AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W244.2155570.1.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 25.02.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Verena JEDLICZKA-MESSNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2017, Zl. 1076446100-150793771, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer wird gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 25.02.2020 erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 04.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 06.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er u.a. an, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara zu sein.
Am 18.09.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstmals niederschriftlich einvernommen.
Am 27.02.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erneut niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf das Wesentliche zusammengefasst aus, den Iran wegen der schwierigen Lebensbedingungen verlassen zu haben. In der Einvernahme wurden diverse Integrationsunterlagen in Vorlage gebracht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genanntem Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Schreiben vom 11.01.2019 sowie vom 18.02.2019 legte der Beschwerdeführer ein umfangreiches Konvolut an Integrationsunterlagen vor.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsvertreters ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und im Iran sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Dabei brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, sich mittlerweile vom Islam abgewandt zu haben. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil.
In der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer ein umfangreiches Konvolut an Integrationsunterlagen vor.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 25.02.2019 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beantragte fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie im Iran und zu seiner Ausreise:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX im Iran geboren und wuchs dort auf. Als Kleinkind verbrachte er mit seiner Familie etwa ein Jahr lang in der afghanischen Provinz Daikundi. Er hat jedoch keine Erinnerung mehr an diese Zeit. Der Beschwerdeführer ließ sich anschließend mit seiner Familie erneut im Iran nieder und hielt sich fortan und bis zu seiner Reise nach Europa im Jahr 2015 durchgehend im Iran auf.
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 04.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer besuchte etwa ein Jahr lang einen inoffiziellen Unterricht im Iran. Er verfügt über Berufserfahrung als Hilfsarbeiter (Landwirtschaft, Schweißer).
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Farsi.
Die Mutter des Beschwerdeführers lebt weiterhin im Iran. Der Bruder des Beschwerdeführers ist in Österreich aufhältig; ihm wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Eine finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Familie ist bei einer Ansiedelung des Beschwerdeführers in Afghanistan nicht zu erwarten.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine (aufrechten) familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Dem Beschwerdeführer droht nicht alleine wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig ist jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan alleine aufgrund dieses Merkmals zwangsläufig physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht alleine auf Grund der Tatsache, dass er den Großteil seines Lebens im Iran bzw. später in Europa verbracht hat, konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig ist jeder Rückkehrer aus dem Iran bzw. aus Europa alleine aufgrund dieses Merkmals in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer übt derzeit seinen Glauben nicht aus und hat sich emotional von ihm distanziert. Der Beschwerdeführer hat jedoch nicht aus innerer Überzeugung und als identitätsstiftendes Merkmal seine Religionszugehörigkeit aufgegeben und abgelegt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 23.11.2018 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
Sicherheitslage:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016 ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt, vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkten Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen ("high-profile") Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)
• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).
• Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).
• Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).
• Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).
• Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
• Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).
• Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).
• Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
• Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).
Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten:
Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)
Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).
Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
• Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).
• Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018).
• Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).
• Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).
• Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).
• Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).
• Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).
• In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).
Zivilist/innen:
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte); damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Von 1.1.2009 - 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registrierte die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben; dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte) und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u.a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert, ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände ("explosive remnants of war") 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte), ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, dies trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen die Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk, Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: Das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban:
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban ("governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO-Mission-Resolute-Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt werden, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht; es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld, insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig, Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren; dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh:
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch, die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten, die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt, inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich, eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos, greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018), sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Haqqani-Netzwerk:
Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).
Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt, finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden, inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).
Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban hat das Netzwerk mit mehreren anderen aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).
Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren; zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).
Al-Qaida:
Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen, sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.2017 - 20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).
Sicherheitsbehörden:
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: Das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS) (USDOS 20.4.2018). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist (USDOD 6.2017).
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018, SIGAR 30.4.2018a, Tolonews 6.11.2017). Auch das NDS ist Teil der ANDSF (USDOS 3.3.2017).
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u.a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018).
Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat (SIGAR 30.4.2018b). Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt (USDOD 6.2017).
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban-Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats." (AA 5 .2018). Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt (TG 26.5.2018; vgl. E1 2.12.2017).
Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF:
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).
Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen (SIGAR 30.4.2018a). Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden (NATO o. D.).
Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei (SIGAR 30.4.2018a). Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich (USDOD 6.2017). Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf (SIGAR 30.4.2018a). Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020 (USDOD 6.2017).
Geheimdienstliche Tätigkeiten:
Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus (USDOD 6.2017). Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach (USDOD 6.2017). Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt (SIGAR 30.4.2018a).
Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (USDOS 20.4.2018). Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANA- und ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich (TD 24.7.2017).
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP):
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert (SIGAR 30.4.2018b).
Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren (DB 23.3.2010). Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind (GRIPS 1.2010). Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben (USIP 5.2014). Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern (MoI o.D.).
Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorftältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden (SIGAR 30.4.2018a). Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen (AAN 5.7.2017; vgl. AAN 22.5.2018). Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen (AAN 22.5.2018; vgl. AAN 5.7.2017). Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AAN 31.1.2017).
Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden (SIGAR 30.4.2018a). Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw. (AAN 5.7.2017).
Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% (SIGAR 30.4.2018a).
Afghanische Nationalarmee (ANA):
Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte (USDOD 6.2017). Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen (USDOS 20.4.2018).
Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen (SIGAR 30.4.2018b). Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2% (SIGAR 30.4.2018a).
Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen (RSIS 1.6.2007; vgl. JCISFA 3.2011). Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere (JCISFA 3.2011).
Resolute Support Mission (RS):
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekräter Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll (NATO o.D.). Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z.B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw. (SIGAR 30.4.2018a).
Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO o.D.). Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AJ 16.5.2018). Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF (TD 24.7.2017).
Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen:
Provinz Daikundi:
Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom (UNDP 5.2.2017); davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan (Pajhwok. o.D.). Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt und grenzt an die Provinzen Uruzgan im Südwesten, Bamyan im Osten, Ghor im Norden, Ghazni im Süden und Helmand im Nordosten (Pajhwok o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Nieli/Nili, Ashtarly, Khijran/Kajran, Khedir/Khadir, Kitti/Kiti, Miramor, Sang Takh/Sang-e Takht, Shahristan/Shahrestan (Pajhwok o. D.; vgl. UNOCHA 4.2014). Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, unterliegt der Administration von Uruzgan (UNODC 11.2017). Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben (UNDP 5.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 475.848 geschätzt (CSO 4.2017).
Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit kleinen Dörfern, die über unasphaltierte Straßen verbunden werden (Pajhwok 6.9.2017). In den letzten 17 Jahren wurden Quellen zufolge in der Provinz nur zehn Kilometer an Straßen gebaut. Dennoch sind laut Regierung Projekte für die Implementierung des Straßenbaus im Gange (Tolonews 5.11.2017).
Bis September 2017 war Daikundi die einzige Provinz im Land, die eine Frau als Gouverneurin vorweisen konnte; Ende September 2017 wurde Masooma Muradi dann von einem Mann ersetzt (Kurier 27.9.2017; vgl. TET 27.9.2017).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Einer Quelle zufolge ist Daikundi eine sichere Provinz (Tolonews 10.3.2018). Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten (Pajhwok 6.9.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 3 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 43 zivile Opfer (16 getötete Zivilisten und 27 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018). Eine weitere Quelle berichtete allerdings von keinen Opfern im Jahr 2017 in der Provinz Daikundi (Pajhwok 14.1.2018).
Militärische Operationen in Daikundi
Im März 2017 wurden in Daikundi 31 Aufständische durch die ANSF getötet (GIM o.D.). In den letzten 17 Jahren sind in Daikundi keine ausländischen Streitkräfte ums Leben gekommen (Pajhwok 1.1.2018). Ende Dezember 2017 wurde Daikundi einer Quelle zufolge als ruhige Provinz beschrieben (LAT 10.12.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Daikundi
Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist (Pajhwok 1.2.2018). Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben (Pajhwok 14.1.2018). Des Weiteren wurde für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi gemeldet (ACLED 23.2.2018).
Provinz Kabul:
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Der öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul:
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen
"Zarghun Belt" ("der grüne Gürtel"), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone", dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt; alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul:
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018); auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 - 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte; fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).
Provinz Balkh:
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage:
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh:
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
Provinz Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat:
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat:
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).
ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
Erreichbarkeit:
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).
Ring Road:
Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (HP 9.10.2015; vgl. FES 2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. TG 22.10.2014, BFA Staatendokumentation 4.2018). Die Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts von 3.360 km Länge, das 16 Provinzen mit den größten Städten Afghanistans, Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad, verbinden soll (Tolonews 9.12.2017). Die asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank - ADB, Anm.) genehmigte 150 Millionen USD, um die Kabul Ring Road fertig zu stellen. Die fehlenden 151 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar (Provinz Faryab, Anm.) mit Dar-e Bum (Provinz Badghis, Anm.) verbinden. Dieses Straßenstück ist der letzte Teil der 2.200 km langen Straße, welche die großen Städte Afghanistans miteinander verbindet. Mittlerweile leben mehr als 80% der Afghanen weniger als 50 km von der Ring Road entfernt. Die Fernstraße wird in diesem Projekt außerdem mit einem Entwässerungssystem ausgestattet, als auch mit weiteren modernen Sicherheitsfunktionen. Durch das Ring Road Projekt sollen regionale Verbindungen erleichtert und die Qualität der Transportdienste verbessert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
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Internationale Flughäfen in Afghanistan:
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).
Internationaler Flughafen Kabul:
Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).
Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif:
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Internationaler Flughafen Herat:
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).
Religionsfreiheit:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des Inhabers/der Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
Schiiten:
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).
Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).
Christentum und Konversionen zum Christentum:
Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich
ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5 .2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).
Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).
Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5 .2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9 .2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5 .2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).
Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).
Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
Hazara:
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5 .2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war, diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist; außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara; nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge:
Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs) (UN GASC 27.2.2018). Im Zeitraum 2012 - 2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen (IOM/DTM 26.3.2018).
Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).
Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya (IOM 8.5.2018; vgl. IOM/DTM 26.3.2018). Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt (USAID 30.4.2018).
Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (USDOS 20.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung (UN OCHA 12.2017).
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 5 .2018).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und
physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden (USDOS 20.4.2018).
Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw. (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018, UN OCHA 21.1.2018).
Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018).
Grundversorgung und Wirtschaft:
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit:
Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016 - 2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013 - 2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung:
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u.a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program", ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z.B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Medizinische Versorgung:
Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).
In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).
Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5 .2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung:
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei
Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).
Krankenhäuser in Afghanistan:
Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).
Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:
• Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University
Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
• Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
• Ataturk Kinderkrankenhaus: Behild Aliabaad (in der Nähe von der Kabul University), District 3, Kabul, Tel.: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.a, MoPH 11.2012)
• Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vgl. AB 20.1.2016, MoPH 11.2012)
• Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.:
+93 (0)202100359 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)
• Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o.D.c, MoPH 11.2012)
• Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.:
+93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)
• Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vgl. IAM o.D., MoPH 11.2012)
• Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul, Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
• Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vgl. Tolonews 1.6.2017)
• Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vgl. Pajhwok 3.8.2017)
• Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vgl. ICRC 3.2.2017)
Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:
• Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5th Phase, Qragha Road, Kabul,
Tel.: +93 (0)20 256 3555 (IOM 5.2.2018)
• Shfakhanh Maljoy Frdos/Ferdows: Chahr Qala-e-Chahardihi Road,
Kabul, Tel.: +93 (0)70 017 3124 (Cybo o.D.)
• Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)
• DK - German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street, Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)
• French Medical Institute for Mothers and Children: Hinter der Kabul University, Aliabad, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500 200 (FMIC o. D.)
• Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vgl. LHH o.D.)
• Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)
Beispiele für Nichtregierungsinstitutionen vor Ort:
Ärzte ohne Grenzen (MSF):
Médecins sans Frontières (MSF) ist in verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Afghanistan tätig: im Ahmad Shah Baba Krankenhaus und im Dasht-e Barchi Krankenhaus in Kabul, in der Entbindungsklinik in Khost, im Boost Krankenhaus in Lashkar Gah (Helmand) sowie im Mirwais Krankenhaus und anderen Einrichtungen in Kandahar (MSF o. D.).
Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC):
Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 2017 bis März 2018 wurden Berichten zufolge insgesamt 48 Zwischenfälle in 13 Provinzen registriert. Nach mehreren Angriffen mit Todesfolge auf Mitarbeiter des ICRC, hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes 2017 einen erheblichen Teil seines Personals im Land abgezogen (AA 5 .2018). Trotzdem blieb im Laufe des Jahres 2017 das ICRC landesweit aktiv. Tätigkeiten des Komitees zur Förderung der Gesundheitsfürsorge waren z.B. der Transport von Kriegsverwundeten in nahe liegende Krankenhäuser für weitere medizinische Versorgung, die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung zur Unterstützung einiger staatlicher Krankenhäuser, die Bereitstellung von medizinischer Unterstützung für das Mirwais Krankenhauses in Kandahar, die Unterstützung von Gesundheitsdienstleistungen in zwei Gefängnissen (Kandahar und Herat) usw. (ICRC 28.1.2018).
International Psychosocial Organization (IPSO) in Kabul:
IPSO bietet landesweit psychosoziale Betreuung durch Online-Beratung und Projektfeldarbeit mit insgesamt 280 psychosozialen Therapeuten, wovon die Hälfte Frauen sind. Die Online-Beratung steht von 8-19 Uhr kostenfrei zur Verfügung; angeboten werden ebenso persönliche Sitzungen in Beratungszentren der Krankenhäuser. Einige der Dienste dieser Organisation sind auch an Universitäten und technischen Institutionen verfügbar. Unter anderem ist IPSO in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Herat, Bamyan, Badakhshan, Balkh, Jawzjan und Laghman tätig (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Medica Afghanistan in Kabul:
Medica Afghanistan bietet kostenfreie psychosoziale Einzel- und Gruppentherapien an. Die Leistungen sind nur für Frauen zugänglich und werden in Kabul in unterschiedlichen Frauenhäusern und -gefängnissen sowie Jugendzentren angeboten. Auch werden die Leistungen der Organisation in drei Hauptkrankenhäusern, im "Women's Garden, im Ministeirum für Frauenangelegenheiten (MoWA) und an weiteren Standorten in Kabul angeboten (BFA Staatendokumentation 4.2018).
PARSA Afghanistan:
Parsa ist seit 1996 als registrierte NGO in Afghanistan tätig. Die Organisation spezialisiert sich u.a. auf psychologische Leistungen und Ausbildung von afghanischem Fachpersonal, das in sozialen Schutzprogrammen tätig ist und mit vulnerablen Personen arbeitet. Zu diesen Fachkräften zählen Mitarbeiter in Zentren für Binnenvertriebene, Frauenhäusern und Waisenhäusern sowie Fachkräfte, die in lokalen Schulen am Projekt "Healthy Afghan Girl" mitarbeiten und andere Unterstützungsgruppen (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Weitere Projekte:
Das Telemedizinprojekt des Mobilfunkanbieters Roshan, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialisten im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden mittellose Patienten auf dem Land von Fachärzten diagnostiziert. Unter anderem bietet die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie afghanischen Ärzten die Möglichkeit, ihre medizinischen Kenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen (GI 17.12.2016; vgl. NCBI 23.3.2017).
Rückkehr:
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012 - 2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012 - 2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194), zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt
98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).
Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung, die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak-Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer mit jeweils 2 - 3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, einem Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:
IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).
NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung:
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Ausführliche Informationen zu den Programmen und Maßnahmen der erwähnten Organisationen sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen:
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine
wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Landinfo 19.9.2017). Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
Afghanische Flüchtlinge in Pakistan:
Die pakistanische Regierung hat die Gültigkeit der PoR-Cards (Proof of Registration Cards) für die 1.4 Millionen afghanische Flüchtlinge im Land bis 30.6.2018 verlängert - vorbehaltlich der Prüfung nach den bevorstehenden Bundeswahlen in Pakistan und der Ernennung des neuen Kabinetts. Zusätzlich hat NADRA (National Database and Registration Authority) damit begonnen, die sogenannte Afghan Citizen Card (ACC) an 878.000 nicht registrierte Afghanen zu verteilen, die sich seit 16.8.2017 in 21 Registrierungszentren in Pakistan haben registrieren lassen; bis 28.2.2018 wurden der Registrierungsprozess für die ACC abgeschlossen, die Zentren bleiben nach wie vor offen, um die Karten zu verteilen. Die Karten sind bis 30.6.2018 gültig; deren Besitzer sind verpflichtet bis dahin nach Afghanistan zurückzukehren, um Dokumente zu beantragen (einen afghanischen Pass und ein Visum für Pakistan) bevor sie nach Pakistan zurückkehren. Die restlichen rund 200.000 nicht-registrierten Afghan/innen könnten möglicherweise einer Deportation ausgesetzt sein. Bis 12.3.2018 erhielten 175.321 ihre ACC (IOM 20.3.2018).
1.3.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Lage in Herat-Stadt und in Mazar-e Sharif auf Grund anhaltender Dürre (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"1. Wie wirkt sich diese Dürre auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Hinblick auf die Wasserversorgung sowie auf die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) und Herat (Hauptstadt der Provinz Herat) aus?
[...]
Zusammenfassung:
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es im Umland von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, zu Wasserknappheit und einer unzureichenden Wasserversorgung kommt. Über die Situation in Mazar-e-Sharif selbst wird nicht berichtet. Zur Wasserversorgung in der Provinz Herat konnte ein Bericht gefunden werden, demzufolge Zahlungen an die Wasserversorgungsanstalt in der Höhe von 208 Mio. Afghanis ausstehen. Aufgrund der ausstehenden Zahlungen musste die Wasseranstalt Infrastrukturprojekte verschieben. Über die konkrete Versorgungslage in Herat-Stadt wurde nicht berichtet.
Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte in Afghanistan dieses Jahr deutlich geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gemäß einer Quelle lagen die Getreidepreise auf den Märkten in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund guter Ernten im Iran und Pakistan im Mai 2018 dennoch nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.
Wie den nachfolgend zitierten Quellen weiters zu entnehmen ist, verfügen momentan 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung über keinen gesicherten Zugang zu Lebensmitteln.
