BVwG W207 2159517-1

BVwGW207 2159517-11.3.2018

BEinstG §8 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2159517.1.00

 

Spruch:

W207 2159517-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und Mag. Karl Andreas REIFF, Dr. Günther STEINLECHNER, Mag. Josef FRAUNBAUM und Mag. Gerald SOMMERHUBER als fachkundige Laienrichter über die Beschwerde der Gemeinde XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.03.2017, Zl. 3172 090771, wegen § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), betreffend Nicht-Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen sowie zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers XXXX , geb. XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung am 01.03.2018 zu Recht erkannt:

 

A) Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge

Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Mit Eingabe vom 06.05.2013 stellte die Gemeinde XXXX (in der Folge als Dienstgeberin bzw. Beschwerdeführerin bezeichnet), vertreten durch XXXX , beim beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, eingerichteten Behindertenausschuss für Wien (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf nachträgliche Zustimmung gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung des begünstigt behinderten Dienstnehmers XXXX (in der Folge auch als Dienstnehmer bezeichnet). Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Dienstnehmer für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet sei.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens fand am 08.02.2017 eine Sitzung des Behindertenausschusses für Wien statt. Im Zuge der Beschlussfassung stimmte der Behindertenausschuss für Wien dem Antrag der Dienstgeberin auf nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung sowie dem in eventu gestellten Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung nicht zu, wobei sich zwei Ausschussmitglieder der Stimme enthielten.

 

Die belangte Behörde erteilte in weiterer Folge auf Grundlage dieser Beschlussfassung vom 08.02.2017 mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.03.2017 gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) nicht die Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung des begünstigten Dienstnehmers und auch nicht die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten Dienstnehmers.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch XXXX , mit Schriftsatz vom 15.05.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellung:

 

Bei der Beschlussfassung und Abstimmung über den Antrag der Dienstgeberin auf nachträgliche Zustimmung gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung, in eventu auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten Behinderten XXXX des beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, eingerichteten Behindertenausschusses für Wien am 08.02.2017 war die gemäß § 13 Abs. 2 BEinstG erforderliche Anzahl der Ausschussmitglieder - nämlich sechs - anwesend, jedoch haben sich zwei Ausschussmitglieder der Stimme enthalten.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellung beruht auf dem gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommenen Sitzungs- und Abstimmungsprotokoll des Behindertenausschusses für Wien vom 08.02.2017, dessen unterfertigte Fassung dem Bundesverwaltungsgericht auf dessen Ersuchen mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 13.02.2018 übermittelt wurde. In diesem Sitzungsprotokoll wird die Stimmenthaltung zweier Mitglieder des genannten Ausschusses im Rahmen der Beschlussfassung und Abstimmung und somit bei der Willensbildung festgehalten. Es besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Dokumentation des Abstimmungsverhaltens der Ausschussmitglieder durch die Vorsitzende des Behindertenausschusses für Wien.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschlussfassung im Behindertenausschuss finden sich in § 13 BEinstG.

 

Die in gegenständlicher Beschwerdeangelegenheit maßgeblichen Bestimmungen des § 13 Abs. 2 und 3 BEinstG lautet wie folgt:

 

"§ 13 (2) Der Behindertenausschuß tagt in nichtöffentlicher Sitzung; er ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse des Behindertenausschusses werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Der Vorsitzende gibt seine Stimme zuletzt ab; bei Stimmengleichheit entscheidet seine Stimme. Alle Mitglieder haben ihr Stimmrecht persönlich auszuüben.

 

§ 13 (3) Über jede Sitzung des Behindertenausschusses ist ein Protokoll zu führen, in dem die Namen aller anwesenden Mitglieder und die allfälligen Entschuldigungsgründe abwesender Mitglieder zu verzeichnen sind. Das Protokoll hat alle Beschlüsse im Wortlaut, die Ergebnisse der Abstimmungen und den wesentlichen Verlauf der Verhandlungen zu enthalten; es ist vom Vorsitzenden und dem Schriftführer zu unterfertigen. Eine Abschrift des Protokolls ist allen Mitgliedern des Behindertenausschusses zu übermitteln."

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 11.03.1959, Zl. B 179/58 ausdrücklich ausgeführt, dass die Bestellung zum Mitglied einer Kollegialbehörde, wie dies auch der Behindertenausschuss ist, die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Willensbildung dieser Behörde mit sich bringt. Eine Stimmenthaltung kann nur dann als zulässig angesehen werden, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist.

 

Die Zulässigkeit einer Stimmenthaltung bei Beschlüssen des Behindertenausschusses ist im § 13 BEinstG nicht vorgesehen. Im Gegenteil sieht § 13 Abs. 2 letzter Satz BEinstG vor, dass alle Mitglieder ihr Stimmrecht persönlich auszuüben haben. Im Falle einer Stimmenthaltung wird das Stimmrecht aber nicht ausgeübt. Daraus folgt, dass eine Stimmenthaltung eines Mitgliedes des Behindertenausschusses rechtlich nicht zulässig ist.

 

Für den Fall, dass ein Beschluss einer Kollegialbehörde unter rechtswidriger Stimmenthaltung von Mitgliedern zustande kommt, widerspricht der damit erlassene Bescheid dem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht, dem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden. (vgl. VfGH vom 11.03.1959, Zl B 179/58)

 

Aufgrund der nach dem BEinstG nicht zulässigen Stimmenthaltung zweier Mitglieder des Behindertenausschusses für Wien anlässlich der Sitzung am 08.02.2017 wurde den Parteien des gegenständlichen Verfahrens demnach der gesetzliche Richter entzogen, was wiederum bedeutet, dass die belangte Behörde aufgrund eines in rechtswidriger Weise zustande gekommenen Beschlusses den angefochtenen Bescheid unzuständiger Weise erlassen hat.

 

§ 27 VwGVG normiert den Prüfumfang für Beschwerdeverfahren beim BVwG. Die relevante Bestimmung lautet wie folgt:

 

"§ 27 Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder aufgrund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

 

Hat - wie im gegenständlichen Fall - eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit der Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben. Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache belastet diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140).

 

Das Verwaltungsgericht hat daher die Unzuständigkeit der Behörde auch dann von Amts wegen wahrzunehmen, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 27 VwGVG, Anm. 4, vgl. auch VwGH 10.05.2010, 2009/16/0226 zu § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG).

 

Demzufolge war der angefochtene Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG wegen Rechtswidrigkeit infolge der Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.

 

Über den Antrag der Dienstgeberin auf Zustimmung zur Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers ist daher von der belangten Behörde neuerlich zu entscheiden.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf - oben zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Verfassungsgerichtshofes stützen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte