Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
StGG Art2
EMRK Art6 Abs1
GGG 1984 TP2, TP3
GEG 1962 §6a, §9
AktienG §197, §201
ZPO §63, §615
VfGG §7 Abs1, §62 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2025:G131.2024
Spruch:
I. Der Antrag zu G130/2024 wird abgewiesen, soweit er sich gegen die Wort- und Zeichenfolgen "Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz bei einem Berufungsinteresse" sowie "über 350 000 Euro" und "1,8% vom jeweiligen Revisionsinteresse zuzüglich 6 071 Euro" und Anmerkung 1 in Tarifpost 2 des Bundesgesetzes vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz ‑ GGG), BGBl 501, idF BGBl I 37/2024 richtet.
II. Der Antrag zu G131/2024 wird abgewiesen, soweit er sich gegen die Wort- und Zeichenfolgen "Pauschalgebühren a) für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz bei einem Revisionsinteresse" sowie "über 350 000 Euro" und "2,4% vom jeweiligen Berufungsinteresse zuzüglich 8 096 Euro" und Anmerkung 1 in Tarifpost 3 des Bundesgesetzes vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz ‑ GGG), BGBl 501, idF BGBl I 37/2024 richtet.
III. Im Übrigen werden die Anträge jeweils zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesverwaltungsgericht, der Verfassungsgerichtshof möge Tarifpost (im Folgenden: TP) 2 und 3 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl 501/1984, zur Gänze als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl 501/1984, idF BGBl I 37/2024 lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"§32. […]
Tarif
I. Zivilprozesse
[…]
Tarifpost | Gegenstand | Höhe der Gebühren | |||
2 | Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz bei einem Berufungsinteresse |
| |||
| bis | 150 Euro |
|
| 20 Euro |
| über | 150 Euro bis | 300 Euro |
| 44 Euro |
| über | 300 Euro bis | 700 Euro |
| 75 Euro |
| über | 700 Euro bis | 2 000 Euro |
| 154 Euro |
| über | 2 000 Euro bis | 3 500 Euro |
| 304 Euro |
| über | 3 500 Euro bis | 7 000 Euro |
| 609 Euro |
| über | 7 000 Euro bis | 35 000 Euro |
| 1 219 Euro |
| über | 35 000 Euro bis | 70 000 Euro |
| 2 288 Euro |
| über | 70 000 Euro bis | 140 000 Euro |
| 4 579 Euro |
| über | 140 000 Euro bis | 210 000 Euro |
| 6 867 Euro |
| über | 210 000 Euro bis | 280 000 Euro |
| 9 156 Euro |
| über | 280 000 Euro bis | 350 000 Euro |
| 11 446 Euro |
| über | 350 000 Euro |
| 1,8% vom jeweiligen Berufungsinteresse zuzüglich 6 071 Euro | |
Anmerkungen
1. Der Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 unterliegen folgende Rechtsmittelverfahren: Berufungsverfahren, Verfahren über Rekurse gegen Endbeschlüsse in Besitzstörungsverfahren (§459 ZPO), über Rekurse in Beweissicherungsverfahren und über Rekurse gegen Beschlüsse, mit denen über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der Börsenschiedsgerichte (Artikel XXIII EGZPO) entschieden wird.
1a. Die Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 ist auch für Verfahren zweiter Instanz über die Erlassung einstweiliger Verfügungen und Europäischer Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung in einem und außerhalb eines Zivilprozesses zu entrichten; in diesen Fällen ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 auf die Hälfte. Für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach den §§382b, 382c und 382d EO fallen keine Gebühren nach Tarifpost 2 an.
5. Gebührenfrei sind arbeitsrechtliche Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz bei einem Berufungsinteresse bis 2 500 Euro.
6. Für Verfahren zweiter Instanz, die sich auf die in §49 Abs2 Z2a und 2b JN angeführten Streitigkeiten beziehen, betragen die Pauschalgebühren 365 Euro. Die Anmerkungen 1 bis 4 gelten auch für diese Verfahren.
