BVwG W123 2127621-1

BVwGW123 2127621-120.1.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W123.2127621.1.00

 

Spruch:

W123 2127621-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt in 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2016, Zl 1048082905-140279868/BMI-BFA-STM-RD, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 25.10.2016 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird dem Beschwerdeführer gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

Gemäß § 9 BFA-VG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger von der Volksgruppe der Paschtunen, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.12.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 13.12.2014 durchgeführten Erstbefragung vor der Landespolizeidirektion Burgenland gab der Beschwerdeführer an, er stamme aus Jalalabad, Afghanistan. Er habe auch in Kabul, Afghanistan gelebt. Weiters habe er sich ca. 20 Jahre in Peshawar, Pakistan aufgehalten. Vor ca. 6 Monaten habe er von Kabul aus die Ausreise angetreten. Zum Fluchtgrund führte er an, er habe für die Amerikaner als Logistiker gearbeitet und sei deswegen von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe.

3. Am 15.03.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Steiermark. Der Beschwerdeführer legte einige Dokumente vor (u.a. Arbeitsvertrag, -ausweis und -zertifikate, Bankauszug, Fotos, Schulabschlusszeugnis). Der Beschwerdeführer gab an, nach dem ca. 20-jährigen Aufenthalt der Familie in Pakistan, wo er 2009 maturiert habe, seien sie 2011 nach Afghanistan zurückgekehrt. Er habe mit seiner Familie in Jalalabad gelebt und diese lebe noch immer dort (Eltern, 3 Schwestern und ein Bruder). Er habe über Facebook mit seinen Eltern Kontakt. Ein Bruder lebe seit 10 Jahren in Australien.

Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er habe 1 Jahr und 7 Monate für die Amerikaner gearbeitet und habe sich deshalb immer wieder 2 bis 3 Monate in Kabul aufgehalten. Die Amerikaner hätten militärische Fahrzeuge dort gehabt und er sei als eine Art Lagerverwalter eingeteilt worden. Dort hätten ca. 300 bis 400 Leute gearbeitet, davon ca. 100 Afghanen. In dieser Zeit habe er Anrufe von "Imarat Islami Afghanistan" bekommen. Er wisse nur, dass das eine Gruppe der Taliban sei. Sie hätten zweimal gesagt, dass sie wüssten, dass er mit den Amerikanern zusammenarbeite. Es sei eine afghanische Nummer gewesen und er habe sie nicht gespeichert. Beim ersten Mal habe er das nicht so ernst genommen. Beim dritten Mal hätten sie anonym angerufen. Die Person habe genau gesagt, wie der Beschwerdeführer heiße, wo er arbeite und wo er wohne, und weiters, dass Amerikaner Ungläubige seien und dass sie ihn töten würden, falls er weiter für die Amerikaner arbeiten sollte. Er habe große Angst bekommen, ihm sei schlecht geworden und er sei ins Krankenhaus gebracht worden, wo er nach 3 Stunden wieder entlassen worden sei. Es seien insgesamt 3 Anrufe innerhalb von 3 Monaten gewesen. Er habe seinem Arbeitgeber immer verheimlicht, dass ihn die Taliban angerufen hätten, und Familienprobleme vorgegeben. Am 17.05.2013 sei der letzte Anruf gewesen. Dann habe er noch 2 bis 3 Monate weiter gearbeitet und in dieser Zeit seine Reise organisiert. Während dieser Zeit sei er nicht noch einmal bedroht worden. Auf Vorhalt, dass wenn das ernsthafte Drohungen gewesen wären, der Beschwerdeführer während dieser Zeit wieder von diesen Personen gehört hätte, antwortete er, er habe nur diese 3 Monate diese 3 Anrufe bekommen, danach sei nichts mehr gewesen. Persönlich habe er niemanden gesehen, das sei nur telefonisch gewesen. Auf Vorhalt gab der Beschwerdeführer an, dass es in Kabul schon sicher gewesen sei und es könne sein, dass sie ihn nur beobachtet hätten, aber er habe Angst gehabt, dass sie ihn auf dem Weg zu seiner Familie nach Jalalabad töten würden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 04.05.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57, 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA hielt im Rahmen der Beweiswürdigung fest, dass die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Er habe kein persönliches Bedrohungsszenario vorgebracht. Die vom Beschwerdeführer angegebene große Angst aufgrund der Anrufe habe ihn nicht davon abgehalten, für weitere 3 Monate seine Arbeit fortzusetzen. Er sei mehr oder weniger ganz normal seinem Alltag nachgegangen und ihm sei in der gesamten Zeit kein Haar gekrümmt worden, obwohl die Taliban angeblich über seinen Arbeits- und Wohnort informiert gewesen seien. Weiters befänden sich seine Familienangehörigen noch im Heimatstaat und diesen würde es gut gehen. Es sei davon auszugehen, dass der einzige Ausreisegrund des Beschwerdeführers der Wunsch nach einem besseren Leben in Österreich sei. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig und ein Großteil seiner Familie lebe in Afghanistan. Er könnte sich in Afghanistan eine Existenz aufbauen und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er in eine ausweglose Lage geraten würde. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei zumutbar und die Abschiebung zulässig.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 02.06.2016 Beschwerde in vollem Umfang. Begründend führte er aus, aufgrund seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter für die Amerikaner sei er drei Mal von den Taliban bedroht worden. Wegen der Genauigkeit der Informationen, die sie über ihn gehabt hätten (Aufenthaltsort, Fahrt und Arbeitsstätte etc.), habe er diese Drohungen beim dritten Anruf ernst genommen und beschlossen zu flüchten. Die Arbeit für die Amerikaner und dass er diese in den Augen der Taliban unterstütze, lasse ihn in Afghanistan im erheblichen Maß gefährdet erscheinen. Die Behörde habe sein Vorbringen als nicht glaubhaft beurteilt. Er habe jedoch konkrete und detaillierte Angaben gemacht und sich im Wesentlichen nicht widersprochen. Seine Tätigkeit bei den Amerikanern habe er durch Dokumente belegen können. Die Argumentation der Behörde, dass der Beschwerdeführer seinem Alltag ganz normal nachgegangen sei, stimme nicht. Er sei zu Hause abgeholt worden und mit einem von den Amerikanern bereitgestellten Minibus zur Arbeit gelangt. Während der Fahrt seien die Vorhänge immer zugeblieben, damit nicht erkennbar sei, wer sich in dem Minibus befinde. Er habe sechs Tage in der Woche gearbeitet und sich einen Tag grundsätzlich in der Wohnung versteckt. Seine Arbeitsstätte habe sich im Zentrum Kabuls befunden, wo es recht sicher sei. Vermutlich hätten die Taliban darauf gewartet, dass er sich außerhalb des Zentrums bewege, damit ein Anschlag gegen ihn verübt werden könne. Die gegen ihn ausgesprochenen Drohungen würden beweisen, dass er auch im relativ sicheren Kabul nicht sicher sei. Er habe nicht früher flüchten können, zumal er auf das iranische Visum warten habe müssen. Auch eine Niederlassung in einer anderen größeren Stadt sei nicht zumutbar, zumal er dort nicht gelebt habe und auch über kein ausreichendes soziales Auffangnetz oder die nötigen finanziellen Mittel verfüge. Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Aufhebung der Rückkehrentscheidung bzw. der Abschiebung, in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, in eventu die Zurückverweisung, sowie eine mündliche Verhandlung.

