Normen
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §12 Abs3
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §4 Abs3
EpidemieG 1950 §17
EpidemieG 1950 §17 Abs1
EpidemieG 1950 §17 Abs3
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5
EpidemieG 1950 §46
EpidemieG 1950 §7
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030052.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht ‑ durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde ‑ den Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung einer Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) in Höhe von Euro 77.971,61 „zuzüglich USt“ für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 hinsichtlich des von der Revisionswerberin in L betriebenen Unternehmens (Vermietung von Geschäftsräumen) abgewiesen; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass eine Schließung oder Beschränkung des Betriebs der Revisionswerberin durch einen auf das EpiG gestützten Bescheid gemäß § 20 EpiG nicht erfolgt sei und dass der Betrieb nicht in einer Ortschaft liege, über die Verkehrsbeschränkungen nach § 24 EpiG verhängt wurden.
3 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht ‑ nach einer Darstellung der maßgebenden Rechtsgrundlagen ‑ zusammengefasst aus, ein Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 EpiG setze voraus, dass das betreffende Unternehmen in seinem Betrieb gemäß § 20 EpiG beschränkt oder geschlossen worden sei (Z 5), oder dass das Unternehmen in einer Ortschaft betrieben werde, über die gemäß § 24 EpiG Verkehrsbeschränkungen verhängt worden seien (Z 7). Daran fehle es. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin komme eine analoge Anwendung von § 20 Abs. 1 EpiG nicht in Betracht, weil von den auf das COVID‑19‑Maßnahmengesetz bzw. die entsprechenden Verordnungen gestützten Maßnahmen alle Unternehmer gleichermaßen betroffen seien und eine planwidrige Gesetzeslücke nicht vorliege. Zu den von der Revisionswerberin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken verwies das Verwaltungsgericht auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, und Folgeentscheidungen des Verfassungsgerichtshofs.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend:
Das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Vergütungsantrag nicht nur mit der Beschränkung bzw. Schließung des Betriebes nach § 20 EpiG begründet worden sei, sondern auch damit, dass das Betretungsverbot nach § 1 COVID‑19‑MG als Absonderung iSd § 7 EpiG und das Betretungsverbot nach § 2 Z 1 COVID‑19‑MG als Verkehrsbeschränkung iSd § 24 EpiG zu werten sei. Letztgenannte Bestimmung sei durch das COVID‑19‑MG nicht „suspendiert“ worden, zumal gemäß § 4 Abs. 3 COVID‑19‑MG die Bestimmungen des EpiG „unberührt“ blieben. Zudem wäre es mit dem „Gleichheitssatz“ nicht vereinbar, wenn die für Verkehrsbeschränkungen zuständige Behörde sich in der Rechtsgrundlage vergriffen oder aus mehreren Optionen nur eine ausgewählt hätte, und schon damit der Anspruch wegfiele; vielmehr müsse ein Entschädigungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG „unabhängig von der gesetzlichen Grundlage“ zustehen.
Für die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Betriebsanlage befinde sich nicht in einer Ortschaft, über die eine Verkehrsbeschränkung nach § 24 EpiG verhängt wurde, fehle eine nähere Begründung.
Zu den im Revisionsfall zu lösenden Rechtsfragen, insbesondere zur Auslegung des § 24 EpiG, bestehe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. So sei unklar, ob die Wortfolge „von außen angeordnet“ in § 24 EpiG dahin zu verstehen sei, dass davon auch auf Grundlage anderer Vorschriften angeordnete Maßnahmen umfasst seien, insbesondere die vom Gesundheitsminister nach § 2 Z 1 COVID‑19‑MG erlassene Verordnung. Auch der Umstand, dass § 24 EpiG nicht normiere, welche Behörde zu einer entsprechenden Anordnung befugt sei, spreche dafür, dass auch Anordnungen einer „übergeordnete Ebene“, also des Gesundheitsministers, erfasst würden.
Zwar seien durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, Fragen zur Auslegung des § 20 EpiG beantwortet worden, der dem zu Grunde liegende Ausgangsfall unterscheide sich aber wesentlich vom vorliegenden, weil damals eine Buchhandlungen betreibende Gesellschaft Anspruchswerberin gewesen sei, nunmehr aber eine Vermietungsgesellschaft, für deren Umsatzentfall der Gesetzgeber keine (anderweitigen) finanziellen Kompensationen vorgesehen habe.
9 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
10 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ‑ auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 26.4.2021, Ra 2021/03/0045, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt zudem dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. nur etwa VwGH 3.5.2021, Ra 2020/03/0146-0047, VwGH 5.3.2019, Ra 2019/03/0020, sowie ‑ zu Entschädigungsansprüchen nach dem EpiG ‑ VwGH 23.4.2021, Ra2021/09/0032).
11 Eine solche Konstellation liegt auch im Revisionsfall vor:
12 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, setzt ein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG eine Betriebsbeschränkung oder -sperre nach der Bestimmung des § 20 EpiG voraus.
13 Eine konkret auf § 20 EpiG gestützte Betriebsschließung oder -beschränkung erfolgte im vorliegenden Fall allerdings ‑ unstrittig ‑ nicht.