Tarifpost | Gegenstand | Höhe der Gebühren | |||||
3 | Pauschalgebühren a) für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz bei einem Revisionsinteresse |
| |||||
| bis | 2 000 Euro |
|
| 228 Euro | ||
| über | 2 000 Euro bis | 3 500 Euro |
| 381 Euro | ||
| über | 3 500 Euro bis | 7 000 Euro |
| 762 Euro | ||
| über | 7 000 Euro bis | 35 000 Euro |
| 1 526 Euro | ||
| über | 35 000 Euro bis | 70 000 Euro |
| 3 051 Euro | ||
| über | 70 000 Euro bis | 140 000 Euro |
| 6 104 Euro | ||
| über | 140 000 Eurobis | 210 000 Euro |
| 9 156 Euro | ||
| über | 210 000 Eurobis | 280 000 Euro |
| 12 211 Euro | ||
| über | 280 000 Eurobis | 350 000 Euro |
| 15 263 Euro | ||
| über | 350 000 Euro |
| 2,4% vom jeweiligen Revisionsinteresse zuzüglich 8 096 Euro | |||
| b) für Klagen, die gemäß §615 ZPO in die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs fallen
| 5% vom jeweiligen Streitwert, mindestens jedoch 5 884 Euro | |||||
Anmerkungen
1. Der Pauschalgebühr nach Tarifpost 3 lita unterliegen Revisionsverfahren und Verfahren über Rekurse nach §519 Abs1 Z2 ZPO.
1a. Die Pauschalgebühr nach Tarifpost 3 lita ist auch für Verfahren dritter Instanz über die Erlassung einstweiliger Verfügungen und Europäischer Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung in einem und außerhalb eines Zivilprozesses zu entrichten; in diesen Fällen ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach Tarifpost 3 lita auf die Hälfte. Für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach den §§382b, 382c und 382d EO fallen keine Gebühren nach Tarifpost 3 lita an.
5. Gebührenfrei sind arbeitsrechtliche Rechtsmittelverfahren dritter Instanz bei einem Revisionsinteresse bis 2 500 Euro.
6. Für Verfahren dritter Instanz, die sich auf die in §49 Abs2 Z2a und 2b JN angeführten Streitigkeiten beziehen, betragen die Pauschalgebühren 545 Euro. Die Anmerkung 1 gilt auch für diese Verfahren.
7. Für Klagen nach Tarifpost 3 litb gelten die Anmerkungen 3 und 4 zur Tarifpost 1.
8. In einem Verfahren über eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage ist die Pauschalgebühr nach Tarifpost 3 litb nur einmal zu entrichten; für das infolge der Nichtigerklärung oder der Bewilligung der Wiederaufnahme durchgeführte weitere Verfahren ist keine zusätzliche Gebühr zu entrichten."
2. §9 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes (GEG), BGBl 288/1962, idF BGBl I 61/2022 lautet:
"Stundung und Nachlass
§9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).
(2) Gebühren und Kosten können auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist. Eine besondere Härte kann auch dann vorliegen, wenn sich aus dem Grundverfahren oder aus den Ergebnissen eines Verfahrens über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ergibt, dass der Zahlungspflichtige zum Zeitpunkt der Gebühren auslösenden Verfahrenshandlung nicht entscheidungsfähig war und die Verfahrenshandlung in der Folge nicht genehmigt wurde.
(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat, wenn sonst der Zweck der Entscheidung ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, auf Antrag oder von Amts wegen die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, wenn das Begehren einen ausreichenden Erfolg verspricht und nicht die Einbringlichkeit gefährdet wird.
(4)–(5) […]"
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführenden Parteien brachten eine Klage beim Landesgericht Innsbruck ein. Die Klage umfasste fünfzehn Feststellungs- und sieben Unterlassungsbegehren, die auf der behaupteten Verletzung von Aktionärsrechten gründeten. Den Streitwert bemaßen sie mit € 32.000,– je Begehren, sohin insgesamt mit € 704.000,–.
1.2. Noch vor der ersten Tagsatzung erhob die im Grundverfahren beklagte Partei eine Streitwertbemängelung gemäß §7 des Rechtsanwaltstarifgesetzes (RATG) und beantragte die Festsetzung des Streitwertes mit dem Hinweis auf im Zuge von Kapitalerhöhungen in den Jahren 2015, 2017 und 2018 geleisteten Einlagen in Höhe von € 199.967.187,50. Das Landesgericht Innsbruck wies das Klagebegehren ab und fasste den Beschluss, den Streitgegenstand für näher bezeichnete Feststellungsbegehren jeweils in näher bezeichnetem Ausmaß (insgesamt mit € 200.967.187,50) zu bewerten.