6. Am 25.10.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"RI: Wo lebt Ihre Familie derzeit?

BF: Ich weiß nicht wo sich meine Familie derzeit aufhält. Bis vor vier oder fünf Monaten hielt sich aber die Familie in Afghanistan auf. Damals ist es zu einem Vorfall gekommen. Seither weiß ich nichts mehr über den Aufenthalt meiner Familie.

RI: Können Sie etwas zu dem Vorfall sagen?

BF: Vor ca. vier oder fünf Monaten rief mich mein Vater an. Er teilte mir mit, dass Personen bei uns zu Hause gewesen sind und nach mir gefragt haben. Er hat mir allerdings nichts darüber sagen können wer diese Leute gewesen sind. Am Telefon sagte er, dass die Familie Afghanistan verlassen würde. Sie würde entweder nach Pakistan oder in den Iran gehen. Danach habe ich nichts mehr von meiner Familie erfahren.

[ ]

RI: Haben Sie in dieser Firma selbstständige Entscheidungen treffen müssen?

BF: Was für eine Entscheidung z.B.?

RI: Waren Sie in einer Führungsaufgabe tätig?

BF: Nein, ich war einem amerikanischen Chef untergeordnet. Er hat die Aufgaben verteilt.

RI: Haben Sie während dieser Arbeitstätigkeit in Kabul gewohnt?

BF: Ja, ich hatte dort ein Zimmer in dem ich gelebt habe.

[ ]

RI: Zu den Anrufen: Woher wissen Sie, dass die Anrufe von den Taliban kamen? Es waren ja anonyme Anrufe?

BF: Als ich die ersten zwei Anrufe bekommen habe, habe ich sie nicht sehr ernst genommen. Beim dritten Anruf hat sich aber die Person vorgestellt und sagte, dass er vom islamischen Emirat wäre und wissen würde, dass ich für die Amerikaner arbeiten würde. Ich soll die Arbeit verlassen, da ich andernfalls getötet werde.

RI: Wie viele Anrufe haben Sie bekommen?

BF: Drei.

RI: Wurden Sie jemals persönlich durch die Taliban bedroht?

BF: Ich wurde telefonisch persönlich bedroht. Vor ca. vier oder fünf Monaten waren die Taliban bei meiner Familie und haben meine Familie bedroht.

RI: Wann war der letzte Anruf?

BF: Am 17.05.2013.

RI: Wann sind Sie dann genau geflüchtet?

BF: Ca. zwei bis drei Monate nach dem letzten Anruf.

RI: Sie haben am 12.12.2014 in Österreich einen Asylantrag gestellt und sind laut Ihren Angaben in der Erstbefragung etwa sechs Monate davor ausgereist. Der letzte Drohanruf soll nach Ihren Aussagen am 17.05.2013 gewesen sein und dann hätten Sie noch zwei bis drei Monate gearbeitet. Da liegt aber in etwa ein Jahr dazwischen. Was haben Sie in diesem Jahr gemacht?

BF: Ich weiß nicht genau wie lange ich auf dem Fluchtweg gebraucht habe bis ich in Österreich angekommen bin. Möglicherweise war diese Zeit länger als sechs Monate. Bei der Erstbefragung habe ich dem Dolmetsch gesagt, dass ich sechs oder sieben Monate auf dem Fluchtweg gewesen bin. Dort wurden sechs Monate aufgeschrieben.

RI: Sie haben vor dem BFA angegeben, dass Sie die Wohnung nach dem letzten Anruf nur mehr zum Einkaufen verlassen haben. Sie haben aber auch angegeben einen Reisepass organisiert zu haben. Wer hat das gemacht? Haben Sie das selber alles organisiert? Da mussten Sie ja auch die Wohnung verlassen?

BF: In Afghanistan reicht es aus Geld zu bezahlen und alles lässt sich erledigen. Es ist nicht notwendig das Haus zu verlassen.

RI: Sie haben eine englische Dienstbestätigung vorgelegt, wonach Sie vom 26.11.2011 bis 08.06.2013 für AISS gearbeitet haben. Dann hätten Sie aber ab 17.05.2013 nicht noch zwei bis drei Monate, sondern nur noch ca. drei Wochen gearbeitet. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich habe nach dem letzten Drohanruf noch zwei bis drei Monate gearbeitet. Ganz genau kann ich das nicht sagen.

[ ]

BF: Die Bestätigung ist laut dem angeführten Datum am 08.06.2013 ausgestellt, deshalb ist auch meine Arbeit bis zu diesem Tag darin bestätigt. Ich habe aber weiter gearbeitet.

RI: Der von Ihnen vorgelegte Bankauszug deckt 31.12.2011 bis 06.05.2013 ab. Das letzte Gehalt wurde offenbar im Mai 2013 gezahlt. Wenn Sie danach noch gearbeitet haben, wie lief das dann mit dem Gehalt ab?

BF: Das Geld habe ich weiterhin auf das Bankkonto bekommen.

Angemerkt wird, dass auf dem Bankauszug vom 06.05.2013 folgendes steht: "Closing balance".

BF erklärt, dass die Kontoauszüge mit dem Tag, an dem sie ausgehändigt werden, mit ‚Closing balance‘ beendet werden. Beim nächsten Auszug steht dann wieder ‚Opening‘ und ‚Closing‘.

[ ]

Der RI stellt dem BF noch ergänzende Fragen zum Asylgrund:

RI: Was hat die Person, die Sie das erste Mal anonym angerufen hat, am Telefon zu Ihnen gesagt?

BF: Beim ersten Anruf konnte ich die Nummer sehen, sie war mir aber unbekannt. Bei diesem Anruf wurde mir gesagt, dass vom islamischen Emirat angerufen worden sei und dass sie wissen würden, dass ich für die Amerikaner arbeiten würde. Diesen Anruf habe ich nicht ernst genommen, weil ich gedacht habe, dass sich jemand einen Scherz erlaubt. Ich habe die Nummer nicht gespeichert. Der zweite Anruf kam ebenfalls von einer afghanischen Nummer die mir nicht bekannt gewesen ist. Ich kann allerdings auch nicht sagen ob es dieselbe Nummer war wie beim ersten Anruf. Dieser Anruf machte mich etwas nachdenklich. Der dritte Anruf war von einer unterdrückten Nummer. Diese hätte ich auch nicht speichern können, selbst wenn ich wollte.

RI: Was wurde Ihnen beim zweiten Anruf mitgeteilt?

BF: Beim zweiten Anruf wurde mir dasselbe gesagt wie beim ersten Anruf. Das stimmte mich etwas nachdenklich, weil ich mir nicht erklären konnte, dass eine Person die mit mir scherzen wollte, mich zum zweiten Mal anruft. Ich hatte ein wenig Angst. Der dritte Anruf war von einer unterdrückten Nummer. Ich wusste, dass das die Taliban sind, weil sie von Satellitentelefonen anrufen und man die Nummer nicht sehen kann. Nach diesem Anruf ging es mir so schlecht, dass ich in die Klinik gebracht wurde.

RI: Was wurde Ihnen beim dritten Anruf konkret gesagt?

BF: Beim dritten Anruf wurde mir gesagt, dass sie Informationen über mich hätten. Sie haben nämlich meinen Namen genannt und auch gesagt, mit welchem Fahrzeug ich fahren würde und wo ich arbeiten würde. Dies verängstigte mich. Ich bin ohnmächtig geworden und wurde deshalb in die Klinik gebracht. Sie haben mir gesagt, dass sie wissen würden, dass ich für die Amerikaner arbeiten würde und dass die Amerikaner Ungläubige seien. Es wäre daher keine Sünde, wenn sie mich töten würden.

