VfGH G226/2021

VfGHG226/202130.6.2022

Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des ORF-G betreffend die Ausnahme von der Verpflichtung zur Entrichtung des Programmentgelts für Personen, die ORF Programme ausschließlich über internetfähige Empfangsgeräte – aber ohne Empfang über Kabel, Satellit oder auf terrestrischem Weg – in Anspruch nehmen; sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Finanzierung des ORF durch Außerachtlassung der wesentlichen Personengruppe, die einen nach dem Stand der Technik gängigen Verbreitungsweg (Streamen) nutzt, angesichts der institutionellen Vorgaben des BVG-Rundfunk und der Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen und kulturellen öffentlichen Kommunikationsprozess

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
BVG-Rundfunk ArtI
EMRK Art10
StGG Art2
ORF-G §1, §31 Abs10, §31 Abs17, §31 Abs18
RundfunkgebührenG §1, §2
VfGG §7 Abs1, §62 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:G226.2021

 

Spruch:

I. 1. Die Wortfolge ", jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften" in §31 Abs10 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-G), BGBl Nr 379/1984, idF BGBl I Nr 126/2011 sowie §31 Abs17 und §31 Abs18 ORF‑G idF BGBl I Nr 50/2010 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Der Hauptantrag sowie der erste und zweite Eventualantrag werden zurückgewiesen.

III. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der antragstellenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG begehrt der antragstellende ORF,

"– [d]ie Wortfolge ', jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften' in §31 Abs10 ORF-G idgF BGBl I 55/2014,

in eventu

– Die Wortfolge ', jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften' in §31 Abs10 ORF-G idgF BGBl I 55/2014, und

– das Wort 'gleichzeitig' in §31 Abs17 ORF-G idgF BGBl I 55/2014.

in eventu

– Die Wortfolge ', jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften' in §31 Abs10 ORF-G idgF BGBl I 55/2014, und

§31 Abs17 ORF-G idgF BGBl I 55/2014 zur Gänze.

in eventu

– Die Wortfolge ', jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften' in §31 Abs10 ORF-G idgF BGBl I 55/2014,

§31 Abs17 ORF-G idgF BGBl I 55/2014 zur Gänze und

§31 Abs18 ORF-G ldgF BGBl I 55/2014 zur Gänze.

in eventu

 Die Wortfolge ', jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften' in §31 Abs10 ORF-G idgF BGBl I 55/2014,

§31 Abs17 ORF-G idgF BGBl I 55/2014 zur Gänze

§31 Abs18 ORF-G idgF BGBl I 55/2014 zur Gänze und

§2 Abs1 RGG idgF BGBl I 71/2003 zur Gänze.

in eventu

 Die Wortfolge 'jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser

Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften' in §31 Abs10 ORF-G idgF BGBl I 55/2014,

§31 Abs17 ORF-G idgF BGBl I 55/2014 zur Gänze

§31 Abs18 ORF-G idgF BGBl I 55/2014 zur Gänze,

§2 Abs1 RGG idgF BGBl I 71/2003 zur Gänze und

§2 Abs2 RGG idgF BGBl I 71/2003 sowie §3 Abs1 bis 4 RGG idgF BGBl I 71/2003 zur Gänze"

als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl 379/1984, idF BGBl I 247/2021 lauten auszugsweise wie folgt (§31 Abs10 gilt idF BGBl I 126/2011; §31 Abs17 und 18 gelten idF BGBl I 50/2010; die im dritten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Programmentgelt

§31. (1) Jedermann ist zum Empfang der Hörfunk- bzw Fernsehsendungen des Österreichischen Rundfunks gegen ein fortlaufendes Programmentgelt (Radioentgelt, Fernsehentgelt) berechtigt. Die Höhe des Programmentgelts wird auf Antrag des Generaldirektors vom Stiftungsrat festgelegt. Der Generaldirektor hat einen Antrag auf Neufestlegung des Programmentgelts nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erfordernisse zu stellen, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren ab dem letzten Antrag.

(2) Die Höhe des Programmentgelts ist so festzulegen, dass unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt werden kann; hierbei ist auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Bedacht zu nehmen. Die Höhe des Programmentgelts ist mit jenem Betrag begrenzt, der erforderlich ist, um die voraussichtlichen Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags angesichts der zu erwartenden Zahl der zur Entrichtung des Programmentgelts Verpflichteten in einem Zeitraum von fünf Jahren ab Festlegung des Programmentgelts (Finanzierungsperiode) decken zu können. Der Berechnung der Höhe des Programmentgelts zu Grunde liegende Annahmen über zu erwartende Entwicklungen haben begründet und nachvollziehbar zu sein.