1.3. In Folge erhoben die beteiligten Parteien neben der Berufung Rekurs gegen die gerichtliche Bewertung des Streitgegenstandes an das Oberlandesgericht Inns-bruck, den sie im Wesentlichen darauf stützten, dass das Landesgericht Innsbruck hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen habe und die analoge Anwendung des §197 Abs6 und der §§201 ff. AktG geboten gewesen wäre. Das Oberlandesgericht Innsbruck gab der Berufung keine Folge und wies den Rekurs zurück. Eine gegen diese Entscheidung erhobene Revision sowie einen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof letztlich ebenso zurück. Eine Ermächtigung zum Gebühreneinzug erteilten die beteiligten Parteien in den Rechtsmittelverfahren nicht.
1.4. In Folge schrieb der Präsident des Landesgerichtes Innsbruck den beteiligten Parteien mit Bescheiden vom 30. Oktober 2023 vor, die im Berufungsverfahren angefallene Pauschalgebühr gemäß TP 2 GGG in Höhe von € 4.568.673,– (G 130/2024) bzw die im Revisionsverfahren angefallene Pauschalgebühr gemäß TP 3 GGG in Höhe von € 6.091.566,– (G 131/2024), jeweils zuzüglich der Einhebungsgebühr gemäß §6a GEG in Höhe von € 8,– zu zahlen.
1.5. Hiegegen erhoben die beteiligten Parteien Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, in denen sie ausführten, dass die Höhe der Bemessungsgrundlage näher bezeichneter Klagebegehren unrichtig rechtlich beurteilt worden sei und sie durch die Anwendung der den vorliegenden Fällen zugrunde liegenden Rechtsvorschriften in ihren Rechten verletzt worden seien. So würden zum einen TP 2 bzw 3 GGG auf Grund der unverhältnismäßigen Höhe der Gerichtsgebühren gegen Art6 EMRK bzw Art47 GRC und zum anderen §197 Abs6 AktG gegen Art7 B‑VG verstoßen, weshalb sie den Antrag stellten, das Bundesverwaltungsgericht möge hinsichtlich TP 2 bzw 3 GGG und §197 Abs6 AktG beim Verfassungsgerichtshof eine Gesetzesprüfung beantragen.
2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar:
2.1. Rechtsmittelwerber im Zivilprozess würden durch die Auferlegung deutlich höherer Gerichtsgebühren als in erster Instanz trotz eingeschränkten Prüfungsgegenstandes und mangelnder Tatsachenkompetenz der Berufungs- und Revisionsinstanz unsachlich benachteiligt, zumal ein zivilgerichtliches Rechtsmittelverfahren gegenüber dem zivilgerichtlichen erstinstanzlichen Verfahren mit einem weit geringeren Aufwand verbunden sei und damit die weit höheren Gebühren für das Rechtsmittelverfahren gleichheitswidrig seien.
2.2. Im Übrigen würden die weit höheren Gerichtsgebühren für Rechtsmittelverfahren, insbesondere das progressiv gestaltete Gebührensystem in TP 2 bzw 3 GGG, gegen die "Effizienz des Rechtsschutzes" verstoßen. So sei der Erfolg eines Rechtsmittels nie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar, und ein Rechtsmittelwerber würde stets das Gebührenrisiko mit dem möglichen Nutzen gegenüberstellen, was bei Rechtsmitteln gegen Großkonzerne, staatliche Institutionen oder vermögende Personen oftmals zu einem Verzicht auf Rechtsschutz führe.
2.3. Die Pauschalgebühr für das Berufungs- bzw Revisionsverfahren gemäß TP 2 bzw 3 GGG erweise sich stets deutlich höher als im erstinstanzlichen zivilgerichtlichen Verfahren. So errechne sich bei zivilgerichtlichen Verfahren mit einem Streitwert von über € 350.000,– die Pauschalgebühr erster Instanz aus 1,2 % des Streitwertes zuzüglich € 4.203,–, wogegen in zweiter bzw dritter Instanz eine Pauschalgebühr von 1,8 % bzw 2,4 % des Berufungs- bzw Revisionsinteresses zuzüglich € 6.071,– bzw € 8.096,– anfalle. In Rechtsmittelverfahren dritter Instanz entspreche die Steigerung knapp 100 % gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren.
