Normen
AVG §52
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022120060.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark und ist in der Abteilung 8 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung (Gesundheit, Pflege und Wissenschaft, Fachabteilung Gesundheit und Pflegemanagement, Referat Krankenanstalten/Strahlenschutzrecht) eingesetzt.
2 Die Revisionswerberin beantragte bei ihrer Dienstbehörde (der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde) die Gewährung einer Gefahrenvergütung gemäß § 173 des Gesetzes über das Dienst‑ und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L‑DBR) und begründete dies damit, dass sie bei Durchführung von Ortsaugenscheinverhandlungen im Rahmen von Bewilligungsverfahren nach dem Stmk. Krankenanstaltengesetz (StKAG) und dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) einer erhöhten Strahlenbelastung und einem erhöhten TBC‑Risiko ausgesetzt sei.
3 Mit Bescheid vom 28. August 2018 (Spruchpunkt 1) wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag ab und führte aus, das in § 173 Stmk L‑DBR normierte Kriterium der „besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben“ sei nicht erfüllt. Dabei stützte sie sich auf ein Gutachten (arbeitsmedizinische Stellungnahme) des nichtamtlichen Sachverständigen Dr. W, aus dem zusammengefasst hervorgehe, dass in Bezug auf die unterschiedlichen Gefahrenquellen (Gase, Chemikalien) selbst bei einer lebenslangen achtstündigen Exposition kein erhöhtes Gesundheitsrisiko für die in den Einrichtungen beschäftigten ArbeitnehmerInnen bestehe. Hinsichtlich der Revisionswerberin sei zudem festzuhalten, dass sie in dem speziellen Arbeitsumfeld nicht selbst tätig sei, sondern lediglich eine begutachtende, kontrollierende Funktion ausübe und somit keinen direkten Kontakt mit der Arbeitsumgebung habe; die Begehungen (Ortsaugenscheine) könnten teils zudem auch nicht im „belegten Zustand“ und außerhalb des tatsächlichen Gefahrenbereichs erfolgen.
4 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Darin brachte sie zusammengefasst unter anderem vor, dem beigezogenen Arbeitsmediziner fehle es an erforderlichem Fachwissen und seine Stellungnahme nehme nicht ausreichend konkret auf die Tätigkeit der Revisionswerberin Bezug. Dazu erstattete die Revisionswerberin nähere Ausführungen.
5 Das Verwaltungsgericht Steiermark bestellte im Beschwerdeverfahren den bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren herangezogenen Sachverständigen Dr. W zum nichtamtlichen Sachverständigen, holte eine Stellungnahme der Ärztekammer Steiermark zur fachlichen Qualifikation des Sachverständigen ein, nahm eine Erörterung der bislang erstatteten gutachterlichen Stellungnahme im Rahmen einer am 12. November 2019 stattgefundenen Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vor, veranlasste die Ergänzung dieses Gutachtens auf Basis von ergänzend vorgelegten Personendosimeter-Auswertungsdaten für den Zeitraum Jänner 2018 bis Dezember 2018 und September 2019, gewährte den Parteien schriftlich Gehör zu einem in einem Parallelverfahren zum vergleichbaren Gegenstand erstatteten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten sowie zum ergänzenden Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. W und erörterte diese (Sachverständigen‑)Beweise abschließend im Rahmen eines weiteren Verhandlungstermins am 20. Jänner 2022.
6 Die Revisionswerberin sprach sich im Beschwerdeverfahren gegen die Heranziehung des Sachverständigen Dr. W durch das Verwaltungsgericht aus und begründete dies mit dem Umstand, dass dieser „bereits für die erstinstanzlich tätige Behörde ein Sachverständigen-Gutachten erstellt“ habe. Seine Heranziehung durch das Verwaltungsgericht stelle einen gravierenden Verfahrensmangel dar und sie stelle aus diesem Grund auch den Antrag, die erkennende Richterin möge sich unter Anzeige ihrer Befangenheit ihres Amtes enthalten.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde ab. Den auf die behauptete Befangenheit des Sachverständigen und der Richterin gestützten Anträgen kam es mit näherer Begründung nicht nach. In der Sache unterzog es die im Verfahren erörterten Beweismittel einer näheren Beweiswürdigung, stützte darauf seine Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, dass das Vorliegen einer „besonderen Gefahr für Gesundheit und Leben“, die mit der Dienstverrichtung der Revisionswerberin für sie verbunden wäre, zu verneinen und die Gewährung der beantragten Gefahrenvergütung nach § 173 Stmk DBR daher zu versagen sei. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Mit dem in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision erstatteten Vorbringen, dass die Unbefangenheit des Dr. W als Sachverständiger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht deshalb in Zweifel zu ziehen sei, weil er bereits als Sachverständiger „für die Behörde erster Instanz“ tätig gewesen sei, wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt. Hinsichtlich der Frage, ob es zulässig ist, dass ein Sachverständiger, der bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als Sachverständiger tätig geworden ist, auch vom Verwaltungsgericht in derselben Sache als Sachverständiger beigezogen wird, hat sich der Verwaltungsgerichtshof dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, E 707/2014, angeschlossen. Danach schließt der Umstand eines Tätigwerdens des Sachverständigen für die Verwaltungsbehörde, vorbehaltlich einer Prüfung, ob der Sachverständige unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird, ist, eine Heranziehung durch das Verwaltungsgericht nicht aus (vgl. VwGH 14.4.2016, Ra 2015/06/0037; 17.2.2015, Ra 2014/09/0037; 20.6.2016, Ra 2016/09/0046; 24.5.2022, Ra 2021/03/0167, Rz 127 mwN). Entgegen dem Revisionsvorbringen ist diese Konstellation mit den dem hg. Erkenntnis vom 20.9.2018, Ra 2018/11/0077, 0078, zugrunde liegenden besonderen Umständen (im Fall eines Gutachters, der einerseits im Auftrag einer Verfahrenspartei an der Erstellung eines für eine Genehmigung eingereichten „Betriebskonzepts“ mitgewirkt und auch eine der Beschwerde gegen den die Genehmigung versagenden Bescheid beigelegte Stellungnahme verfasst hat, andererseits aber im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als nichtamtlicher Sachverständiger herangezogen wurde) nicht vergleichbar. Der Umstand allein, dass der Sachverständige bereits vor der Verwaltungsbehörde beigezogen worden war, wirft hinsichtlich einer vom Verwaltungsgericht für notwendig erachteten Beiziehung des Sachverständigen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Rechtsfrage auf, der grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 29.5.2019, Ra 2018/06/0085; 25.5.2021, Ra 2020/06/0256).
13 Da die Revisionswerberin auch die behauptete Befangenheit der erkennenden Richterin des Verwaltungsgerichts ausschließlich daraus ableitet, dass diese dem ‑ allein aufgrund seiner vorherigen Befassung im verwaltungsbehördlichen Verfahren erhobenen ‑ Befangenheitseinwand gegen den Sachverständigen (wie dargelegt: in unbedenklicher Weise) nicht gefolgt ist, zeigt die Revision auch mit der auf die Richterin bezogenen Behauptung einer Befangenheit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richterin begründet nämlich nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorgelegenen Sachverhaltes die Teilnahme eines Mitglieds des Verwaltungsgerichts an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 3.4.2023, Ra 2021/12/0032, mwN).
14 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ‑ nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung ‑ gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2023
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