RI: Warum glauben Sie, dass möglicherweise die Taliban ein so großes Interesse an Ihnen gehabt haben? Sie haben ja keine Führungsposition in dieser Firma eingenommen.

BF: Warum soll das anders sein? Wissen Sie nicht, dass einfache Personen, die mit den Amerikanern zu tun haben, von den Taliban in Afghanistan getötet werden? Ein einfacher Mitarbeiter einer Bank wird von den Taliban verfolgt und getötet."

7. Der Beschwerdeführer erteilte mit Schreiben vom 07.11.2016 seine ausdrückliche Zustimmung zur Erstellung eines Gutachtens durch den Sachverständigen Univ. Prof. Dr. med. XXXX .

8. Mit Beschluss vom 08.11.2016 des Bundesverwaltungsgerichtes wurde Univ. Prof. Dr. med. XXXX in der gegenständlichen Beschwerdesache zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Neurologie bestellt.

9. In dem hg am 28.12.2016 eingelangten Gutachten wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich beim Beschwerdeführer aus psychiatrischer Sicht eine leichtgradige Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und der Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp finden würden. Insbesondere die Persönlichkeitsstörung bedürfe einer entsprechenden Behandlung. Betreffend eine Rückführung in den Herkunftsstaat sei festzuhalten, dass dies entgegen den Wünschen und Zielen des Beschwerdeführers stehe und eine neuerliche bzw. zusätzliche psychische Belastung dadurch nicht auszuschließen sei, die zumindest zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Anpassungsstörung führen könnte. Es sei aber keine Beeinträchtigung der Reisefähigkeit durch die fassbaren psychischen Störungen erkennbar.

10. Mit hg Schreiben vom 02.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer das oben angeführte Gutachten zur Kenntnisnahme bzw. Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme übermittelt.

11. Am 17.01.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zum Gutachten. Der Beschwerdeführer handle sehr impulsiv. Dies führe dazu, dass er in letzter Zeit selbstschädigende Handlungen durchgeführt habe, um Spannungsaufbau, der durch seine psychische Erkrankung erfolge, zu lösen. Es sei festgestellt worden, dass die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers einer entsprechenden Behandlung bedürfe, welche der Beschwerdeführer in Afghanistan nicht bekommen könnte. Der Beschwerdeführer wäre bei einer etwaigen Rückkehr nach Afghanistan auf sich allein gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er stammt aus Jalalabad, Provinz Nangarhar. Mit seiner Familie hat er sich 20 Jahre in Peshawar, Pakistan aufgehalten und ist 2011 nach Afghanistan zurückgekehrt. Zuletzt hat er sich immer wieder in Kabul aufgehalten. Seine Familie (Eltern und Geschwister) hielt sich bis vor ca. vier oder fünf Monaten in Jalalabad auf. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie Kontakt.

Der Beschwerdeführer hat in Pakistan die zwölfte Schulstufe der afghanischen Schule mit der Matura abgeschlossen. Der Beschwerdeführer war beruflich als Lagerarbeiter für die Amerikaner tätig. Der Beschwerdeführer hat die Deutschprüfung A1 abgeschlossen. Er kann in seinem Alltag einfache Konversationen führen. Hingegen hat der Beschwerdeführer keine Zeugnisse über sonstige Abschlüsse (Schule, Universität bzw. Deutschkurse) vorweisen können. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Arbeit nach und verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage. Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Beziehungen in Österreich. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer leidet an einer leichtgradigen Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Zudem findet sich beim Beschwerdeführer der Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp. Insbesondere die Persönlichkeitsstörung bedarf einer entsprechenden Behandlung. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat sind zusätzliche psychische Belastungen nicht auszuschließen, die zumindest zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Anpassungsstörung führen könnten. Es ist aber keine Beeinträchtigung der Reisefähigkeit durch die fassbaren psychischen Störungen erkennbar.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung ausgesetzt ist oder eine solche im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht (Jänner 2014)

Eine zusammenfassende Betrachtung der Sicherheitssituation erlaubt es, von einer "ausreichend kontrollierbaren Sicherheitslage" in den Bevölkerungszentren und entlang der bedeutsamen Verkehrsinfrastruktur zu sprechen. In diesen Gebieten leben rund 80 Prozent der afghanischen Bevölkerung. In der Hauptstadt Kabul ist die Sicherheitslage durch die ANSF trotz einzelner medienwirksamer Anschläge und häufigen Hinweisen auf Anschlagsplanungen unverändert "überwiegend kontrollierbar". In den ländlichen – vorwiegend paschtunisch geprägten – Gebieten im Osten und Süden herrscht hingegen eine "überwiegend nicht" oder in einigen wenigen Distrikten teilweise sogar eine "nicht kontrollierbare Sicherheitslage".

1.2.2. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Die aktuelle Sicherheitslage, Stand 30.09.2016

Sicherheitslage in den verschiedenen Landesteilen

Verschlechterung der Sicherheitslage in allen Landesteilen. Die Sicherheitslage hat sich seit dem Ende der Kampfmission der NATO Ende 2014 in allen Landesteilen verschlechtert. Allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2016 registrierte die International NGO Safety Organisation (INSO) 16‘287 sicherheitsrelevante Vorfälle. Obwohl es den ANDSF immer wieder gelungen ist, durch Taliban eroberte Gebiete zurückzugewinnen, waren die Taliban fähig, mehrere Distriktzentren während Wochen unter ihrer Kontrolle zu halten.

Zentrum (Ghazni, Logar, Wardak, Kabul, Kapisa, Parwan und Panjshir). Komplexe Angriffe und Selbstmordanschläge haben im Zentrum des Landes in den Jahren 2015 und 2016 im Vergleich zu 2014 zugenommen und zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt. Zudem gehört das Zentrum des Landes zu den Gebieten, in denen die meisten Binnenvertriebenen leben.

Hauptstadt Kabul. In der Hauptstadt Kabul finden regelmäßig und mit zunehmender Häufigkeit Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe mit massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung statt, einschließlich in Zonen, die eigentlich relativ gut gesichert sein sollten, wie etwa dem Parlamentsgebäude (22. Juni 2015, 28. März 2016), dem Flughafen (4. Januar 2016), dem Verteidigungsministerium (27. Februar 2016, 5. September 2016) und einem ehemaligen Gebäude des National Directorate for Security (NDS) (19. April 2015), sowie auf Regierungsbeamte und Angehörige der ANDSF (7. August 2015). Auch internationale Organisationen oder Einrichtungen wie zuletzt das von Ausländerinnen und Ausländern frequentierte Northgate Hotel (1. August 2016), die Amerikanische Universität in Kabul (24. August 2016) oder das Kabuler Büro der Hilfsorganisation CARE (5. September 2016) sind Ziel von Anschlägen oder werden bei Anschlägen in Mitleidenschaft gezogen. Zudem finden mitten in der Hauptstadt immer wieder Entführungen statt. Die Taliban fokussieren sich spätestens seit ihrer Frühjahrsoffensive 2016 vermehrt auf Großstädte (siehe Abschnitt 3.1). Der im Juli 2016 verübte Selbstmordanschlag des IS auf eine Demonstration von Personen der Hazara-Ethnie zielte direkt darauf ab, Zivilpersonen zu treffen.