(3) Die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags entsprechen den Kosten, die zur Erbringung des öffentlich-rechtlichen Auftrags anfallen, unter Abzug der erwirtschafteten Nettoerlöse aus kommerzieller Tätigkeit im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlicher Tätigkeit, sonstiger öffentlicher Zuwendungen, insbesondere der Zuwendung nach Abs11, sowie der in der Widmungsrücklage (§39 Abs2) gebundenen Mittel sowie unter Berücksichtigung allfälliger Konzernbewertungen. Verluste aus kommerziellen Tätigkeiten dürfen nicht eingerechnet werden.

(4)-(9) […]

(10) Das Programmentgelt ist unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften.

(11)-(16) […]

(17) Das Programmentgelt ist gleichzeitig mit den Rundfunkgebühren und in gleicher Weise wie diese einzuheben; eine andere Art der Zahlung tilgt die Schuld nicht.

(17a) […]

(18) Rückständige Programmentgelte können zu Gunsten des Österreichischen Rundfunks von dem mit der Einbringung der Rundfunkgebühren beauftragten Rechtsträger in gleicher Weise wie rückständige Rundfunkgebühren im Verwaltungsweg hereingebracht werden.

(19) […]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Einhebung von Rundfunkgebühren (Rundfunkgebührengesetz – RGG), BGBl I 159/1999, idF BGBl I 190/2021 lauten auszugsweise wie folgt:

"Rundfunkempfangseinrichtungen

§1. (1) Rundfunkempfangseinrichtungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind technische Geräte, die Darbietungen im Sinne des Artikels I Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl Nr 396/1974, unmittelbar optisch und/oder akustisch wahrnehmbar machen.

(2) Die für Rundfunkempfangseinrichtungen geltenden fernmelderechtlichen Bestimmungen bleiben unberührt.

Gebührenpflicht, Meldepflicht

§2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des §1 Abs1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach §3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.

(2) Die Gebührenpflicht nach §1 besteht nicht, wenn

1. dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung (§3 Abs5) erteilt wurde oder

2. für den Standort bereits die Gebühren nach §3 entrichtet werden.

Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.

(3)-(5) […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der antragstellende ORF sei im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Auftrages zur bundesweiten Versorgung mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen verpflichtet. Mit der Berechtigung zum Empfang von Hörfunk- bzw Fernsehsendungen des ORF gehe gemäß §31 Abs1 ORF-G die Verpflichtung zur Entrichtung eines fortlaufenden Programmentgeltes (Radioentgelt, Fernsehentgelt) einher. Gemäß §31 Abs10 ORF‑G sei dieses unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 ORF‑G terrestrisch (analog oder DVB‑T) versorgt werde. Die öffentlich-rechtlichen Programme des ORF seien über "klassische" Rundfunkwege (Terrestrik, Kabel und Satellit) empfangbar und könnten auch über das Internet gestreamt werden. Für den Konsum von Fernseh- und/oder Radioprogrammen des ORF über das Internet fielen allerdings iSd Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2015, Ro 2015/15/0015, kein Programmentgelt und auch keine Rundfunkgebühren an, weil nur Geräte, die "klassische" Rundfunktechnologie (im Sinne von technischen Modulen zum Empfang von terrestrisch, über Kabel oder über Satellit verbreitete Programme) verwenden, als Rundfunkempfangsreinrichtung iSd §1 Abs1 RGG anzusehen seien. Folglich seien Nutzer, die ORF‑Programme streamten, nicht als Rundfunkteilnehmer iSd §2 Abs2 RGG zu qualifizieren und dementsprechend auch nicht entgeltpflichtig iSd §31 Abs10 ORF-G.

