Normen
AsylG 2005 §7 Abs3
EURallg
NAG 2005 §45 Abs8
32011L0051 Daueraufenthalt-RL Art7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200064.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Mitbeteiligten, einem russischen Staatsangehörigen, wurde vom (damaligen) Bundesasylamt mit dem (mangels Erhebung einer Berufung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 30. Juni 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Gemäß § 75 Abs. 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) galt ihm ab In‑Kraft‑Treten des AsylG 2005, somit ab dem 1. Jänner 2006 (§ 73 Abs. 1 AsylG 2005), der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.
2 Mit Bescheid vom 22. Februar 2021 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigen gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt sowie gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt werde, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde dem Mitbeteiligten nach § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Allerdings wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Mitbeteiligten gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA‑Verfahrensgesetz für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt.
3 Das Bundesverwaltungsgericht hob über Beschwerde des Mitbeteiligten diesen Bescheid mit dem Erkenntnis vom 25. Jänner 2022 auf. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 In der Begründung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass fallbezogen eine auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) gestützte Aberkennung (nach Ansicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl habe sich der Mitbeteiligte durch die Ausstellung eines Reisepasses seines Heimatlandes sowie durch oftmalige Heimreisen wieder unter den Schutz des Herkunftsstaates gestellt) auf Basis des gegebenen Sachverhalts nicht zulässig sei. Der Mitbeteiligte sei nämlich nicht im Sinn des § 7 Abs. 3 iVm § 2 Abs. 3 AsylG 2005 straffällig geworden. Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Aberkennung sei auch nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt. Der Mitbeteiligte habe seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, der zudem auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 22. Februar 2021 bestanden habe. Über einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfüge der Mitbeteiligte nicht.
5 Über die dagegen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene und samt den Verfahrensakten vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
6 Die Revision erweist sich als nicht zulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 17.1.2022, Ra 2021/20/0465, mwN).
11 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.3.2022, Ra 2022/20/0047, mwN).
12 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl macht zur Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision geltend, der Mitbeteiligte habe in den letzten fünf Jahren nicht durchgehend einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt. Darauf sei bei der Interpretation des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 abzustellen.
13 Soweit sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Begründung dieser ‑ von ihm zugestanden ‑ nicht dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 entsprechenden Rechtsansicht auf Vorschriften der Richtlinie 2003/109/EG idF der Richtlinie 2011/51/EU (Daueraufenthaltsrichtlinie) beruft, kann es hier genügen, darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie keine Regelungen dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Fremden der ihm früher zuerkannte Status des Asylberechtigten abzuerkennen ist. Insoweit ist die Rechtslage eindeutig, weshalb sie auch keiner weiteren Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. VwGH 9.3.2022, Ra 2021/11/0137, mwN).
14 Im Übrigen ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt ‑ EU“ zu erteilen ist, nicht vom Prozessgegenstand des hier in Rede stehenden Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht erfasst.
15 Im Hinblick auf das weitere ‑ nach dem Gesagten aber nicht den hier relevanten Verfahrensgegenstand betreffende ‑ Revisionsvorbringen ist der Vollständigkeit halber zudem darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt ‑ EU“ gemäß § 45 Abs. 8 NAG aufgrund einer nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 erfolgten Verständigung nicht um einen antragsgebundenen Akt, sondern um amtswegiges Vorgehen handelt (vgl. VwGH 15.12.2021, Ra 2021/20/0372; 12.4.2022, Ra 2022/22/0019). Dass in der Daueraufenthaltsrichtlinie die Erteilung dieses Aufenthaltstitels nicht von Amts wegen, sondern nach dessen Art. 7 Abs. 1 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen vorgesehen ist, führt, anders als das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl meint, nicht dazu, dass die von der Behörde nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 vorzunehmende Verständigung als ein vom Drittstaatsangehörigen gestellter Antrag anzusehen wäre.
16 Weiters bringt die revisionswerbende Behörde vor, auch das Bundesverwaltungsgericht wäre nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 verpflichtet gewesen, die nach dem NAG zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen (vgl. dazu jüngst VwGH 25.4.2022, Ra 2020/01/0301). Zur Relevanz des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insoweit gesehenen Verfahrensfehlers wird in der Zulassungsbegründung unter der Überschrift „Relevanz dieser Rechtsfragen“ wörtlich ausgeführt:
„Die Rechtsfragen sind fallbezogen relevant, weil sich die mP im Jahr 2017 einen Reisepass ausstellen ließ und mehrmals in die Russische Föderation reiste. Insofern ist ohne besondere, von der mP darzulegende Umstände, von einer Unterschutzstellung iSd Art 1 Abschnitt C Z 1 GFK auszugehen (vgl VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0046; 28.11.2019, Ra 2019/19/0422).
Dementsprechend wäre das Verfahren bei Verständigung der NAG‑Behörde durch das BVwG oder bei Nichtanwendbarkeit des § 7 Abs 3 AsylG 2005 aufgrund Lücken im 5‑Jahres‑Zeitraum anders ausgegangen.“
17 Damit spricht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aber nur Sachverhaltselemente an, die für das Vorliegen des in § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 enthaltenen Tatbestandes Bedeutung haben. Feststellungen dazu wären aber letztlich fallbezogen nur dann erforderlich gewesen, wenn nicht schon die Erfüllung anderer für die Zulässigkeit der Aberkennung notwendiger Tatbestände zu verneinen wäre.
18 Welche nach Vornahme einer Verständigung nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 konkret rechtlich maßgeblichen Feststellungen vom Bundesverwaltungsgericht hätten getroffen werden können, so dass dann auch Feststellungen zur Beurteilung der Frage, ob ein Endigungsgrund im Sinn des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK gegeben ist, notwendig gewesen wären, wird aber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der gemäß § 34 Abs. 1a VwGG für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen gesonderten Begründung nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht dargetan (und wie bloß der Vollständigkeit halber zu erwähnen ist: auch nicht in den Revisionsgründen).
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 6. Mai 2022
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