Einzelquellen:
Gemäß einem Bericht der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News klagen Einwohnerinnen und Regierungsvertreter aus den Bezirken Balkh, Nahar Shahi, Marmal, Khelm und Khas Balkh im Umkreis von Mazar-e-Sharif, Provinz Balkh, über Wasserknappheit und unzureichende Wasserversorgung. Landwirte aus dem Bezirk Marmal haben aufgrund der Dürre keine Nutzpflanzen angebaut.
[...]
Pajhwok Afghan News berichtet, dass Bewohnerinnen und Bewohner der Provinz Herat der afghanischen Wasserversorgungsanstalt 208 Mio. Afghanis schulden. Ein Vertreter der Wasserversorgungsanstalt gab bekannt, dass aufgrund der offenen Rechnungen Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur nicht umgesetzt werden konnten. Neben den unbezahlten Rechnungen nannte der Vertreter veraltete Kanalsysteme und einen Mangel an Spezialwerkzeugen zum Auffinden und Reparieren von undichten Stellen als ein Hauptproblem der Wasserversorgungsanstalt.
[...]
Gemäß einem Bericht des Famine Early Warning Systems Network (FEWS-NET) wird Afghanistan dieses Jahr rund zwei bis 2,5 Mio. Tonnen an Getreide importieren müssen, um seinen Bedarf zu decken. Das sind rund zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Da die Getreideernte im Iran und Pakistan voraussichtlich gut sein wird, sollte dieses Defizit durch konventionelle marktwirtschaftliche Kanäle ausgeglichen werden können. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Märkten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt, als auch Mazar-e-Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2017.
[...]
Gemäß dem Nachrichtenportal TOLOnews berichtet die afghanische Statistikorganisation, dass es rund 45 Prozent der afghanischen Bevölkerung an einem gesicherten Zugang zu Lebensmitteln mangelt. Das World Food Program warnt, dass sich die Versorgungslage aufgrund der anhaltenden Dürre weiter verschlechtern wird.
[...]
2. Gibt es bedingt durch diese Dürre in den Provinzen Balkh und Herat eine Landflucht in die Provinzhauptstädte?
[...]
Zusammenfassung:
Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen kann davon ausgegangen werden, dass von Mai bis Mitte August rund 12.000 Familien, unter anderem aufgrund der Dürre, aus den Provinzen Badghis und Ghor nach Herat-Stadt geflohen sind. Zur Lage in Mazar-e-Sharif wurde nichts berichtet.
Einzelquellen:
Gemäß dem Protokoll einer Sitzung des Humanitarian Regional Teams (HRT) von OCHA am 14.8.2018 leben rund 12.000 Familien in behelfsmäßigen Zelten im Westen von Herat-Stadt und sind damit den Elementen ausgesetzt. Sie sind aufgrund der Dürre, den Konflikten und anderen Gründen aus ihren Heimatorten geflohen.
[...]
OCHA berichtet, dass die Auswirkungen der Dürre am Rand von Herat-Stadt momentan am sichtbarsten sind. Erste Familien kamen im Mai aus den Nachbarprovinzen Badghis und Ghor an und errichteten behelfsmäßige Zelte entlang der Straße nach Qala-e-Naw, Badghis. Ihre Anzahl ist inzwischen auf 7.400 gestiegen, oder mehr als 50.000 Personen.
[...]
3. Falls ja,
a. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Möglichkeit der Wohnraumbeschaffung für Neuansiedler in diesen Städten aus?
[...]
Zusammenfassung:
Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen handelt es sich bei den Personen, welche vor der Dürre nach Herat-Stadt geflohen sind, um Personen, die ihren gesamten Besitz verloren haben. Sie leben in behelfsmäßigen Zelten in den armen Gegenden am westlichen Stadtrand von Herat. Über den Wohnungsmarkt oder auch Versuche dieser Personen, erschwinglichen Wohnraum in Herat-Stadt zu finden, konnten keine Berichte gefunden werden.
Einzelquellen:
Gemäß einem Bericht des Afghanistan Analysts Network (AAN) haben
1.760 Familien Zelte erhalten, andere leben in behelfsmäßigen Unterständen. Die Betroffenen berichten, dass sie von Brot und Wasser leben, da ihnen die Mittel für Reis oder Fleisch fehlen. AAN berichtet weiters, dass Familien, welche in den Behelfsunterkünften leben, nicht in ihre Herkunftsorte zurückkehren wollen. Sie haben ihre informellen Siedlungen in den ärmsten Gebieten von Herat-Stadt errichtet.
[...]
TOLO-News berichtet, dass die Mehrheit der von der Dürre betroffenen Bewohner der informellen Siedlungen Landwirte sind, welche ihren gesamten Besitz verloren haben.
[...]
b. Wie wirkt sich die durch die Dürre bedingte Landflucht in den Städten Mazar-e Sharif und Herat auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler in diesen Städten aus?
[...]
Zusammenfassung:
Der nachfolgend zitierten Quelle kann entnommen werden, dass die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 rund 17 Prozent unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. Damit steht die Lohnentwicklung in Herat-Stadt im Kontrast zu Entwicklungen in anderen urbanen Zentren Afghanistans. In Mazar-e-Sharif lagen die Löhne für Gelegenheitsarbeit im Mai 2018 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
Einzelquellen:
Gemäß einem Bericht von FEWS-NET sind die Löhne für Gelegenheitsarbeit in Herat-Stadt im Mai 2018 gegenüber dem Vorjahr und im Fünfjahresdurchschnitt um rund 17 Prozent gesunken. In Mazar-e-Sharif lagen sie dagegen 4,5 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
[...]
4. Gibt es staatliche oder internationale Hilfsmaßnahmen für die in den Dürregebieten lebenden Personen?
[...]
Zusammenfassung:
Gemäß mehreren Berichten gibt es insbesondere von internationaler Seite Hilfe für die von der Dürre betroffenen Personen. Das Humanitarian Country Team (HCT) der UN hat den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Dementsprechend benötigt Afghanistan in diesem Jahr rund 547 Mio. Dollar an Hilfsgeldern, wobei Ende Juli rund ein Drittel dieses Plans finanziert war. Bislang hat OCHA an die von der Dürre betroffene Bevölkerung unter anderem Trinkwasser und Nahrungsmittel verteilt. Weiters erhielten Betroffene auch Geld, über welches sie selbst verfügen können. In jenen Zentren, in denen sich von der Dürre Geflohene ansiedelten (Herat-Stadt, Qala-e-Naw und Chaghcharan) wurden unter anderem auch Zelte verteilt.
Das World Food Programme (WFP) gab Ende Juli an, über 400.000 Personen in den von der
Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmittelsoforthilfe unterstützen zu wollen. Australien sagte eine Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zu. Auf Betreiben der WHO sind in Herat mobile Gesundheitsteams im Einsatz.
Die afghanische Regierung verteilte in Chaghcharan, Provinz Ghor, Getreide an 155.000 Familien.
Einzelquellen:
Gemäß Reliefweb hat das Humanitarian Country Team (HCT) der UN für Afghanistan den Humanitarian Response Plan (HRP) für 2018 aufgrund der anhaltenden Dürre aktualisiert. Entsprechend dem neuen HRP benötigt Afghanistan 117 Mio. Dollar mehr als ursprünglich geplant und somit insgesamt 547 Mio. Dollar. Momentan ist dieser Plan zu 29 Prozent finanziert.
[...]
Gemäß AAN kündigte das World Food Programme (WFP) am 24.07.2018 an, 441.000 Personen in den von der Dürre betroffenen Provinzen Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jowzjan mit Nahrungsmitteln versorgen zu wollen. Ein Vertreter der Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA) in Kabul gab an, dass aufgrund der anhaltenden Dürre der nationale Notstand ausgerufen werden müsste. Bislang ist dies allerdings nicht geschehen. AAN kritisiert, dass die Regierung nicht auf die Frühwarnungen des Famine Early Warning System (FEW) reagiert hat und die ANDMA, welche hierfür zuständig wäre, bislang untätig blieb. Die Central Statistics Organization führt derzeit unter anderem mit dem WFP eine Evaluierung der bisherigen Maßnahmen für die von der Dürre betroffenen Regionen durch.
[...]
USAID berichtet, dass USAID bzw. Food for Peace (FFP) 975.000 Dollar bereitgestellt hat, um rund 3.000 Haushalte mit unsicherer Ernährungslage im Juli und August in Zentralafghanistan zu unterstützen. Des Weiteren spendete USAID/FFP Spezialnahrung für rund 54.300 Kinder, die im Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018 von akuter Mangelernährung betroffen waren. Im April stellte das World Food Programme, ein Partner von USAID/FFP, Lebensmittel für rund 1,2 Mio. Personen bereit, davon für 460 Haushalte, welche aufgrund der Dürre in Herat vertrieben wurden.
[...]
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berichtet:
Etwa zwei Millionen Menschen sind von Folgen der andauernden Dürre im Norden und Westen betroffen.
Der Common Humanitarian Fund (CHF) der UN hat 17 Millionen USD Hilfsgelder bereitgestellt. Bislang sind etwa 21.000 Menschen auf Grund der Dürre vom Land in Städte abgewandert.
[...]
Die WHO berichtet, dass in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Gesundheitsministerium und Implementierern des Basic Package of Health Services for Afghanistan (BPHS) mobile Gesundheitsteams in Herat im Einsatz sind. Wichtige medizinische Güter wurden zudem in regionalen Lagerhäusern deponiert, um sie bei Bedarf verteilen zu können.
[...]
Gemäß TOLO-News kündigt das afghanische Finanzministerium an, 250 Mio. Afghanis zur Hilfe der von der Dürre betroffenen Bevölkerung bereitzustellen und aufgrund dessen mit der internationalen Gemeinschaft zu sprechen. Vertreter der Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA) geben an, dass zur Beseitigung aller Dürreschäden mindestens 500 Mio. Dollar notwendig wären, die Behörde allerdings nur über etwas mehr als 6 Mio. Dollar verfüge.
[...]
TOLO-News berichtet weiters, dass Australien die Zahlung von 3,6 Mio. Dollar an das WFP zur Bereitstellung von Lebensmittelhilfen für Personen zugesagt hat, welche von der Dürre betroffen sind.
[...]"
1.3.3. Auszug aus der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12.10.2018 zu den Folgen von Dürre in den Städten Herat sowie Mazar-e Sharif, zu "Landflucht"-Bewegungen und zur allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"[...] Landflucht als Folge der Dürre
Die britische Wochenzeitung The Telegraph veröffentlicht im Juli 2018 einen Artikel zur Dürre in Afghanistan und schreibt bezugnehmend auf [...], den Leiter des Hilfsprogramms der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan, dass Menschen selten aus einem einzigen Grund aus einem Land fliehen würden. Laut [...] würden die anhaltende Gewalt und fehlende Beschäftigung eine Rolle spielen, die Dürre würde die Situation aber noch verstärken. Aufgrund der Dürre hätten bereits tausende Familien und zehntausende Menschen ihre Häuser verlassen und seien in Städte wie Herat gezogen. Viele Menschen hätten das Land aufgrund der Dürre verlassen, erklärte [...], ein Mitglied des Provinzialrats der Stadt. Menschen, die das Land nicht verlassen könnten, würden ihre Häuser verlassen und in die großen Städte ziehen, so [...]:
[...]
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) schreibt im September 2018 in seinem Update zur humanitären Hilfe in Afghanistan, dass die Dürre bisher über 275.000 Menschen vor allem in die Städte Herat und Qala-e-Naw vertrieben habe. In diesen Städten sei die Situation nach wie vor dramatisch. WFP habe über 77.000 Binnenvertriebenen in Herat Geld und 21.000 schutzbedürftigen Binnenvertriebenen in Qalae-Naw Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt, und die Verteilaktion dauere an:
[...]
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children's Fund, UNICEF) bezieht sich in seinem Bericht zur humanitären Hilfe in der von der Dürre betroffenen westlichen Region Afghanistans im September 2018 auf Zahlen, die vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) in einem humanitären Landes-Team-Meeting Mitte September 2018 präsentiert worden seien. Den Angaben zufolge würden die von der Dürre betroffenen Binnenvertriebenen auf 266.000 geschätzt. 84.000 von ihnen hätten sich in Herat niedergelassen, 182.000 in Badghis, ihrer Herkunftsregion. Allein im letzten Monat seien mehr als 84.000 Menschen in die Stadt Herat und 18.579 Familien (94.945 Menschen) nach Qala-e- Naw (Hauptstadt der Provinz Badghis) vertrieben worden:
[...]
Die englischsprachige pakistanische Tageszeitung The Express Tribune berichtet im August 2018 von [...], einem Bauern, der nach dem Ausfall seiner Weizenernte und dem Austrocknen seiner Brunnen seine Tiere verkauft und sich Tausenden von anderen Bauern angeschlossen habe, die in die Städte zogen, da die schlimmste Dürre Afghanistans seit Menschengedenken das vom Krieg zerrüttete Land verwüste. Wie Hunderte von Bauernfamilien im Dorf Charkint in der normalerweise fruchtbaren nördlichen Provinz Balkh sei [...], 45, mit 11 Familienmitgliedern in die Provinzhauptstadt Mazar-e-Sharif gezogen, um Arbeit zu finden. [...], der seit mehr als drei Jahrzehnten Bauer sei, habe der französischen Presseagentur (AFP) erklärt, dass er sich an keine derart schwere Dürre wie diese erinnern könne:
[...]
[...], der Leiter des Afghanistan-Programms des Norwegian Refugee Council (NRC), einer unabhängigen, humanitären, gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die Flüchtlingen und Binnenvertriebenen auf der ganzen Welt Unterstützung und Schutz bietet, erklärte in einer E-Mail-Auskunft vom 4. Oktober 2018, dass NRC noch keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif festgestellt habe. [...] merkte jedoch an, dass das NRC-Programm zur Bewältigung der Auswirkungen der Dürre ihren Fokus nicht auf Balkh bzw. Mazar-e Sharif habe und er deshalb nur bedingt über Informationen darüber verfüge. Der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung (Integrated Food Security Phase Classification, IPC) folgend sei die Provinz Balkh mit ihrer Hauptstadt Mazar-e Sharif allerdings wie auch die umliegenden Provinzen mit Stufe 3 bewertet worden. Dies bedeute, dass die Ernährungssicherheit krisenhaft sei und sich in der rauen/kalten Wintersaison wahrscheinlich weiter zuspitzen werde:
[...]
Die nachfolgenden Quellen beinhalten allgemeine Informationen zu Landflucht-Bewegungen in Afghanistan. Diese beziehen sich nicht spezifisch auf die dürrebedingte Urbanisierung:
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) veröffentlicht im Mai 2018 die Ergebnisse einer Befragung von Vertriebenen in jenen 15 Provinzen Afghanistans, die die höchste Population an RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen beheimaten würden. IOM gibt an, dass es auch bei den afghanischen RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen, die auf der Suche nach mehr Sicherheit, grundlegenden Dienstleistungen und Beschäftigungsmöglichkeiten seien, einen starken Trend zur Urbanisierung gebe. Rund 48 Prozent (1.718.202) der RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen in den 15 untersuchten Provinzen würden in Stadtteilen leben. Binnenvertriebene würden eher in städtische Gebiete fliehen. 55 Prozent der Binnenvertriebenen (953.146) und 42 Prozent der RückkehrerInnen (765.056) seien in städtische Gebiete gezogen:
[...]
In seinem ‚Humanitarian Needs Overview' zu Afghanistan führt UN OCHA im Dezember 2017 an, dass sich die Bevölkerung in den Ballungszentren konzentriere, da die von den Konflikten betroffenen Gebiete zunehmend ausgehöhlt würden: In stark von Konflikten betroffenen Bezirken habe die Gefahr wiederholter oder verschärfter Kämpfe viele Menschen dazu veranlasst, aus ihren Häusern zu fliehen, um nach sichereren Gebieten - typischerweise städtischen - zu suchen, wo der Zugang zu Dienstleistungen gesichert werden könne. Insgesamt würden die Provinzhauptstädte Afghanistans inzwischen mehr als 54 Prozent der Binnenvertriebenen beherbergen, was den Druck auf überlastete Dienstleistungen, Infrastruktur und den Wettbewerb um Ressourcen zwischen ankommenden und aufnehmenden Gemeinschaften weiter verschärfen würde:
[...]
Im Mai 2017 schreibt die Weltbank in ihrem Status-Update zur Armut in Afghanistan, einer Analyse, die auf den Erhebungen zu den Lebensbedingungen 2013-2014 und 2011-2012 sowie auf der Risiko- und Vulnerabilitätsbeurteilung 2007-2008 basiere, dass die Beschäftigungskrise in ländlichen Gebieten und die sich verschlechternde Sicherheitslage die afghanischen Haushalte dazu veranlasse, auf der Suche nach Arbeit und Sicherheit in städtische Gebiete zu ziehen. Trotz niedrigerer Geburtenraten sei die städtische Bevölkerung zwischen 2011-2012 und 2013-2014 um schätzungsweise 10 Prozent gewachsen, verglichen mit einem Anstieg von nur 2,2 Prozent in ländlichen Gebieten:
[...]
Auswirkung der Dürre auf die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln
Zur Wasserversorgung in Mazar-e Sharif konnten keine spezifischen Informationen gefunden werden.
NRC berichtet im September 2018, dass Herat für rund 60.000 Menschen, die aufgrund der Dürre aus ihren Häusern vertrieben worden seien, zum nächst gelegenen Zufluchtsort geworden sei. Auch der Konflikt habe viele dazu veranlasst, aus ihren Häusern in den verhältnismäßig sicheren Teil der Provinz zu fliehen. Die Kombination von Dürre und Konflikt habe zehntausende Familien mittellos gemacht. Sie würden in prekären Verhältnissen leben und weder eine langfristige Perspektive noch die Mittel dafür haben, Stabilität wiederzuerlangen. Trotz der rasch bereitgestellten Hilfe würden Trinkwasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung fehlen. Die sengende Hitze würde die Ausdauer der Menschen in den Siedlungen der Binnenvertriebenen auf die Probe stellen. Viele Menschen würden an Dehydrierung leiden, wofür Kinder und ältere Binnenvertriebene besonders anfällig seien. Da es nur wenige Wasserressourcen gebe, sei Trinkwasser ein begehrtes Gut in den Siedlungen: [...]