Der ORF erachtet sich durch die angefochtenen Wortfolgen in §31 Abs10 ORF‑G in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Rundfunkfreiheit (Art10 EMRK, ArtI Bundesgesetz vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks [im Folgenden: BVG Rundfunk]), Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B‑VG) und Unversehrtheit des Eigentums (Art1 1. ZPEMRK, Art5 StGG) verletzt (ohne Hervorhebungen im Original):

"Das ORF-G ist die Rechtsgrundlage für die Schaffung des ORF: Gemäß §1 Abs1 ORF-G wird durch dieses Bundesgesetz eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung 'Österreichischer Rundfunk' eingerichtet. Das ORF‑G normiert neben der Organisation des ORF ua auch Rechte und Pflichten des ORF. Der ORF ist sohin offenkundig Normadressat des ORF-G.

Die angefochtenen Bestimmungen regeln das Programmentgelt. Dieses gebührt dem ORF als Gegenleistung für die Bereitstellung des Programms. Das Programmentgelt wird durch einen eigenen Rechtsträger eingehoben und fließt direkt dem ORF zu. Daraus folgt, dass der ORF einen Rechtsanspruch auf das Programmentgelt hat.

Der VfGH hat in seiner Entscheidung vom 27.06.2002, G93/01, die Zulässigkeit eines Individualantrags des ORF hinsichtlich einer Bestimmung des Rundfunkgesetzes (nunmehr ORF-Gesetz) bejaht. Im dortigen Fall ging es um den Entfall einer Bestimmung, die dem ORF einen Rechtsanspruch auf Abgeltung des Entfalls an Programmentgelt einräumte. Der VfGH hat die Auffassung der Bundesregierung, wonach die dort angefochtene Bestimmung nur wirtschaftlichen Interessen des ORF zuwiderlaufe, verworfen und den Individualantrag für zulässig erachtet. Auch im gegenständlichen Fall geht es um einen Rechtsanspruch des ORF und sohin um den Eingriff in seine Rechtssphäre. Es handelt sich nicht bloß um eine faktische (wirtschaftliche) Auswirkung der Norm, sondern der ORF ist Adressat des §31 ORF‑G.

Die angefochtenen Bestimmungen verletzen den ORF unmittelbar nachteilig in seinen Rechten, weil sie den Kreis der zur Zahlung des Programmentgelts Verpflichteten einschränken. Das Programmentgelt ist die Hauptfinanzierungsquelle des ORF. Etwa zwei Drittel seiner Einkünfte bezieht der ORF aus dem Programmentgelt.

Indem Streaming-only-Haushalte kein Programmentgelt zahlen, weil sie die Programme nicht über Rundfunktechnologie sondern über das Internet empfangen, entgehen dem ORF wesentliche Einnahmen.

Der Eingriff ist aktuell, weil bereits heute sämtliche Fernsehprogramme des ORF –entweder über die ORF-TVthek oder über andere Plattformen – im Live-Stream empfangen werden können. Klassische Rundfunktechnologie ist für den Empfang nicht erforderlich.

Da die Finanzierung durch das Programmentgelt und deren gesetzliche Verankerung unmittelbare Grundlage für das Bestehen des ORF sind, greifen die angefochtenen Bestimmungen in die Rechts[s]phäre des ORF unmittelbar und aktuell ein.

[…]

Es liegt [auch] kein anderer zumutbarer Weg vor, um die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Wortfolge von §31 ORF-G bzw die anderen angefochtenen Bestimmungen an den VfGH herantragen zu können.

[…] Rundfunkfreiheit (BVG Rundfunk)

[…] Allgemeines

Das BVG Rundfunk sichert die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich, welche auch die Sicherstellung ausreichender Finanzierung erfordert:

Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer demokratischen Gesellschaft steht außer Zweifel, siehe auch eindrücklich (bei grundsätzlich vergleichbaren verfassungsrechtlichen Grundlagen) die sogenannten Rundfunkentscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts: 'Angesichts der grundlegenden Veränderungen der Informationswelt in den letzten Jahren, siehe nur als Beispiel Twitter als 'andere Art' eines 'Massenmediums' (zuletzt) in den USA, erscheint die Bedeutung eines funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks sogar noch gestiegen.'

Das BVG Rundfunk enthält den verfassungsrechtlichen Auftrag an den einfachen Gesetzgeber, die Unabhängigkeit des öffentlich[…]-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Das bedeutet zugleich eine institutionelle Garantie des ORF als bundesgesetzlich zu regelnde Einrichtung mit bestimmten Aufträgen.

