AVG §57 Abs3
B-VG Art.130 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
StPO §126 Abs2b
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W101.2131037.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 07.06.2016, Zl. E1/33619/2016, betreffend Dolmetschergebühren zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Am Montag dem 21.03.2016 erbrachte der Beschwerdeführer auf der Polizeiinspektion Gänserndorf im Zeitraum von 21:00 bis 22:15 Uhr Dolmetschleistungen wegen eines Deliktes nach dem Strafgesetzbuch. Dafür machte der Beschwerdeführer Gebühren iHv € 295,00 (inkl. USt.) geltend.
Mit Mandatsbescheid vom 06.04.2016, Zl. 1700528/21.03.2016, (dem Beschwerdeführer am 12.04.2016 zugestellt) setzte die belangte Behörde den Gebührenanspruch des Beschwerdeführers gemäß § 53 und § 54 GebAG mit € 213,70 (inkl. USt.) fest.
Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 25.04.2016 per E-Mail eine Vorstellung und beantragte darin die Aufhebung des o.a. Bescheides bzw. die Bestimmung der von ihm beantragten Gebühren iHv € 295,00 (inkl. Ust.).
Mit daraufhin ergangenem (Vorstellungs‑)Bescheid vom 07.06.2016, Zl. E1/33619/2016, wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers vom 25.04.2016 ab und bestätigte den mit Mandatsbescheid vom 06.04.2016 festgesetzten Gebührenanspruch iHv €
213,70 (inkl. USt.).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 06.07.2016 fristgerecht eine Beschwerde und wendete sich darin erneut gegen die Höhe der zugesprochenen Gebühren.
In der Folge legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 25.07.2016 die Beschwerde samt dem dazugehörenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zwischen dem Einlangen der Vorstellung am 25.04.2016 und der Erlassung des
(Vorstellungs‑)Bescheides vom 07.06.2016 sind mehr als zwei Wochen vergangen.
Den vorgelegten Verwaltungsakten sind keine rechtzeitigen Ermittlungsschritte gemäß § 57 Abs. 3 AVG zu entnehmen.
Im gegenständlichen Fall ist maßgebend, dass die belangte Behörde kein Ermittlungsverfahren binnen zwei Wochen eingeleitet hat, weshalb der Mandatsbescheid vom 06.04.2016 von Gesetzes wegen außer Kraft getreten ist.
2. Beweiswürdigung:
Die obigen Feststellungen ergeben sich aus dem vollständig vorgelegten Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A)
3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
3.2.2. Gemäß § 126 Abs. 2b StPO richtet sich der Anspruch der Dolmetscher auf Abgeltung nach § 53b des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF. Gemäß § 53b des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG), haben nichtamtliche Dolmetscher für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren, die durch Verordnung der Bundesregierung in Pauschalbeträgen (nach Tarifen) festzusetzen sind. Soweit keine solchen Pauschalbeträge (Tarife) festgesetzt sind, sind auf den Umfang der Gebühr die §§ 24 bis 34, 36 und 37 Abs. 2 des Gebührenanspruchsgesetzes - GebAG, BGBl. Nr. 136/1975, mit den in § 53 Abs. 1 GebAG genannten Besonderheiten und § 54 GebAG sinngemäß anzuwenden. Unter nichtamtlichen Dolmetschern im Sinne dieses Bundes-gesetzes sind auch die nichtamtlichen Übersetzer zu verstehen. § 53a Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 und 3 ist sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 53a Abs. 1 letzter Satz AVG ist die Gebühr gemäß § 38 GebAG bei der Behörde geltend zu machen, die den Sachverständigen (hier: Dolmetscher) herangezogen hat.
Gemäß § 53a Abs. 2 AVG ist von der Behörde die den Sachverständigen (hier: Dolmetscher) herangezogen hat, die Gebühr mittels Bescheid zu bestimmen.
Gemäß § 53 Abs. 1 GebAG gelten für den Umfang, die Geltendmachung und die Bestimmung der Gebühr der Dolmetscherinnen und Dolmetscher die §§ 24 bis 34, 36, 37 Abs. 2, 38 bis 42 und 52 [...] sinngemäß.