Im September 2018 berichtet UN OCHA in seinem zweiten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan von einem ‚Community Engagement Workshop' der humanitären Partnerorganisationen in Herat-Stadt, der am 12. und 13. September stattgefunden habe und den mehr als 350 Männer (‚male focal points') aus allen informellen Siedlungen der Stadt besucht hätten. Die größte Sorge der Vertriebenen sei die Verfügbarkeit von Lebensmitteln: Sowohl die Familien, die seit ihrer Ankunft in Herat-Stadt Bargeld für Lebensmittel erhalten hätten, als auch jene, die ein bis zwei Nahrungsmittelrationen in Form von Naturalien bekommen hätten, hätten berichtet, dass ihnen die Lebensmittel ausgegangen seien. Mit dem wenigen Geld, das sie verdienen würden, ernähren sie sich von Brot und Tee, da sie nicht in der Lage seien, Obst, Gemüse oder Fleisch zu kaufen. Viele der Familien, die Bargeld erhalten hätten, um Lebensmittel zu kaufen, hätten mit dem Geld Schulden abbezahlt, es für Gesundheitsleistungen verwendet oder damit Material für ihre provisorischen Unterkünfte gekauft, so dass sie nicht in der Lage gewesen seien, genügend Lebensmittel zu kaufen. Den Gesprächen zufolge seien die meisten vertriebenen Familien mit der Menge und Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden:
[...]
Im bereits erwähnten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan listet UN OCHA im September 2018 den Bedarf im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der Landwirtschaft auf. Dabei wird angeführt, dass Schätzungen zufolge beinahe 1,4 Millionen Menschen in zwölf Provinzen im ganzen Land, darunter Balkh und Herat, Nahrungsmittel benötigen würden. Erste Ergebnisse der Emergency Food Security Assessment (EFSA) unter der Leitung der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen und des Welternährungsprogramm würden zeigen, dass die ‚Food Consumption Scores'[...] der ländlichen Bevölkerung unter anderem in Herat kritisch seien. Unter den vertriebenen Familien in den Provinzen der westlichen Region sei die Situation noch schwerwiegender: 82 Prozent der Familien hätten schlechte Food Consumption Scores und 72 Prozent müssten auf negative Bewältigungsmechanismen zurückgreifen, wie die Reduktion der Nahrungsmittelzufuhr oder der Anzahl der Mahlzeiten, so das ‚Drought Impact and Needs Assessment' (DINA), das von UN OCHA sowie dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) und Partnern durchgeführt worden sei. In Bezug auf den Bedarf an Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene erwähnt UN OCHA unter anderem, dass laut Schätzungen in der westlichen Region 260.000 Menschen, insbesondere Vertriebene, Trinkwasser benötigen würden:
[...]
IOM verweist im bereits zitierten Artikel vom Mai 2018 auf den Leiter der IOM-Afghanistan Delegation, [...]. [...] zufolge würden sich Binnenvertriebene und RückkehrerInnen vor allem im städtischen Umfeld oftmals in sogenannten ‚informellen Siedlungen' in unmittelbarer Nähe von Wirtschaftszentren ansiedeln. Dort würden die Einkommensbezieher der Familie versuchen, als Tagelöhner Arbeit zu finden. Die Bedingungen in diesen Siedlungen seien sehr schlecht, mit extrem niedrigen Hygienestandards und begrenztem Zugang zu Wasser:
[...]
Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler (insbesondere von RückkehrerInnen)
Laut den Ergebnissen der bereits erwähnten Befragung von NRC und WFP im Juli 2018 seien die Möglichkeiten für Gelegenheitsarbeit in allen der neun untersuchten Provinzen sehr begrenzt, wobei die meisten Menschen nur 2-3 Tage pro Woche Arbeit finden. Am höchsten sei der Tageslohn für ungelernte Arbeitskräfte in Takhar [...], gefolgt von den Provinzen Kundus, Badakhshan, Balkh, Faryab, Sar-e Pul und Ghor. Die niedrigste Tageslohnquote für ungelernte Arbeitskräfte sei in den Provinzen Badghis und Jawazjan [...] gemeldet worden. Nach Ansicht der Händler sei der Hauptgrund für die begrenzte Verfügbarkeit von Arbeit für unausgebildete Arbeitskräfte in diesem Jahr die Dürre, die die landwirtschaftliche Produktion, die für den größten Teil der Bevölkerung die Haupteinkommensquelle darstelle, hart getroffen habe. In der Zwischenzeit hätten die Unsicherheit in abgelegenen Gebieten und der Mangel an Industrien und Fabriken die Möglichkeiten für Gelegenheitsarbeit verringert: [...]
Im Zuge des bereits erwähnten ‚Community Engagement Workshop', an dem sich Binnenvertriebene in der Stadt Herat beteiligten und über den UN OCHA im September 2018 berichtete, habe sich herausgestellt, dass die Mehrheit der vertriebenen Menschen in Herat keine andere Existenzgrundlage finden könne, als Kinder zur Arbeit zu schicken, zu betteln, Müll zu sammeln oder dass Frauen in Haushalten in der Stadt putzen oder Kleidung waschen: [...]
FEWS NET nimmt im August 2018 Bezug auf die afghanischen RückkehrerInnen aus Pakistan und dem Iran und gibt an, dass viele RückkehrerInnen nur über minimale Ressourcen, begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten, Unterkünfte und Sicherheit verfügen würden, was es ihnen erschwere, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen:
[...]
Im September 2018 berichtet FEWS NET, dass der Konflikt die Vertreibung und die Zerstörung der Lebensgrundlagen verstärke. Viele der neu Vertriebenen seien wahrscheinlich von einer Lebensmittelkrise (IPC Phase 3) betroffen, da sie keinen Zugang zu ihrer normalen Lebensgrundlage hätten. Im Laufe des kommenden Winters werde externe Hilfe erforderlich sein, um das Fehlen an Lebensmitteln zu lindern, da die Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzt seien und die Überweisungen aus den Nachbarländern deutlich unter dem Durchschnitt liegen würden:
Die nachfolgenden Informationen beziehen sich auf die allgemeine Lage am Arbeitsmarkt in den Großstädten Afghanistans. Diese beziehen sich nicht auf die spezifischen Auswirkungen der dürrebedingten Landflucht auf den Arbeitsmarkt:
[...]
Im bereits erwähnten Lagebericht zur Dürre in Afghanistan schreibt UN OCHA im September 2018, dass in den benachbarten Provinzen Badghis und Herat Hilfe in den Siedlungen der Vertriebenen bereitgestellt werde und Anstrengungen unternommen würden, die Hilfe in den ländlichen Herkunftsgebieten der Vertriebenen zu verstärken. In den Provinzen Herat und Badghis würden rund 190.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser in Herkunfts- und Neuansiedlungsgebieten erreicht. Die Kapazitäten der Partnerorganisationen in der Provinz Badghis seien in allen Bereichen nach wie vor deutlich unzureichend. Seit Beginn der ganzheitlichen Maßnahmen zur Dürrebekämpfung im August wurden mehr als 690.000 Menschen mit lebensrettenden Hilfeleistungen erreicht:
[...]
FEWS NET berichtet im August 2018, dass Informationen über humanitäre Hilfe begrenzt seien. Verfügbare Informationen würden jedoch darauf hindeuten, dass Nahrungsmittelhilfe für die von der Dürre betroffenen Haushalte dokumentierter RückkehrerInnen und Binnenvertriebener in zugänglichen Gebieten geleistet werde. Insbesondere stelle die afghanische Regierung den Haushalten Futtermittel, Weizensaatgut und Düngemittel im Rahmen ihrer jährlichen Lebensmittelverteilung zur Verfügung:
[...]
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) führt im August 2018 an, dass die Maßnahmen gegen die Dürre in Afghanistan aus drei Phasen bestehen würden. Phase 1 sei im Juni abgeschlossen worden und habe auf 14 Provinzen abgezielt und 463.000 Menschen erreicht. In Phase 2, die im Juli begonnen und im August noch angedauert habe, habe das WFP 9.500 Tonnen verschiedener Rohstoffe für 441.000 von der Dürre betroffene Menschen bereitgestellt. Phase 3 beginne Ende September und basiere auf den Plänen, Nahrungsmittelhilfe für 1,4 Millionen Menschen bereitzustellen. Im August habe das WFP im Rahmen der zweiten Phase über 320.000 von der Dürre betroffene Frauen, Männer, Jungen und Mädchen in Badghis, Faryab, Ghor, Herat und Jawzjan erreicht. Um seine laufenden Programme im Rahmen des Länderstrategieplans (2018 - 2022) für die nächsten sechs Monate fortzusetzen, benötige das WFP bereits 81,4 Millionen US-Dollar. Dieser Betrag werde sich jedoch erhöhen, um den wachsenden Bedarf an Maßnahmen zur Dürrebekämpfung zu decken. Der Humanitäre Flugdienst der Vereinten Nationen (United Nations Humanitarian
Air Service, UNHAS) habe 1.900 Hilfskräfte und 6 Tonnen Leichtfracht befördert. In Afghanistan würden sich 160 Organisationen auf UNHAS verlassen, um bedürftige Menschen zu erreichen:
[...]"
1.3.4. Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 02.09.2016, a-9737-V2, zur Lage der Hazara:
"In einem Update zur Sicherheitslage in Afghanistan vom September 2015 thematisiert die regierungsunabhängige Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Situation von Hazara und beschreibt Maßnahmen gegen Hazara wie folgt:
‚Diskriminierung gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten sind verbreitet und es kommt immer wieder zu Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien, welche zu Todesopfern führen. Die Diskriminierung Angehöriger der Hazara äußert sich in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung. Hazara wurden überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen.' (SFH, 13. September 2015, S. 18)
Der im April 2016 veröffentlichte Länderbericht des US-Außenministeriums (US Department of State, USDOS) zur Menschenrechtslage (Berichtsjahr: 2015) hält fest, dass Hazara von fortwährender, sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen seien. Laut NGOs seien Hazara-Mitglieder der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden als Nicht-Hazara-Beamte. Aus mehreren Provinzen, darunter Ghazni, Zabul und Baghlan, seien eine Reihe von Entführungen von Hazara berichtet worden. Die Entführer hätten Berichten zufolge ihre Opfer erschossen, enthauptet, Lösegeld für sie verlangt oder sie freigelassen. Im Februar 2015 hätten Aufständische 31 Hazara-Männer aus einem Bus in der Provinz Zabul entführt und im Mai 2015 19 Geiseln und im November 2015 acht weitere freigelassen. Mit Stand November 2015 seien die übrigen vier Geiseln weiterhin vermisst gewesen. ...
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in ihrem im Februar 2016 erschienenen Jahresbericht zum Jahr 2015, dass sie während des Jahres 2015 einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara-ZivilistInnen durch regierungsfeindliche Kräfte verzeichnet habe. So hätten regierungsfeindliche Kräfte zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2015 mindestens 146 Mitglieder der Hazara-Gemeinde bei insgesamt 20 verschiedenen Vorfällen getötet. Mit Ausnahme eines einzigen Vorfalls hätten sich alle in ethnisch gemischten Gebieten ereignet, die sowohl von Hazara als auch von Nicht-Hazara-Gemeinden besiedelt seien, und zwar in den Provinzen Ghazni, Balch, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jowzjan und Ghor. UNAMA habe die Freilassung von 118 der 146 entführten Hazara bestätigen können.
13 entführte Hazara seien von regierungsfeindlichen Kräften getötet worden, während zwei weitere in Geiselhaft verstorben seien. UNAMA habe den Verbleib der übrigen Geiseln nicht eruieren können. Die Motive für die Entführungen seien unter anderem Lösegelderpressung, Gefangenenaustausche, Verdacht der Mitgliedschaft bei den Afghanischen Nationalen Sicherheitskräften (ANSF) und Nichtbezahlung illegaler Steuern gewesen. In manchen Fällen seien die zugrundeliegenden Motive unbekannt gewesen. UNAMA führt folgende Beispiele für Entführungen und anschließende Tötungen von Hazara an:
Am 23. Februar 2015 seien im Bezirk Shajoy der Provinz Zabul 30 Hazara-Insassen zweier öffentlicher Busse, die von Herat nach Kabul unterwegs gewesen seien, von regierungsfeindlichen Gruppen entführt worden. Drei der Entführungsopfer seien während ihrer Gefangenschaft getötet worden, während zwei offenbar aufgrund von natürlichen Ursachen verstorben seien. Zwischen Mai und August 2015 seien die übrigen Geiseln freigelassen worden, nachdem es Berichten zufolge zu einem Austausch mit einer Gruppe von Häftlingen gekommen sei.
Am 13. Oktober 2015 hätten regierungsfeindliche Kräfte sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter zwei Frauen, zwei Jungen und ein Mädchen, die sich auf der Autobahn zwischen Kabul und Kandahar auf dem Weg in den Distrikt Jaghuri (Provinz Ghazni) befunden hätten, entführt. Stammesälteste hätten sich vergeblich um deren Freilassung bemüht. Die Hazara seien im Distrikt Arghandab der Provinz Zabul festgehalten worden, bis Kämpfe zwischen rivalisierenden regierungsfeindlichen Gruppen, darunter auch der Gruppe, zu denen die Entführer gehört hätten, ausgebrochen seien. Im Zeitraum von 6. bis 8. November hätten die regierungsfeindlichen Kräfte allen sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter auch den Kindern, die Kehlen durchgeschnitten. Dieser Vorfall habe Demonstrationen in der Stadt Kabul ausgelöst, bei denen mehr Schutz für die Hazara-Gemeinschaft gefordert worden sei. [...]
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll, nennt in einem Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vom Jänner 2016 Beispiele von Sicherheitsvorfällen, die Hazara betreffen. Demnach seien im Februar 2015 bei zwei Vorfällen Mitglieder der Hazara Minderheit von maskierten bewaffneten Männern im Distrikt Kajran [Provinz Daykundi, Anm. ACCORD] in ihren Fahrzeugen gestoppt worden. Die Reisenden seien nach ihrem religiösen Glauben gefragt worden und 55 der Reisenden seien entführt und an unbekannte Orte gebracht worden. Laut offiziellen Quellen hätte es sich bei den Entführern um Taliban gehandelt, Augenzeugenberichte würden aber auf eine Beteiligung der Gruppe Islamischer Staat (IS) hindeuten. [...]
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erwähnt in ihrem World Report vom Jänner 2016, dass es im Jahr 2015 einen Anstieg von Entführungen und Geiselnahmen von ZivilistInnen durch aufständische Gruppen gegeben habe, darunter auch die zwei Vorfälle in der Provinz Zabul, nämlich die Entführung und Tötung von 7 ZivilistInnen am 9. November und die Entführung von 31 Businsassen am 23 Februar, von denen 19 wieder freigelassen worden seien. In beiden Fällen seien die Opfer offenbar wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu den Hazara ins Visier genommen worden.
[...]
Der in Prag ansässige, vom US-Kongress finanzierte Radiosender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im August 2015, dass vier Männer, die in der Woche zuvor entführt worden seien, im Distrikt Nawur der Provinz Ghazni erschossen aufgefunden worden seien. Bei drei der Toten handle es sich um Hazara, bei dem Vierten um einen Paschtunen. Bei einem weiteren Vorfall im August seien mindestens acht weitere Hazara auf dem Weg in die Stadt Ghazni entführt worden. Im Februar seien 30 Hazara in der Provinz Zabul, im Süden von Ghazni, entführt worden. 19 seien im Mai wieder freigelassen worden, zwei seien getötet worden, und neun seien noch als vermisst gemeldet. Im Juli seien 11 Hazara im Norden der Provinz Baghlan entführt worden. [...]
Die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) berichtet im September 2015, dass Bewaffnete im Distrikt Zari der größtenteils ruhigen Provinz Balch 13 männliche Hazara erschossen hätten, nachdem sie zwei Fahrzeuge aufgehalten und die Insassen gezwungen hätten, auszusteigen. [...]
Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im November 2015 über die Entführung von mindestens sieben Hazara durch die Taliban, nachdem es zu einem lokalen Streit um Schafe gekommen sei. Die Taliban hätten drei Busse in der Provinz Zabul aufgehalten und zunächst 17 Geiseln genommen und neun von ihnen wieder freigelassen. Ein örtlicher Taliban-Anführer habe die Entführungen mit der Begründung angeordnet, dass Hazara Schafe gestohlen hätten. [...]
In einer Pressemitteilung vom November 2015 schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über Proteste in der afghanischen Hauptstadt Kabul am 11. November 2015 aufgrund einer Reihe von ethnisch motivierten Tötungen.
Die Pressemitteilung berichtet über die Entführung und anschließende Tötung von sieben Hazara, darunter auch zwei Mädchen, am 9. November in der Provinz Zabul. Es habe sich keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt.
Weiters wird beschrieben, dass sich die Sicherheitslage im Berichtsjahr 2015 in vielen Gebieten Afghanistans verschlechtert, die Gewalt gegen Zivilisten zugenommen habe und dass es zu internen Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Fraktionen innerhalb der Taliban gekommen sei. HRW berichtet, dass eine der größten Splitterfraktionen der Taliban von Mullah Abdul Manan Niazi angeführt werde, welcher zur Zeit des Massakers an tausenden von Hazara in Mazar-e-Sharif 1998 Taliban-Gouverneur in der Provinz Balch gewesen sei. Diese Gruppe werde Berichten zufolge vom Islamischen Staat (IS) unterstützt und sei in dem Gebiet in der Provinz Zabul aktiv, in dem die sieben Hazara getötet worden seien.
Wenngleich alle Zivilisten in Konfliktgebieten gefährdet seien, würden die Tötungen in Zabul die besondere Gefährdung aufzeigen, mit denen Hazara konfrontiert seien. In den vergangenen zwei Jahren seien bei einer Reihe von Vorfällen Hazara-Buspassagiere von anderen Insassen ausgesondert und entführt und in manchen Fällen getötet worden. [...]
BBC Monitoring schreibt in der Zusammenfassung eines Berichts der in Pakistan ansässigen privaten Nachrichtenagentur Afghan Islamic Press News Agency im März 2016, dass in der nördlichen Provinz Sar-e Pol 11 Hazara entführt worden seien. Laut des Polizeichefs der Polizeizentrale von Sar-e Pol, seien die 11 Hazara aufgrund ihrer Ethnizität von den Taliban entführt worden. Es handle sich bei den Entführten um Zivilisten, die nicht für die Regierung arbeiten würden. Die Taliban hätten sich noch nicht zu dem Vorfall geäußert.
