§ 48a BörseG

Alte FassungIn Kraft seit 01.11.2007

Marktmissbrauch

§ 48a

(1) § 48a.Für Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:

  1. 1. "Insider-Information" ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.
  1. a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine Reihe von bereits vorhandenen oder solchen Tatsachen und Ereignissen erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, und darüber hinaus bestimmt genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.
  2. b) In Bezug auf Warenderivate ist "Insider-Information" eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt ein solches Derivat oder mehrere solche Derivate betrifft und von der Teilnehmer an Märkten, auf denen solche Derivate gehandelt werden, erwarten würden, dass sie diese Information in Übereinstimmung mit der zulässigen Marktpraxis an den betreffenden Märkten erhalten würden. Das sind Informationen, die direkt oder indirekt ein solches Derivat oder mehrere solche Derivate betreffen und den Teilnehmern auf solchen Märkten regelmäßig zur Verfügung gestellt werden oder in Anwendung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Handelsregeln, Verträgen oder Regeln, die auf dem Markt, auf dem die Warenderivate gehandelt werden, bzw. auf der jeweils zugrunde liegenden Warenbörse üblich sind, öffentlich bekannt gegeben werden müssen. In Bezug auf Warenderivate werden die nach diesem Bundesgesetz sonst der FMA zugewiesenen Zuständigkeiten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wahrgenommen, die §§ 48i bis 48p sind jedoch nicht anzuwenden.
  3. c) Für Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen betreffend Finanzinstrumente beauftragt sind, bedeutet "Insider-Information" auch eine Information nach lit. a oder b, die von einem Kunden mitgeteilt wurde und sich auf die noch nicht erledigten Aufträge des Kunden bezieht.
  1. 2. „Marktmanipulation“ sind
  1. a) Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die
  1. aa) falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten, oder
  2. ab) den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere, in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird,

    es sei denn, dass die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, legitime Gründe dafür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen.

    Bei der Beurteilung der Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge gemäß lit. a als Marktmanipulation sind unbeschadet der Fälle von Marktmanipulation gemäß Abs. 2 insbesondere folgende Umstände – die als solche nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind – zu berücksichtigen:

    – der Umfang, in dem erteilte Geschäftsaufträge oder

    abgewickelte Geschäfte einen bedeutenden Teil des Tagesvolumens der Transaktionen mit dem entsprechenden Finanzinstrument auf dem jeweiligen geregelten Markt ausmachen, vor allem dann, wenn diese Tätigkeiten zu einer erheblichen Veränderung des Kurses dieses Finanzinstruments führen;

    – der Umfang, in dem erteilte Geschäftsaufträge oder

    abgewickelte Geschäfte, die von Personen mit einer bedeutenden Kauf- oder Verkaufsposition in einem Finanzinstrument getätigt wurden, zu einer erheblichen Veränderung des Kurses dieses Finanzinstruments bzw. eines sich darauf beziehenden derivativen Finanzinstruments oder aber des Basisvermögenswertes führen, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind;

    – ob abgewickelte Geschäfte zu keiner Veränderung in der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers eines zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstruments führen;

    – der Umfang, in dem erteilte Geschäftsaufträge oder

    abgewickelte Geschäfte Umkehrungen von Positionen innerhalb eines kurzen Zeitraums beinhalten und einen beträchtlichen Teil des Tagesvolumens der Geschäfte mit dem entsprechenden Finanzinstrument auf dem betreffenden geregelten Markt ausmachen, sowie mit einer erheblichen Veränderung des Kurses eines zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstruments in Verbindung gebracht werden könnten;

    – der Umfang, in dem erteilte Geschäftsaufträge oder

    abgewickelte Geschäfte innerhalb einer kurzen Zeitspanne des Börsentages konzentriert werden und zu einer Kursveränderung führen, die in der Folge wieder umgekehrt wird;

    – der Umfang, in dem erteilte Geschäftsaufträge die besten

    bekannt gemachten Kurse für Angebot und Nachfrage eines auf einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstruments verändern oder genereller die Aufmachung des Orderbuchs verändern, das den Marktteilnehmern zur Verfügung steht, und vor ihrer eigentlichen Abwicklung annulliert werden könnten;

    – der Umfang, in dem Geschäftsaufträge genau oder ungefähr

    zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilt oder Geschäfte zu diesem Zeitpunkt abgewickelt werden, an dem die Referenzkurse, die Abrechnungskurse und die Bewertungen berechnet werden, und dies zu Kursveränderungen führt, die sich auf eben diese Kurse und Bewertungen auswirken.

  1. b) Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Täuschungshandlungen.