Eine ausreichende Finanzierung (und Finanzautonomie) ist eine der wesentlichen Pfeiler der Unabhängigkeit des ORF neben und gemeinsam mit der organisatorischen Unabhängigkeit als Stiftung des öffentlichen Rechts, der Weisungsfreiheit der Organe des ORF gegenüber dem Staat und der Unabhängigkeit der programmgestaltenden/journalistischen Mitarbeiter.

[…]

Verfassungsrechtlich gebotene Anforderungen an die Finanzierung

Das BVG Rundfunk sieht zwar keine bestimmte Finanzierungsform des öffentlich[…]-rechtlichen Rundfunks, also des ORF, vor. Aus dem BVG Rundfunk ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber gewährleisten muss, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Das bedeutet zugleich, dass das vom Gesetzgeber vorgesehene Finanzierungsmodell auch keine wesentlichen Lücken enthalten darf, welche die Sicherstellung der Finanzierung gefährden. Der Gesetzgeber hat sich im ORF-G für das Modell der Finanzierung über das Programmentgelt entschieden. […]

Das Finanzierungsmodell Programmentgelt muss im Wesentlichen alle Konsumenten von Rundfunkprogrammen des ORF erfassen, wobei (nur) einzelne sachlich begründete Ausnahmen (siehe die Befreiungen aus sozialen Gründen laut §3 Abs5 RGG) nicht schaden. Um das zu bewerkstelligen, muss das Finanzierungsmodell Programmentgelt technologieoffen gestaltet sein, was wie folgt näher zu begründen ist:

[…] Aus dem BVG Rundfunk lässt sich keine Einschränkung auf bestimmte Technologien für die Bereitstellung des Rundfunkkonsums ableiten. ArtI Abs1 BVG Rundfunk gibt vor, dass Rundfunk 'unter Benützung elektronischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw längs oder mittels eines Leiters' erfolgen kann. Daraus lässt sich insbesondere ein Ausschluss von Streaming nicht ableiten. Auch Streaming fällt unter 'elektronische Schwingungen ohne Verbindungsleitung' oder gegebenenfalls 'längs oder mittels eines Leiters'.

Auch aus ArtI Abs2 BVG Rundfunk ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dass der Rundfunkbegriff ein vom Veranstalter erstelltes strukturiertes 'Programm' voraussetzt, schließt Streaming nicht aus. Lediglich individuell nach den Vorstellungen eines Konsumenten abrufbare Inhalte wie bei Netflix fallen nicht unter den Rundfunkbegriff Dafür sprechen im Übrigen auch die Gesetzesmaterialien zum RGG, wenn der damalige Initiativantrag zum RGG im Jahr 1999 technologieoffen formuliert: 'Der Entwurf definiert Rundfunkempfangseinrichtungen funktionell als die zur unmittelbaren Wahrnehmbarmachung von Rundfunk bestimmten technischen Geräte. Auf eine bestimmte Gerätekonstellation kommt es daher nicht an; entscheidend ist, daß der Rundfunkkonsum dadurch ermöglicht wird'[.]

[…] Die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte belegt sowohl das technologieoffene Verständnis als auch dessen Notwendigkeit eindrucksvoll:

Das BVG Rundfunk ist im Jahr 1974 in Kraft getreten. Damals konnten Fernseh- und Radioprogramme in Österreich nur über terrestrische analoge Verbreitung empfangen werden (also mit Empfangsgeräten samt Antenne).

Kabelfernsehen war in Österreich erstmals im Mai 1975 verfügbar, Satellitenfernsehen für private Haushalte weltweit erst seit 1976. In Österreich gibt es Satellitenfernsehen erst seit den 1990[…]er Jahren.

Im Bereich Terrestrik hat die Aufschaltung digitaler Fernsehsignale in Österreich am 26. Oktober 2006 begonnen, ab 2014 die Umstellung von DVB-T auf DVB‑T2.

Die Abschaltung des analogen terrestrischen Fernsehens wurde 2011 beendet.

Alle diese 'Technologien' sind vom Begriff des Rundfunks des BVG Rundfunk umfasst. Es besteht kein Grund, das beim Streaming anders zu sehen. Streaming ist im Vergleich zur terrestrisch digitalen Verbreitung ein anderer digitaler Übertragungsweg […].