3.2.3. Die Behörde hat gemäß § 57 Abs. 3 AVG binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides zu bestätigen.
Aus der Judikatur und Literatur zu dieser Bestimmung ergibt sich, dass bei Unterlassen von Ermittlungsschritten der Mandatsbescheid ipso iure außer Kraft tritt (VwGH 25.04.1991, Zl. 91/06/0010; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 38). Unter Ermittlungsverfahren ist ein Verfahren zur Feststellung des für die Anordnung maßgebenden Sachverhalts oder zur Gewährung von Parteiengehör zu verstehen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 39 mwN). Eine besondere Form für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ist nicht vorgesehen, doch muss die Behörde eindeutig zu erkennen geben, dass sie sich durch die Anordnung von Ermittlungen mit der Angelegenheit befasst (VwGH 01.10.1991, Zl. 91/11/0058; 23.01.2007, Zl. 2006/11/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 40 mwN). Es muss sich dabei um ein aktenkundiges Verhalten handeln (VwGH 11.02.1992, Zl. 92/11/0006). Ausreichend ist auch ein bloß innerbehördlicher Vorgang, wie etwa die Anfrage an eine andere Abteilung (VwGH 11.02.1992, Zl. 92/11/0006) oder auch die Wiederholung von Ermittlungsschritten (VwGH 01.10.1991, Zl. 91/11/0058). Die Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Vorstellung zählt grundsätzlich zu den Ermittlungsschritten (VwGH 19.02.1986, Zl. 85/11/0231), ist aber auf den ersten Blick zu sehen, dass die Vorstellung rechtzeitig eingebracht worden war, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen. Der erwähnte erste Blick aber stellt keinen Verfahrensschritt dar – abgesehen davon, dass er aktenmäßig gar nicht zum Ausdruck kommt, sodass es nach der Aktenlage offen ist, ob die Erstbehörde der Rechtzeitigkeit der Vorstellung überhaupt Beachtung geschenkt hat (VwGH 21.10.1994, Zl. 94/11/0202).
Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes kommt ein Außer-Kraft-Treten des Mandatsbescheides gemäß § 57 Abs. 3 AVG auch nicht in Betracht (sondern er wird durch den Vorstellungsbescheid ersetzt), wenn die Behörde binnen der darin normierten zweiwöchigen Frist den Vorstellungsbescheid erlässt (VwGH 21.01.1997, Zl. 95/11/0396; 12.04.1999, Zl. 98/11/0071).
Ist ein Bescheid gemäß § 57 Abs. 3 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft getreten, so darf die Oberbehörde bei sonstiger Unzuständigkeit nicht dahin entscheiden, dass der Spruch dieses Bescheides in bestimmter Weise (in Erledigung einer Vorstellung) abgeändert werde (VwGH 24.06.1983, Zl. 83/02/0139). In seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen (VwGH 16.12.2014, Zl. Ro 2014/16/0076, und VwGH 29.01.2015, Zl. Ro 2014/16/0073), dass bei Bestätigung eines außer Kraft getreten Mandatsbescheides in Erledigung einer Vorstellung nach § 6b GEG Unzuständigkeit des Präsidenten des Landesgerichtes gegeben sei. Die Unzuständigkeit der Behörde führt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch dann, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides (VwGH 25.04.1991, Zl. 91/06/0010).
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass in Ermangelung rechtzeitiger Ermittlungsschritte der Mandatsbescheid vom 06.04.2016 zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung am 25.04.2016 – sohin am 09.05.2016 – kraft gesetzlicher Anordnung des § 57 Abs. 3 AVG außer Kraft getreten ist.
Dies hat zur Folge, dass der Mandatsbescheid vom 06.04.2016 zum Zeitpunkt der Erlassung des (Vorstellungs‑)Bescheides vom 07.06.2016 bereits außer Kraft getreten war.
Die belangte Behörde hätte folglich nicht mehr über die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid entscheiden dürfen, sondern allenfalls selbst erstmals über die Gebühren nach § 53 und § 54 GebAG mittels einem im ordentlichen AVG-Verfahren ergangenen Bescheid im Sinne des § 56 AVG entscheiden müssen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die belangte Behörde für die Erlassung des angefochtenen (Vorstellungs‑)Bescheides vom 07.06.2016 unzuständig war (VwGH 16.12.2014, Zl. Ro 2014/16/0076; 29.01.2015, Zl. Ro 2014/16/0073).
Das Bundesverwaltungsgericht hält daher fest, dass dem angefochtenen Bescheid aufgrund der dargelegten Unzuständigkeit eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anlastet und dieser folglich gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben ist.
3.2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (VwGH 16.12.2014, Zl. Ro 2014/16/0076, und VwGH 29.01.2015, Zl. Ro 2014/16/0073); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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