    Bei der Beurteilung der Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge gemäß lit. b als Marktmanipulation sind unbeschadet der Fälle von Marktmanipulation gemäß Abs. 2 insbesondere folgende Umstände – die als solche nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind – zu berücksichtigen:

    – ob von bestimmten Personen erteilte Geschäftsaufträge oder

    abgewickelte Geschäfte vorab oder im Nachhinein von der Verbreitung falscher oder irreführender Informationen durch dieselben oder in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen begleitet wurden;

    – ob Geschäftsaufträge von Personen erteilt bzw. Geschäfte

    von diesen abgewickelt werden, bevor oder nachdem diese Personen oder in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen Analysen oder Anlageempfehlungen erstellt oder weitergegeben haben, die unrichtig oder verzerrt sind oder ganz offensichtlich von materiellen Interessen beeinflusst wurden.

  1. c) Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten, unter anderem durch Verbreitung von Gerüchten sowie falscher oder irreführender Nachrichten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren. Bei Medienmitarbeitern, die in Ausübung ihres Berufs handeln, ist eine solche Verbreitung von Informationen unbeschadet des § 48q Abs. 1 und 2 unter Berücksichtigung der für ihren Berufsstand geltenden Regeln zu beurteilen, es sei denn, dass diese Personen aus der Verbreitung der betreffenden Informationen direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen.
  1. 3. „Finanzinstrumente“ sind
  1. a) Wertpapiere im Sinne von § 1 Z 4 WAG 2007,
  2. b) Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren,
  3. c) Geldmarktinstrumente,
  4. d) Finanzterminkontrakte (Futures) einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente,
  5. e) Zinsausgleichsvereinbarungen (Forward Rate Agreement),
  6. f) Zins- und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien oder Aktienindexbasis (Equity-Swaps),
  7. g) Kauf- und Verkaufsoptionen auf alle unter lit. a bis f fallenden Instrumente einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente; dazu gehören insbesondere Devisen- und Zinsoptionen,
  8. h) Warenderivate,
  9. i) alle sonstigen Instrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde.
  1. 4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 60/2007)
  2. 5. "Zulässige Marktpraxis" sind Gepflogenheiten, die auf einem oder mehreren Finanzmärkten nach vernünftigem Ermessen erwartet werden und von der FMA durch Verordnung gemäß Abs. 3 anerkannt werden.
  3. 6. "Person" ist eine natürliche oder eine juristische Person.
  4. 7. "Zuständige Behörde" ist die gemäß Art. 11 der Richtlinie 2003/6/EG von den Mitgliedstaaten benannte zuständige Stelle.
  5. 8. Eine "Person, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben wahrnimmt" ist eine Person,
  1. a) die einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten angehört, oder
  2. b) die als geschäftsführende Führungskraft zwar keinem der unter lit. a genannten Organe angehört, aber regelmäßig Zugang zu Insider-Informationen mit direktem oder indirektem Bezug zum Emittenten hat und befugt ist, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Emittenten zu treffen.
  1. 9. Eine "Person, die in enger Beziehung zu einer Person steht, die bei einem Emittenten von Finanzinstrumenten Führungsaufgaben wahrnimmt" ist
  1. a) der Ehegatte der Person, die diese Führungsaufgaben wahrnimmt, oder ein sonstiger Lebensgefährte, der nach einzelstaatlichem Recht einem Ehegatten gleichgestellt ist,
  2. b) ein nach einzelstaatlichem Recht unterhaltsberechtigtes Kind der Person, die diese Führungsaufgaben wahrnimmt,
  3. c) ein sonstiges Familienmitglied der Person, die diese Führungsaufgaben wahrnimmt, das vor dem betreffenden Geschäft für die Dauer von mindestens einem Jahr mit diesem in einem Haushalt gelebt hat,
  4. d) eine juristische Person, treuhänderisch tätige Einrichtung oder Personengesellschaft, deren Führungsaufgaben durch eine Person nach Z 8 oder nach den lit. a bis c wahrgenommen werden, die direkt oder indirekt von einer solchen Person kontrolliert wird, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurde oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen.
  1. 10. "Personen, die beruflich Geschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen", sind insbesondere Wertpapierfirmen und Kreditinstitute.
  2. 11. Eine „Wertpapierfirma“ ist eine juristische Person im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Z 1 der Richtlinie 2004/39/EG .
  3. 12. Ein „Kreditinstitut“ ist ein Unternehmen im Sinne von Art. 4 Z 1 der Richtlinie 2006/48/EG .

(1a) Für die Zwecke der §§ 48a bis 48c und 48q umfasst der Begriff geregelte Märkte auch multilaterale Handelssysteme.