Dieser Befund wird auch durch den Vergleich mit anderen Materien bestätigt, bei denen die Auslegung verfassungsrechtlicher Bestimmungen ebenso technologieoffen erfolgt, zB zum Recht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses nach Art10a StGG, das nicht nur klassische Telefonate, sondern jede Übermittlung von Nachrichten im Fernmeldeverkehr schützt, oder zur Reichweite des Kompetenztatbestandes 'Fernmeldewesen' (siehe VfSlg 2720/1954).

[…]

Wenn man dagegen Streaming aus dem Begriff des Rundfunks des BVG Rundfunk herausnehmen wollte, würde sich gerade eine – immer größer werdende – Lücke an Finanzierung des ORF (und zahlenden Rundfunkkonsumenten) ergeben.

[…] Programmentgelt

[…] Beim Programmentgelt handelt es sich, auch nach der Judikatur des VfGH, um ein zivilrechtliches Entgelt auf gesetzlicher Basis. Auch wenn §31 Abs1 ORF-G an den terrestrischen Versorgungsauftrag anknüpft, stellt der (durch die ORF‑G Novelle 2011 eingeführte) §31 Abs10 erster Satz ORF-G klar, dass auch die Versorgung(smöglichkeit) mit den ORF-Programmen über andere Verbreitungswege die Verpflichtung zur Zahlung des Programmentgelts auslöst. Das ist betreffend Verbreitung über Satellit oder Kabel auch ganz unstreitig.

[…]

VwGH Entscheidung

Der VwGH ist in seinem Erkenntnis vom 30.06.2015, Ro 2015/15/0015 zum Ergebnis gelangt, dass nur Geräte, die 'klassische' Rundfunktechnologie (im Sinne von technischen Modulen zum Empfang terrestrisch, kabel- oder satellitenverbreitete[n] Programm[en]) verwenden, als Rundfunkempfangseinrichtungen gemäß §2 Abs1 RGG zu qualifizieren sind. Dabei hat der VwGH eine einschränkende Auslegung des Begriffs Rundfunk im Sinn des BVG Rundfunk vorgenommen. Die wesentlichen Begründungselemente des VwGH waren:

[…] Die Legaldefinition von Rundfunk laut dem BVG Rundfunk sei 'sehr weit' und führe nach ihrem Wortlaut 'zu absurden Ergebnissen' wie etwa in der Literatur angesprochenen Beispielen der Unterstellung einer Homepage unter den Rundfunkbegriff

[…] Um solche 'realitätsfremden Ergebnisse' zu vermeiden, müsse der Begriff Rundfunk teleologisch reduziert werden.

[…] Der historische Gesetzgeber habe solche elektronischen Darbietungen über das Internet oder deren Vorläufer wie Telefon-Tonbanddienste nicht unter 'Rundfunk' subsumiert. Anderes habe für Darbietungen über terrestrische Sender, Satelliten oder Kabelanlagen gegolten.

[…] Weiters stütze das AMD-G, welches zwischen Rundfunk-Fernsehdiensten und neuen anderen linearen Mediendiensten wie Web-TV oder Live-Streaming unterscheide, die Annahme eines eingeschränkten Rundfunkbegriffs, welcher die Übertragung über das Internet nicht umfasst.

Nach diesem Erkenntnis des VwGH ist der Konsum von Fernseh- und Radiosendungen über Streaming nicht vom RGG umfasst, auch wenn sich das Streaming in der heutigen Lebenswelt zu einer dem Empfang via terrestrische Sender, Satelliten oder Kabelanlagen gleichwertigen und immer mehr verbreiteten Konsumart entwickelt hat. Dies hat aufgrund des Verweises auf das RGG in §31 Abs10 ORF‑G bzw auf Grund der anderen angefochtenen Bestimmungen zur Folge, dass für den Empfang via Streaming kein Programmentgelt zu entrichten ist.

[…] Fernsehnutzung via Streaming in Österreich

Die Verbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen erfolgte über Jahrzehnte praktisch ausschließlich über die 'klassischen' Rundfunktechnologien Terrestrik, Kabel und Satellit. Seit Jahren ist jedoch ein Trend zu vermehrter Fernsehnutzung in Österreich über Streaming zu beobachten. Diese erfolgt zunehmend nicht nur als Ergänzung zu den 'klassischen' Rundfunkwegen (zB unterwegs auf mobilen Endgeräten), sondern auch als Ersatz für diese im stationären Bereich (zB über auf aktuellen 'Smart TVs' installierten 'Apps', mit denen Fernsehinhalte – live oder zeitversetzt – gestreamt werden können).

