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2.2.1.3. Abgrenzung zwischen Dienstleistungs- und Bauaufträgen

Heid4. AuflDezember 2015

Abgrenzung zwischen Dienstleistungs- und Bauaufträgen

Main-object test

373
Für die Abgrenzung zwischen Dienstleistungs- und Bauaufträgen gibt es keine der Abgrenzung zwischen Dienstleistungs- und Lieferaufträgen entsprechende allgemeine Regel. § 9 Abs 2 BVergG enthält lediglich eine Sonderregel für den Fall, dass ein Dienstleistungsauftrag auch Bauarbeiten im Umfang von bloßen „Nebenarbeiten“ umfasst und bestimmt, dass dies für die Einordnung des Gesamtauftrages als Dienstleistungsauftrag nicht schädlich ist.832832In diesem Sinn siehe nunmehr auch der 8. Erwägungsgrund der VergabeRL 2014/24 : „Öffentliche Dienstleistungsaufträge, insbesondere im Bereich der Grundstücksverwaltung, können unter bestimmten Umständen Bauleistungen umfassen. Sofern diese Bauleistungen jedoch nur Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptgegenstand des Vertrags darstellen und eine mögliche Folge oder eine Ergänzung des letzteren sind, rechtfertigt die Tatsache, dass der Vertrag diese Bauleistungen umfasst, nicht eine Einstufung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags als öffentlicher Bauauftrag.“ Zu denken ist in diesem Zusammenhang vor allem an (kleinere) laufende Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten im Rahmen eines umfassenden (technischen) Facilitymanagementvertrages bzw eines (technischen) Betriebsführungsvertrages. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungsaufträgen nicht nach dem finanziellen Überwiegen erfolgt („main-value test“), sondern danach, welcher Vertragsteil inhaltlich und funktional den Hauptgegenstand des Vertrages bildet („main-object test“).833833EuGH 19.4.1994, Rs C-331/92 (Gestion Hotelera Internacional); EuGH 18.1.2007, Rs C-220/05 (Jean Auroux) = RPA 2007, 41 und EuGH 6.5.2010, Rs C-145/08 und C-149/08 (Loutraki). Siehe auch die Schlussanträge von GA Alber vom 18.11.2001 in der Rs Universale Bau (Rs C-470/99 ), wonach bei einem Vertrag über „Reinigung von Abwässern, Entsorgung von Klärschlamm und der Entsorgung von Sondermüll“ auch dann weiterhin von einem Dienstleistungsauftrag auszugehen ist, wenn nachträglich vom Auftragnehmer auch eine Pflicht zum Ausbau der bestehenden Kläranlage übernommen wird. Ähnlich EuGH 10.4.2003, Rs C-20/01 und 28/01 (Bockhorn), wonach bei einem 30-jährigen Abwasserentsorgungsauftrag die Errichtungsleistungen gegenüber den Dienstleistungen nur untergeordneten Charakter haben. Zur Einordnung von „Stadtentwicklungsprogrammen“ als Dienstleistung siehe EuGH 26.5.2011, C-306/08 (Programm Valencia) = RPA 2011, 290 (mit Anm Reisner), da neben der Herstellung von Infrastruktur wie Straßen, Wasser-, Gas- und Stromleitungen oder Kanalsträngen vor allem auch die Erwirkung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen, die gesamten Planungsleistungen, die Durchführung von Ausschreibungen und Kontrolle der Baumaßnahmen sowie der Finanzierungsplan geschuldet waren. Die österreichische Rechtsprechung folgt diesem Grundsatz: Das BVA hat bereits mehrmals die Sanierung einer Altlast aufgrund überwiegender Dienstleistungselemente (Transport, Abfallbeseitigung bzw -verwertung) gegenüber den Bauleistungselementen (Aushub, Wiederherstellungsmaßnahmen) als Dienstleistungsauftrag qualifiziert.834834BVA 2.8.2013, N/0054-BVA/02/2013-23b = RPA 2013, 334 (mit Anm Keschmann); BVA 23.11.2011, N/0104-BVA/14/2004/11-41 (siehe dazu Casati, Altlastsanierung unter Beteiligung eines privaten Auftraggebers, RPA 2012, 65); BVA 12.7.2006, N/0041-BVA/07/2006-49 = RPA 2007, 18 (mit Anm Walther/R. Madl).

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