In der Vergangenheit seien einige ethnische Hazara in Zabol, Ghazi und anderen Provinzen entführt worden. Manche seien freigelassen, andere seien getötet worden. [...]
Im Juni 2016 berichtet die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP), dass Bewaffnete im Bezirk Santscharak der Provinz Sar-e-Pul mindestens 17 reisende Hazara, bei denen es sich allesamt um Zivilisten, die nicht mit der Regierung in Verbindung gebracht werden könnten, handle, aus ihren zivilen Fahrzeugen gezerrt und in ein entlegenes Gebiet gebracht hätten, das sich unter Taliban-Kontrolle befinde. Laut dem ortsansässigen Gouverneur seien die Dorfältesten gebeten worden mit den Taliban über die Freilassung der Entführten zu verhandeln. [...]
Zwei Tage später berichtet Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), dass die 17 oben erwähnten, von den Taliban entführten Hazara freigelassen worden seien. Der Vorfall in der Provinz Sar-e-Pul sei Teil einer Serie von Angriffen auf zivile Fahrzeuge gewesen. Die Taliban hätten sich nicht zu dem Vorfall geäußert.
In den letzten Monaten habe es einen Anstieg der Gewalt gegen Hazara in Form einer Reihe von Entführungen und Tötungen gegeben. In einem der letzten Vorfälle hätten die Taliban 10 Busreisende getötet, viele davon seinen summarisch hingerichtet worden, und ein Dutzend andere seien im Norden der Provinz Kunduz entführt worden. Laut dem Provinz-Gouverneur hätten die Dorfältesten und die ortsansässigen Bewohner die sichere Befreiung der Geiseln, bei denen es sich um Zivilisten handelte, ausgehandelt. [...]
In einem Statement vom Juni 2016 äußert sich die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) besorgt über den Anstieg von Entführungen, Geiselnahmen sowie summarischen Hinrichtungen und berichtet von einer bewaffneten Entführung von 25 ZivilistInnen, bei denen es sich Berichten zufolge allesamt um Hazara gehandelt habe. Die Entführten seien in zwei Fahrzeugen im Bezirk Balkh Ab, der nördlichen Provinz Saripul (Sar-e-Pul), unterwegs gewesen. Während vier Frauen und ein älterer Herr wieder freigelassen worden seien, sei der Verbleib der 20 Anderen nicht bekannt. [...]
Im Juli 2016 beschreibt die deutsche Tageszeitung (Taz) einen Anschlag der Gruppe Islamischer Staat (IS) während einer Demonstration von Hazara in der Stadt Kabul, bei dem mindestens 80 Personen ums Leben gekommen seien:
‚Die Zahl der Todesopfer bei einem Anschlag auf friedliche Demonstranten in der afghanischen Hauptstadt Kabul ist auf mindestens 80 gestiegen. Außerdem seien bei dem Bombenanschlag am Samstag 231 Menschen verletzt worden, teilte das afghanische Innenministerium mit. Nach vorläufigen Informationen sei die Tat von drei Selbstmordattentätern begangen worden. ‚Der dritte Angreifer wurde von Sicherheitskräften niedergeschossen', hieß es weiter.
[...]
Tausende Angehörige der ethnischen Minderheit der Hazara hatten in der afghanischen Hauptstadt für den Bau einer Stromtrasse in der vernachlässigten Region Bamijan demonstriert, als inmitten der Menschenmenge mindestens ein Sprengsatz detonierte. Ein AFP-Fotograf sah am Tatort dutzende zum Teil völlig zerfetzte Leichen. Krankenwagen hatten Schwierigkeiten, zum Explosionsort zu gelangen, weil die Behörden Straßenkreuzungen blockiert hatten, um zu verhindern, dass die Demonstranten zum Präsidentenpalast marschieren.
Zu der Tat bekannte sich die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS). Die radikalislamischen Taliban, die derzeit ihre Sommeroffensive gegen die afghanischen Sicherheitsbehörden führen, wiesen jegliche Beteiligung an dem Anschlag zurück." (Taz, 23. Juli 2016)
In einem weiteren Artikel vom Juli 2016, geht die Taz auf die Motive für den oben beschriebenen Anschlag ein:
‚Der IS-Anschlag auf die Friedensdemo in Kabul mit mindestens 80 Toten hatte militärisch keinen Sinn. Ziel war eine schiitische Minderheit.
Es gibt kaum Zweifel daran, dass der schwere Anschlag am Sonnabend in Kabul vom örtlichen Ableger des Islamischen Staates (IS) durchgeführt worden ist. Die Handschrift des Anschlags spricht eindeutig dafür: Es ist ein skrupelloser Akt ohne jeglichen militärischen Sinn: gegen den friedlichen, von Zivilisten getragenen Protest der schiitischen Hazara-Minderheit und gegen die schiitische Minderheit insgesamt gerichtet, die vom IS und seinen Geistesgenossen nicht als ‚richtige' Muslime angesehen werden.'
(Taz, 25. Juli 2016)
[...]
1.3.5. Auszug aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD zur Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen (u.a. mögliche Ausgrenzung oder Belästigungen); Verhalten der Taliban gegenüber Hazara, die aus dem Iran zurückkehren, vom 12.06.2015 (a-9219):
"Situation für AfghanInnen (insbesondere Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen (u.a. mögliche Ausgrenzung oder Belästigungen)
In der im Mai 2014 veröffentlichten Ausgabe der Forced Migration Review (FMR), einer Publikation des Refugee Studies Centre der Universität Oxford, findet sich ein Artikel von Armando Geller und Maciej M. Latek, Mitbegründer von Scensei, einem Unternehmen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung und Durchführung von Analysen. Darin gehen die Autoren auf die Motivationen und die Lage von afghanischen Flüchtlingen im Iran ein, die nach Afghanistan zurückkehren. Wie der Artikel anführt, würden RückkehrerInnen bei ihrer Ankunft in Afghanistan nach einer Abwesenheit von sieben bis 30 Jahren bemerken, dass sie weitgehend von den Verwandtschafts-, Geschäfts- und Patronage-Beziehungen, die sich in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hätten, ausgeschlossen seien. So würden RückkehrerInnen beispielsweise berichten, dass sie keine Jobs über Verwandte oder Freunde bekommen könnten, da sie keinem Patronage-Netzwerk mit Zugang zu Ressourcen angehören würden. Dies führe nicht nur dazu, dass ihr neues Leben wirtschaftlich unhaltbar sei, sondern auch zu vielen Anzeichen einer Identitätskrise bei den RückkehrerInnen. Nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan seien sie Fremde im eigenen Land, die Mühe hätten, ihre schwachen sozialen Beziehungen, die sich weder materiell auszahlen noch Schutz bieten würden, neu zu beleben: [...]
In einem im August 2014 veröffentlichten Artikel für die British & Irish Agencies Afghanistan Group (BAAG), ein Dachverband von in Afghanistan tätigen britischen und irischen Hilfsorganisationen, berichtet die freiberufliche Forscherin und Autorin Vanessa Thevathasan über die Lage junger afghanischer RückkehrerInnen aus dem Iran und Pakistan. Laut Thevathasan seien viele nach ihrer Rückkehr aufgrund des anhaltenden Konflikts und der schlechten Sicherheitslage zu Binnenvertriebenen geworden. Sie seien gezwungen, in Zelten zu leben, und hätten nur geringen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser.
Die Mehrheit der AfghanInnen sichere sich den Lebensunterhalt durch Subsistenzlandwirtschaft und informellen Handel. In den Städten seien die meisten entweder selbstständig oder GelegenheitsarbeiterInnen. Die Verankerung dieses informellen Sektors sowie der Mangel an grundlegenden Diensten habe Afghanistans Fähigkeit untergraben, der Forderung der internationalen Gemeinschaft nach einer organisierten Rückkehr und Reintegration afghanischer Flüchtlinge nachzukommen. Die Situation sei besonders für zurückkehrende afghanische Jugendliche hart: [...]
Stars and Stripes, eine Nachrichtenwebsite, deren Aufgabe es laut eigenen Angaben ist, die US-Militärgemeinde mit unabhängigen Nachrichten und Informationen zu versorgen, schreibt in einem Artikel vom Jänner 2015, dass sich immer noch mehr als 2,5 Millionen afghanische Flüchtlinge im Ausland aufhalten würden, vor allem in den Nachbarländern Pakistan und Iran. Angesichts wirtschaftlicher Probleme und der zunehmenden Gewalt sei das Ausmaß der freiwilligen Rückkehr auf 16.000 Personen im Jahr 2014 zurückgegangen. Im Jahr zuvor seien noch mehr als doppelt so viele Personen zurückgekehrt.
Zurückkehrende Flüchtlinge hätten Zugang zu einer Reihe internationaler Hilfsmaßnahmen, etwa Zuschüssen von rund 200 US-Dollar als Hilfe zur Deckung von Transport- und Reintegrationskosten, temporären Unterkünfte, Unterweisungen in den Bereichen rechtliche Hilfe und (Aus‑)Bildung, sowie Impfungen für Kinder. Die afghanische Regierung habe zurückkehrenden Flüchtlingen und anderen vertriebenen Personen Land zugewiesen, allerdings sei die Fähigkeit der Regierung, andere Dienste wie (Aus‑)Bildung und Gesundheitsversorgung bereitzustellen, begrenzt.
Einem für die Provinz Herat zuständigen Offiziellen zufolge würden Flüchtlinge alles verlieren, wenn sie versuchen würden, wieder nach Afghanistan zu kommen. Die afghanische Regierung verfüge nicht über die nötigen Ressourcen, um allen zu helfen.
Einer in Kabul ansässigen Mitarbeiterin der norwegischen NGO Norwegian Refugee Council (NRC) ziehe es viele zurückkehrende AfghanInnen aufgrund der Aussicht auf bessere wirtschaftliche Möglichkeiten in die Städte. Die Wirklichkeit sei allerdings, dass es dort nur selten mehr Möglichkeiten gebe. Es setze sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Mehrheit der Flüchtlinge nicht mehr zurückkehren wolle. Sie hätten Afghanistan oftmals wegen des Krieges oder anderer Schwierigkeiten verlassen und würden nun aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht mehr zurückkehren wollen: [...]
Die Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU), eine unabhängige Forschungsorganisation mit Sitz in Kabul, geht in einem Bericht vom Juli 2009 auf die Erfahrungen junger AfghanInnen bei ihrer Rückkehr aus Pakistan und dem Iran ein. Wie der Bericht anführt, sei die soziale Ablehnung durch AfghanInnen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben seien, eine schwierige Erfahrung für einige RückkehrerInnen der zweiten Generation gewesen. Es gebe zwei wichtige Gründe, warum Flüchtlinge der zweiten Generation bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit dieser sozialen Exklusion konfrontiert seien: Zum einen könnten einige Flüchtlinge als ‚Eindringlinge' in die afghanische Gesellschaft angesehen werden, zum zweiten könnte es sich um das erste Mal handeln, dass sie als AfghanInnen mit tiefgreifenden ethnischen und Stammes-Unterschieden unter ihren Landsleuten konfrontiert würden.
Rund ein Viertel der befragten RückkehrerInnen, die meisten aus dem Iran, aber auch einige aus Pakistan, hätten berichtet, dass sie bzw. Familienangehörige oder Freunde von anderen AfghanInnen wegen ihrer Rückkehr aus einem anderen Land geächtet worden seien. Bei den RückkehrerInnen, die dies berichtet hätten, habe es sich vor allem um alleinstehende, gebildete und weibliche Personen gehandelt. Zurückgekehrte Frauen seien relativ einfach anhand ihrer Kleidung auszumachen und ihre Erscheinung und ihr Verhalten könnten im Widerspruch zu den lokalen kulturellen Erwartungen und sozialen Codes stehen. Bei diesen RückkehrerInnen handle es sich eindeutig um ‚AußenseiterInnen', die leichte Ziele für Schikanierungen seitens anderer AfghanInnen darstellen würden. Insbesondere dann, wenn Flüchtlinge der zweiten Generation sich sehr stark in die pakistanische oder iranische Lebensweise integriert hätten und nicht wüssten, was für AfghanInnen ‚normal' sei, bzw. sich nicht dementsprechend verhalten könnten, könnten sie als ‚verwöhnt', ‚Nichtstuer' oder ‚nicht afghanisch' betrachtet werden.
Im Großen und Ganzen scheine es eine generelle negative Einstellung gegenüber einigen RückkehrerInnen zu geben, denen von einigen in Afghanistan verbliebenen Personen vorgeworfen werde, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben. Einer der Gründe für diese Vorwürfe sei Angst im Zusammenhang mit der Konkurrenz um Ressourcen. RückkehrerInnen der zweiten Generation, bei denen es wahrscheinlich sei, dass sie sich in einer besseren sozioökonomischen Lage befinden würden als Personen, die in Afghanistan geblieben seien, würden von ihren Landsleuten, die ihr ‚Territorium' in den Bereichen Bildung, Arbeit, Eigentum und sozialer Status bedroht sehen würden, manchmal als unerwünschte Eindringlinge angesehen. Darüber hinaus scheine es eine stereotype Wahrnehmung von zurückgekehrten Mädchen und Frauen zu geben, wonach diese ‚freier' seien. Dies hänge mit der generellen Wahrnehmung der AfghanInnen von pakistanischen und iranischen Frauen zusammen. Afghanische Flüchtlinge der zweiten Generation würden diese Frauen oftmals als ‚freier' ansehen, sowohl in negativer (z.B. Scham in Verbindung mit einem weniger moralischen Verhalten) als auch in positiver Hinsicht (z.B. besserer Zugang zu Bildung und Arbeit). Die jungen RückkehrerInnen, die in Pakistan und im Iran aufgewachsen seien, würden von den in Afghanistan Verbliebenen ähnlich betrachtet.
Wie der Bericht weiters anführt, werde Diskriminierung aus ethnischen, religiösen und politischen Gründen von Flüchtlingen der zweiten Generation noch intensiver erlebt als von Flüchtlingen der ersten Generation oder AfghanInnen, die bereits Erfahrungen in Afghanistan gemacht hätten und sich dieser Realität bewusster seien:
[...]
In einem im Februar 2011 von den beiden Denkfabriken Middle East Institute (MEI) und Fondation pour la Recherche Stratégique (FRS) veröffentlichten Bericht geht Bruce Koepke, der aktuell beim Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) tätig ist und zuvor für die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) in Nordafghanistan, Kabul und Teheran gearbeitet hat, auf die Lage von AfghanInnen im Iran ein. Wie Koepke anführt, habe der Umstand, dass die Mehrheit der im Iran geborenen AfghanInnen, vor allem Dari-/Farsi-sprechende sunnitische TadschikInnen und schiitische Hazara, über Schule und Arbeit die iranische Kultur und Lebensweise aufgenommen habe, ihre kulturelle Anpassung erleichtert. Gleichzeitig werde dadurch aber auch ihre Repatriierung erschwert. Für viele sei die Vorstellung, in ländliche Gebiete Afghanistans zurückzukehren, die meist (‚most commonly') nur ein sehr grundlegendes Maß an Infrastruktur, sozialen Diensten und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten würden, beängstigend. Darüber hinaus seien im Iran ausgebildete AbsolventInnen bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan nicht selten mit unterschiedlich stark ausgeprägten Vorurteilen konfrontiert: [...]
In einem im Jänner 2012 veröffentlichten Meinungsartikel auf der Website des US-amerikanischen Nachrichtensenders Fox News berichtet Fariba Nawa, eine in den USA ansässige afghanisch-amerikanische Journalistin und Autorin eines Buches zu den Auswirkungen der Opium-Produktion in Afghanistan, über aus dem Iran zurückkehrende afghanische Flüchtlinge. Wie Nawa anführt, würden diese AfghanInnen die Identität Afghanistans ändern und das Land iranischer machen. Diese Änderungen hätten zu Spannungen zwischen AfghanInnen, die das Land nie verlassen hätten, und den afghanischen RückkehrerInnen geführt. Den qualifizierten RückkehrerInnen werde übel genommen, dass sie bessere Jobs bei Hilfsorganisationen und der afghanischen Regierung bekommen würden. Konservative Personen würden die afghanischen Frauen, die im Iran aufgewachsen seien, verachten, da diese liberaler und mutiger erscheinen würden. Wie Nawa weiter anführt, würden Hazara, bei denen es sich historisch betrachtet um die ärmste der Minderheiten in Afghanistan gehandelt habe, reicher, gebildeter und geeint zurückkehren.
Dem Artikel zufolge würden die RückkehrerInnen als ‚Afghan-e badal' oder falsche AfghanInnen bezeichnet. Nur wenige von ihnen hätten politische Verbindungen in den Iran, aber aufgrund ihrer Zeit im Iran seien sie in den Augen der AfghanInnen, die das Land nicht verlassen hätten, kulturell nicht authentisch und politisch verdächtig: [...]
In einer im Jahr 2014 eingereichten Masterarbeit an der University of Ottawa geht Masuma Moravej auf die Situation junger afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehren, ein. Unter anderem basiert die Arbeit auf Angaben von zwölf afghanischen RückkehrerInnen in Kabul (im Alter zwischen 19 und 34, davon sechs Hazara), die sich bereit erklärten, mit der Autorin über ihre Erfahrungen zu sprechen. Wie Moravej anführt, habe es InterviewpartnerInnen gegeben, die sich diskriminiert und geringgeschätzt gefühlt und angegeben hätten, als ‚verwöhnt', ‚Nichtstuer' oder ‚nicht afghanisch' bezeichnet zu werden. Obwohl einige Interviewte der Aussage, es komme zu Diskriminierung, nicht zugestimmt hätten, habe ungefähr die gleiche Anzahl an Interviewten dieser Aussage beigepflichtet.
