Rechtsgeschichtlich betrachtet war der Gedanke der Unauflösbarkeit einer gültig geschlossenen Ehe durch die Jahrhunderte der Herrschaft des kirchlichen Eherechts zutiefst im österreichischen Rechtsbewusstsein verankert.518 Das ABGB in seiner Stammfassung machte bei der Frage, ob eine Ehe auch durch andere Art als durch den Tod getrennt werden könne, einen Unterschied zwischen Katholiken (die den weitaus überwiegenden Bevölkerungsanteil stellten) und Nicht-Katholiken: Gemäß § 111 der Urfassung des ABGB konnte eine Ehe, bei deren Eingehung auch nur ein Teil katholisch war, nur durch den Tod getrennt werden.519 Eine Trennung dem Bande nach gab es für Katholiken nicht.520 Es bestand nur die Möglichkeit der Scheidung von Tisch und Bett (§§ 103 ff ABGB 1811), also der gerichtlichen Aufhebung der Verpflichtung, einen gemeinschaftlichen Haushalt zu führen und einander ehelich beizuwohnen. Eine Wiederverheiratung war grundsätzlich ausgeschlossen.521 Erst 1938 kam es durch die Übernahme des deutschen Ehegesetzes zur Einführung eines allgemeinen konfessionell unabhängigen Scheidungsrechts.522 Seither ist nach österreichischem Recht die Auflösung der Ehe durch Ehescheidung gestattet, gleich welcher Religion die Betreffenden angehören.