[…]

Die mittlerweile umfassende Internet-Verfügbarkeit und die Vielfalt zum Streaming geeigneter Geräte führen dazu, dass bereits heute die Verbreitungsmöglichkeiten zwischen Streaming und einem 'Point-to-Multipoint-Broadcast' keine relevanten Unterschiede mehr aufweisen.

Bereits heute können sämtliche Fernsehprogramme des ORF – entweder über die ORF-TVthek oder über andere Plattformen im Live-Stream empfangen werden. §3 Abs4a ORF-G ermöglicht dem ORF ausdrücklich das zeitgleiche und zeitversetzte Streaming seiner Fernseh- und Hörfunkprogramme.

Um die große gesellschaftliche Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in den neuen digitalen Zeiten zu bewahren, ist die Entwicklung des Streaming auch eine große Herausforderung für den ORF. Der ORF hat sich daher auch der strategischen Aufgabe der Weiterentwicklung von einem Public Service Broadcaster zu einer digitalen Public Service Plattform (etwa mit einer neuen Modul-Welt für alle Online-Angebote im neuen ORF-Player) gestellt und beabsichtigt, neben den linearen auch die zeitversetzten Fernsehangebote via Internet weiter auszubauen. […]

Für Hörfunkprogramme gilt im Wesentlichen das Gleiche, wenn auch mit der typischen Radionutzung geschuldeten Besonderheiten (zB findet im Auto die Integration von Smartphones bzw Internet als Voraussetzung für Streaming erst seit einigen Jahren in der breiten Masse statt, während im stationären Bereich Streaming zB über Computer, mobile Endgeräte und Geräte wie Amazons Echo ('Alexa') schon länger Usus ist). Sämtliche Radioprogramme des ORF werden vom ORF selbst über das Internet gestreamt[.] Es wird in Teilen der Branche davon ausgegangen, dass nicht DAB (digital terrestrische[s] Radio), sondern Streaming den aktuellen Standard für die terrestrische Verbreitung von Radio, UKW, ablösen wird.

Terrestrischer Rundfunk und 5G: Im neuesten netztechnischen Standard, 5G, gibt es in technischer Hinsicht bei der Übermittlung der Radio- und Fernsehprogrammströme zum Endkunden keinen Unterschied mehr zwischen 5G-Streaming und 5G-Broadcast. Das für die Codierung der audiovisuellen Signale verwendete Verfahren ist in beiden Fällen ebenso dasselbe, wie in beiden Verbreitungsnetzen IP-Technik zum Einsatz kommt. Auch Unterschiede in der audiovisuellen Qualität bestehen nicht. 5G ist anerkanntermaßen die Nachfolgetechnologie der aktuellen Form von terrestrischem Fernsehen (im Standard DVB-T2) in Europa und in dieser Hinsicht eine reine technologische Weiterentwicklung von terrestrischem Fernsehen wie es der Gesetzgeber des Rundfunkgebührengesetzes vor Augen hatte. 5G erfüllt die Kriterien von Rundfunktechnik vollumfänglich. Der zusätzlich zur linearen Programmverbreitung über 5G Netze mögliche integrierte Rückkanal ist kein Unterscheidungsmerkmal zwischen Streaming und Broadcast, weil heute bereits alle gesetzlich anerkannten Rundfunktechniken, das heißt Kabelfernsehen, Satellit und nicht zuletzt auch DVB-T2, über einen integrierten Rückkanal für die Interaktion mit dem Publikum beziehungsweise den Nutzerinnen und Nutzern dieser Rundfunkprogramme verfügen. Im 5G-Standard werden die zum Einsatz kommenden Techniken für den Endkunden überhaupt nicht mehr unterscheidbar sein. Vielmehr ermöglicht 5G ein homogenes technisch-qualitativ hochwertiges audiovisuelles Medienangebot, die leistungsfähigste Verbreitungstechnik für Rundfunk und nicht zuletzt alle heutigen und zukünftigen Formen der Wiedergabe linearer und non-linearer Rundfunkprogramme.