2.4. Dem würde ein mit ansteigender Instanz zunehmend geringerer Aufwand der Rechtsmittelgerichte gegenüberstehen. Sie hätten regelmäßig einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab und keine (volle) Tatsachenkompetenz. Im Übrigen sei es dem Berufungsgericht auf Grund des Neuerungsverbotes iSd §482 ZPO verwehrt, neue Ansprüche oder Einreden zu prüfen. Auch etwaige mündliche Verhandlungen wären lediglich kurz und würden sich auf die Wiederholung von Beweisen durch Verlesung des Aktes beschränken. Im Vordergrund stehe lediglich eine neuerliche rechtliche Würdigung des erstinstanzlich aufgenommenen Sachverhaltes. Ähnliches gelte für Revisionsverfahren. Hier erschöpfe sich die Tätigkeit des Obersten Gerichtshofes als Rechtsinstanz in der rechtlichen Beurteilung der Sache, mündliche Verhandlungen in Zivilrechtssachen seien in der Praxis die Ausnahme.
2.5. Daher sei das progressiv gestaltete Gebührensystem in Rechtsmittelverfahren vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zu rechtfertigen. So habe dieser zu Vergabeverfahren etwa bereits ausgesprochen, dass es "unsachlich" bzw als eine unzulässige Behinderung der "Effizienz des Rechtsschutzes" anzusehen sei, wenn der Antragsteller mehrfach hohe Pauschalgebührensätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten habe (mit Hinweis auf VfSlg 17.783/2006). Außerdem habe der Gerichtshof eine Regelung des GGG für Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz im Rechtsmittelverfahren als unsachlich qualifiziert, weil diese hinsichtlich der Gebührenhöhe nicht zwischen Haupt- und Provisorialverfahren unterschieden habe. Der Aufwand im Provisorialverfahren sei gegenüber dem Hauptverfahren erheblich geringer, weil ein umfangreiches Beweisverfahren nicht durchzuführen und ein eingeschränkter Prozessgegenstand zu beurteilen sei (mit Hinweis auf VfSlg 19.666/2012). Schließlich habe der Gerichtshof zwar allgemein zum Ausdruck gebracht, dass eine strenge Äquivalenz im Einzelfall nicht erforderlich sei, aber dennoch ausgesprochen, dass die Vorschreibung von Gerichtsgebühren unabhängig von der Inanspruchnahme der Gerichtsinfrastruktur – bei Anfall von Gerichtsgebühren bei der Herstellung von Kopien mit eigenen technischen Mitteln im Rahmen der kostenlosen Akteneinsicht – nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei (mit Hinweis auf VfSlg 19.590/2011).
3. Die Bundesregierung hat für die Verfahren zu G130/2024 und G131/2024 jeweils eine – inhaltlich gleiche – Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
3.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:
3.1.1. Zu G130/2024 führt die Bundesregierung aus, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck zu entscheiden habe, mit dem eine Gebühr in Anwendung jenes Teiles der TP 2 GGG vorgeschrieben worden sei, der die Betragsgrenze "über 350 000 Euro" in der Spalte "Gegenstand" sowie die Wortfolge "1,8 % vom jeweiligen Berufungsinteresse zuzüglich 6 071 Euro" in der Spalte "Höhe der Gebühren" betreffe.
3.1.2. Die einzelnen Tarifstufen der TP 2 GGG bis zu einem Berufungsinteresse von € 350.000,– seien daher weder präjudiziell noch sei ein untrennbarer Zusammenhang ersichtlich. Die Aufhebung der anwendbaren Tarifstufe stünde der Anwendung der verbliebenen Tarifstufen bei Streitwerten bis € 350.000,– nicht entgegen. Entsprechendes gelte für die Anmerkungen zu TP 2 GGG, die – mit Ausnahme der Anmerkung 1 – ebenfalls nicht präjudiziell seien. Auch die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes bezögen sich nicht auf sämtliche Tarifstufen; so seien die "zwei Positionen für Rechtssachen mit einem sehr geringwertigen Berufungsinteresse" im Antrag sogar ausdrücklich ausgenommen.