14 Im eben genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch klargestellt, dass durch die Regelung in § 4 Abs. 3 (nunmehr § 12 Abs. 3) COVID‑19‑MG, wonach Bestimmungen des EpiG „unberührt“ bleiben, weder der Inhalt noch der Anwendungsbereich des EpiG verändert wird, und dass diese Regelung weder etwas an den Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen iSd EpiG noch an denen für den Zuspruch einer Vergütung nach § 32 EpiG ändert. Sie bildet daher weder für sich noch im Zusammenhalt mit den auf das COVID‑19‑MG gestützten Verordnungen eine Grundlage für einen Ersatzanspruch. Vielmehr erfasst die Vergütungsregelung für Verdienstentgang nach § 32 EpiG lediglich die dort in Abs. 1 genannten, ausdrücklich nach dem EpiG geregelten Fälle (vgl. insoweit auch VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017).
15 Dass sich das Verwaltungsgericht nicht näher mit einem Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG auseinandergesetzt hat, kann daher schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründen, weil ein solcher Anspruch nach dem insoweit klaren Wortlaut der Bestimmung voraussetzt, dass der betreffende Anspruchswerber „gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden“ ist. Abgesehen davon, dass die Revisionswerberin solches gar nicht vorgebracht hat, scheitert ein solcher Anspruch fallbezogen schon daran, dass die Revisionswerberin - als juristische Person - gar nicht iSd §§ 7 oder 17 EpiG abgesondert werden konnte, beziehen sich diese Regelungen doch nur auf „kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen“ (§ 7) bzw. „Träger von Krankheitskeimen“ (§ 17 Abs. 1 EpiG) und „berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung“ beschäftigte Personen sowie Hebammen (§ 17 Abs. 3), und damit unzweifelhaft auf natürliche und nicht juristische Personen; zudem wäre eine Absonderung nach § 7 und § 17 EpiG mit Bescheid zu verfügen (vgl. § 46 EpiG).
16 Ein Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG wiederum setzt voraus, dass der Anspruchswerber in einer Ortschaft wohnt oder berufstätig ist, über welche „Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24“ EpiG verhängt worden sind. Dies trifft nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts aber nicht zu. Soweit die Zulässigkeitsbegründung der Revision als Verfahrensmangel eine nicht ausreichende Begründung dieser Feststellung rügt, zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels schon deshalb nicht auf, weil sie gar nicht konkret vorbringt, dass entgegen der getroffenen Feststellung doch eine solche, ausdrücklich auf § 24 EpiG gestützte ‑ und damit iSd § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG allein maßgebende ‑ Verkehrsbeschränkung erlassen worden sei.
17 Ihr Vorbringen ist vielmehr offenbar von der ‑ nach dem oben Gesagten allerdings unzutreffenden ‑ Auffassung getragen, die mit den vom Gesundheitsminister (gestützt auf die §§ 1 und 2 COVID‑19‑MG) erlassenen Verordnungen verfügten Betretungsverbote seien (im Ergebnis) als Verkehrsbeschränkungen nach § 24 EpiG anzusehen.
18 Im Übrigen: Das dafür vorgebrachte Argument, § 24 EpiG regle gar nicht, wer derartige Verkehrsbeschränkungen zu erlassen habe, sei insoweit also offen für eine Kompetenz des Gesundheitsministers, ist ebensowenig zielführend wie der Hinweis auf die Wortfolge im zweiten Satz des § 24 EpiG („von außen“).
19 § 24 EpiG lautete (idF der Novelle BGBl I Nr. 114/2006, in Kraft ab 25. Juli 2006, bis zur Änderung durch die Novelle BGBl I Nr. 33/2021, in Kraft ab 27. Februar 2021) wie folgt:
„Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften.
§ 24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.“
20 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 33/2021 erhielt § 24 EpiG die heute geltende Fassung:
„Verkehrsbeschränkungen für die Personen, die sich in Epidemiegebieten aufhalten
§ 24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind für die in Epidemiegebieten aufhältigen Personen Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.“
21 Jedenfalls im vom Antrag umfassten Zeitraum bestand also keine Kompetenz des Gesundheitsministers für die Erlassung von Verfügungen nach § 24 EpiG: § 24 EpiG selbst wies (bis zur Novelle BGBl. I Nr. 33/2021) die entsprechende Zuständigkeit allein der Bezirksverwaltungsbehörde zu. Im Übrigen (hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung nach § 43 bzw. § 43a EpiG) wird auf die Ausführungen im zitierten hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2021 verwiesen.
22 Wenn § 24 zweiter Satz EpiG davon spricht, dass „Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden“ können, bezieht sich diese Wendung ‑ aus Einleitung („ebenso“) und Zusammenhang mit dem ersten Satz ersichtlich ‑ auf den Verkehr zwischen Epidemiegebieten und „außen“, also außerhalb des Epidemiegebiets liegenden örtlichen Bereichen, nicht aber ‑ entgegen der Revision ‑ etwa auf „Anordnungsbefugte“.
23 Der Hinweis der Revision, dass das von der Revisionswerberin betriebene Unternehmen in einer anderen Branche tätig sei als das der Anspruchswerberin im zitierten hg. Erkenntnis, ist schon deshalb nicht zielführend, weil die maßgebenden Ersatzregelungen des EpiG darauf nicht abstellen. Von der Revision geltend gemachte Normbedenken (Gleichheitswidrigkeit) schließlich hat schon der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020 u.a., und in der daran anschließenden Folgejudikatur nicht geteilt.
24 In der Revision werden nach dem Gesagten also keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Mai 2021
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