Süden (Uruzgan, Nimroz, Helmand, Kandahar und Zabul), Südosten (Paktika, Khost und Paktiya) und Osten (Nuristan, Laghman, Kunar und Nangarhar). Etwa 70 Prozent der sicherheitsrelevanten Vorfälle ereignen sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Den Taliban ist es 2015 und 2016 in den Provinzen Helmand und Kandahar gelungen, die afghanischen Sicherheitskräfte aus ganzen Distrikten zu vertreiben. Mitte August 2016 umzingelten sie die Provinzhauptstadt Lashkargah (Helmand). Es wird geschätzt, dass die Taliban inzwischen 80 Prozent der Provinz Helmand kontrollieren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind jedoch auch in den Provinzen Ghazni und Uruzgan gefordert. In Uruzgan waren die Taliban Anfang September 2016 kurz davor, die Provinzhauptstadt Tirin Kot einzunehmen. In der Provinz Nangarhar finden Kämpfe zwischen IS und ANDSF sowie internationalen Sicherheitskräften statt, aber auch zwischen IS und Taliban (siehe Abschnitt 3.1). Sowohl im Süden als auch im Osten sind wieder internationale Sicherheitskräfte im Einsatz. Im Süden und Südosten sind die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung zwar leicht zurückgegangen. Im Süden sind sie landesweit aber noch immer am höchsten.

Norden (Faryab, Sar-e Pul, Jowzjan, Balkh und Samangan) und Nordosten (Kunduz, Baghlan, Takhar und Badakhshan). Die Taliban waren in der Lage, vom 28. September bis 13. Oktober 2015 die Provinzhauptstadt Kunduz einzunehmen. Mit Hilfe der US-Streitkräfte gelang es den ANDSF zwar, die Taliban aus Kunduz Stadt zurückzudrängen, doch die Taliban kontrollieren weiterhin Teile der umliegenden Gebiete. Zudem haben es die ANDSF nicht geschafft, die Präsenz weiterer bewaffneter regierungsfeindlicher Gruppierungen rund um Kunduz Stadt zu unterbinden. Auch in den Provinzen Badakhshan, Faryab, Sar-e Pul, Takhar und entlang des Baghlan-Balkh Highways wird gekämpft. Im Nordosten des Landes haben sich die Opfer unter der Zivilbevölkerung 2015 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Grund dafür waren insbesondere die Kämpfe in und um Kunduz.

Westen (Herat, Farah, Badghis und Ghor). Der Westen Afghanistans gilt zwar als relativ stabil, die Präsenz regierungsfeindlicher Gruppierungen nimmt jedoch zu und damit auch die Opferzahl unter der Zivilbevölkerung. Anfangs August 2016 wurden in der Provinz Herat sechs Ausländer sowie ihr Fahrer verletzt. Am 11. August 2016 erhängten die Taliban in der Provinz Farah fünf Angehörige der ANDSF. Die Aktivitäten krimineller Netzwerke nehmen weiter zu und der Westen gehört zudem zu den Gebieten, in denen sich die meisten IDPs angesiedelt haben. Gemäß UNAMA fanden die meisten parallelstaatlichen Bestrafungen im Westen statt, vor allem in den Provinzen Farah und Badghis. Ebenfalls im Westen verzeichnete UNAMA die höchste Zahl an Entführungen: allein in den ersten sechs Monaten 2016 16 Entführungen in der Provinz Farah und 13 in der Provinz Herat.

Regionalmächte. Pakistan spielt in Bezug auf die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin eine Schlüsselrolle. Die pakistanische Regierung gab 2016 erstmals offen zu, die Taliban-Führung in Pakistan zu beherbergen sowie einen beträchtlichen Ein-fluss über die afghanischen Taliban in Pakistan auszuüben, machte aber gleichzeitig deutlich, die Taliban nicht kontrollieren zu können. Auch andere Staaten in der Region versuchen, in Afghanistan Einfluss zu nehmen und sich strategisch günstig zu positionieren.

1.2.3. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Afghanistan (21.01.2016)

Sicherheitslage in Kabul

Wann immer man von der Sicherheitslage spricht, meint man die größeren Städte sowie das Gebiet in einem Radius von max. 3 km um diese Städte (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden in dem Distrikt Kabul, 217 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden in der Provinz Kabul insgesamt 352 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Provinzhauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan)Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.372.977 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Im Gegensatz zu den ländlichen Teilen Afghanistans, in denen das Gewaltniveau meist von jahreszeitenbedingter Witterung abhängt (erhöhte Angriffszahlen in den Sommermonaten), hängt die Sicherheitslage in Kabul stark von den politischen Entwicklungen innerhalb Afghanistans und internationalen Beziehungen ab (EI o.D.).

Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, Koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen, ist auf einem Niveau, wie zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordattentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o.D.). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Von Jänner bis November 2015, wurden 28 hochrangige Angriffe in Kabul durchgeführt. Dies bedeutet eine Steigerung von 27% gegenüber dem Vergleichseitraum 2014. Diese Angriffe erreichen ein Hauptziel der Taliban, nämlich mediale Aufmerksamkeit, und gleichzeitig die Verbreitung eines Gefühls der Unsicherheit (USDOD 12.2015).

Traditionell erfüllen Angriffe auf die Stadt Kabul zwei Zwecke:

Erstens, physisch die Macht der afghanischen Regierung zu schwächen. Dies geschieht üblicherweise durch die Ermordung von Beamten und Zerstörung von Versorgungswegen. Zweitens, Propagandasiege durch Angriffe in Kabul. Aus demselben Grund werden internationale Organisationen (die einen ähnlichen Propagandawert für Aufständischenorganisationen haben) regelmäßig angegriffen. Oftmals dann, wenn es zu schwer war wichtige Regierungs- oder NATO-Gebäude erfolgreich zu infiltrieren. Während die Sicherheitskräfte sich fortwährend verbessern und ihre Fähigkeiten, solchen Angriffen entgegenzuwirken, entwickeln, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unterschwellige Bedrohung, insbesondere innerhalb der zentralen Kabuler Distrikte, in naher Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden kann (EI o.D.).

Ministerien sind bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vgl. UNAMA 8.2015). Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen allerdings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Nach einer erhöhten Anzahl von Angriffen und Störungen im Sommer – vorläufige Daten zeigen im Jahr 2015 eine nennenswerte Steigerung zum Vergleichszeitraum 2014 in Bezug auf Selbstmordattentate und allgemeine Aufständischenaktivitäten in der Stadt Kabul. Allgemein wurde erwartet, dass die Gewalt mit Beginn des Winters 2015 abnehmen würde. Winterliche Gegebenheiten schränken allgemein die Bewegung extremistischer Gruppen am Boden ein, wodurch weniger Kämpfer und weniger Kampfmittel nach Kabul Stadt kommen. Ungeachtet dessen existiert weiterhin ein Potential für unerwartete Talibanangriffe. Auch das IS-Phänomen könnte das Risikoprofil innerhalb der Hauptstadt 2016 erweitern, jedoch müssen diese Gruppen ihre Effektivität innerhalb der Hauptstadt erst nachweisen. IS-Zweige treten derzeit mehr in interne Fehden mit den Taliban und anderen extremistischen Fraktionen, in Gebieten wie dem ländlichen Nangarhar, Farah und Zabul in Erscheinung, anstatt durch gezielte Angriffe auf internationale Organisationen (EI o.D.).

Die Stadt Kabul zieht auch weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an. Mindestens 3.000 Familien benötigen Hilfe (UN GASC 10.12.2015).