Ausgrenzung aufgrund des Status eines/r Rückkehrers/Rückkehrerin sei nur eine der negativen Erfahrungen gewesen, die die InterviewpartnerInnen gemacht hätten. Eine weitere sei die Diskriminierung aufgrund persönlicher Merkmale (so wie Ethnie, Religion und Geschlecht) gewesen. Eine(r) der Interviewten habe mitgeteilt, dass man als RückkehrerIn aus dem Iran mit verschiedenen Arten von Diskriminierung und einem gewissen Grad an Stereotypisierung durch die lokale Gemeinschaft (andere AfghanInnen) konfrontiert werde. Deshalb müssten sich RückkehrerInnen mehr anstrengen, um bei der Arbeit oder in anderen Lebensbereichen erfolgreich zu sein.
Drei Interviewte hätten angegeben, dass die BewohnerInnen Kabuls ihnen gegenüber ein unfreundliches Verhalten an den Tag gelegt hätten. Die BewohnerInnen hätten sie als OpportunistInnen und SchwindlerInnen angesehen, die während des Krieges geflüchtet und nun nach Afghanistan zurückgekehrt seien, um von der teilweise stabilisierten Lage im Land zu profitieren. Das Problem der ethnischen Diskriminierung sei von zehn der Interviewten genannt worden. So habe eine der Interviewten (eine Hazara) angegeben, dass sie im Iran wegen ihres Afghanisch-Seins beleidigt worden sei und nun in Kabul wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werde. Wie Moravej anführt, hätten die den Hazara angehörenden Interviewten berichtet, mit einem größeren Ausmaß ethnischer Diskriminierung konfrontiert worden zu sein: [...]
Wie Moravej in der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse anführt, hätten die meisten RückkehrerInnen erklärt, sie würden sich in erster Linie als AfghanInnen betrachten und erst danach als Angehörige einer bestimmten ethnischen Gruppe. Die afghanische Gesellschaft hingegen richte ihr Verhalten gegenüber den RückkehrerInen eher an deren ethnischer Zugehörigkeit aus: [...]
In einer im September 2013 eingereichten Masterarbeit an der japanischen Ritsumeikan Asia Pacific University geht Ahmadi Yaser Mohammad Ali ebenfalls auf die Lage afghanischer RückkehrerInnen aus dem Iran ein. Die nötigen Informationen für die Arbeit wurden unter anderem mittels Interviews mit 17 Haushaltsvorständen (im Alter von 24 bis 70) in zwei Stadtvierteln von Kabul, in denen viele RückkehrerInnen aus dem Iran leben würden, gesammelt. Wie Ali anführt, hätten sich viele der Befragten darüber beschwert, dass die afghanische Gesellschaft eine negative Wahrnehmung von RückkehrerInnen aus dem Iran habe. Allerdings sei dieses Problem vor allem von Flüchtlingen der zweiten Generation angesprochen worden.
Mit Verweis auf den weiter oben bereits zitierten AREU-Bericht von 2009 erläutert Ali, dass Flüchtlinge der zweiten Generation aufgrund der Diskriminierung, mit der sie im Iran konfrontiert gewesen seien, unter großem Druck gestanden hätten, in der Öffentlichkeit iranisches Persisch zu sprechen. Wegen ihres Akzents würden sie bei ihrer Rückkehr leicht als RückkehrerInnen ausgemacht, was zu sozialer Ausgrenzung führen könne. Einem Bericht der Afghanischen Unabhängigen Menschenrechtskommission zufolge seien diese RückkehrerInnen auch mit Diskriminierung und Erniedrigung seitens einiger staatlicher Einrichtungen, darunter auch Bildungseinrichtungen, konfrontiert. In manchen Fällen seien sie aufgrund ihres Akzents und ihrer Kleidung ihrer Rechte beraubt worden.
Wie Ali weiters anführt, habe die afghanische Regierung im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, das die Diskriminierung von RückkehrerInnen verbiete. Trotz dieses Dekrets seien sich alle Befragten einig gewesen, dass RückkehrerInnen aus dem Iran von der Bevölkerung und der Regierung diskriminiert und schikaniert würden. Im Gegensatz dazu sei in der nationalen afghanischen Entwicklungsstrategie der afghanischen Regierung aus dem Jahr 2008 angeführt worden, dass es kein Muster von Diskriminierungen von RückkehrerInnen gegeben habe, auch wenn die Reintegration dieser Personen eine Herausforderung darstelle: [...]
Die International Crisis Group (ICG), eine unabhängige, nicht profitorientierte Nicht-Regierungsorganisation, die mittels Informationen und Analysen gewaltsame Konflikte verhindern und lösen will, schreibt in einem Bericht vom August 2009, dass viele afghanische SunnitInnen, genauso wie Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, Teherans Verbindungen zu einigen ethnischen oder bewaffneten Gruppen, die während des anti-sowjetischen Dschihad im Iran Zuflucht gesucht hätten, misstrauisch gegenüber stehen würden. Obwohl die Unterstützung des Iran für Mudschaheddin-Gruppen in den 1980er-Jahren begrenzt gewesen sei, habe die iranische Regierung im Jahr 1991 bei dem Zusammenschluss von Hazara-Gruppen zu einer einzigen Partei, der Hezb-e Wahdat Islami Afghanistan, geholfen. Die Partei habe sich später der Nordallianz beim Kampf gegen die Taliban angeschlossen. Der vermutete mittels der Hezb-e Wahdat ausgeübte Einfluss Teherans auf die Hazara, die die meisten afghanischen Flüchtlinge im Iran stellen würden, werde deshalb gemeinhin mit Misstrauen betrachtet, auch wenn die Partei im Parlament vertreten sei und die Unterstützungsbasis für die Karzai-Regierung verbreitere. Obwohl der gemeinsame Glaube den Iran und die schiitischen Hazara miteinander verbinde und die Hezb-e Wahdat eine beträchtliche Unterstützung vonseiten der Flüchtlinge im Iran genieße, sei es unwahrscheinlich, dass Teheran sich selbst dazu verpflichte, die Hazara zu verteidigen: [...]
Verhalten der Taliban gegenüber Hazara, die aus dem Iran zurückkehren
Der vom US-amerikanischen Kongress finanzierte Rundfunkveranstalter Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im Februar 2015, dass Bewaffnete zwei Busse mit 30 Hazara an Bord in der Provinz Zabul auf dem Highway zwischen Kandahar und Kabul aufgehalten hätten. Laut Angaben lokaler Behörden hätten die Bewaffneten die männlichen Hazara mitgenommen, während Frauen, Kinder und Personen, die nicht den Hazara angehört hätten, zurückgelassen worden seien. Es werde davon ausgegangen, so RFE/RL weiters, dass es sich bei den BusinsassInnen um afghanische Flüchtlinge gehandelt habe, die aus dem Iran zurückgekehrt seien. Keine Gruppe habe sich zu dieser Massenentführung bekannt: [...]
In einer E-Mail-Auskunft vom 4. Juni 2015 schreibt Liza Schuster vom Institut für Soziologie an der City University London, die gegenwärtig als Gastwissenschaftlerin am Afghanistan Centre der Kabul University (ACKU) tätig ist, dass sie keine Studie kenne, die sich mit dieser konkreten Fragestellung beschäftige. Sie könne lediglich sagen, dass Hazara zur Zielscheibe würden und Hazara, die Zeit im Iran verbracht hätten, aufgrund ihres veränderten Akzents und ihrer Kleidung (vor allem Frauen, die kleinere Kopftücher und kurze Mäntel über enganliegenden Hosen tragen würden) hervorstechen würden. Die 31 Hazara, die vor kurzem in Zabul entführt worden seien, hätten sich auf dem Rückweg aus dem Iran befunden. Es sei allerdings nicht bekannt, ob das Motiv für die Tat die Annahme, die Entführten hätten Geld, ihre ethnische Zugehörigkeit zu den Hazara oder politische Gründe gewesen sei. Sie habe gehört, dass fünf der Entführten getötet und 26 im Austausch für die Freilassung von Taliban-Kämpfern freigelassen worden seien, so Schuster weiter:
[...]
In einer E-Mail-Auskunft vom 5. Juni 2015 schreibt Niamatullah Ibrahimi von der Australian National University, dessen Forschungsschwerpunkt auf politischen und Menschenrechtsthemen in Afghanistan liegt, dass die Behandlung eines Hazara, der aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehre, von den individuellen Umständen abhängen könnte. Im Allgemeinen denke er, dass folgende Punkte berücksichtigt werden müssten:
Zum einen könnten Hazara, die längere Zeit im Iran verbracht hätten oder dort geboren seien, mit beträchtlichen Herausforderungen bei der Wiederansiedelung und Reintegration in Afghanistan konfrontiert sein. Es sei wahrscheinlich, dass die betreffende Person einen iranischen Akzent angenommen und einen städtischen und iranischen Lebensstil entwickelt habe und nur wenig über die sich schnell verändernden sozialen und sicherheitsrelevanten Dynamiken in Afghanistan wisse. Dies könnte die Person einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit und Kontrolle aussetzen, was zu beträchtlichen Herausforderungen in Gebieten, die einem iranischen Einfluss feindlich gegenüberstehen würden, führen könnte.
Zum zweiten seien die Taliban dem Iran traditionell feindlich gesinnt und würden dazu tendieren, die religiösen und kulturellen Verbindungen der Hazara zum Iran mit Misstrauen zu betrachten. Während es einige Fraktionen innerhalb der Taliban gebe, die gemäßigtere Ansichten in Bezug auf den Iran und die Hazara haben könnten oder einem Angriff auf aus dem Iran zurückkehrende Hazara zu diesem Zeitpunkt keine Priorität einräumen würden, würden einige Taliban-Fraktionen gegenüber Hazara, die sie als eng mit dem Iran verbunden wahrnehmen würden, ein extremistischeres und gewalttätigeres Verhalten an den Tag legen: [...]"
1.3.6. Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen die Kritik am Islam äußern,
4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa vom 01.06.2017, a-10159:
"Nach Angaben des US-Nachrichtendiensts Central Intelligence Agency (CIA) seien 99,7 Prozent der Bevölkerung Afghanistans Muslime. Der Anteil der Sunniten liege bei 84,7 bis 89,7 Prozent, während jener der Schiiten bei 10 bis 15 Prozent liege. Nichtmuslimische Gruppen würden 0,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen (CIA, Stand 1. Mai 2017). Laut US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) würden zu den nichtmuslimischen Gruppen vor allem Hindus, Sikhs, Bahá'í und Christen zählen. Bezüglich Zahl der christlichen Gemeinden im Land würden keine verlässlichen Schätzungen vorliegen (USDOS, 10. August 2016, Section 1). Nach Angaben des niederländischen Außenministeriums handle es sich dabei wahrscheinlich um einige Dutzend Personen (BZ, 15. November 2016, S. 65). Laut Angaben der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), eines evangelikalen Netzwerks verschiedener Kirchen und Gemeinschaften in Deutschland, gehe ‚[e]ine optimistische Schätzung [...] davon aus, dass es mehrere Tausend einheimische Christen' im Land gebe (EAD, 9. Juni 2015). Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt unter Berufung auf Berichte afghanischer Flüchtlinge in Europa, dass unter anderem die Zahl der Christen in Afghanistan seit dem Wiedererstarken der Taliban im Jahr 2015 vermutlich erheblich zurückgegangen sei (USCIRF, 26. April 2017).
1) Vom Islam abgefallene Personen (Apostaten)
Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass Apostasie (Arabisch: ridda) in der klassischen Scharia als ‚Weggehen' vom Islam verstanden werde und ein Apostat (Arabisch: murtadd) ein Muslim sei, der den Islam verleugne. Apostasie müsse nicht unbedingt bedeuten, dass sich der Apostat einer neuen Glaubensrichtung anschließe:
[...]
Artikel 2 der Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan vom Jänner 2004 legt die ‚heilige Religion des Islam' als Religion Afghanistans fest. Angehörige anderer Glaubensrichtungen steht es frei, innerhalb der Grenzen des Gesetzes ihren Glauben und ihre religiösen Rituale auszuüben. Gemäß Artikel 3 der Verfassung darf kein Gesetz in Widerspruch zu den Lehren und Vorschriften des Islam stehen. Laut Artikel 7 ist Afghanistan indes verpflichtet, die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, zwischenstaatlicher Vereinbarungen, internationaler Vertragswerke, deren Vertragsstaat Afghanistan ist, sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einzuhalten. Artikel 130 der Verfassung schreibt vor, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Fällen die Bestimmungen der Verfassung und anderer Gesetze zu berücksichtigen haben. Wenn es jedoch zu einem Fall keine Bestimmungen in der Verfassung oder anderen Gesetzen gibt, so haben die Gerichte entsprechend der (sunnitischen) hanafitischen Rechtssprechungstradition innerhalb der Grenzen der Verfassung auf eine Art und Weise zu entscheiden, welche am besten geeignet ist, Gerechtigkeit zu gewährleisten:
[...]
Bezug nehmend auf den soeben zitierten Artikel 130 der afghanischen Verfassung schreibt Landinfo im August 2014, dass dieser Artikel hinsichtlich Apostasie und Blasphemie relevant sei, da Apostasie und Blasphemie weder in der Verfassung noch in anderen Gesetzen behandelt würden. (Landinfo, 26. August 2014, S. 2). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiere keine Definition von Apostasie (Landinfo, 4. September 2013, S. 10; USDOS, 10. August 2016, Section 2). Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt, dass das Strafgesetzbuch den Gerichten ermögliche, Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst seien, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten ‚hudud'-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (USCIRF, 26. April 2017). Die Scharia zähle Apostasie zu den sogenannten ‚hudud'-Vergehen (USDOS, 10. August 2016, Section 2) und sehe für Apostasie wie auch für Blasphemie die Todesstrafe vor (Landinfo, 26. August 2014, S. 2).
Die United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), eine staatliche Einrichtung der USA zur Beobachtung der Situation hinsichtlich der Meinungs- Gewissens- und Glaubensfreiheit im Ausland, schreibt in ihrem Jahresbericht vom April 2017, dass staatlich sanktionierte religiöse Führer sowie das Justizsystem dazu ermächtigt seien, islamische Prinzipien und das Scharia-Recht (gemäß Hanafi-Rechtslehre) auszulegen. Dies führe zuweilen zu willkürlichen und missbräuchlichen Auslegungen und zur Verhängung schwerer Strafen, darunter der Todesstrafe (USCIRF, 26. April 2017).
Die Internationale Humanistische und Ethische Union (International Humanist and Ethical Union, IHEU), ein Zusammenschluss von über 100 nichtreligiösen humanistischen und säkularen Organisationen in mehr als 40 Ländern, bemerkt in ihrem im November 2016 veröffentlichten ‚Freedom of Thought Report 2016', dass sich die Gerichte bei ihren Entscheidungen weiterhin auf Auslegungen des islamischen Rechts nach der Hanafi-Rechtslehre stützen würden. Das Office of Fatwa and Accounts innerhalb des Obersten Gerichtshofs Afghanistans würde die Hanafi-Rechtsprechung auslegen, wenn ein Richter Hilfe dabei benötige, zu verstehen, wie die Rechtsprechung umzusetzen sei:
[...]
Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützige Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, die Analysen zu politischen Themen in Afghanistan und der umliegenden Region erstellt, bemerkte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) Folgendes bezüglich der Rechtspraxis:
‚Zwar gibt es drei parallele Rechtssysteme (staatliches Recht, traditionelles Recht und islamisches Recht/Scharia), doch letztendlich ziehen sich viele Richter, wenn die Lage irgendwie politisch heikel wird, auf das zurück, was sie selber als Scharia ansehen, statt sich etwa auf die Verfassung zu berufen. Die Scharia ist nicht gänzlich kodifiziert, obwohl verschiedenste Rechtskommentare etc. existieren, und zudem gibt es zahlreiche Widersprüche in den Lehrmeinungen.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)
Michael Daxner, Sozialwissenschaftler, der das Teilprojekt C9 ‚Sicherheit und Entwicklung in Nordost-Afghanistan' des Sonderforschungsbereichs 700 der Freien Universität Berlin leitet, bemerkte beim selben Expertengespräch vom Mai bezüglich der Auslegung des islamischen Rechts und islamischer Prinzipien:
‚Sehr oft stammen die liberalsten Auslegungen von Personen, die etwa an einer Einrichtung wie der Al-Azhar in Kairo studiert haben und daher mit den Rechtskommentaren vertraut sind. Man kann sich indes kaum vorstellen, wie wenig theologisch und religionswissenschaftlich versiert die Geistlichen auf den unteren Ebenen sind. Wenn ein Rechtsgelehrter anwesend ist, der etwa von der Al-Azhar kommt, kann er die Sache auch ein Stück weit zugunsten des Beschuldigten drehen, denn je mehr glaubwürdige Kommentare dem Scharia-Text zugefügt werden, desto besser sieht es für die Betroffenen aus.' (ACCORD, Juni 2016, S. 10)
Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) geht in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender wie folgt auf die strafrechtlichen Konsequenzen von Apostasie bzw. Konversion vom Islam ein:
‚Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten ‚ungeheuerlichen Straftaten', die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen.
Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist.'
(UNHCR, 19. April 2016, S. 61)
Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem im August 2016 veröffentlichten Länderbericht zur internationalen Religionsfreiheit (Berichtsjahr 2015), dass laut Hanafi-Rechtlehre Männer bei Apostasie mit Enthauptung und Frauen mit lebenslanger Haft zu bestrafen seien, sofern die Betroffenen keine Reue zeigen würden. Richter könnten zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestünden. Laut der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte würde der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion Apostasie darstellen. In diesem Fall habe die betroffene Person drei Tage Zeit, um die Konversion zu widerrufen. Widerruft sie nicht, so habe sie die für Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Die genannten Entscheidungsempfehlungen würden in Bezug auf Personen gelten, die geistig gesund und vom Alter her ‚reif' seien. Dieses Alter werde im Zivilrecht mit 18 Jahren (bei Männern) bzw. 16 Jahren (bei Frauen) festgelegt. Gemäß islamischem Recht erreiche eine Person dieses Alter, sobald sie Anzeichen von Pubertät zeige:
[...]
