ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ASVG §410
ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:L511.2116825.1.00
Spruch:
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte HITZENBERGER, URBAN, MEISSNER, LAHERSTORFER, gegen das als Bescheid bezeichnete Schriftstück der Salzburger
Gebietskrankenkasse vom 25.08.2015, DG-Kontonummer: XXXX , Zahl:
XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren vor der Salzburger Gebietskrankenkasse [SGKK]
1.1. Mit Schreiben vom 02.01.2013, Zahl XXXX , per E-Mail übermittelt, teilte die SGKK dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der Firma XXXX [im Folgenden: XXXX ] aus den Beiträgen XXXX ein Rückstand in der Höhe von [idHv] EUR 363.882,96 bestehe. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt (Aktenzahl der vorgelegten Aktenteile [AZ] I).
1.2. Mit Schreiben vom 23.06.2015 teilte die SGKK dem Beschwerdeführer, ausschließlich zugestellt an die E-Mail-Adresse " XXXX ", erneut mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX aus den Beiträgen November 2010 bis Mai 2011 sowie XXXX ein Rückstand in der Höhe von EUR 322.716,54 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehe. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt (AZ IV).
1.3. Mit (Haftungs)Bescheid vom 25.08.2015, Zahl: XXXX , ausschließlich an die E-Mail-Adresse der XXXX per E-Mail übermittelt, verpflichtete die SGKK den Beschwerdeführer gemäß §§ 67 Abs. 10 ASVG als ehemaligen Geschäftsführer der XXXX , zur Zahlung eines Rückstandes von EUR 225.540,47 innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger Exekution. Zusätzlich sei der Beschwerdeführer verpflichtet, ab 14.08.2015 bis zur Einzahlung Verzugszinsen in der Höhe von derzeit 7,88% p.a. von EUR 225.540,47 zu entrichten (AZ VIII).
1.4. Mit Schreiben vom 18.09.2015, eingelangt bei der SGKK am 22.09.2015, wurde gegen oben bezeichneten Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben (AZ IX).
1.5. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 04.11.2015 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ I-X]).
II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Am 25.08.2015 fertigte die SGKK einen Haftungsbescheid samt Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG aus. Neben dem Namen der genehmigenden Organwalterin findet sich eine Paraphierung. Die Ausfertigung an den Beschwerdeführer, wurde zunächst per E-Mail an die Primärschuldnerin, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer schon seit 22.01.2013 nicht mehr war, übermittelt und von dieser an den Beschwerdeführer weitergeleitet.
1.2. Diese Ausfertigung weist keine als Unterschrift geeignete Amtssignatur auf, und weist, zumal eine elektronische Übermittlung erfolgte, auch keine Originalunterschrift der Organwalterin auf, sondern lediglich eine Kopie.
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ I-X])
2.1.1. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
* Bescheid der SGKK (AZ VIII)
* Übermittelte Ausfertigung durch den Beschwerdeführer (OZ 8)
* Firmenbuchauszug der XXXX und der X-GmbH (AZ X)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die "Zustellung" per E-Mail an den Beschwerdeführer ergibt sich aus den Schreiben der SGKK vom 12.04.2016 und 19.04.2016 (OZ 5, 7), sowie aus den Schreiben des Beschwerdeführers (OZ 4, 8).
2.2.2. Die Form der Ausfertigung ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausfertigung (OZ 8).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
3.1. Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen (§ 27 VwGVG). Das Verwaltungsgericht hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§28 VwGVG). Entscheidungen und Anordnungen erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG). Auf nicht verfahrensleitende die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind. § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden (§ 31 Abs. 3 VwGVG).
Gemäß § 414 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 idgF (ASVG) kann gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen und wegen Verletzung ihrer (seiner) Entscheidungspflicht in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist (§ 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF (BVwGG)). Auf Antrag einer Partei entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Der Senat besteht aus einem/einer vorsitzenden RichterIn und zwei fachkundigen Laienrichter/inne/n, von denen der/die eine dem Kreis der DienstnehmerInnen und der/die andere dem Kreis der Dienstgeber anzugehören hat. Der Antrag ist gleichzeitig mit der Beschwerde oder dem Vorlageantrag oder binnen vier Wochen ab Zustellung der Beschwerde einzubringen (§ 414 Abs.2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 idgF (ASVG)).