Sicherheitslage in Nangarhar

Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden in der Provinz Nangarhar, 1.991 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o. D.g). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.517.388 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Nangarhar zählt zu den relativ volatilen Provinzen im Osten Afghanistans, in welcher regierungsfeindliche bewaffnete Aufständischengruppen aktiv (Khaama Press 22.12.2015). Die allgemeine Sicherheitslage in Nangarhar ist weiterhin volatil. Die Bewegungen bzw. Infiltrationsrouten regierungsfeindlicher Elemente betreffen den südlichen und östlichen Bereich der Provinz, also die Distrikte: Sherzad, Hisarak, Pachir Wa Agam, Khogyani, Chaparhar, Achin, Nazyan, Goshta, Bati Kot, Lal Pur, Surkh Rod und Kot, speziell in den Grenzregionen zu Pakistan, wo regierungsfeindliche Elemente frei zwischen den Ländern hin und her wechseln, was negative Folgen für die Sicherheitslage hat. Der Großteil der Sicherheitsvorfälle kommt in den Distrikten Hisarak, Achin, Khogyani, Sherzad, Chaparhar, Bati-Kot, Dih-Bala, Pachir-Wa-Agam, Kot, Lal Pur und Nazyan vor. Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren in der Provinz: eine durch Stämme dominierte Gesellschaft, ethnische Differenzen, eine konservative ländliche Bevölkerung mit teilweise fundamentalistischem Glauben, unterschiedliche regierungsfeindliche Elemente inklusive neu auftretender IS-Zweige, die Präsenz illegaler bewaffneter Gruppen, organisiertes Verbrechen, Drogen, grenzübergreifende Schusswechsel, grenzüberschreitende Einflüsse und schwache Regierungsführung (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben eine Reihe von Gegenoffensiven und Befreiungsoperationen in den umstrittenen Gebieten durchgeführt. Dies beinhaltet auch weiträumige Operationen in Nangarhar im Mai 2015, die scheinbar zu einer geringen Zahl an Vorfällen rund um Jalalabad City geführt haben, aber auch zu gezielten Operationen in Schlüsseldistrikten im August (UN GASC 1.9.2015). Die Präsenz von mit IS/ISIL/Daesh verbundenen Gruppen ist weiterhin ein Grund zur Sorge, speziell in Nangarhar, wo diese Präsenz in Relation signifikanter ist, als im restlichen Land. Unbestätigte Berichte deuten darauf hin, dass es innerhalb der Provinz einerseits zu Zusammenstößen zwischen IS-Zweigen und den Taliban kommt, sowie andererseits zu vermehrten Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte und Armee gegen den IS (UN GASC 10.12.2015).

Die Taliban haben auch weiterhin ihren traditionellen Einfluss in den Provinzen Nuristan, Nangarhar, Kunar und Laghman gehalten (ISW 3.2015). In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Terroristen zu befreien (Business Standard 30.12.2015; Khaama Press 22.12.2015; UN GASC 1.9.2015; Pajhwok 28.7.2015; Stars and Stripes 14.7.2015; Tolonews 12.7.2015).

1.2.4. Gutachten des länderkundigen Sachverständigen Dr. XXXX vom 31.03.2016

Die Angaben des BF, dass die Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen schlecht sei, stimmen mit der Wirklichkeit Afghanistans überein. Aber in Kabul unterscheidet sich die Lage zu anderen Provinzen. Während meines Aufenthaltes in Kabul habe ich, betreffend der Sicherheitslage in dieser Stadt, Nachforschungen angestellt und feststellen können, dass sich die Sicherheitslage in Kabul, im Gegensatz zum Vorjahr, wesentlich geändert hat. Es finden im Gegensatz zum Vorjahr weniger Anschläge der Taliban statt und die Sicherheitsorgane sind in allen Ecken der Stadt Kabul präsent. Vor allem Bezirke wie Char, Qala, Wazir, Abad, wo die Hazaras wohnen, gehören zu den sicheren Vierteln der Stadt Kabul. Die Außenbezirke der Stadt Kabul, wie Mosai, Pagham, Puli-Charkhi, Tarakhel bleiben weiterhin unsichere Bezirke, weil dort mehrheitlich Paschtunen wohnen. Zu diesen Gemeinschaften haben die Taliban sowohl Zugang als auch Versteckmöglichkeiten.

Es kommt immer noch vor, dass die Taliban in der Stadt Kabul Selbstmordanschläge verüben und Raketen abwerfen, aber die Zahlen der Anschläge und Raketenabwürfe in der Stadt Kabul sind stark zurückgegangen, weil die Regierung, mit der Unterstützung der NATO, die Stadt Kabul in mehrere Sicherheitszonen unterteilt und die Sicherheitsmaßnahmen enorm erhöht hat.

Die Hazaras haben an der staatlichen Macht einen überdurchschnittlichen Anteil. Sie stellen den Stellvertretenden Präsidenten, den stellvertretenden "Ministerpräsidenten", den Stellvertretenden des Amtes für Staatssicherheit, den Stellvertretenden Armee-Chef, der mit einer schnellen Eingreiftruppe befugt ist, in allen Ecken Afghanistans Angriffe gegen die Taliban zu starten. Damit möchte ich darauf hinweisen, dass die Hazaras sich nicht mehr in Afghanistan wie früher in der Opferrolle befinden, sondern sie sind ein Teil des politischen Systems und verfügen über die staatliche Macht, die sie dazu befähigt, die Angriffe und Diskriminierungen von außen nicht mehr zu dulden.

Die Informationen aus Kabul, und aus anderen Teilen Afghanistans, beruhen auf meine eigenen Wahrnehmungen während meiner Reise in Afghanistan von 21.03. bis 02.04.2016. Die Feststellung von mir, über die Sicherheitslage in Kabul, ist temporär und ich kann keine endgültige Prognose abgeben, wie die Sicherheitslage in dieser Stadt in den nächsten Monaten aussehen wird. Allerdings möchte ich angeben, dass die Taliban zwar vereinzelt in der Stadt Kabul Anschläge verüben können, aber sie werden auch in der nahen Zukunft nicht im Stande und auch nicht gewillt sein, einzelne Zivilisten absichtlich zur Zielscheibe ihrer Anschläge zu machen.

1.2.5. Gutachten des länderkundigen Sachverständigen Dr. XXXX im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.2016:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt weiterhin sehr instabil und die Taliban machen weitere Geländegewinne und erweitern so ihre Einflussgebiete in Afghanistan. Mehr als die Hälfte aller Distrikte Afghanistans steht unter der Kontrolle der Taliban. Die Taliban führen in verschiedenen Distrikten der Provinzen Faryab, Jawjan, Badakhshan, Takhar, Baghlan, Sar-e Pul, Badghis, Uruzgan, Ghazni, Helmand, Kandahar, Kunar, Laghman, Nangarhar, Logar, Wardak, Kapisa, Kunduz und Ghor Krieg gegen die Nationalarmee. Bei allen diesen Kriegen gerät die Zivilbevölkerung zwischen die Fronten. In den von den Taliban beherrschten Gebieten herrscht das Taliban-Gesetz, das islamische Rechtssystem; Sharia. Die Menschen werden bei geringster Abweichung von den Vorgaben der Taliban schwer bestraft. Bei den Frauen und jungen Männern reicht es, wenn die Ehemänner, Väter oder Brüder sich bei den Taliban über diese beschweren. Es kommt immer wieder vor, dass die Taliban die Mädchen aufgrund der Beschwerden ihrer Väter auspeitschen und sogar steinigen, wenn sie verdächtigt werden, Geliebte zu haben.

