Ausnahme von der Verpflichtung zur Gewährung des Netzzugangs
§ 22
(1) Hat ein Netzbetreiber einem Netzzugangsberechtigten den Netzzugang gemäß § 21 Abs. 1 Z 6 verweigert, hat er unverzüglich, spätestens jedoch eine Woche, nachdem die Ablehnung dem Netzzugangsberechtigten zugegangen ist, beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einen Antrag auf Feststellung zu stellen, dass die Voraussetzungen für eine befristete Ausnahme von seiner Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 1 Z 7 vorliegen. Erfolgt die Verweigerung über Aufforderung eines dritten Erdgasunternehmens, trifft diese Verpflichtung dieses Unternehmen. Dem Antrag sind alle erforderlichen Angaben über die Art und den Umfang des Problems und die von dem Erdgasunternehmen zu dessen Lösung unternommenen Anstrengungen anzuschließen. Insbesondere hat dieser Antrag nachstehende Unterlagen zu enthalten:
- 1. Angaben über den zumutbaren Marktöffnungsgrad, der ohne eine spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden kann;
- 2. das Ausmaß der Einschränkung des Rechtes auf Netzzugang sowie dessen voraussichtliche Dauer;
- 3. den Kreis der von dieser Maßnahme betroffenen Kunden sowie das allenfalls nach Kundenkategorien differenzierte Ausmaß der Einschränkung ihrer Rechte gemäß §42 sowie
- 4. jene Beweismittel, die zur Beurteilung der im Abs.5 angeführten Gesichtspunkte erforderlich sind.
(2) Sind dem Antrag gemäß Abs. 1 nicht alle unter Z 1 bis 4 angeführten Unterlagen angeschlossen, und werden diese auch nicht nach Aufforderung gemäß § 13 AVG beigebracht, ist der Antrag ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
(3) Mit der Einleitung des Feststellungsverfahrens (Abs. 1) sind die gemäß § 21 Abs. 4 anhängigen Verfahren, soweit sie die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer auf § 21 Abs. 1 Z 6 gestützten Begründung der Netzzugangsverweigerung zum Gegenstand haben, bis zur Entscheidung über den Feststellungsantrag ausgesetzt.
(4) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat über den Antrag gemäß Abs. 1 mittels Feststellungsbescheid zu entscheiden. Dem Antrag ist zu entsprechen, wenn das antragstellende Erdgasunternehmen nachweist, dass wegen seiner im Rahmen eines oder mehrerer Erdgaslieferverträge eingegangenen unbedingten Zahlungsverpflichtungen eine spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit entsteht oder eine solche Beeinträchtigung zu befürchten ist und keine wirtschaftlich tragfähigen Alternativlösungen zur Verfügung stehen. Die Entscheidung hat insbesondere auch das Ausmaß festzustellen, in dem der Marktzugang zu gewähren ist (Marktöffnungsgrad), den Kreis der von dieser Maßnahme betroffenen Kunden, das jeweilige Ausmaß der Einschränkung ihres Rechtes auf freien Netzzugang sowie die Dauer, für die diese Ausnahme gewährt wird, zu enthalten.
(5) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat bei seiner Entscheidung gemäß Abs. 4 insbesondere nachstehende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
- 1. das Ziel der Vollendung eines wettbewerbsorientierten Erdgasmarktes;
- 2. die Notwendigkeit, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten;
- 3. die Stellung des Erdgasunternehmens auf dem Erdgasmarkt und die derzeitige Wettbewerbslage auf diesem Markt;
- 4. die Schwere der Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit von Erdgasunternehmen und Fernleitungsunternehmen sowie jene von Kunden;
- 5. den Zeitpunkt der Unterzeichnung sowie die Bedingungen des betreffenden Vertrags oder der betreffenden Verträge und inwieweit diese Marktänderungen berücksichtigen;
- 6. die zur Lösung des Problems unternommenen Anstrengungen;
- 7. inwieweit das Unternehmen beim Eingehen der betreffenden unbedingten Zahlungsverpflichtungen unter Berücksichtigung der Erdgasbinnenmarktrichtlinie vernünftigerweise mit dem wahrscheinlichen Auftreten einer spürbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit hätte rechnen können;
- 8. das Ausmaß, in dem das Netz mit anderen Netzen verbunden ist, sowie den Grad an Interoperabilität dieser Netze;
- 9. die Auswirkungen, die die Genehmigung einer Ausnahme von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Bezug auf das einwandfreie Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes haben würde.
Keine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit liegt vor, wenn die Erdgasverkäufe nicht unter die in Erdgaslieferverträgen mit unbedingter Zahlungsverpflichtung vereinbarte garantierte Mindestabnahmemenge sinken oder sofern der betreffende Erdgasliefervertrag mit unbedingter Zahlungsverpflichtung angepasst werden oder das Erdgasunternehmen wirtschaftlich tragfähige Absatzalternativen finden kann.
(6) Wurde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine befristete Ausnahme von einer Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 1 Z 7 bescheidmäßig festgestellt (Abs. 4), hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung zu bestimmen, dass einem Netzbetreiber zur Gänze oder teilweise eine befristete Ausnahme von seiner Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 1 Z 7 gewährt wird. Die Verordnung hat insbesondere auch das Ausmaß zu enthalten, in dem der Netzzugang zu gewähren ist (Marktöffnungsgrad), den Kreis der von dieser Maßnahme betroffenen Kunden, das jeweilige Ausmaß der Einschränkung ihres Rechtes auf freien Netzzugang sowie die Dauer für die diese Ausnahme gewährt wird. Eine Differenzierung der Einschränkung des Rechtes auf Netzzugang nach Kundenkategorien ist zulässig. Dabei ist insbesondere auf die aus Artikel 18 der Erdgasbinnenmarktrichtlinie ableitbaren Grundsätze Bedacht zu nehmen.
(7) Die gemäß Abs. 6 zu erlassende Verordnung ist im “Amtsblatt zur Wiener Zeitung" kundzumachen.
(8) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat seine Entscheidung gemäß Abs. 4 sowie die Verordnung gemäß Abs. 6 zusammen mit allen einschlägigen Angaben unverzüglich der Kommission der Europäischen Union zu übermitteln.
(9) Verlangt die Kommission der Europäischen Union innerhalb von vier Wochen nach Einlangen der Mitteilung eine Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung über die Genehmigung einer Ausnahme, kann der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit den Feststellungsbescheid gemäß § 68 Abs. 6 AVG beheben oder abändern und die gemäß Abs. 6 erlassene Verordnung aufheben oder abändern. Fasst die Kommission nach dem Verfahren I des Artikels 2 des Beschlusses 87/373/EWG einen endgültigen Beschluss, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nach Maßgabe dieses Beschlusses den gemäß Abs. 4 erlassenen Feststellungsbescheid gemäß § 68 Abs. 6 AVG zu beheben oder abzuändern und die gemäß Abs. 6 erlassene Verordnung aufzuheben oder abzuändern. Eine Behebung oder Abänderung des Feststellungsbescheides gemäß Abs. 4 hat auch dann zu erfolgen, wenn die gemäß Abs. 6 erlassene Verordnung vom Verfassungsgerichtshof teilweise oder zur Gänze aufgehoben wird.
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