3.1.3. Zu G131/2024 führt die Bundesregierung aus, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck zu entscheiden habe, mit dem eine Gebühr in Anwendung jenes Teiles der TP 3 GGG vorgeschrieben worden sei, der die Betragsgrenze "über 350 000 Euro" in der Spalte "Gegenstand" sowie die Wortfolge "2,4 % vom jeweiligen Revisionsinteresse zuzüglich 8 096 Euro" in der Spalte "Höhe der Gebühren" betreffe.
3.1.4. Die einzelnen Tarifstufen der TP 3 GGG bis zu einem Revisionsinteresse von € 350.000,– seien daher weder präjudiziell noch sei ein untrennbarer Zusammenhang ersichtlich. Die Aufhebung der anwendbaren Tarifstufe stünde der Anwendung der verbliebenen Tarifstufen bei Streitwerten bis € 350.000,– nicht entgegen. Im Hinblick auf den Gebührentatbestand der TP 3 litb GGG für Klagen, die gemäß §615 ZPO in die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes fielen, sei überhaupt kein konkreter Regelungszusammenhang mit der anzuwendenden Tarifstufe bzw mit den Gebührensätzen im Rechtsmittelverfahren dritter Instanz gemäß lita erkennbar. Entsprechendes gelte für die Anmerkungen zu TP 3 GGG, die – mit Ausnahme der Anmerkung 1 – ebenfalls nicht präjudiziell seien.
3.2. In der Sache führt die Bundesregierung zusammengefasst aus:
3.2.1. Die Gebührensätze des Gerichtsgebührengesetzes würden nicht in einem Missverhältnis zu dem in der jeweiligen Instanz regelmäßig anfallenden Verfahrensaufwand stehen. Dieser sei nämlich entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht schlicht auf ein Beweisverfahren zu reduzieren, sondern sei insbesondere zu veranschlagen, dass bei den an die Rechtsmittelinstanzen herangetragenen Verfahren in der Regel komplexe Rechtsfragen zu beurteilen seien, mit denen überdies Senate mit drei, fünf oder elf Richtern zu befassen seien, womit ein im Vergleich zu unteren Instanzen höherer Verfahrens- und Personalaufwand verbunden sei.
3.2.2. Angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte widerspreche die Verpflichtung zur Entrichtung von Gerichtsgebühren für sich nicht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht, weil das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhänge. Weiters würden die Gebühren das Rechtsmittelverfahren betreffen und sohin schon deshalb nicht den Gerichtszugang erschweren. In wirtschaftlichen Härtefällen stehe im Übrigen das Institut der Verfahrenshilfe gemäß §§63 ff. ZPO sowie die Möglichkeit der Verlängerung der Zahlungsfrist bzw der Stundung der Gebühren zur Verfügung.
3.2.3. Abschließend seien die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes bezüglich des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems und dessen spezifischer Gebührenordnung (mit Hinweis auf VfSlg 17.783/2006) zum einen sowie der fehlenden Differenzierung der Gebührenhöhe zwischen Provisorialverfahren und Hauptverfahren in zweiter und dritter Instanz (mit Hinweis auf VfSlg 19.666/2012) zum anderen nicht mit der Konstellation der vorliegenden Fälle vergleichbar.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit der Anträge
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103‑104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
1.3. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
1.4. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
1.5. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG sind die anzufechtenden Bestimmungen genau und eindeutig zu bezeichnen (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996). In den vorliegenden Fällen beziehen sich die Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes auf die Stammfassung des GGG, BGBl 501/1984. Dem Formerfordernis des §62 Abs1 erster Satz VfGG wird aber insofern entsprochen, als sich die maßgebliche Fassung (BGBl I 37/2024) der zur Aufhebung begehrten Rechtsvorschriften der wörtlichen Wiedergabe der bekämpften Bestimmungen in den Anträgen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt (vgl zB VfSlg 14.040/1995, 20.012/2015, 20.569/2022).
