würde kein anderer Gesamtgrad der Behinderung resultieren (vgl. Seite 7 des Protokolls zu mündlichen Verhandlung).
Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Allgemeinmedizinerin abzugehen.
Das eingeholte Sachverständigengutachten und die ergänzende Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt und besteht folglich ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2013_II_495 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs. 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen
Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs. 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 43 Abs. 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a. VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Das Sachverständigengutachten erfüllt die nach Einschätzungsverordnung und Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen geforderten Kriterien. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die eingeholten Sachverständigenbeweise zugrunde gelegt, in welchen schlüssig und nachvollziehbar ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt wird.
Die seitens der bP im Zuge des Parteiengehörs, der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, die im Gutachten getroffenen Feststellungen zu entkräften.
Gemäß den angeführten Gutachten liegt bei der bP ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH vor, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
3.5. Zum Vorbringen der bP in der Beschwerde vom 04.10.2017, dass sie sich in ihren Rechten verletzt erachte, zum einen wegen des Neuerungsverbotes (§ 46 BBG) und zum anderen wegen des als Bescheid geltenden Behindertenpasses (§ 45 Abs. 2 BBG), der entgegen der §§ 58 und 60 AVG nicht begründet werden müsse, ist betreffend Anregung zum Antrag auf Gesetzesprüfung Folgendes auszuführen:
Gemäß § 46 dritter Satz Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. Diese Bestimmung hat der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I 57/2015 als auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung gleichzeitig mit der Verlängerung der dem Sozialministeriumservice eingeräumten Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung geschaffen. Die Regierungsvorlage erläutert dies wie folgt (vgl. 527 BlgNR 25 GP , zu § 46 Satz 2 und 3 BBG bzw. zu § 19 Abs 1 BEinstG, Seite 4-5):
„In der Praxis hat sich gezeigt, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die derzeit für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden. Die Neuerungsbeschränkung soll nur für jene Verfahren gelten, in welchen nach dem Inkrafttreten der vorliegenden Novelle gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Beschwerden eingebracht werden.“
Im Gesetzeswortlaut ("in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht") kommt zum Ausdruck, dass die Neuerungsbeschränkung nicht für das Beschwerdeverfahren als Ganzes (dh. einschließlich des behördlichen Beschwerdevorverfahrens), sondern erst ab dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (somit ab Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und somit nicht bereits im behördlichen Beschwerdevorverfahren) gelten soll. Neuerungen, die bereits in der Beschwerde vorgebracht werden, sind daher von vornherein von der Beschränkung nicht erfasst und können (müssen) auch vom Bundesverwaltungsgericht noch berücksichtigt werden. Besonders klar kommt die entsprechende Gesetzesintention im Ausschussbericht (564 BlgNR 25. GP ) zum Ausdruck, wo es heißt:
"Der Ausschuss für Arbeit und Soziales stellt dazu fest, dass dieses Neuerungsverbot nur unmittelbar für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, nicht jedoch für die Beschwerdevorentscheidung gilt. Weiters geht der Ausschuss davon aus, dass das Sozialministeriumsservice die Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung einschließlich einer allfälligen Beweisergänzung im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung und der Verfahrensökonomie nutzen wird, auf jeden Fall jedoch bei Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in der Beschwerde eine Beschwerdevorentscheidung zu ergehen hat."
Zur Verfassungskonformität ist nun auszuführen, dass sich der VfGH bereits im Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 unter dem Aspekt u. a. des Rechtsstaatsprinzips mit dem Neuerungsverbot im Asylverfahren auseinandergesetzt hat. „Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs erfordert das Rechtsstaatsprinzip, dass ein Verfahren in der Weise gestaltet sein muss, dass es gewährleistet, letztlich zu einem rechtlich richtigen Ergebnis zu führen. Dabei kann die Verfassungsmäßigkeit von Beschränkungen im Rechtsmittelverfahren nicht rein abstrakt für alle denkbaren Fälle beurteilt werden. Beschränkungen, die bloß dazu führen, die Parteien zu einer Mitwirkung an der raschen Sachverhaltsermittlung zu verhalten, stehen im Allgemeinen der Effektivität des Rechtsschutzes nicht entgegen. Es liegt schließlich in der Hand der Parteien selbst, effektiv am Verfahren mitzuwirken und ihr Vorbringen ehestens umfangreich und rechtzeitig zu erstatten, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Voraussetzung ist aber die Gewähr, dass die Partei im Verfahren tatsächlich eine solche Möglichkeit effektiv wahrnehmen kann.“
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. Im gegenständlichen Fall wurde dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 vH entsprochen und kann gegen den Behindertenpass – weil diesem eben Bescheidcharakter zukommt – direkt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben werden, ohne zunächst die Ausstellung eines gesonderten Bescheides beantragen zu müssen, wovon die bP auch Gebrauch gemacht hat, weil sie mit der Einschätzung des Grades der Behinderung nicht einverstanden war.
Im Vorblatt und der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung (vgl. 25/ME XXV. GP - Ministerialentwurf - Vorblatt und Wirkungsorientierte Folgenabschätzung) wurde dazu Folgendes ausgeführt: „Auch die Klarstellung, dass dem Behindertenpass Bescheidcharakter zukommt, führt zu einer Verfahrensvereinfachung und zu Einsparungen im Bereich der Verwaltungskosten im Bereich des Bundessozialamtes […]. Des Weiteren ist es notwendig klarzustellen, dass dem Behindertenpass – in Analogie – zum Führerschein – Bescheidcharakter zukommt. Diese Maßnahme führt zu mehr Rechtssicherheit […].“
Das Bundesverwaltungsgericht teilt die in der Beschwerde vorgebrachten Bedenken (Verstoß gegen das Rechtsstaatprinzip und Verstoß gegen ein faires Verfahren) gegen die Verfassungsmäßigkeit der besagten Bestimmungen im BBG ob der oben angeführten Erwägungen nicht, weshalb kein Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt wurde.
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Rein der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht erst mit 01.01.2014 ins Leben gerufen wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde.
Die grundsätzliche Bestimmung betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses im Sinne des BBG erfuhr keine substanzielle Änderung, weshalb auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG diesbezüglich nicht gegeben waren.
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
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