(2) Als "Marktmanipulation" im Sinne des Abs. 1 Z 2 gelten insbesondere:

  1. 1. Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der Folge einer direkten oder indirekten Festsetzung des Ankaufs- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen;
  2. 2. Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Börsenschluss mit der Folge, dass Anleger, die auf Grund des Schlusskurses tätig werden, irregeführt werden;
  3. 3. Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument (oder indirekt zu dem Emittenten dieses Finanzinstruments), wobei zuvor Positionen bei diesem Finanzinstrument eingegangen wurden und anschließend Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs dieses Finanzinstruments gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt auf ordnungsgemäße und effiziente Weise mitgeteilt wird.

(3) Ob eine "zulässige Marktpraxis" gemäß Abs. 1 Z 5 vorliegt, kann die FMA durch Verordnung festlegen.

  1. 1. Sie hat hiebei unbeschadet ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden insbesondere zu berücksichtigen:
  1. a) wie transparent die betreffende Marktpraxis für den Markt insgesamt ist,
  2. b) ob sie das Funktionieren der Marktkräfte und das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gewährleistet; unter der Analyse insbesondere der Auswirkungen der betreffenden Marktpraxis auf die wichtigsten Marktparameter, wie die vor der Einführung der betreffenden Marktpraxis herrschenden besonderen Marktbedingungen, den gewichteten Durchschnittskurs eines Handelstages oder die tägliche Schlussnotierung,
  3. c) in welchem Maße sich die betreffende Marktpraxis auf die Marktliquidität und -effizienz auswirkt,
  4. d) inwieweit die betreffende Marktpraxis dem Handelsmechanismus des betreffenden Marktes Rechnung trägt und den Marktteilnehmern erlaubt, angemessen und rechtzeitig auf die durch die Marktpraxis entstehende neue Marktsituation zu reagieren,
  5. e) welches Risiko die betreffende Marktpraxis für die Marktintegrität anderer, direkt oder indirekt verbundener, geregelter oder nichtgeregelter Märkte für dieses Finanzinstrument innerhalb der Gemeinschaft darstellt,
  6. f) zu welchem Ergebnis die zuständigen Behörden bzw. anderen in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG genannten Behörden bei ihren Ermittlungen zu der betreffenden Marktpraxis kamen, insbesondere ob sie eine Verletzung der Marktmissbrauchsbestimmungen oder der geltenden Verhaltensregeln auf dem betreffenden Markt oder auf anderen direkt oder indirekt verbundenen Märkten in der Gemeinschaft festgestellt haben,
  7. g) welche Strukturmerkmale der betreffende Markt aufweist, zB ob es sich um einen geregelten Markt handelt oder nicht, welche Finanzinstrumente gehandelt werden, welche Marktteilnehmer vertreten sind und welcher Anteil am Handel auf Privatanleger entfällt.

    Marktpraktiken, insbesondere neue oder sich entwickelnde Marktpraktiken dürfen nicht deshalb als unzulässig festgelegt werden, weil diese zuvor noch nicht ausdrücklich als zulässig festgelegt wurden.

    Die FMA hat die als zulässig festgelegten Marktpraktiken regelmäßig auf ihre weitere Zulässigkeit zu überprüfen und dabei insbesondere wesentliche Änderungen im Handelsumfeld des betreffenden Marktes, wie geänderte Handelsregeln oder Infrastruktur des Marktes, zu berücksichtigen.

  1. 2. Vor Erlassung einer Verordnung gemäß diesem Absatz und unbeschadet des § 48q Abs. 2 hat die FMA die Börseunternehmen sowie die Interessenvertretungen der Emittenten, Finanzdienstleistungserbringer und Verbraucher und allfällige andere Marktbetreiber zu konsultieren. Im Rahmen dieses Konsultationsverfahrens hat die FMA auch zuständige Behörden anderer Mitgliedstaaten zu konsultieren, insbesondere wenn vergleichbare Märkte (mit ähnlichen Strukturen, Geschäftsvolumen, Transaktionen) existieren. Vor einer Änderung oder Aufhebung einer solchen Verordnung ist dasselbe Konsultationsverfahren durchzuführen.
  2. 3. In der Verordnung hat eine angemessene Beschreibung der Marktpraxis zu erfolgen und sind die Faktoren anzuführen, die bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der betreffenden Marktpraxis berücksichtigt wurden, insbesondere wenn die Zulässigkeit ein und derselben Marktpraxis auf verschiedenen Märkten unterschiedlich bewertet wurde.
  3. 4. Die Verordnung ist gleichzeitig mit ihrer Erlassung auch dem Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden zu übermitteln.

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