[…]

Finanzierung des ORF

[Der Jahresabschluss zum 31.12.2020 zeigt, dass] [d]ie Erlöse des ORF […] zu ca 67 % aus dem Programmentgelt [stammten]. Durch die sich weiterhin verschärfende Wettbewerbssituation und die Verlagerung der Nutzung des ORF auf Plattformen, in welchen dem ORF umfassende Werbebeschränkungen auferlegt sind, wird die Bedeutung des Programmentgelts für den ORF in der Zukunft noch weiter zunehmen.

Das Programmentgelt ist mit Abstand die Hauptfinanzierungsquelle des ORF.

[…] 'Streaming-Lücke'

Wenn der Empfang via Streaming nicht zur Entrichtung von Rundfunkgebühren und Programmentgelt verpflichtet, ergibt sich die sogenannte 'Streaming-Lücke' zur Finanzierung des ORF.

Wenn man die [aufgezeigte] Entwicklung der Streaming-only-Haushalte […] zugrunde legt, dann würden sich (bei sonst gleichbleibenden Parametern) Einnahmeverluste zwischen € 53 Mio im Jahr 2021 ansteigend bis € 87 Mio im Jahr 2025 ergeben, wenn Streaming-only-Haushalte für TV kein Programmentgelt entrichten[.]

[…]

Diese Werte erhöhen sich auf € 72 Mio (im Jahr 2021) bis € 119 Mio (im Jahr 2025), wenn man realistischer Weise davon ausgeht, dass es bis dahin auch beim Radio eine entsprechende Anzahl an reinen Streaming-Haushalten gibt.

Die in diesem Fall entstehende Finanzierungslücke müsste nach dem […] Prinzip der Deckung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags auf die zur Zahlung verpflichteten Rundfunkteilnehmer (in diesem Szenario) via 'klassischer' Rundfunktechnologie aufgeteilt werden, deren (einzelne) Beiträge also steigen müssten.

Soweit und solange (in der Zeit bis zur entsprechenden Anpassung der Höhe des Programmentgelts je Rundfunkteilnehmer) das nicht erfolgt, würde ein Teil der notwendigen Finanzierung des ORF fehlen. […]

Die geltende gesetzliche Regelung zum Programmentgelt im Sinn der Entscheidung des VwGH, Ro 2015/15/0015 führt zur Streaming-Lücke und verstößt damit gegen die […] beschriebenen verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an die Finanzierung des ORF.

Anderes würde nur gelten, wenn §2 Abs1 RGG entgegen der Entscheidung des VwGH, Ro 2015/15/0015 (verfassungskonform) dahingehend ausgelegt werden könnte, dass auch Streaming vom Rundfunkbegriff umfasst ist und es nicht zur Streaming-Lücke kommt.

[…]

Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B‑VG)

[…]

Nur jene Geräte, die 'klassische' Rundfunktechnologie (im Sinne von technischen Modulen zum Empfang terrestrisch, kabel- oder satellitenverbreitete[r] Programm[e]) verwenden, sind Rundfunkempfangseinrichtungen und demnach von der Verpflichtung zur Zahlung der Rundfunkgebühren und des Programmentgelts erfasst (§31 Abs10 ORF-G iVm §2 Abs1 RGG).

Andere Geräte, die dieselben Fernseh- und Radioprogramme ausschließlich über das Internet empfangen, begründen hingegen keine Rundfunkgebühren- und Programmentgeltleistungspflicht.

[…]

Der ORF sieht eine grundlegende und sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung darin, dass die Rundfunknutzer via 'klassischer' Rundfunktechnologie Programmentgelt zahlen müssen, Rundfunknutzer via 'Internet-Streaming' aber nicht.

Diese Ungleichbehandlung wird zusätzlich verstärkt, wenn angesichts des Nettokostenprinzips hinzu kommt, dass die Höhe des Programmentgelts für jeden zur Zahlung verpflichteten Rundfunkteilnehmer […] steigen müsste, wenn das Programmentgelt insgesamt nur noch von einer sinkenden Anzahl von Rundfunknutzern via 'klassischer' Rundfunktechnologie aufgebracht werden müsste. Im Fall einer solchen Entwicklung ist weiters zu befürchten, dass eine solche Ungleichbehandlung einen zusätzlichen Multiplikatoreffekt auslöst und im Laufe der Zeit zu noch mehr verstärktem 'Abwandern' in Richtung Streaming führt. Das würde die Finanzierungslücke nochmals vergrößern."

