§ 35 JGH-Wien-Auflassung

Alte FassungIn Kraft seit 01.1.1989

Verwahrungs- und Untersuchungshaft bei jugendlichen Beschuldigten

§ 35.

(1) Über Jugendliche ist die Verwahrungs- und die Untersuchungshaft (§§ 175, 180 StPO) nicht zu verhängen oder aufrechtzuerhalten, wenn ihr Zweck durch familienrechtliche oder jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen, allenfalls in Verbindung mit einem gelinderen Mittel (§ 180 Abs. 5 StPO), erreicht werden kann oder bereits erreicht ist. Überdies darf die Untersuchungshaft nur dann verhängt werden, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und zu der zu erwartenden Strafe stehen. Die für die Entscheidung über die Verhängung und Aufrechterhaltung der Haft maßgeblichen Umstände sind, erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme der Organe der Jugendgerichtshilfe, zu erheben.

(2) Eine Haftprüfungsverhandlung ist von Amts wegen durchzuführen, wenn die Untersuchungshaft schon 20 Tage gedauert hat, ohne daß eine solche Verhandlung stattgefunden hat. § 194 Abs. 3 zweiter Satz StPO ist anzuwenden. Die Ratskammer kann den Haftprüfungsverhandlungen insbesondere Organe der Jugendgerichtshilfe beiziehen.

(3) Die über einen jugendlichen Beschuldigten verhängte Untersuchungshaft darf bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht länger als drei Monate, liegt dem Beschuldigten aber eine strafbare Handlung zur Last, die in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes oder des Geschwornengerichtes fällt, nicht länger als sechs Monate dauern. Auf Antrag des Untersuchungsrichters, Vorsitzenden oder Staatsanwaltes kann der Gerichtshof zweiter Instanz wegen der durch eine Mehrzahl der Beschuldigten oder der zu untersuchenden Taten oder sonst durch außergewöhnliche Umstände bedingten besonderen Schwierigkeit bestimmen, daß die Haft insgesamt bis zu einem Jahr dauern darf. Eine Verlängerung der Haft im bezirksgerichtlichen Verfahren ist unzulässig.

(4) Von der Anhaltung eines Jugendlichen, der nicht sogleich wieder freigelassen werden kann, sind ohne unnötigen Aufschub jedenfalls ein Erziehungsberechtigter oder ein mit dem Jugendlichen in Hausgemeinschaft lebender Angehöriger sowie ein für den Jugendlichen allenfalls bereits bestellter Bewährungshelfer zu verständigen, es sei denn, daß der Jugendliche dem aus einem triftigen Grund widerspricht.

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