Durch die Geländegewinne der Taliban hat sich auch die Wirtschaftslage weiter verschlechtert. Für die Wirtschaftstreibenden erwächst dadurch Erschwernis auf den Transportwegen, welche auf den Wirtschaftsaustausch im Lande Auswirkungen haben und sie bewirken auch somit die hohe Arbeitslosigkeit im Lande. Auf den Hauptstraßen zwischen verschiedenen Provinzen, außerhalb Kabul, Mazar-e Sharif, Bamiyan, Taluqan, Herat, Hauptstadt von Badakhschan, Faizabad usw. herrscht große Unsicherheit, wenn die Menschen ihre Heimatregionen erreichen wollen oder wenn sie in andere Regionen mit Linienbussen oder Taxis reisen wollen. Es kommt immer wieder vor, dass die Taliban vereinzelt einzelne Menschen aus den Bussen und Linientaxis herauszerren und mitnehmen.

Die Städte Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Bamiyan zählen derzeit zu relativ sicheren Städten Afghanistans. Der Grund liegt darin, dass die Sicherheitsmaßnahmen in diesen Städten seitens der Behörde und der ausländischen Truppen erhöht worden sind. Aber sie bieten fremden Menschen, d.h. Menschen aus anderen Provinzen keine Arbeitsmöglichkeit, aber auch keine Wohnmöglichkeit, wenn die Fremden keine Verwandten dort haben oder wenn sie keinen Arbeitsplatz vorweisen können.

Die Stadt Kabul wurde bis vor zwei Wochen, begonnen von September 2015 bis Mitte April 2016, von größeren Attentaten verschont. Aber am 19.04.2016 haben die Taliban wieder zugeschlagen und einen Lastwagen voll Sprengstoff zur Explosion gebracht, bei der 300 Menschen schwer verletzt und mehr als 60 Menschen getötet worden sind. Dieses Attentat galt zwar dem 10. Präsidium des Staatssicherheitsdienstes, aber dabei starben mehr Zivilisten als die Mitglieder der Behörde.

1.2.6. Gutachten des länderkundigen Sachverständigen Dr. XXXX im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 04.05.2016:

Betreffend die Sicherheitslage in Großstädten: Kabul, Herat, Bamiyan und Mazar-e Sharif:

Die Sicherheitslage in Kabul hat sich aufgrund der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen seitens des afghanischen Verteidigungs- und Innenministeriums sowie seitens des Staatssicherheitsdienstes gegenüber den letzten Monaten relativ gebessert. Die Internationale Sicherheitskräfte sind auch an dieser Aktion zur Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen beteiligt. Das erneute Engagement der ausländischen Truppen kann die Sicherheit in Großstädten wesentlich verbessern. Es gibt wenige Anschläge seitens der Taliban und die Sicherheitsbehörde nimmt oft die Selbstmordattentäter fest, bevor sie ihre Anschläge durchführen. Im letzten Monat hat es in Kabul einen Anschlag gegeben, wobei mehr als 28 Leute getötet und hunderte Personen leichten bis schwere Verletzungen davontrugen, (Siehe dazu:

(http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-04/kabul-afghanistan-bombenexplosion-opfer , http://www.n-tv.de/politik/28-Menschen-bei-Anschlag-in-Kabul-getoetet-article17501806.html )

Dieser Anschlag galt einem Amt des Staatssicherheitsdienstes. Während meiner Forschungsreise nach Kabul vom 21. März bis 02. April 2016 habe ich beobachten können, dass die Sicherheitslage in der Stadt Kabul relativ ruhig war. Aber man kann nicht ausschließen, dass die Taliban wieder vereinzelt Anschläge verüben können. Ich habe bezüglich die Sicherheitslage zusätzlich zu meinen Informationen in der heutigen Verhandlung, 04. 05. 2016, nach Afghanistan angerufen und meine Mitarbeiter über die derzeitige Sicherheitslage in Kabul gefragt. Nach deren Angaben ist die Situation in Kabul ruhig und es sind keine nennenswerte weitere Anschläge in Kabul zu verzeichnen. Bei der Beurteilung der Sicherheitslage in Kabul berücksichtige ich auch, was die Bevölkerung von Kabul von der Sicherheit ihrer Stadt halten. Es gibt Zeiten in Kabul, in denen unter der Bevölkerung ständig von der schlechten Sicherheitslage gesprochen wird und es Zeiten, wie seit Anfang Mai 2016, in denen die Leute in Kabul auf die Frage, wie die Sicherheitslage in ihrer Stadt wäre, mit dem Satz "derzeit Gut, reagieren. Ich möchte bei der Gelegenheit darauf hinweisen, dass die Sicherheitslage in den meisten Provinzen Afghanistans prekär bis sehr prekär ist, aber in folgenden Großstädten ist die Sicherheitslage insofern besser, weil die Taliban zwar vereinzelt Anschläge in diesen Städten verüben können, aber nicht in der Lage sind in diesen Städten bestimmte Bezirke einzunehmen und für eine Weile unter ihrer Kontrolle zu halten. Das sind: Kabul, Mazar-e Sharif, Herat und Bamiyan.

Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Kabul gibt es weiterhin vereinzelt Entführungen und Raubüberfälle in den Randgebieten der Stadt Kabul.

Zur Versorgungslage in Kabul:

Die Versorgungslage in Kabul ist weiterhin für jene Rückkehrer, die keinen Familienrückhalt in Kabul haben, schlecht. Die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen beträgt nach meiner Schätzung 60%. Wenn Personen keine Fachausbildung haben und auch keine Möglichkeit haben, mit den Familienmitgliedern zusammenzuarbeiten, können sie ohne Familienrückhalt schwer in Kabul wirtschaftlich Fuß fassen.

1.2.7. Auszug eines Profil-Interviews mit Dr. XXXX vom 11.10.2016:

profil: Herr XXXX , die EU und die Regierung in Kabul haben vereinbart, die Rückführung afghanischer Flüchtlinge zu erleichtern und zu beschleunigen. Aber kann man bei der unsicheren Lage in Afghanistan abgelehnte Asylwerber überhaupt zurückschicken?

XXXX : Gewiss, aber nur sehr beschränkt. Österreich schiebt bisher, im Unterschied zu Deutschland etwa, niemanden nach Afghanistan ab.

Die Deutschen haben es aber auch einfacher: Sie verfügen am Hindukusch über Militärstützpunkte und damit über Logistik. Afghanistan ist ein Kriegsland. Die Lage ist sehr prekär. Eine gewisse Sicherheit gibt es nur in größeren Städten wie Kabul, Mazar-e-Sharif, Herat oder Dschalalabad. Sie befinden sich in der Hand der Regierung. Aber auch hier müssen Voraussetzungen erfüllt sein: Hat der Abzuschiebende dort Familie, ist eine langfristige Betreuung der Rückkehrer gewährleistet, hat er Chance auf Arbeit, auf eine Wohnung? All diese Fragen müssen bedacht werden. Wenn das der Fall ist, kann man durchaus mehr Rückführungen vornehmen. Aber es geht nicht so schnell.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zu Identität, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf dessen insofern unbedenklichen Angaben. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren.

Die Feststellungen in Bezug auf den psychischen Zustand gründen sich auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten des Univ. Prof. Dris. med. XXXX , welches in sich schlüssig und nachvollziehbar ist sowie keine Widersprüche aufweist. Es wurde auf die Art der bei dem Beschwerdeführer vorliegenden Diagnosen und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffene Schlussfolgerung des Sachverständigen basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund.

Zudem wurde der Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens auch im Rahmen des Parteiengehörs vom Beschwerdeführer nicht releviert. Es sind daher keine Hinweise hervorgekommen, die die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Gutachten in Zweifel zu ziehen vermögen.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zu Grunde gelegt werden konnten.

Glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer als Lagerarbeiter für die Amerikaner tätig war. Dazu hat der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA zahlreiche Beweismittel vorgelegt, die insoweit als unbedenklich zu qualifizieren sind (Kopien von Arbeitsausweis, Arbeitsvertrag, Arbeitszertifikaten, Dienstbestätigung etc.).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen ist jedoch, wie bereits die belangte Behörde festgestellt hat, als nicht glaubhaft zu qualifizieren. Dies aufgrund nachstehender Erwägungen:

Zunächst erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer angegeben hat, seine Arbeit für die Amerikaner nach dem letzten Drohanruf noch für einige Monate fortgeführt zu haben, wo er doch vorgebracht hat, "riesige Angst" bekommen zu haben, weswegen er sogar ins Krankenhaus gebracht werden habe müssen (Aktenseite [AS] 49, 50, 51) und dass er sich "beobachtet" gefühlt habe (AS 50). Nach Anrufen, in denen man mit dem Tod bedroht wird, falls man die Arbeit für die Amerikaner fortsetzen sollte, wäre es lebensnah, sogleich – ohne unnötigen Aufschub – die Flucht anzutreten oder zumindest die von den Taliban verhasste Tätigkeit für die Amerikaner aufzugeben. Dies hat der Beschwerdeführer jedoch nicht getan. Er führt in seiner Beschwerde vom 02.06.2016 zwar aus, dass er, anders als vom BFA angenommen, seinem Alltag in dieser Zeit eben nicht normal nachgegangen sei (er sei direkt mit einem Bus der Amerikaner abgeholt und zur Arbeit gebracht worden). Er hat in der Beschwerde angegeben, sich den einen Tag, den er nicht gearbeitet habe, "grundsätzlich" in der Wohnung versteckt zu haben (AS 244). In seiner Einvernahme am 15.03.2016 hat er allerdings ausgeführt, seine Wohnung doch durchaus verlassen zu haben und einkaufen gegangen zu sein ("In Afghanistan gibt es in jeder Siedlung kleine Geschäfte, dort habe ich alles erledigt und dann bin ich wieder in meine Wohnung.", AS 53).

Widersprüchlich waren die Angaben des Beschwerdeführers auch in Bezug auf die Anrufe. Bereits vor dem BFA hat er an einer Stelle ausgeführt, dass er "immer wieder angerufen" wurde, während er dann im weiteren Verlauf die Anrufe auf 3 Mal einschränkte. Ebenso widersprüchlich waren die Aussagen des Beschwerdeführers auf die Frage des BFA, ob er wisse, wer ihn angerufen habe. Darauf antwortete der Beschwerdeführer: "Nein, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass das eine Gruppe der Taliban ist." Diesbezüglich machte der Beschwerdeführer im Übrigen nicht gleichbleibende Angaben. Während er vor dem BFA aussagte, dass der erste Anruf von Imarat Islami Afghanistan gekommen sei, soll sich nach den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht die Person erst beim dritten Anruf vorgestellt und gesagt haben, dass sie vom islamischen Emirat wäre. Für das Bundesverwaltungsgericht ist somit nicht nachvollziehbar, von welchen Personen die behaupteten Drohungen stammen. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer lediglich telefonisch bedroht worden sein soll. Persönliche Bedrohungen oder Angriffe seitens der Taliban sind nicht erfolgt.

Nicht nachvollziehbar ist ferner, warum der Beschwerdeführer nach dem dritten Anruf keine weiteren Anrufe mehr bekommen haben soll, zumal er sich ja – nach seinen eigenen Aussagen – noch zwei bis drei Monate in Afghanistan aufgehalten hat. Wäre das Interesse der Taliban an der Person des Beschwerdeführers tatsächlich ein so großes gewesen, dann wäre nach den Lebensumständen anzunehmen gewesen, dass der Beschwerdeführer auch in diesen verbliebenen Monaten mit Drohanrufen konfrontiert gewesen bzw. sogar möglicherweise persönlich von den Taliban aufgesucht worden wäre, zumal die Taliban von der Unterkunft des Beschwerdeführers in Kabul gewusst haben sollen.

Schließlich konnte der Beschwerdeführer die Frage des Bundesverwaltungsgerichts, warum die Taliban ein so großes Interesse an ihm gehabt hätten, nicht plausibel beantworten. Vielmehr antwortete der Beschwerdeführer mit Gegenfragen (vgl. Auszug aus der Niederschrift: "BF: Warum soll das anders sein? Wissen Sie nicht, dass einfache Personen, die mit den Amerikanern zu tun haben, von den Taliban in Afghanistan getötet werden? Ein einfacher Mitarbeiter einer Bank wird von den Taliban verfolgt und getötet."). Diese Aussagen des Beschwerdeführers stellen reine Mutmaßungen dar und konnten von ihm nicht belegt werden. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer in der amerikanischen Firma in keiner Führungsposition tätig, sondern seinem Chef untergeordnet war. Für das Bundesverwaltungsgericht erscheint es daher nicht nachvollziehbar, dass die Telefondrohungen ausgerechnet auf ihn abzielen sollten.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer bezüglich der Lage in Kabul widersprochen hat: In der Einvernahme vor dem BFA hat er angegeben, dass es in Kabul für ihn sicher gewesen sei ("In Kabul gibt es diese Sicherheit", "Es war schon sicher"; AS 54). In seiner Beschwerde führt er aus, "Die gegen mich ausgesprochenen Drohungen beweisen, dass mein Leben auch im relativ sicheren Kabul nicht sicher ist." (AS 245).

Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren ergibt sich, dass der Beschwerdeführer trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher zusammenfassend davon aus, dass die Situation in Afghanistan für den Beschwerdeführer generell nicht zufriedenstellend war und er daher aus diesem Grunde nach Europa geflüchtet ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 82/2015, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 25/2016).

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU ] verweist.). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen – asylrelevante Intensität er-reichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

3.3. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft gemacht werden (vgl. Beweiswürdigung). Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.4. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg.cit. offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 leg.cit. abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, 30240/96, D. v. United Kingdom; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid v. Sweden; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, 30240/96, D. v. United Kingdom;

vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453;

09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes in seinem Erkenntnis vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, Folgendes aus:

"Bei Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiären Schutz ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr (‚real risk‘) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0060, und vom 24. März 2015, Ra 2014/19/0021, mwN). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2009,2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, 2000/01/0443)."

3.5. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

Im Fall des Beschwerdeführers liegt nämlich bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine von der Judikatur (insbesondere auch des EGMR) geforderte Exzeptionalität der Umstände vor, welche seine Abschiebung nach Afghanistan als eine Verletzung von Art. 3 EMRK erscheinen ließe.

Der Beschwerdeführer wohnte und arbeitete ca. ein Jahr und sieben Monate in Kabul.

