Normen
BauO Wr §134a Abs1
BauRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021050025.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 und der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) wurden die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Magistrates des Stadt Wien vom 28. Mai 2020, mit dem deren Einwendungen in einem gemäß § 70a der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) durchgeführten Baubewilligungsverfahren der mitbeteiligten Partei zum Teil als unbegründet abgewiesen, zum Teil als unzulässig zurückgewiesen worden waren, abgewiesen und der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid bestätigt.
2 Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis sind die revisionswerbenden Parteien Eigentümer von an die Bauliegenschaft unmittelbar angrenzenden Grundstücken (die erst‑ und zweitrevisionswerbenden Parteien im Osten, die dritt‑ und viertrevisionswerbenden Parteien im Westen). Die revisionswerbenden Parteien sind somit Eigentümer benachbarter Liegenschaften im Sinn des § 134 Abs. 3 BO. Sie haben gegen das revisionsgegenständliche Bauvorhaben rechtzeitig Einwendungen im Sinn des § 70a Abs. 8 BO erhoben und Parteistellung erlangt.
3 Eine Revision gegen das angefochtene Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht mit der Begründung für zulässig, dass „in einzelnen Aspekten Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu beurteilen waren, denen im Hinblick auf das Fehlen einschlägiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung“ zukomme. Das im vereinfachten Baubewilligungsverfahren eingereichte Bauvorhaben stelle sich dabei „in mehrfacher Hinsicht so dar, dass die Bauwerberin rechtliche Grenzbereiche“ auslote. Die Bestätigung durch den Ziviltechniker umfasse ebenfalls diese Grenzbereiche und gehe von baurechtlichen Annahmen aus, „die im Verfahren kontrovers diskutiert und mit gegensätzlichen Rechtsgutachten belegt“ worden seien.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
5 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils Revisionsbeantwortungen, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragen. Die revisionswerbenden Parteien erstatteten eine Replik.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, oder auch 24.9.2019, Ra 2019/06/0104, jeweils mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, 14.12.2017, Ro 2015/07/0043, oder auch nochmals 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, jeweils mwN).
11 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. für viele nochmals VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020 oder auch 25.9.2019, Ro 2019/05/0013, jeweils mwN).
12 In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr ‑ hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts ‑ als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. etwa erneut VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027).
13 Im Revisionsfall legt das Verwaltungsgericht mit seinen allgemeinen Ausführungen zur Zulassung der Revision im angefochtenen Erkenntnis nicht dar, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage, die für das gegenständliche Verfahren von entscheidender Bedeutung wäre, der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Revision (erstmals) zu lösen habe. Zweck der Begründungspflicht des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist die Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 25.3.2020, Ro 2020/10/0005, mwN); eine solche wird mit den allgemeinen Formulierungen des Verwaltungsgerichtes nicht ansatzweise angesprochen.
14 Die revisionswerbenden Parteien bringen in ihrer Revision zur Zulässigkeit zusammengefasst vor, bei zwei Bauplätzen sei mangels Gruppe die Gruppenbauweise nicht möglich. Die Entscheidung der belangten Behörde, wonach die Gruppenbauweise bei nur zwei Bauplätzen zulässig wäre, widerspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (Verweis auf VwGH 30.1.2014, 2012/05/0048). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sei weiters, ob das vereinfachte Baubewilligungsverfahren nach § 70a BO zulässig sei, wenn dem Bauverfahren ein „rechtswidriger Bescheid“ zugrunde liege; der „angefochtene Bescheid“ konterkariere den gültigen Flächenwidmungs‑ und Bebauungsplan. Außerdem sei eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung die Beurteilung des Begriffes „Front“ in § 79 Abs. 3 BO. Zur Frage, ob das entscheidende Kriterium in § 79 Abs. 3 BO „die Ansichtsfläche oder die Abstandsfläche ‑ zu den [dritt‑ und viertrevisionswerbenden Parteien] gibt es nur eine Abstandsfläche ‑“ sei, fehle eine eindeutige höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die im angefochtenen Erkenntnis herangezogene Rechtsprechung sei aus näheren Gründen nicht anwendbar.
15 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan.