1.6. Jedenfalls denkmöglich anzuwenden hat das Bundesverwaltungsgericht in den vorliegenden Fällen die Bestimmungen der TP 2 GGG, soweit sie "Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz bei einem Berufungsinteresse" sowie die Betragsgrenze von "über 350 000 Euro" in der Spalte "Gegenstand" sowie die Wortfolge "1,8 % vom jeweiligen Berufungsinteresse zuzüglich 6 071 Euro" in der Spalte "Höhe der Gebühren" sowie die Anmerkung 1 betreffen (G 130/2024) und die Bestimmungen der TP 3 GGG, soweit sie "Pauschalgebühren a) für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz bei einem Revisionsinteresse", die Betragsgrenze von "über 350 000 Euro" in der Spalte "Gegenstand" sowie die Wortfolge "2,4 % vom jeweiligen Revisionsinteresse zuzüglich 8 096 Euro" in der Spalte "Höhe der Gebühren" sowie die Anmerkung 1 betreffen (G 131/2024): Insoweit sind die Anträge zulässig. Die übrigen Teile der zur Gänze angefochtenen TP 2 bzw 3 GGG sind von diesen präjudiziellen Teilen offensichtlich trennbar. Die insoweit zu weit gefassten Anträge sind sohin zurückzuweisen.
Da sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Gesetzesprüfungsanträge im oben dargelegten Umfang im Übrigen als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Die Anträge sind, soweit sie zulässig sind, nicht begründet:
2.2. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, dass das progressiv ausgestaltete Gebührensystem in TP 2 und 3 GGG dem Gleichheitsgrundsatz des Art7 Abs1 B‑VG widerspreche. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen und würde den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips bzw dem daraus abgeleiteten Grundsatz der "Effizienz des Rechtsschutzes" nicht genügen.
Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht:
2.3. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet dem Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er es verbietet, sachlich nicht begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005, 20.244/2018, 20.270/2018). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).
2.3.1. TP 2 GGG regelt die anfallende Pauschalgebühr für Rechtsmittelverfahren zweiter, TP 3 GGG für Rechtsmittelverfahren dritter Instanz und Schiedsklagen. TP 3 unterscheidet hiebei zusätzlich zwischen Pauschalgebühren für das Rechtmittelverfahren dritter Instanz und Klagen, die gemäß §615 ZPO in die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes fallen. TP 2 GGG sieht zwölf, TP 3 GGG zehn Gebührenstufen vor, wobei beiderseits keine Obergrenze eingezogen ist. Die Gebühr setzt sich vielmehr bei einem Berufungs- bzw Revisionsinteresse von über € 350.000,– gemäß TP 2 GGG aus 1,8 % des jeweiligen Berufungsinteresses zuzüglich eines Fixbetrages in Höhe von € 6.071,– bzw gemäß TP 3 GGG aus 2,4 % des jeweiligen Revisionsinteresses zuzüglich eines Fixbetrages in Höhe von € 8.096,– zusammen.
2.3.2. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Gesetzgeber bei der Festsetzung und Bemessung von Gerichtsgebühren ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt. Es steht ihm frei, im Hinblick auf die Kostenwahrheit und das Verursacherprinzip Gebühren für die Inanspruchnahme der Gerichte vorzusehen (vgl VfSlg 19.590/2011, 19.666/2012, 19.943/2014, 20.243/2018). Darüber hinaus darf der Gesetzgeber bei der Regelung von Gerichtsgebühren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und an leicht feststellbare äußere Merkmale sachgerecht anknüpfen (VfSlg 11.751/1988) sowie Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie berücksichtigen (VfSlg 19.487/2011). Eine strenge Äquivalenz der Gerichtsgebühren im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssten, ist nicht erforderlich (VfSlg 11.751/1988, 18.070/2007). Welchem der genannten Prinzipien der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Gerichtsgebührensystems welches Gewicht beimisst, unterfällt gleichfalls seinem weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, solange das System in sich konsistent ausgestaltet ist (VfSlg 19.666/2012). Auch eine Anknüpfung am Wert des Rechtes bzw dem Nutzen der Parteien begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl etwa VfSlg 19.487/2011).
2.3.3. Hinsichtlich der Bemessung der Gerichtsgebühren hat der Verfassungsgerichtshof ferner bereits ausgesprochen, dass die allgemeine Orientierung am Streitwert des Gerichtsverfahrens der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dient und dem keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. So ist es auch nicht unsachlich, wenn das GGG – in der hiefür einschlägigen TP 1 GGG – Gebühren in einem Hundertsatz des jeweiligen Streitwertes festlegt, sodass sich ihre Höhe linear mit steigendem Streitwert bewegt und für die Gerichtsgebühren keine Obergrenze besteht. Eine Gerichtsgebühr in Millionenhöhe, die sich im Verhältnis zum Streitwert bemisst, ist daher nicht schon auf Grund ihrer Höhe als so exzessiv zu beurteilen, dass sie den Zugang zu einem Gericht im Sinne des Art6 Abs1 EMRK vereiteln würde (VfSlg 18.070/2007). Dies gilt in gleicher Weise für die Rechtsmittelverfahren zweiter und dritter Instanz. Die Anknüpfung an den Streitwert des Rechtsmittelinteresses ist ebenso sachlich gerechtfertigt (VfSlg 19.943/2014).