4.2. zur Zurückweisung der Beschwerde
4.2.1. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG idgF sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Gemäß § 18 Abs 4 leg.cit. hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt. Eine von § 18 Abs. 4 AVG abweichende Regelung für Haftungsbescheide ist im ASVG nicht vorgesehen.
4.2.2. § 18 Abs. 4 AVG idF BGBl I 5/2008 unterscheidet grundlegend zwischen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten und Ausfertigungen, die in Papierform ergehen. Für die Fertigung von elektronischen Dokumenten sieht § 18 Abs. 4 zweiter Satz AVG vor, dass sie immer mit einer Amtssignatur iSd § 19 E-GovG zu versehen sind. Daher bedürfen etwa auch Ausfertigungen in Form eines E-Mails oder eines damit etwa als PDF-Anhang "transportierten" elektronischen Dokuments einer Amtssignatur. Ist bereits die Genehmigung der elektronischen Erledigung (Urschrift) iSd § 18 Abs 3 AVG unter Verwendung einer Amtssignatur erfolgt, so hat dies automatisch zur Folge und somit den Vorteil, dass auch jede elektronische Ausfertigung diese Amtssignatur enthält. Wurde die Erledigung hingegen elektronisch, aber ohne Verwendung einer Amtssignatur erstellt und ausgedruckt, handelt es sich um eine "sonstige Ausfertigung" iSd § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG, die dementsprechend zu unterschreiben oder beglaubigen ist (Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 18 Rz 26-27 [Stand 1.1.2014, rdb.at]).
4.2.3. Die gegenständliche dem BVwG vorliegende an den Beschwerdeführer übermittelte Ausfertigung enthält nun weder eine Amtssignatur, noch eine originale nicht bloß kopierte (vgl. dazu VwGH 11.11.2013, 2012/22/0126) Unterschrift der genehmigenden Organwalterin oder der/des beglaubigenden Kanzleibediensteten. Fehlt es an einer Unterschrift oder Beglaubigung, ist der Bescheid den Parteien gegenüber nicht wirksam geworden (vgl. dazu VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102).
4.2.4. Damit ist keine Erledigung (und folglich kein Bescheid) im Sinne des AVG zustande gekommen. Ein meritorischer Abspruch der Rechtsmittelbehörde über Erledigungen, denen kein Bescheidcharakter zukommt - etwa weil die (interne) Erledigung, die Urschrift des Bescheides, einer Verwaltungsbehörde keine Genehmigung aufweist, oder die gesetzlichen Anforderungen an die (externe) Ausfertigung nicht erfüllt sind - überschreitet jedoch deren Kompetenz (für viele VwGH 19.12.2012, 2011/06/0114, unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 63 Rz 46) und verletzt das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfGH 25.11.1985, B219/85 mwN).
4.2.5. Da das angefochtene Schriftstück (zumal eine Einordnung dieses Schriftstücks in eine der anderen in Art. 130 Abs. 1 B-VG genannten Rechtsaktkategorien ebenfalls nicht in Betracht kommt) somit keinen einer Beschwerde nach Art. 130 B-VG zugänglichen Rechtsakt darstellt, bedingt dies die von Amts wegen wahrzunehmende sachliche Unzuständigkeit des BVwG (idS Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K10 unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG), weshalb die Beschwerde spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen ist.
III. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung oder ist die vorliegende als uneinheitlich zu beurteilen. Zu den Erfordernissen des § 18 Abs. 4 AVG bei elektronisch übermittelten Erledigungen insbesondere VwGH 2013/10/0244, 27.03.2014; 11.11.2013, 2012/22/0126; zur Pflicht der Rechtsmittelinstanz, das gegen einen Nichtbescheid gerichtete Rechtsmittel zurückzuweisen etwa VwGH 15.10.2014, Ra 2014/08/0009 und 10.11.2011, 2010/07/0223. Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich aus dem Gesetz und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
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