§ 35 JGH-Wien-Auflassung

Alte FassungIn Kraft seit 01.1.1994

ÜR: Art. IV Abs. 5, BGBl. Nr. 526/1993

Verwahrungs- und Untersuchungshaft bei jugendlichen Beschuldigten

§ 35.

(1) Über Jugendliche ist die Verwahrungs- und die Untersuchungshaft (§§ 175, 180 StPO) nicht zu verhängen oder aufrechtzuerhalten, wenn ihr Zweck durch familienrechtliche oder jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen, allenfalls in Verbindung mit einem gelinderen Mittel (§ 180 Abs. 5 StPO), erreicht werden kann oder bereits erreicht ist. Überdies darf die Untersuchungshaft nur dann verhängt werden, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und zu der zu erwartenden Strafe stehen.

(2) Die Ermittlung der für die Entscheidung über die Untersuchungshaft maßgeblichen Umstände kann insbesondere auch durch Organe der Jugendgerichtshilfe erfolgen; diese sind den Haftverhandlungen nach Möglichkeit beizuziehen.

(3) Ein jugendlicher Beschuldigter ist jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon drei Monate, handelt es sich jedoch um ein Verbrechen, das in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes oder des Geschworenengerichtes fällt, schon ein Jahr in Untersuchungshaft befindet, ohne daß die Hauptverhandlung begonnen hat. Im zuletzt genannten Fall darf die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur dann aufrechterhalten oder fortgesetzt werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist.

(4) Von der Anhaltung eines Jugendlichen, der nicht sogleich wieder freigelassen werden kann, sind ohne unnötigen Aufschub jedenfalls ein Erziehungsberechtigter oder ein mit dem Jugendlichen in Hausgemeinschaft lebender Angehöriger sowie ein für den Jugendlichen allenfalls bereits bestellter Bewährungshelfer und der Jugendwohlfahrtsträger zu verständigen, es sei denn, daß der Jugendliche dem aus einem triftigen Grund widerspricht.

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