Normen
AVG §38;
BauO Tir 2011 §39 Abs1;
BauO Tir 2011 §39 Abs3;
BauO Tir 2011 §39;
BauRallg;
ROG Tir 2016 §77;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018060044.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck (Behörde) vom 27. Oktober 2017 wurde dem Revisionswerber gemäß § 39 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) aufgetragen, sämtliche auf einem näher genannten Grundstück befindlichen baulichen Anlagen innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen und den ursprünglichen Zustand des Grundstückes vor Bauführung wiederherzustellen.
5 Zuvor hatte der Verwaltungsgerichtshof (mit Beschluss vom 29.6.2017, Ra 2017/06/0108), die Revision betreffend die Abweisung eines Antrages auf Feststellung gemäß § 29 TBO 2011 für das verfahrensgegenständliche Gebäude zurückgewiesen, weil durch den Abbruch des Bestandsgebäudes der Baukonsens untergegangen und auch aus anderen Gründen kein Vorliegen einer Baubewilligung zu vermuten sei.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die gegen den Beseitigungsauftrag vom 27. Oktober 2017 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, für die gegenständlichen Baulichkeiten liege keine Baubewilligung (mehr) vor. Der Revisionswerber bestreite auch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 39 Abs. 1 TBO 2011, sondern argumentiere, aufgrund des anhängigen Baulandumlegungsverfahrens wäre die Erlassung eines Beseitigungsauftrages unzulässig. Dem hielt das LVwG entgegen, Zweck einer Baulandumlegung sei gemäß § 77 Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) die Neuregelung der Grundstücksordnung, um eine geordnete und Boden sparende Bebauung sowie eine zweckmäßige verkehrsmäßige Erschließung zu ermöglichen. Dieses Verfahren diene jedoch nicht der Sanierung von konsenslos errichteten Bauvorhaben. Gemäß § 79 Abs. 7 TROG dürfe im Umlegungsgebiet bis zum Eintritt der Rechtskraft der Umlegungsentscheidung keine Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden erteilt werden. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass durch die Erteilung solcher Baubewilligungen die Erreichung des Zwecks des Umlegungsverfahrens verhindert werden könnte. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund sich das Verbot zur Erlassung von Baubewilligungen auch auf Beseitigungsaufträge beziehen sollte. Die Beseitigung konsensloser Baulichkeiten berühre das Baulandumlegungsverfahren nicht. Der Ausgang des Baulandumlegungsverfahren sei weder eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG noch sei der Ausgang dieses Verfahrens für den gegenständlichen Beseitigungsauftrag unmittelbar von Belang.
7 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision vor, durch das Baulandumlegungsverfahren würden die Voraussetzungen für eine Umwidmung des Grundstückes von Freiland in Bauland geschaffen, was die Erteilung einer Baubewilligung ermöglichte und wodurch die Voraussetzungen für den Beseitigungsauftrag entfielen. Das LVwG hätte berücksichtigen müssen, aus welchen Gründen es an einer Baubewilligung fehle. Da fallbezogen allein die raumordnungsrechtliche Widmung der Erteilung einer Baubewilligung entgegenstehe, diese Frage aber vom Ausgang des Baulandumlegungsverfahrens abhänge, liege sehr wohl eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG vor, weshalb das Verfahren betreffend den Beseitigungsauftrag bis zum Abschluss des Baulandumlegungsverfahrens zu unterbrechen gewesen wäre.
8 Nach ständiger hg. Rechtsprechung hat das LVwG seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2017/05/0260, mwN).
Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass fallbezogen die Voraussetzungen gemäß § 39 Abs. 1 TBO 2011 zur Erteilung eines Beseitigungsauftrages vorliegen. Der Grund für das Abweichen von den Bauvorschriften ist unerheblich (vgl. VwGH 23.11.2016, Ro 2014/05/0036, ergangen zur Wiener Bauordnung).
Hinsichtlich der Argumentation, der Ausgang des Baulandumlegungsverfahrens stelle eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG für den gegenständlichen Beseitigungsauftrag dar, mangelt es schon an der zentralen Voraussetzung für das Vorliegen einer Vorfrage, nämlich dass die Beantwortung der Vorfrage eine unabdingbare Voraussetzung für die Lösung der Hauptfrage ist. Die Frage einer allfälligen Umwidmung eines Grundstückes als Voraussetzung für eine Bewilligung des Bauantrages stellt keine Vorfrage im Verfahren betreffend die Erlassung eines Beseitigungsauftrages dar (vgl. VwGH 17.3.2017, Ra 2017/06/0029, zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Vorarlberger Baugesetz).
In gleicher Weise stellt aber auch ein anhängiges Baulandumlegungsverfahren nach § 77 ff TROG 2016 keine Vorfrage für das Bauauftragsverfahren nach § 39 Abs. 1 TBO 2011 dar. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber sich anlässlich der Novellierung der Bauordnung im Jahre 2011 mit der Problematik des Verfahrensablaufes im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 TBO 2011 zur Erteilung eines Bauauftrages ausdrücklich auseinandergesetzt und § 39 Abs. 3 TBO durch die Einfügung der Möglichkeit des Zuwartens mit der Einleitung des Auftragsverfahrens oder seiner Aussetzung, wenn nachträglich um Baubewilligung angesucht wurde, ergänzt hat (vgl. die bei Weber/Rath-Kathrein, Tiroler Bauordnung (2014), 531, wiedergegebenen Erläuterungen zu § 39 idF der Novelle LGBl. Nr. 48/2011). Eine vergleichbare Regelung für die Anhängigkeit eines Baulandumwidmungsverfahrens wurde jedoch nicht geschaffen. Auch dies spricht nicht dafür, dass der Gesetzgeber der Behörde einen Spielraum bei der Vollziehung des § 39 TBO 2011 einräumen wollte.
9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
10 Damit erübrigt sich ein Abspruch des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 25. April 2018
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