Auch der Bericht von Landinfo vom September 2013 behandelt unter Berufung auf verschiedene Quellen die rechtlichen Folgen von Apostasie. Das Strafrecht sehe gemäß Scharia die Todesstrafe für erwachsene zurechnungsfähige Männer vor, die den Islam freiwillig verlassen hätten. Diese Rechtsauffassung gelte sowohl für die schiitisch-dschafaritische als auch für die (in Afghanistan dominierende) sunnitisch-hanafitische Rechtsschule. Nach einer Einschätzung in einer Entscheidung des britischen Asylum and Immigration Tribunal aus dem Jahr 2008 sei das Justizwesen in Afghanistan mehrheitlich mit islamischen Richtern besetzt, die den Doktrinen der hanafitischen bzw. dschafaritischen Rechtssprechung folgen würden, welche die Hinrichtung von muslimischen Konvertiten empfehlen würden. Die Strafen für Frauen im Falle von Apostasie seien indes weniger schwer: sie würden ‚gefangen gehalten'. Die sunnitischhanafitische Rechtslehre sehe dabei eine mildere Bestrafung vor als die schiitischdschafaritische. Während letztere vorsehe, dass (weibliche) Apostatinnen täglich jeweils zu den Gebetszeiten ausgepeitscht würden, sehe die hanafitische Lehre vor, dass sie jeden dritten Tag geschlagen würden, um sie zu zur Rückkehr zum Islam zu bewegen. Neben Frauen seien auch Kinder, androgyne Personen und nichtgebürtige Muslime im Fall von Apostasie von der Todesstrafe ausgenommen. Bezüglich der Anwendung der Scharia und der strafrechtlichen Konsequenzen für Apostasie liege kein Erfahrungsmaterial speziell zu Afghanistan vor. Zugleich sei Landinfo der Auffassung, es gebe Grund zur Annahme, dass etwaige gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich unterschiedlich ausgefallen seien, jedoch den soeben beschriebenen Richtlinien entsprechen würden, wobei die Variationen eventuell weniger ausgeprägt sein könnten. Dies gelte auch für die zivilrechtlichen Folgen von Apostasie. Wie Landinfo bemerkt, könne in Afghanistan gemäß Verfassung und religiösen Rechtsmeinungen die Todesstrafe verhängt werden, wenn ein Fall von Konversion vor Gericht komme. Dies gelte sowohl für das staatliche als auch für das traditionelle Rechtssystem:
[...]
Dem USDOS zufolge seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt (USDOS, 10. August 2016, Section 2).
UNHCR schreibt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender Folgendes über zivilrechtliche und gesellschaftliche Folgen einer (vermeintlichen) Apostasie bzw. Konversion:
‚Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren.
Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können Berichten zufolge selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. [...]
Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).' (UNHCR, 19. April 2016, S. 61-62)
Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen sei mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen seien:
[...]
Die IHEU bemerkt in ihrem Bericht vom November 2016, dass nur sehr wenige Fälle von ‚Ungläubigen' bzw. Apostaten verzeichnet würden, was wahrscheinlich jedoch bedeute, dass viele Konvertiten und Andersgläubige zu viel Angst davor hätten, ihren Glauben öffentlich kundzutun. Der Übertritt vom Islam werde selbst von vielen Personen, die sich allgemein zu demokratischen Werten bekennen würden, als Tabu angesehen. (IHEU, 1. November 2016)
Laut einem Artikel von BBC News vom Jänner 2014 stelle Konversion bzw. Apostasie in Afghanistan nach islamischem Recht eine Straftat dar, die mit der Todesstrafe bedroht sei. In manchen Fällen würden die Leute jedoch die Sache selbst in die Hand nehmen und einen Apostaten zu Tode prügeln, ohne dass die Angelegenheit vor Gericht gelange:
[...]
Weiters bemerkt BBC News, dass für gebürtige Muslime ein Leben in der afghanischen Gesellschaft eventuell möglich sei, ohne dass sie den Islam praktizieren würden oder sogar dann, wenn sie ‚Apostaten' bzw. ‚Konvertiten' würden. Solche Personen seien in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren würden. Gefährlich werde es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben. Es gebe kein Mitleid mit Muslimen, die ‚Verrat an ihrem Glauben' geübt hätten, indem sie zu einer anderen Religion konvertiert seien oder aufgehört hätten, an den einen Gott und an den Propheten Mohammed zu glauben. In den meisten Fällen werde ein Apostat von seiner Familie verstoßen:
[...]
3) Personen, die Kritik am Islam äußern
UNHCR geht in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender wie folgt auf die Rechtlage in Bezug auf Blasphemie ein:
‚Das afghanische Gesetzesrecht enthält keine Bestimmungen zu Blasphemie und demzufolge behandeln die afghanischen Gerichte Blasphemie nach islamischem Recht. Gemäß der Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte stellt Blasphemie ein Kapitalverbrechen dar. Geistig zurechnungsfähige Männer über 18 Jahren und Frauen über 16 Jahren, die der Blasphemie bezichtigt werden, kann daher die Todesstrafe drohen. Wie auch bei Apostasie haben die Beschuldigten drei Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen." (UNHCR, 19. April 2016, S. 62)
Wie das USDOS in seinem Jahresbericht zur Religionsfreiheit vom August 2017 (Berichtszeitraum: 2015) bemerkt, sei Blasphemie, zu welcher auch islamfeindliche Publikationen und Reden zählen würden, gemäß den islamisch rechtlichen Auslegungen der Gerichte ein Kapitalverbrechen. Ähnlich wie bei Apostasie würden die Gerichte in Fällen von Blasphemie den Betroffenen drei Tage Zeit geben, um ihre Tat zu widerrufen. Andernfalls drohe die Hinrichtung: [...]
Artikel 45 Absatz 1 des afghanischen Gesetzes zu Massenmedien von 2009 (in englischer Übersetzung) verbietet unter anderem das Produzieren, Reproduzieren, den Druck und die Veröffentlichung von Berichten und Materialien durch die Massenmedien bzw. sonstige Agenturen, die den Prinzipien der heiligen Religion des Islam zuwiderlaufen. Weiters verbietet Absatz 6 desselben Artikels das Publizieren und Verbreiten (Propagieren) anderer Religionen als der heiligen Religion des Islam durch die Massenmedien bzw. sonstige Agenturen (Gesetz zu Massenmedien, 2009, Artikel 45, Absatz 1 und 6).
UNHCR erwähnt in seinen Richtlinien vom April 2016, dass das Strafgesetzbuch Bestimmungen zu ‚Straftaten gegen Religionen' enthalte:
‚Das Strafgesetzbuch enthält Bestimmungen für ‚Straftaten gegen Religionen', denen zufolge Personen, die Angehörige einer jeglichen Religion angreifen, zu einer kurzen Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten und einer Geldbuße verurteilt werden sollen.' (UNHCR, 19. April 2016, S. 58)
Das USDOS führt hierzu aus, dass das Strafgesetzbuch für ‚Straftaten gegen Religionen' (darunter verbale und physische Angriffe auf Anhänger einer Religion) eine Gefängnisstrafe von nicht weniger als drei Monaten sowie eine Geldstrafe von 3.000 und 12.000 Afghani (ca. 39 bis 157 Euro, Anm. ACCORD) vorsehe.
Das Strafgesetzbuch sieht laut USDOS weiters vor, dass Personen, die gewaltsam die Abhaltung von Ritualen irgendeiner Religion verhindern oder ‚zugelassene Gebetsstätten', an denen religiöse Rituale abgehalten werden, zerstören oder beschädigen oder irgendein Zeichen oder Symbol einer Religion zerstören oder beschädigen, mit einer Strafe ‚mittlerer Länge' zu bestrafen seien. Eine Strafe ‚mittlerer Länge' werde als mindestens einjährige und maximal fünfjährige Gefängnisstrafe und/oder Geldstrafe in Höhe von 12.000 bis 60.000 Afghani (ca. 157 bis 786 Euro, Anm. ACCORD) definiert: [...]
Der Gesetzestext der Bestimmungen zu ‚Straftaten gegen Religionen' findet sich im Kapitel 18 (Artikel 347 und 348) des afghanischen Strafgesetzbuchs von 1976, das in englischer Übersetzung unter folgendem Link zugänglich ist: [...]
Laut USDOS seien aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Blasphemie bekannt, allerdings gebe es eine im Jahr 2013 wegen Blasphemie verurteilte Person, die nach wie vor eine 20-jährige Gefängnisstrafe verbüße. Obwohl es im Berichtsjahr keine Berichte über Strafverfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie gegeben habe, hätten Personen, die vom Islam konvertiert seien, angegeben, sie hätten Angst vor möglichen Konsequenzen ihres Glaubensübertritts. (USDOS, 10. August 2016, Section 2)
Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) beschreibt in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016) den Fall eines afghanischen Journalisten, der wegen Blasphemie verurteilt worden sei:
‚Wir hatten einen Fall, bei dem es noch nicht einmal um Konversion ging, sondern nur um Blasphemie. Ein junger afghanischer Journalist, der es gewagt hatte, schiitische Rechtsauslegungen zu Frauenrechten auszudrucken, zu vervielfältigen und unter Studenten zu verteilen, wurde zuerst zum Tode, später zu 30 Jahren Haft verurteilt, bevor er schließlich über diplomatische Bemühungen aus Afghanistan herausgeholt wurde. Wenn es da schon so schwierig wird, dann wird die Sache bei einem aus islamischer Sicht (bzw. aus Sicht mancher Muslime), noch problematischeren Fall einer Konversion noch schwieriger." (ACCORD, Juni 2016, S. 10)
Die IHEU erwähnt in ihrem Bericht vom November 2016, dass es selbst aus Sicht vieler Afghanen, die sich allgemein zu demokratischen Werten bekennen würden, ein Tabu darstelle, den Islam zu kritisieren. Atheisten und Freidenkende seien daher gezwungen, ihre Überzeugungen zu verbergen, und könnten ihre Gedanken lediglich anonym über soziale Medien ausdrücken. Personen, denen Blasphemie oder Beleidigung der Religion vorgeworfen werde, könnten zum Ziel gewaltsamer Übergriffe werden: [...]
Landinfo schreibt in einer Anfragebeantwortung vom August 2014 unter Berufung auf eine im Oktober 2013 in Kabul interviewte Quelle, dass Personen, die im öffentlichen Raum die Existenz Allahs oder des Propheten direkt oder indirekt negieren oder mangelnden Respekt gegenüber dem Koran zeigen würden, als Ungläubige angesehen und zum Ziel von Angriffen werden könnten. Zu Reaktionen könne es auch kommen, wenn ein Mullah erkläre, dass eine Person durch ihre Ansichten die Gesellschaft verderbe.
Ein Autor, der mit Freidenker-Kreisen in Afghanistan vertraut sei, habe angegeben, dass ein kritischer Freidenker in Bezug auf das, was er veröffentliche oder öffentlich verlautbare, Klugheit walten lassen müsse. Es gebe starke konservative religiöse Kräfte und Strömungen in der Gesellschaft, welche die Bevölkerung beeinflussen würden. Einige davon würden einen zentralen Platz in der öffentlichen Debatte einnehmen und seien genauso konservativ wie die Taliban.
Die relativ geringe Zahl an Gerichtsprozessen in Zusammenhang mit Apostasie und Blasphemie seit 2004 zeige vermutlich, dass für die Mehrheit der Bevölkerung keine Möglichkeit bestehe, kritische Fragen zum Islam zu stellen. Personen aus liberalen bzw. intellektuellen Kreisen, welche die grundlegenden Prinzipien der Religion und deren Rolle in der Gesellschaft diskutieren wollten, müssten ein beträchtliches Maß an Selbstzensur üben in Bezug darauf, was sie im öffentlichen Raum sagen könnten.
Ein Vertreter einer Menschenrechtsorganisation in Kabul habe Landinfo im Oktober 2013 mitgeteilt, dass in der afghanischen Gesellschaft wenig Toleranz gegenüber Kritik und religiösen Glaubensvorstellungen bestehe, die dem Islam zuwiderlaufen würden. Der Quelle zufolge hänge das Risiko von Angriffen davon ab, inwieweit die Ansichten bzw. Kritik öffentlich bekannt würden. In der Bevölkerung bestehe eine starke Intoleranz gegenüber Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert seien. Für Atheisten und Nichtgläubige gestalte sich die Situation anders. Anders als bei Konvertiten, die durch religiöse Praktiken ihre Zugehörigkeit zu einer anderen Religion zum Ausdruck bringen würden, sei es schwieriger, einen Nichtgläubigen als solchen zu identifizieren. Laut Einschätzung der Quelle würde ein Atheist bzw. Nichtgläubiger nicht zum Ziel von Angriffen, solange er im öffentlichen Raum keine Respektlosigkeit gegenüber dem Islam zeige.
Ein Autor, der mit Freidenker-Kreisen im Land vertraut sei, habe erklärt, er kenne mehrere Personen, die tagtäglich Selbstzensur praktizieren würden. Würden diese Personen ihre wahren Meinungen und Werte öffentlich zum Ausdruck bringen, würden sie von den Behörden verhaftet. So müssten sie sowohl in Bezug auf schriftliche als auch mündliche Äußerungen Selbstzensur üben.
Wo die Grenzen dessen liegen würden, was man öffentlich ausdrücken könne, variiere sowohl in geografischer als auch gesellschaftlicher Hinsicht. Zwischen Städten und dem ländlichen Raum würden große Unterschiede bestehen. In liberaleren Milieus (in den Städten) gebe es eine größere Toleranz gegenüber Diskussionen, auch zu religiösen Themen. Diskussionen, in denen religiöse Tabus verletzt würden, würden starken Widerspruch hervorrufen. Eine Quelle habe jedoch angeführt, dass derartiger Widerspruch nicht unbedingt in Angriffe münden müsse.
Ein Vertreter einer Medienorganisation habe angegeben, dass soziale Netzwerke (Engl.: ‚social media') einen Bereich bilden würden, in dem Atheisten und Nichtgläubige ihre Meinungen äußern könnten. Der Quelle seien Afghanen bekannt, die in Facebook-Gruppen für Atheisten aktiv seien, sei sich jedoch nicht sicher, ob sich die betreffenden Personen in Afghanistan oder im Ausland befänden. Die in sozialen Netzwerken gewährte Anonymität könne wahrscheinlich die Schwelle zur Äußerung umstrittener Inhalte senken: [...]
Die österreichische Tageszeitung Der Standard berichtet über den Lynchmord an einer 27-jährigen Afghanin in Kabul im März 2015, welcher fälschlicherweise vorgeworfen worden sei, den Koran verbrannt zu haben:
‚Wegen des Lynchmords an einer jungen Frau wegen angeblicher Blasphemie in Kabul hat ein afghanisches Gericht vier Männer zum Tode verurteilt. Richter Safiullah Mujadidi verkündete am Mittwoch nach dreitägiger Verhandlung, die Verurteilten sollten gehängt werden. Das Schnellverfahren stieß aber bei Angehörigen der Frau und Menschenrechtsorganisationen auf Kritik. Acht weitere Angeklagte wurden jeweils zu 16 Jahren Haft verurteilt, 18 Verdächtige wurden freigesprochen. Die Vorwürfe reichten von Ermunterung zu einer Straftat bis hin zu Mord. Gegen 19 Polizisten, denen unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird, will das Gericht am Sonntag ein Urteil fällen. [...]
Die 27-jährige Farkhunda war am 19. März [2015] nahe einer Moschee in Afghanistans Hauptstadt von einer großen Menschenmenge zu Tode geprügelt worden. Ihre Leiche wurde anschließend in Brand gesteckt und in einen Fluss geworfen. Zuvor hatte ein Amulettverkäufer der Frau, einer Absolventin der Islamwissenschaften, fälschlicherweise vorgeworfen, den Koran verbrannt zu haben. Die Familie der 27-Jährigen widersprach der Darstellung. Nach Angaben der afghanischen Polizei und der Vereinten Nationen war sie vor ihrer Ermordung vier Jahre psychiatrisch behandelt worden. Vor der Moschee hatte sich die junge Frau mit Mullahs über den Verkauf von Glücksamuletten gestritten. Der Lynchmord fand am helllichten Tag vor den Augen der Polizei statt. Mehrere Polizisten sollen nicht eingegriffen haben. Insgesamt wurden 49 Menschen festgenommen, darunter 19 Polizisten. Die Urteile gegen die Polizisten wegen ‚Pflichtverletzung' sollen am Sonntag fallen. [...]
Ein Bruder des Opfers kritisierte das Urteil am Mittwoch. An dem Mord seien dutzende Menschen beteiligt gewesen, ‚aber das Gericht hat nur vier zum Tod verurteilt', sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Es müssten ‚mehr Täter' zur Rechenschaft gezogen werden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigte sich angesichts der kurzen Prozessdauer ‚sehr besorgt'. Einige der Angeklagten hätten offensichtlich keine Verteidiger an ihrer Seite gehabt, bemängelte sie. Richter Mujadidi gab an, bei den Urteilen müsse es sich nicht um eine ‚endgültige Entscheidung' handeln. ‚Sie haben das Recht zur Berufung', sagte er mit Blick auf die Verurteilten.' (Der Standard, 6. Mai 2015)
Im Juli 2015 schreibt der deutsche Auslandsrundfunk Deutsche Welle (DW) bezüglich desselben Falles:
‚Die vier Männer haben im vergangenen März eine Frau gefoltert und ermordet. Doch nun zog ein afghanisches Berufungsgericht die Todesstrafe gegen sie zurück. Drei der für den Mord an Farkhunda Malikzada angeklagten Täter verurteilte das Gericht zu 20 Jahren Haft, den vierten Mann zu 10 Jahren, teilte der oberste Richter des Kabuler Berufungsgerichts, Abdul Nasir Murid, mit. Der Prozess fand hinter verschlossenen Türen statt." (DW, 2. Juli 2015)
Über den soeben beschriebenen Fall berichten weiters unter anderem folgende Medienartikel: [...]
Die britische Tageszeitung Guardian berichtet im Oktober 2014 über Proteste in mehreren Städten Afghanistans, die ausgebrochen seien, nachdem ein Kolumnist der Zeitung Afghanistan Express in einem Artikel den Islamischen Staat und die Taliban kritisiert habe und geäußert habe, dass Menschen wichtiger seien als Gott. Die Protestierenden hätten den Artikel als blasphemisch verurteilt, und mehrere von ihnen hätten von der Regierung die Hinrichtung der Mitarbeiter der Zeitung gefordert: [...]
Christian Today, eine christliche Nachrichtenwebsite mit Sitz in Großbritannien, berichtet in einem älteren Artikel vom April 2011, dass Shoaib Assadullah, ein afghanischer christlicher Konvertit, der wegen seiner Konversion fünf Monate lang inhaftiert gewesen sei und dem die Hinrichtung gedroht habe, Ende März 2011 freigelassen worden sei und das Land verlassen habe. Er sei im Oktober 2010 verhaftet worden, nachdem er einem Mann eine Bibel ausgehändigt habe, der ihn dann bei den örtlichen Behörden denunziert habe: [...]
In einem Artikel vom Februar 2011 berichtet Christian Today über die Freilassung eines afghanischen christlichen Konvertiten namens Said Musa, der während seiner Haft körperlich und sexuell misshandelt worden sei: [...]
Das Institute for War and Peace Reporting (IWPR), ein in London ansässiges internationales Netzwerk zur Förderung freier Medien, schreibt in einem Artikel vom Februar 2009, dass sich der afghanische Journalist Ghaws Zalmai seit November 2007 in Haft befinde. Er sei zu einer 20-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, nachdem er eine volkssprachliche Version des Koran veröffentlich habe, welche von den islamischen Rechtsgelehrten (Ulema) als unrichtig eingestuft worden sei: [...]
BBC News berichtet im Oktober 2008, dass ein Afghane namens Sayed Pervez Kambaksh zum zunächst zum Tode verteilt worden sei, nachdem er Berichten zufolge aus dem Internet Informationen über Frauenrechte im Islam heruntergeladen habe. Ein Berufungsgericht in Kabul habe das Strafmaß reduziert: [...]
4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten
Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) erläuterte in einem Expertengespräch vom Mai 2016 (veröffentlicht im Juni 2016):
‚Obwohl es sicher einzelne Personen gibt, die zum Atheismus tendieren, besucht selbst der stärkste Säkularist trotz allem hin und wieder die Moschee und nimmt an bestimmten Handlungen nach altem islamischen Brauch teil. So sind Dinge, von denen man gemeinhin annimmt, dass man sie nur tun könne, wenn man vom Islam abfällt (wie z. B. Bier trinken) weiter verbreitet, als man denkt: Man kann Bier trinken und dennoch Moslem sein. Aber Atheismus als Bewegung gibt es in Afghanistan eher nicht. [...]
Einfach schon zur Tarnung nimmt man weiter an traditionellen religiösen Handlungen teil. Ein Glaubensübertritt lässt sich recht gut verheimlichen, da es ohnehin viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. D.h. wenn jemand nicht in die Moschee geht, kommt er nicht automatisch dadurch in den Verdacht, etwa zum Christentum übergetreten zu sein. Und zu besonderen Anlässen wie Begräbnissen und Hochzeiten geht ohnehin jeder in die Moschee. Derlei Dinge haben dann nicht mehr unbedingt religiösen Charakter. Dies macht es leichter, einen Übertritt geheim zu halten. Doch wenn ein Glaubensübertritt bekannt wird, habe ich keinen Fall gesehen, bei dem dieser toleriert wurde. Die größten Probleme, die auftreten, sind dann häufig solche mit der Familie bzw. Personen in der Nachbarschaft.' (ACCORD, Juni 2016, S. 9)
Der Sozialwissenschaftler Michael Daxner erklärte im Expertengespräch vom Mai 2016:
‚Es gab schon immer auch eine säkulare Tradition, wenn auch stets in beschränktem Umfang. Sie wird in der Regel toleriert, solange man bestimmte islamische religiöse Handlungen mitmacht und nicht agitiert. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. So ist ein Bekannter von mir, mit dem ich 2003-2005 an hoher staatlicher Position zusammengearbeitet habe, schlichtweg wegen Säkularismus enthoben worden [...].' (ACCORD, Juni 2016, S. 9)
Wie Landinfo in einer Anfragebeantwortung vom August 2014 bemerkt, werde eine Person nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnehme. Auch für strenggläubige Muslime könne es legitime Gründe geben, religiösen Zeremonien fernzubleiben. Ein Vertreter einer örtlichen Menschenrechtsorganisation habe erklärt, dass es Personen im städtischen Raum möglich sei, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Es gebe geografisch bedingte Unterschiede, und solche abweichenden Verhaltensweisen würden im städtischen Raum und in gebildeten Milieus eher toleriert als im ländlichen Raum.
Derselben Quelle zufolge könne es auch Unterschiede je nach ethnischer und religiöser Gruppe geben. So hätten Schiiten mehr Freiheit zu entscheiden, zu welchem Mullah sie gehen möchten und damit auch in Bezug auf die Frage, ob sie in die Moschee gehen wollen und gegebenenfalls in welche Moschee. Bei Sunniten werde in stärkerem Ausmaß erwartet, dass sie zumindest eines der fünf Gebete am Tag in einer Moschee verrichten. Nach Angaben der Quelle sei es zudem in der paschtunischen Kultur üblich, seiner religiösen Zugehörigkeit durch kulturelle Praktiken (Handlungen im Alltag) Ausdruck zu verleihen. Folglich sei es schwieriger, abweichende Haltungen zu verschleiern, und es bestehe eine geringere Toleranz für divergierende Handlungen. Andere Quellen hätten bestätigt, dass es Raum dafür gebe, auf Befolgung religiöser Rituale und Vorschriften zu verzichten, ohne dass dies notwendigerweise Aufmerksamkeit errege. In Gemeinden, wo Abweichungen von religiösen Ritualen und Vorschriften keine Akzeptanz fänden, würden Personen mit abweichenden religiösen Ansichten die Rituale befolgen, um keinen Verdacht zu erregen: [...]
5) Rückkehrer aus Europa
In einem im Mai 2016 abgehaltenen und im Juni 2016 veröffentlichten Expertengespräch ging Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) wie folgt auf die Lage von Rückkehrenden aus dem westlichen Ausland ein:
‚Ein Aufenthalt im westlichen Ausland wirkt in den Augen vieler Leute kontaminierend und zudem ist Afghanistan im Laufe der Konflikte konservativer, orthodoxer und fundamentalistischer geworden. Da Intervention, Modernisierung und Finanzhilfen durch das Ausland keine Verbesserung der Lage bewirkt haben, ist auch das Misstrauen gegenüber dem Ausland insgesamt gewachsen. Die Leute bekommen ja inzwischen auch viel über soziale Netzwerke, Fernsehen oder Radio mit. So habe ich Leute in Afghanistan getroffen, die mich etwa gefragt haben: ‚Stimmt es, dass da Muslime zum Christentum übertreten?' Wenn dann jemand aus dem Westen zurückkommt, wird die Person genauer unter die Lupe genommen und das kann dann schon dazu führen, dass Verdachtsmomente auftauchen. Aber ich denke, dass die Auslöser für Anschuldigungen wahrscheinlich doch etwas konkreter sind, d.h. die betreffende Person verplappert sich bzw. sagt einmal etwas Falsches in Diskussionen (die durchaus hitzig geführt werden), oder es wird eine entsprechende religiöse Handlung beobachtet, zumal sich die Christen auch (in kleineren Gruppen) in bestimmten Räumen treffen, um ihre Gottesdienste abzuhalten bzw. zu beten. Es kann sein, dass diese überwacht werden und auch der Geheimdienst (der ja auch nicht völlig unpolitisch ist) Derartiges mitbekommt. Dies wären in etwa Anlässe, bei denen dann jemand wegen Glaubensübertritts in Verdacht geraten könnte.' (ACCORD, Juni 2016, S. 11)
Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Fall von Farkhunda Malikzada thematisiert Frederike Stahlmann, Doktorandin am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle (Deutschland) mit Forschungsschwerpunkt auf Recht und Religion in Afghanistan, in einem Artikel vom März 2017 die Lage von Rückkehrenden aus dem Ausland:
‚Das Beispiel weist zugleich auf das besondere Risiko für Rückkehrende hin, als ‚verwestlicht' angesehen zu werden und somit dem Vorwurf der Kollaboration mit dem Feind oder des Abfalls vom Glauben ausgesetzt zu werden. Auch hier besteht eine tödliche Gefahr nicht nur von Seiten der Taliban, sondern auch durch die Gesellschaft im Allgemeinen.' (Stahlmann, März 2017, S. 83)
Auf verschiedene Aspekte betreffend die Lage von Rückkehrenden nach Afghanistan wird auch in einem Artikel von Adam Naber, derzeit Mitarbeiter beim deutschen Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, eingegangen: [...]
Liza Schuster, Migrationsforscherin und Dozentin für Soziologie an der City University in London mit mehrjähriger Forschungserfahrung in Afghanistan, und Nassim Majidi, eine unter anderem auf Rückkehrmigration spezialisierte Sozialwissenschaftlerin und Mitarbeiterin in der unter anderem auf sozioökonomische Analysen zu Afghanistan spezialisierten Denkfabrik Samuel Hall, verfassten 2013 einen gemeinsamen wissenschaftlichen Artikel zum Thema Rückkehr. Den Autorinnen zufolge sei die Rolle von Schamgefühlen nicht zu unterschätzen, zumal diese weiteren Druck auf Rückkehrer ausüben würden, erneut das Land zu verlassen. So hätten junge afghanische Männer in Paris, die nach ihrer Abschiebung erneut emigriert seien, erklärt, dass ihre Familien kein Verständnis für die leidvollen Erfahrungen und Schwierigkeiten gehabt hätten, mit denen sie auf der Reise bzw. während ihres Aufenthalts in Europa konfrontiert gewesen seien. Es sei sehr schwierig gewesen, ihren Familien die Bürokratie in Europa zu erklären, oder die Tatsache, dass sie abgeschoben worden seien, ohne dass sie sich einer Straftat schuldig gemacht hätten. Außerdem würden sie mit Söhnen aus anderen Familien verglichen, die ihren Familien regelmäßig Geld oder Güter aus dem Ausland schicken würden.
Eine Fokusgruppe junger Männer, die aus Großbritannien nach Kabul zurückgeschoben worden seien, habe angegeben, dass man mit dem Finger auf sie zeige und sie als ‚Abgeschobene' bezeichne. In einem Land wie Afghanistan, wo die Nachbarn alles über einen wissen würden, sei es sehr schwierig, die Tatsache einer Abschiebung geheim zu halten. Mitglieder in der örtlichen Gemeinde seien manchmal der Ansicht, das Leben im Westen habe die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen ‚kontaminiert', die in jungem Alter das Land verlassen und nach Großbritannien gegangen seien und dann - sichtbar oder unsichtbar - kulturell verändert (mit anderer Kleidung, anderen Verhaltensweisen und anderem Akzent) zurückgekommen seien. Es werde davon ausgegangen, dass sich das Leben in Großbritannien negativ auf ihre Entwicklung ausgewirkt habe. So habe ein in den Jahren 2009 und 2011 interviewter junger Mann aus dem Distrikt Paghman der Provinz Kabul angegeben, dass seine Rückkehr aus Großbritannien zu Hause zu Konflikten wegen seiner veränderten Sichtweisen geführt habe. Seine Angehörigen würden ihm unter anderem vorwerfen, er habe seine Kultur verloren und sei ein ‚kafir' (‚Ungläubiger', Anm. ACCORD) geworden. Ein anderer Afghane sei nach seiner Abschiebung in dasselbe Dorf getötet worden. Der Interviewpartner habe sein Heimatdorf verlassen, da er sich nicht sicher gefühlt habe, und habe nun weder Arbeit, stabiles Einkommen, Fertigkeiten, eine Zukunftsperspektive, noch könne er auf familiäre Unterstützung zählen:
[...]"
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie im Iran und zu seiner Ausreise:
Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Auf Grund seiner übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht konnte das oben genannte Datum als Geburtsdatum des Beschwerdeführers festgestellt werden.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zu der Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen, seinen sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Afghanistan, der wirtschaftlichen Situation seiner Familie, seiner Einreise nach Österreich und seiner Muttersprache waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass die Familie des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in der Lage wäre, diesen finanziell zu unterstützen, gründet sich auf die glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers zu den Berufen und der Einkommenssituation seiner Familienangehörigen in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründet sich auf seine glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung. Zweifel an der grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sind während des gesamten Verfahrens nicht aufgetaucht.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. In Bezug auf seine Eigenschaft als Hazara vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung nicht aufzuzeigen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht waren vorwiegend abstrakt gehalten und nicht hinreichend substantiiert (siehe insbesondere Seite 8 des Verhandlungsprotokolls: "RI: Schildern Sie bitte möglichst ausführlich Ihre Fluchtgründe. Bitte beachten Sie, dass bei der Gewährung von Asyl eine Prüfung nur im Hinblick auf den Herkunftsstaat erfolgt. BF: Ich war sehr klein, als meine Eltern mit mir für ca. ein Jahr nach Afghanistan gegangen sind. Die Gründe, weshalb meine Eltern Afghanistan abermals verlassen mussten, waren, dass sie als Hazara in Afghanistan nicht überleben konnten. Ich persönlich war nie in Afghanistan. Ich bin im Iran aufgewachsen und kann deshalb nicht nach Afghanistan zurückgehen."). Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan lässt sich keine drohende konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung ableiten.
Hinsichtlich einer behaupteten Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2.2.2. Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eine ihm drohende Gefährdung als Rückkehrer aus dem Iran bzw. aus Europa vorbringt, so vermag er auch damit keine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung aufzuzeigen. Sein diesbezügliches Vorbringen ist weitgehend abstrakt und bezüglich einer individuellen und konkreten Verfolgung als "Rückkehrer" nicht hinreichend substantiiert (vgl. insbesondere Seite 8 des Verhandlungsprotokolls: "BF: Ich würde in erster Linie von meiner eigenen Volksgruppe, nämlich den Hazara, diskriminiert werden, mit dem Vorwurf, dass ich im Iran aufgewachsen und daher Iraner sei. Diese Leute würden mit mir keinen Kontakt haben wollen. Auch andere Volksgruppen akzeptieren mich in Afghanistan nicht, einerseits, weil ich Hazara bin, andererseits, weil ich im Iran aufgewachsen bin. Auch sie würden mich als Iraner bezeichnen. Ich habe in Afghanistan keine Familienangehörigen und würde von niemandem Unterstützung bekommen, wenn ich zurückkehre. Auch der afghanische Staat ist nicht in der Lage, mich zu unterstützen oder zumindest für meine Sicherheit zu sorgen. Es ist daher sehr gefährlich für mich, nach Afghanistan zu gehen."). Es ist dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, eine diesbezügliche individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen.
Hinsichtlich einer behaupteten Gruppenverfolgung der "Rückkehrer" aus dem Iran und aus Europa in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2.2.3. Hinsichtlich eines behaupteten Abfalls vom Islam:
Vorweg ist festzuhalten, dass weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch die belangte Behörde oder in der Beschwerde diesbezügliche Befürchtungen, wie sie erstmals in der mündlichen Verhandlung thematisiert werden, vorkommen. Der Beschwerdeführer bezeichnete sich in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (AS 1), in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 80) sowie in der mündlichen Verhandlung (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls) explizit als Schiit. Erst im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung und auf explizite Nachfrage seines rechtlichen Vertreters gab der Beschwerdeführer an, sich nicht an die Gebote des Islam zu halten (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). In diesem Zusammenhang kommt aus Sicht des Gerichts aber den ersten und aus Eigenem abgegebenen Auskünften eine höhere Beweiskraft zu.
Darauf, dass der Beschwerdeführer nicht aus besonderen Gründen ideeller Überzeugung seine Religionszugehörigkeit gezielt aufgegeben und abgelegt hätte, sondern eher als Fall eines Religionszugehörigen einzustufen ist, der diese Religion nicht praktiziert und ihr gegenüber eher gleichgültig eingestellt ist, zeigen auch seine in der Beschwerdeverhandlung auf nähere Nachfragen abgegebenen Antworten, aus denen klar hervorgeht, dass er weder aktiv einer anderen (neuen) religiösen Überzeugung nachgeht noch religionsfeindlich oder gar spezifisch gegen den Islam auftritt. Aus dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers lässt sich insgesamt deutlich ableiten, dass sich seine Ablehnung gegen den Islam vor allem auf das Einhalten von Regeln, welche sein Leben einschränken, bezieht (so auch explizit Seite 9 des Verhandlungsprotokolls), eine innerliche Beschäftigung mit der Religion jedoch nicht im Vordergrund steht. Seine diesbezüglichen Angaben machte er ausschließlich auf explizite Nachfrage durch die erkennende Richterin bzw. seinen Rechtsvertreter und sie blieben vage und zurückhaltend.
In einer Gesamtbetrachtung geht das erkennende Gericht somit davon aus, dass der Beschwerdeführer zwar seinen Glauben derzeit nicht ausübt und sich emotional von ihm distanziert hat. Dass der Beschwerdeführer seine Religionszugehörigkeit aus innerer Überzeugung und als identitätsstiftendes Merkmal seine Religionszugehörigkeit aufgegeben und abgelegt hätte, kann aus den dargelegten Gründen jedoch nicht festgestellt werden.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer - neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen - mit der Ladung übermittelt bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer erstattete zwar im Wege seines Rechtsvertreters eine Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, er trat den Länderberichten jedoch nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist zulässig.
3.2. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft habe machen können. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:
3.2.2.1. Soweit sich das fluchtkausale Vorbringen des Beschwerdeführers auf die schwierigen Lebensumstände illegal im Iran aufhältiger Afghanen bezieht, so ist ihm entgegen zu halten, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann somit sein Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240). 3.2.2.2.
3.2.2.2. Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist vor dem Hintergrund der in der mündlichen Verhandlung getroffenen Ausführungen des Beschwerdeführers zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Religion - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre. Eine konkrete individuelle Verfolgung seiner Person auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Religion wurde vom Beschwerdeführer - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - nicht hinreichend substantiiert ausgeführt.
Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht finden:
Auf Basis der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte (vgl. insbesondere ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan, a-9737-V2, vom 02.09.2016, und a-9695-1, vom 27.06.2016, jeweils zur aktuellen Situation der Volksgruppe der Hazara) ist festzuhalten, dass Schiiten, speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sind. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Schiiten in Afghanistan für gegeben zu erachten.
3.2.2.3. Zudem ist es dem Beschwerdeführer - wie oben ausgeführt - nicht gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention auf Grund seiner Eigenschaft als "Rückkehrer" aus dem Iran und Europa glaubhaft zu machen. Auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" ist vor dem Hintergrund der in das Verfahren eingeführten Länderfeststellungen (vgl. v.a.
ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan, a-9219, vom 12.06.2015, zur Situation für AfghanInnen [insbesondere Hazara], die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen) für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar:
Aus diesen geht auf das Wesentliche zusammengefasst zwar hervor, dass in Afghanistan generell eine negative Einstellung gegenüber "Rückkehrern" vorherrscht und diesen vorgeworfen wird, ihr Land im Stich gelassen zu haben, dem Krieg entflohen zu sein und im Ausland ein wohlhabendes Leben geführt zu haben, dass Rückkehrer aus dem Iran wegen ihres Akzents leicht erkannt und sozial ausgegrenzt werden sowie dass Rückkehrer Diskriminierungen seitens der Bevölkerung ausgesetzt sind. Diese Diskriminierungen und Ausgrenzungen erreichen nach den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderberichten jedoch nicht jenes Ausmaß, das notwendig wäre, um eine spezifische Verfolgung aller afghanischen Staatsangehörigen, die einen wesentlichen Teil bzw. den Großteil ihres Lebens in Pakistan bzw. im Iran verbracht haben, für gegeben zu erachten. Aus den vorhandenen Länderberichten ist auch nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa bei Männern bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
3.2.2.4. Der Beschwerdeführer, der im Iran im schiitischen Glauben erzogen und sozialisiert wurde, übt derzeit seinen Glauben nicht aus und hat sich emotional von ihm distanziert. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht aus innerer Überzeugung und als identitätsstiftendes Merkmal seine Religionszugehörigkeit aufgegeben und abgelegt.
Dass eine Person mit einem solchen Profil bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ausgesetzt wäre, ergibt sich aus einer Gesamtschau auf die oben angeführten Länderfeststellungen.
Aus den Länderfeststellungen, im Besonderen aus der ins Verfahren eingebrachten ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017, a-10159, lassen sich zusammengefasst folgenden Grundaussagen ableiten:
Apostasie, dh der Abfall vom Islam, ist nach islamischem Recht (auf das die afghanische Rechtsordnung verweist) rechtlich-abstrakt gesehen, ungeachtet der Tatsache, dass das islamische Recht dabei - je nach Denkschule - unterschiedliche Spielarten der Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Detail kennt, mit massiven Strafen (bis zur Todesstrafe) bedroht; rein aus der rechtlichen Perspektive verwirklicht ein solches Verhalten nicht nur jemand, der sich als Moslem einer neuen Religion zuwendet, sondern bereits jemand, der als Moslem, wenn auch nur durch Taten wie die Nichteinhaltung religiöser Gebote, den "Islam verleugnet".
Bei einer über die bloße Betrachtung der Rechtslage hinausgehenden, die faktische Situation vor Ort in den Blick nehmenden Betrachtung der Lage, wie sie unter anderem die genannte ACCORD-Anfragebeantwortung ermöglicht, ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild: Einerseits findet sich in der zitierten Anfragebeantwortung unter anderem die Aussage, dass "USDOS zufolge ... aus dem Berichtsjahr 2015 keine Fälle von tätlichen Übergriffen, Inhaftierungen, Festnahmen oder Strafverfolgung wegen Apostasie bekannt" seien, sowie "dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen". Auf Letzteres deutet auch der in der Anfragebeantwortung erkennbare Kontrast zwischen den beschriebenen (teils massiven) Reaktionen in Fällen von Personen, die zu einer anderen Religion (aktiv) konvertiert sind oder kritisch gegen den Islam auftreten, und der Situation von Personen, die schlicht die Gebote des Islam nicht (oder nicht zureichend) befolgen: Es gebe (in Afghanistan) viele Moslems, die nicht zur Moschee gingen, dadurch aber nicht in Verdacht gerieten oder deswegen nicht automatisch als nichtgläubig angesehen würden. Ein Leben in der afghanischen Gesellschaft sei (sogar) für Personen, die über ihre Ablegung (!) des islamischen Glaubens Stillschweigen bewahren, möglich. Diesen Aussagen ist der Beschwerdeführer im Verfahren nicht entgegengetreten.
Für die Kategorie von Personen, die im Islam aufgewachsen sind, daran aber aktuell kein Interesse zeigen, lassen sich diese nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes übertragen. Es gebe - so die in der Anfragebeantwortung wiedergegebenen Berichte - im Übrigen auch Unterschiede zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen:
Danach sei nach den herrschenden Auffassungen etwa bei Schiiten (damit im Fall des Beschwerdeführers) die Freiheit größer zu entscheiden "zu welchem Mullah" man gehe, bzw. ob und in welche Moschee (anders als bei Sunniten).
Insgesamt kann damit im Beschwerdefall nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführer allein schon aufgrund seines Desinteresses an der Religion im Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (dh mit einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden Wahrscheinlichkeit) eine asylrelevante Verfolgung träfe.
3.2.3. Da sich auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat ableiten ließ, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.3. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offensteht.
Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
3.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafteBedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Für den hier in Rede stehenden Herkunftsstaat Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).
In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat; es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra2018/18/0001). Dabei handelt es sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
3.3.3. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:
3.3.3.1. Die Familie des Beschwerdeführers stammt aus der Provinz Daikundi. Da der Beschwerdeführer jedoch bereits im Iran geboren wurde und lediglich als Kleinkind einige Monate in Afghanistan verbrachte und es ihm überdies an Erinnerungen an diese Zeit mangelt und er über keine (aufrechten) sozialen und familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt, sind ein Nahebezug des Beschwerdeführers zu jener Region im Herkunftsstaat, in der seine Eltern geboren wurden, und eine Identifikation des Beschwerdeführers mit dieser schlichtweg nicht (mehr) vorhanden. Das Bundesverwaltungsgericht vermag deshalb keine Herkunftsregion des Beschwerdeführers zu identifizieren, sodass es auf die Festlegung einer Herkunftsregion als Voraussetzung für eine Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative verzichtet (vgl. dazu ausführlich Nedwed in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, 2018, 287 ff [296 f]).
3.3.3.2. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes - vor dem Hintergrund der oben angeführten höchstgerichtlichen Judikatur sowie unter Berücksichtigung der von UNHCR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 und von EASO in seiner Country Guidance von Juni 2018 aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - nach den oben angeführten Länderberichten und unter Berücksichtigung des sonstigen ins Verfahren eingebrachten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Lebensumständen aus folgenden Gründen auch nicht in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, insbesondere in die Städte Mazar-e Sharif und Herat, verwiesen werden:
3.3.3.2.1. Zur Sicherheitslage:
Aus den ins Verfahren eingebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zunächst, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.
Aus den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten (vgl. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018) geht hervor, dass zwar auch in der im Norden von Afghanistan gelegenen Provinz Balkh mit ihrer Hauptstadt Mazar-e Sharif Zusammenstöße zwischen Aufständischen und afghanischen Sicherheitskräften stattfinden; jedoch zählt die Provinz Balkh nach wie vor zu den stabileren und relativ ruhigen Provinzen Afghanistans. Sie hat im Vergleich zu anderen Provinzen weniger Aktivitäten von Aufständischen und verhältnismäßig wenig sicherheitsrelevante Vorfälle zu verzeichnen. Zudem ist von 2016 auf 2017 die Zahl ziviler Opfer drastisch zurückgegangen. Auch die Provinz Herat im Westen des Landes mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt gilt trotz der Durchführung von militärischen Operationen, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien, als eine der relativ friedlichen Provinzen Afghanistans. Aufständische sind in einigen Distrikten der Provinz, nicht jedoch in der Stadt Herat, aktiv. Die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle ist vergleichsweise gering.
Weiters ist festzuhalten, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat jeweils über einen mehrere Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen internationalen Flughafen verfügen, der untertags sicher erreichbar ist (siehe dazu das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018; vgl. auch die dahingehenden Ausführungen unter Pkt. V. der EASO Country Guidance von Juni 2018). Beide Städte sind daher ohne unangemessene Schwierigkeiten und ernsthafte Risiken erreichbar.
Sowohl bei der Stadt Mazar-e Sharif als auch bei der Stadt Herat handelt es sich folglich um Orte, an denen die willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass es im Allgemeinen für Zivilisten nicht geradezu wahrscheinlich erscheint, dass sie tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein werden.
Individuelle gefahrenerhöhende Umstände, aus denen sich eine spezifische Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten ließe, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Es ist daher bei einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif und Herat allein auf Grund der dargestellten Sicherheitslage nicht von einer realen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen.
3.3.3.2.2. Zur Versorgungslage:
3.3.3.2.2.1. Hinsichtlich der in den Städten Mazar-e Sharif und Herat bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen und unter Berücksichtigung des sonstigen ins Verfahren eingebrachten Berichtsmaterials Folgendes auszuführen:
Es wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts keineswegs verkannt, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne jegliche familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte, Fachausbildung oder finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten durch Dritte in den beiden genannten Städten ansiedeln, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden.
Allerdings ist aus den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten (vgl. insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018) ableitbar, dass die Stadt Mazar-e Sharif sich wirtschaftlich gut entwickelt. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Auch hinsichtlich Herat ist aus den Länderberichten ableitbar, dass es sich um eine relativ entwickelte Provinz Afghanistans handelt, in der im Harirud-Tal Baumwolle, Obst sowie Ölsaat angebaut werden und in der Safran produziert werden soll, was wiederum zu Arbeitsplätzen führen soll, und dass die Wirtschaftslage vergleichsweise gut ist.
Soweit die aktuellen Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 darauf hinweisen, dass die Provinzen Herat und Balkh aktuell von einer Dürre heimgesucht werden, ist auf die aktuellen Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 13.09.2018, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre, und von ACCORD vom 12.10.2018, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, a-10743, zu verweisen. Darin wird ausgeführt, dass die Dürre zu einer deutlich geringeren Getreideernte in Afghanistan in diesem Jahr führen wird und eine massive Landflucht nach sich zieht, die für die Betroffenen teilweise prekäre Lebensbedingungen zur Folge hat. Allerdings wird auch von zahlreichen internationalen Hilfsprogrammen für die vor der Dürre geflohene Bevölkerung, v.a. in der Provinz Herat, berichtet und schließlich ausgeführt, dass die Getreidepreise trotz geringerer Ernten auf Grund guter Ernten in Pakistan und im Iran im Mai 2018 nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre liegen würden.
Vor diesem Hintergrund wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwar keineswegs verkannt, dass die Folgen der Dürre in v.a. der Provinz Herat, aber auch in der Provinz Balkh und die damit verbundene "Landflucht" der betroffenen Bevölkerung negative Auswirkungen auf die Versorgungslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nach sich zieht. In einer Gesamtbetrachtung ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre.
3.3.3.2.2.2. Nach Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrens-Richtlinie) haben die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz u.a. sicherzustellen, dass hierfür genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa von UNHCR und EASO, eingeholt werden. Die besondere Bedeutung von Berichten von UNHCR und EASO ergibt sich daher schon aus dem Unionsrecht, UNHCR-Richtlinien kommt zudem nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zu (vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).
Laut den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 ist eine interne Schutzalternative u.a. nur dann zumutbar, wenn die betroffene Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, die betroffene Person tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis stellen alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne besondere Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.
EASO prüft in seiner Country Guidance von Juni 2018 spezielle Personenprofile im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative in den afghanischen Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul. Dabei kommt EASO für das Personenprofil der Antragsteller, welche außerhalb von Afghanistan geboren sind bzw. über einen sehr langen Zeitraum im Ausland gelebt haben, zum Ergebnis, dass diesen eine interne Schutzalternative in diesen Städten dann nicht zumutbar sein könnte, wenn sie dort über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügen, das ihnen bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts behilflich sein könnte. Diesbezüglich ist bei der Prüfung auf folgende Teilaspekte Bedacht zu nehmen: Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks, Ortskenntnisse und sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund des Antragstellers.
Im Hinblick auf diese Ausführungen betonen sowohl UNHCR als auch EASO, dass diese immer vor dem Hintergrund einer Einzelfallprüfung zu verstehen sind.
3.3.3.2.2.3. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Mann im erwerbsfähigen Alter (faktisch) ohne Schulbildung. Er verfügt aber über erste Berufserfahrung als Hilfsarbeiter. Die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben kann beim Beschwerdeführer vorausgesetzt werden.
Der Beschwerdeführer wurde im Iran geboren und wuchs dort - abgesehen von einer kurzen Unterbrechung im Kleinkindalter - auf. Er verbrachte folglich beinahe sein gesamtes Leben außerhalb Afghanistans, vorwiegend im Iran, weshalb er über keinerlei Ortskenntnisse und lediglich über - wenn auch auf Grund seiner Sozialisierung innerhalb eines afghanischen Familienverbandes zumindest vorhandene - geringe Kenntnisse der lokalen Gepflogenheiten verfügt. Der Beschwerdeführer, der keine aufrechten familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan hat, wäre bei einer Ansiedlung in Afghanistan folglich vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, in einer der afghanischen Großstädte nach Wohnraum und Arbeit zu suchen, ohne jedoch dort über irgendwelche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen.
Im Hinblick auf die glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen ist auch nicht von einer finanziellen oder sonstigen Unterstützung des Beschwerdeführers durch diese auszugehen.
Durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe könnte der Beschwerdeführer höchstens sehr kurzfristig in den Städten Mazar-e Sharif und Herat das Auslangen finden.
Neben der - alle afghanischen Staatsangehörigen und jene ohne familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte in besonderem Ausmaß treffenden - allgemein prekären Versorgungslage im Hinblick auf Zugang zu v.a. Arbeit und Wohnraum ist im Fall des Beschwerdeführers insbesondere hervorzuheben, dass eine offenkundig in seiner Person gelegene und in Zusammenschau mit den bereits dargelegten Aspekten maßgebliche Erschwernis im Falle seiner erstmaligen Ansiedlung in Afghanistan nach dem in das Verfahren eingeführten, dahingehend übereinstimmenden Länderberichtsmaterial (vgl. hierzu v.a. ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan, a-9219, vom 12.06.2015, zur Situation für AfghanInnen [insbesondere Hazara], die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen) darin besteht, dass er auf Grund seines zur Gänze außerhalb Afghanistans verbrachten Lebens, was durch das von ihm gesprochene Farsi leicht erkennbar ist, gegenüber der übrigen afghanischen Bevölkerung, die in Afghanistan aufgewachsen ist und ihr Herkunftsland in der Regel nie verlassen hat, als "Fremder im eigenen Land" exponiert und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - v.a. bei der für die Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit einer Ansiedlung relevanten Arbeitssuche - diskriminiert wäre (vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Pkt. 3.2.2.3.). Aus dem in das Verfahren eingeführten aktuellen Länderberichtsmaterial zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran geht eindeutig hervor, dass gerade jene afghanischen Staatsangehörigen, die keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan haben und ihr gesamtes Leben oder den überwiegenden Teil ihres Lebens im Iran gelebt haben, vom Zugang zu Arbeit und Wohnraum nicht nur am Anfang ihrer Ansiedlung/Rückkehr, sondern weitgehend ausgeschlossen sind, womit sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Situation dieser Fallgruppe der "Iran-Rückkehrer" bei einer möglichen Ansiedlung insbesondere in den afghanischen Großstädten von der Situation jener afghanischen Staatsangehörigen, die ihr ganzes Leben in Afghanistan - wenn auch nicht in einer der Großstädte - verbracht haben und dort zur Gänze sozialisiert worden sind, entscheidungswesentlich unterscheidet.
Darüber hinaus gehört der Beschwerdeführer als Hazara - auf Grund seines Aussehens - erkennbar einer ethnischen und religiösen Minderheit in Afghanistan an, die im Gegensatz zu Angehörigen der Volksgruppe der Paschtunen sowie Tadschiken weitreichenden Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt ist (vgl. u.a. ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan, a-9737-V2, vom 02.09.2016, und a-9695-1, vom 27.06.2016, jeweils zur aktuellen Situation der Volksgruppe der Hazara; vgl. hierzu auch die Ausführungen oben unter Pkt. 3.2.2.2.).
3.3.3.2.2.4. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien (vgl. dazu auch insbesondere EASO, Country Guidance, Juni 2018, Seite 105 f) führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer aufgrund individueller Gefährdungsfaktoren (geringe Kenntnis der kulturellen Gepflogenheiten, fehlende Kenntnis der infrastrukturellen Gegebenheiten, Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, Exponiertheit als "Iran-Rückkehrer", keine Schulbildung) aufgrund eines fehlenden Unterstützungsnetzwerkes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein wird, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen (vgl. dazu VwGH 23.01.2018/Ra 2018/18/0001).
3.3.3.2.3. Hinsichtlich einer allfälligen Neuansiedelung des Beschwerdeführers in der afghanischen Hauptstadt Kabul ist Folgendes zu bemerken:
Die oben angeführten Länderberichte (vgl. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018) in Zusammenschau mit dem übrigen ins Verfahren eingebrachten Berichtsmaterial zeigen deutlich negative Trends in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten in Kabul, die auch dazu führen, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen bzw. sozialen Aktivitäten nachgehen, aufgrund der Gefahr, Opfer der dort stattfindenden sicherheitsrelevanten Vorfälle zu werden, in diesen Aktivitäten massiv eingeschränkt sind. UNHCR vertritt in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 deshalb die Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist (siehe Pkt. III.C.4. der Richtlinien). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der übrigen ins Verfahren eingebrachten Länderberichte geht das erkennende Gericht angesichts der unter Pkt. 3.3.3.2.2.3. dargelegten besonderen Gefährdungsfaktoren im Falle des Beschwerdeführers davon aus, dass es diesem in der afghanischen Hauptstadt Kabul mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit noch weniger als in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif möglich sein wird, nach anfänglichen Schwierigkeiten dort Fuß zu fassen und ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen.
3.3.3.2.4. Im Ergebnis vermag das Bundesverwaltungsgericht daher keine Möglichkeit zu erkennen, den Beschwerdeführer auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan zu verweisen.
3.3.4. Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3 leg.cit.).
3.3.5. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.
3.4. Zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen war.
3.5. Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:
Da im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung einschließlich Fristsetzung für die freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat nicht (mehr) vor, weshalb die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben waren.
3.6. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0482, mwN).
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