16 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. für viele z.B. VwGH 19.4.2021, Ra 2021/05/0002, mwN). Die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass die in dieser Bestimmung genannte Rechtsfrage eine solche ist, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG zumindest möglich ist (vgl. dazu etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2019/06/0092, mwN).
17 Die Aufzählung der subjektiv‑öffentlichen Nachbarrechte in § 134a Abs. 1 BO ist taxativ (vgl. z.B. VwGH 25.9.2020, Ra 2020/05/0173, oder auch 5.3.2014, 2011/05/0135, jeweils mwN).
18 Soweit die revisionswerbenden Parteien ausführen, bei zwei Bauplätzen sei mangels Gruppe die Gruppenbauweise nicht möglich, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht hierzu mit näherer Begründung ausgesprochen hat, dass diese Frage die Rechtssphäre der Nachbarn als benachbarte Liegenschaftseigentümer nicht berührt und die belangte Behörde die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien in diesem Punkt daher zurückgewiesen hat. Dagegen bringen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass nach der BO ein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Einhaltung einer bestimmten Bauweise bzw. Bebauungsart nicht besteht (vgl. dazu VwGH 27.8.2014, 2013/05/0009 bzw. nochmals 25.9.2020, Ra 2020/05/0173). Fallbezogen wird wie erwähnt nicht ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die revisionswerbenden Parteien durch die Tatsache, dass es sich bei dem Baugrundstück um einen einzigen Bauplatz handelt und sich die Festlegung der Gruppenbauweise nur auf das Baugrundstück und ein Nachbargrundstück bezieht, in einem ihnen durch § 134a Abs. 1 BO eingeräumten Nachbarrecht verletzt sein sollen. Eine Verletzung in ihrem subjektiv‑öffentlichen Recht auf flächenmäßige Ausnützbarkeit des Bauplatzes legen die revisionswerbenden Parteien mit ihrem Vorbringen, bei zwei Bauplätzen sei mangels Gruppe die Gruppenbauweise nicht möglich, jedenfalls nicht dar. Soweit im Zusammenhang mit der „Gruppenbauweise“ darüber hinaus das zur Rechtslage im Bundesland Oberösterreich ergangene Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2012/05/0048, ins Treffen geführt wird, ist ‑ ungeachtet der bereits dargelegten Irrelevanz angesichts des Fehlens eines diesbezüglichen subjektiven Rechtes ‑ darauf hinzuweisen, dass im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung konkret darzulegen ist, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht (vgl. dazu für viele etwa VwGH 27.11.2020, Ra 2020/05/0230, mwN). Dieser Anforderung genügt die vorliegende Zulässigkeitsbegründung nicht.
19 Wenn die revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revision weiters die Frage stellen „ob das vereinfachte Baubewilligungsverfahren nach § 70a BO für Wien zulässig“ sei, wenn dem Bauverfahren ein rechtswidriger Bescheid zugrunde liege, und gleichzeitig ausführen, der „angefochtene Bescheid“ konterkariere den gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, legen sie damit weder offen, auf welchen konkreten Bescheid sie sich beziehen, noch, welche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem vereinfachten Verfahren nach § 70a BO der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zu klären hätte. Die revisionswerbenden Parteien haben im Bauverfahren unstrittig zulässige Einwendungen nach § 70a Abs. 8 BO erhoben und sind folglich sowohl von der Baubehörde als auch vom Verwaltungsgericht als Parteien des Verfahrens behandelt worden, sodass diesbezüglich eine grundsätzliche Rechtsfrage, abgesehen davon, dass eine solche in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt wird, nicht erkennbar ist.
20 Soweit die revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit schließlich ausführen, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege in der Beurteilung des Begriffes „Front“ in § 79 Abs. 3 BO und in diesem Zusammenhang in sprachlich wie inhaltlich unklarer Weise vorbringen, es fehle Rechtsprechung zur Frage ob „das entscheidende Kriterium“ in der genannten Norm „die Ansichtsfläche oder die Abstandsfläche“ sei, ist nicht erkennbar, welche konkrete, auf den vorliegenden Sachverhalt bezogene Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung damit für den Revisionsfall angesprochen werden soll und inwieweit das Schicksal der Revision ‑ für welche der revisionswerbenden Parteien ‑ von der Beantwortung einer solchen Rechtsfrage abhängen sollte.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 6. Juli 2021
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