Betreffend die Sicherheitslage in Kabul ist davon ausgehen, dass diese trotz einzelner medienwirksamer Anschläge und häufigen Hinweisen auf Anschlagsplanungen unverändert "überwiegend kontrollierbar" ist (vgl. Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht vom Jänner 2014). Auch geht aus dem in den Sachverhaltsfeststellungen herangezogenen Berichten nicht hervor, dass jedermann, der sich in Afghanistan, vor allem in den großen Städten, die sich in der Hand der Regierung befinden, aufhält, ein reales Risiko einer Verletzung nach Art. 2 und/oder 3 EMRK trifft. Zwar mag auch in den Städten, die sich in Regierungshand befinden, etwa in Kabul die Sicherheitssituation angespannt, aber nicht so schlecht sein, dass sich eine solche Annahme rechtfertigen ließe. Nach den Berichten funktioniert in Kabul und auch in den anderen großen Städten zudem die Polizei und kann für Sicherheit sorgen. Eine Situation, in der jedermann gefährdet wäre, eine Verletzung der genannten relevanten Rechte zu erleiden, liegt in gesamt Afghanistan, insbesondere mit Blick auf Kabul, daher jedenfalls ebenso wenig vor, wie das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre (vgl. dazu auch insbesondere die aktuellen Ausführungen von Dr. XXXX , dessen Informationen aus Kabul und aus anderen Teilen Afghanistans auf seinen eigenen Wahrnehmungen während seiner Reise in Afghanistan vom 21.03. bis 02.04.2016 beruhen).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es ist daher anzunehmen, dass er im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich ein ausreichendes Auskommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage kommen wird. Da der Beschwerdeführer fast ein Jahr und sieben Monaten in Kabul wohnte und arbeitete, kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer mit den örtlichen Gegebenheiten in Kabul bestens vertraut ist und sich für ihn im Falle der Rückkehr auch die Möglichkeit eröffnet, wiederum eine Arbeit zu finden, zumal der Beschwerdeführer über einen Maturaabschluss verfügt.

Laut Sachverständigengutachten vom 11.12.2016 leidet der Beschwerdeführer an einer leichtgradigen Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Zudem findet sich beim Beschwerdeführer der Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp. Insbesondere die Persönlichkeitsstörung bedarf einer entsprechenden Behandlung. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat sind zusätzliche psychische Belastungen nicht auszuschließen, die zumindest zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Anpassungsstörung führen könnten. Es ist aber keine Beeinträchtigung der Reisefähigkeit durch die fassbaren psychischen Störungen erkennbar.

Insoweit ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls keiner akuten Behandlungsbedürftigkeit in Österreich unterliegt und auch keine schwere, lebensbedrohende Erkrankung vorliegt.

Wie den aktuellen vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderfeststellungen entnommen werden kann, ist auch die medizinische Versorgung in Kabul gewährleistet und sind – entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 17.01.2017 – psychische Erkrankungen in Kabul behandelbar.

In diesem Zusammenhang ist zunächst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, B 2400/07-9, zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (EGMR 02.05.1997, 30.240/96, D. v. United Kingdom; EGMR 06.02.2001, 44599/98, Bensaid v. United Kingdom; EGMR 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya v. Sweden; EGMR 29.06.2004, 7702/04, Salkic and others v. Sweden; EGMR 31.05.2005, 1383/04, Ovdienko v. Finland; EGMR 29.09.2005, 17416/05, Hukic v. Sweden; EGMR 07.11.2006, 4701/05, Ayegh v. Sweden; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev v. Sweden).

Zusammenfassend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergebe, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht habe, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 02.05.1997, 30.240/96, D. v. United Kingdom).

In Bezug auf psychische Erkrankungen, wie zB schweren Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) mit suizidaler Einengung, haben nachfolgende, sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des EGMR ergebende Überlegungen (vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07 sowie Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des EGMR) für eine Art. 3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen:

Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indiziert eine fehlende Gravität der Erkrankung.

Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.

Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete risikominimierende Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garantien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einem ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reiche hierzu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrerer vorangegangener Suizidversuche.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

In Afghanistan ist jedenfalls eine medizinische Grundversorgung gewährleistet. Dass die diesbezüglichen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland allenfalls schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist gemäß der Judikatur des EGMR nicht ausschlaggebend.

Eine akute lebensbedrohende Krankheit des Beschwerdeführers, welche eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß der dargestellten Judikatur des EGMR unzulässig machen würde, liegt im konkreten Fall jedenfalls nicht vor. Auch konnte nicht konkret dargelegt werden, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Falle einer Überstellung nach Afghanistan verschlechtern würde (dem Sachverständigengutachten ist lediglich zu entnehmen, dass sich die Anpassungsstörung vorübergehend verschlechtern könnte).

Im gegenständlichen Fall mag es zwar sein, dass die Qualität und Anzahl an Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat hinter denen in Österreich zurückbleiben, aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens ist jedoch bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen festzustellen, dass hierdurch im gegenständlichen Fall die vom EGMR verlangten außerordentlichen Umstände nicht gegeben sind (vgl. hierzu insbesondere auch EGMR 06.02.2001, 44599, Bensaid v. United Kingdom, oder auch VwGH 07.10.2003, 2002/01/0379).

Es ist unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers (ein erwachsener junger Mann mit mehrjähriger Schulausbildung und Berufserfahrung) nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung in Afghanistan, auch an anderen Orten bzw. in anderen Landesteilen Afghanistans, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, nicht möglich und zumutbar sein sollte. Es wäre dem Beschwerdeführer letztlich auch zumutbar, durch eigene und notfalls wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Verwandte, sonstige ihn schon bei der Ausreise unterstützende Personen, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen – erforderlichenfalls unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung – jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können.

Im gegenständlichen Fall haben sich daher in einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: zB Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, BVerwG 10 C 10.09; weiters EGMR 20.07.2010, 23505/09, N. v. Sweden, Rz 52ff; 13.10.2011, 10611/09, Husseini v. Sweden, Rz 84; 20.12.2011, 48839/09, J.H. v. United Kingdom, Rz 55).

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Dezember 2014 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK umfasst auch nicht formalisierte eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau; bei solchen ist normalerweise das Zusammenleben der beiden Partner in einem gemeinsamen Haushalt erforderlich, es können aber auch andere Faktoren wie etwa die Dauer oder die Verbundenheit durch gemeinsame Kinder unter Beweis stellen, dass die Beziehung hinreichend konstant ist (EGMR vom 27.10.1994, 18535/91 Kroon und andere gg. die Niederlande, Z 30; EGMR vom 22.04.1997, 21.830/93, X,Y und Z gg. Vereinigtes Köngreich, Z 36)

Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. Zum geschützten Privatleben gehört das Netzwerk der gewachsenen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen (EGMR vom 09.10.2003, 48321/99, Slivenko gg. Lettland). So können persönliche Beziehungen, die nicht unter das Familienleben fallen, sehr wohl als "Privatleben" relevant sein.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem sozialen Umfeld herausreißen. Nach der Rechtsprechung des EGMR hängt es von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob es angebracht ist, sich eher auf den Gesichtspunkt des Familienlebens zu konzentrieren als auf den des Privatlebens (EGMR 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 05.07.2005, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 59). Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Ewald Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in:

Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479).

Der Beschwerdeführer ist zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein nicht auf asylrechtliche Bestimmungen gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich.

Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält (Dezember 2014), kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale – wie etwa Unbescholtenheit und einfache Deutschkenntnisse – eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, 2007/18/0305), zu geben ist.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner geregelten Arbeit nach und verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage. Der Beschwerdeführer arbeitet lediglich ehrenamtlich für eine Gemeinde. Der Beschwerdeführer hat lediglich den Deutschkurs A1 vorlegen können. Im Übrigen bewirkt der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

In einer Gesamtschau kann somit noch keinesfalls von "außerordentlichen" Integrationsleistungen des Beschwerdeführers ausgegangen werden, wie vom Vertreter des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes angenommen.

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Daher sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach

§ 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Wie bereits oben ausgeführt sieht auch der EGMR in seiner jüngsten Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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