2.3.4. Diese Rechtsprechung steht auch im Einklang mit jener des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach die Einhebung von Gerichtsgebühren nicht mit dem in Art6 Abs1 EMRK gewährleisteten Recht auf Zugang zu einem Gericht unvereinbar ist (EGMR 19.6.2001, 28.249/95, Kreuz, Z60). Mit Blick auf das österreichische System der Gerichtsgebühren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhänge, und insofern Zugang zum Gericht bestehe (EGMR 9.12.2010, 35.123/05, Urbanek, Z56). Er hat ferner akzeptiert, dass die Höhe der Gebühren vom Streitwert abhängig gemacht wird (EGMR, Urbanek, Z56 und 61; vgl jüngst auch EGMR 3.5.2022, 59.914/16, Nalbant ua, Z40). In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch berücksichtigt, dass das Institut der Verfahrenshilfe im Sinne der §§63 ff. ZPO zur Verfügung steht, welches eine Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren ermöglicht (§64 Abs1 Z1 lita ZPO) (EGMR, Urbanek, Z63; vgl auch VfSlg 18.070/2007). Hinzu kommt, dass gemäß §9 Abs1 und 2 GEG eine Verlängerung der Zahlungsfrist und eine Stundung möglich sind oder die Gebühr nachgelassen werden kann, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre (EGMR, Urbanek, Z64; vgl auch VfSlg 18.070/2007). Vor diesem Hintergrund gelangte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Auffassung, dass das österreichische Gerichtsgebührensystem hinreichend flexibel ausgestaltet sei, um einer Partei die vollständige oder teilweise Befreiung von den Gerichtsgebühren oder eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren zu ermöglichen (EGMR, Urbanek, Z64).
2.4. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aus Anlass der vorliegenden Anträge zu keiner anderen Einschätzung veranlasst:
2.4.1. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn er die Gebühren in unterschiedlichen Verfahrensstadien unterschiedlich hoch festsetzt und er in einer Durchschnittsbetrachtung am verursachten Aufwand ebenso wie am Nutzen der Parteien anknüpft. Ein abgestuftes Gebührensystem, das insbesondere berücksichtigt, dass in Rechtsmittelverfahren den Parteien eine nochmalige Prüfung ihres Rechtsstandpunktes durch eine weitere Instanz ermöglicht wird, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2.4.2. Es ist sohin verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber in TP 2 und 3 GGG für die zweite bzw dritte Instanz eine höhere Gebühr als für die erste Instanz festlegt.
2.4.3. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 17.783/2006, 19.590/2011 sowie 19.666/2012). So hat der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg 19.666/2012 keine Bedenken gegen grundsätzlich höhere Gebühren in den Rechtsmittelinstanzen gehegt, sondern eine Gebührenreduzierung für Provisorialverfahren als in allen Instanzen gleichermaßen sachlich gerechtfertigt angesehen.
Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgetragenen Bedenken treffen somit nicht zu.
V. Ergebnis
1. Die Anträge sind daher – soweit sie sich gegen die Wort- und Zeichenfolgen "Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz bei einem Berufungsinteresse" sowie "über 350 000 Euro" und "1,8% vom jeweiligen Revisionsinteresse zuzüglich 6 071 Euro" und Anmerkung 1 in Tarifpost 2 GGG, BGBl 501/1984, idF BGBl I 37/2024 (G 130/2024) und gegen die Wort- und Zeichenfolgen "Pauschalgebühren a) für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz bei einem Revisionsinteresse" sowie "über 350 000 Euro" und "2,4% vom jeweiligen Berufungsinteresse zuzüglich 8 096 Euro" und Anmerkung 1 in Tarifpost 3 GGG, BGBl 501/1984, idF BGBl I 37/2024 (G 131/2024) richten – abzuweisen und im Übrigen zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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