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (teilweise ohne Hervorhebungen im Original):

"Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, dass seine unmittelbare rechtliche Betroffenheit deshalb vorliege, weil der ORF Normadressat des ORF-G sei und einen Rechtsanspruch auf das Programmentgelt habe. Nach Auffassung der Bundesregierung verkennt der Antragsteller damit jedoch, dass schon nach Wortlaut und Systematik der angefochtenen Bestimmungen Normadressaten einerseits die zur Entrichtung des Programmentgelts verpflichteten Rundfunkteilnehmer im Sinn des §2 Abs1 RGG und andererseits die zur Einhebung des Programmentgelts zuständige Stelle, also die GIS Gebühren Info Service GmbH, sind; der ORF selbst ist nicht Normadressat. Selbst wenn man – im Einklang mit gewichtigen Stimmen in der österreichischen Fachliteratur – aus dem BVG Rundfunk ua eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Sicherstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ableitete, ergäben sich daraus noch keine spezifischen Anforderungen hinsichtlich der Art und des Verfahrens zur Sicherstellung der Finanzierung oder gar ein individualrechtlicher Anspruch. Es ist der Bundesregierung daher nicht ersichtlich – und es wird vom Antragsteller auch nicht dargelegt –, inwiefern die angefochtenen Bestimmungen in seine Rechtssphäre eingreifen (vgl zB VfSlg 14.274/1995 mwN).

[…] Auch aus dem Erkenntnis VfSlg 16.581/2002 betreffend den Entfall der Refundierungsregelung bei Gebührenbefreiung, auf das der Antragsteller zur Begründung seines Rechtsstandpunktes verweist, ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung keine andere Beurteilung. […]

Selbst wenn man jedoch die – nach Ansicht der Bundesregierung unzutreffende – Auffassung verträte, durch die angefochtenen Bestimmungen würde in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen, würde es im Antrag an einer hinreichenden Darlegung einer aktuellen Betroffenheit des Antragstellers in seiner Rechtssphäre fehlen. In §31 Abs2 ORF‑G wird der Modus zur Festlegung der Höhe des Programmentgelts geregelt, wobei von einer fünfjährigen Finanzierungsperiode ausgegangen wird. Der Antragsteller hat nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen es ihm wegen fehlender Einnahmen aus dem ihm gemäß §31 Abs2 ORF‑G zukommenden Programmentgelt aktuell (gegenwärtig) nicht möglich wäre, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Die gesamte Argumentation des Antrages konzentriert sich vielmehr auf eine (behauptete) Bedrohung der Finanzierung der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags in der Zukunft und auf eine finanzielle Vorsorge für zukünftige Zeiträume. Der Antragsteller ist daher in seiner Rechtssphäre keinesfalls aktuell betroffen, weshalb der Antrag jedenfalls aus diesem Grund unzulässig ist.

[…] Zu den Überlegungen über 'verfassungsrechtlich gebotene Anforderungen an die Finanzierung'

[…] Die Bundesregierung hat keinerlei Veranlassung, die Gewährleistungsfunktion des BVG-Rundfunk in Frage zu stellen. Würde man – im Einklang mit gewichtigen Stimmen in der österreichischen Fachliteratur – aus den Vorgaben des BVG-Rundfunk ua die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Sicherstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ableiten, so würde[n] sich daraus aber […] noch keine spezifischen Anforderungen hinsichtlich der Art und des Verfahrens zur Sicherstellung der Finanzierung ergeben.

[…] Jedenfalls begründen die Regelungen des BVG-Rundfunk keinen Anspruch auf eine bestimmte Form oder auf eine in bestimmter Art und Weise ausgestaltete Finanzierung. Dies räumt auch der Antragsteller in der Einleitung seiner Überlegungen […] ein. Dennoch folgert er aber unmittelbar danach, dass der Gesetzgeber mit dem von ihm gewählten Modell der Finanzierung über ein Programmentgelt zwingend 'alle Konsumenten erfassen muss' und dass das Modell 'technologieoffen gestaltet sein [muss]'. Mit diesen Ausführungen scheint der Antragsteller den Eindruck erwecken zu wollen, die Einhebung von Programmentgelt sei die einzige mit dem BVG-Rundfunk in Einklang zu bringende Form seiner Finanzierung. Nach Auffassung der Bundesregierung vernachlässigt er aber mit seinen Überlegungen – die einen Anspruch auf eine (im Vergleich zur aktuell vorzufindenden) weitergehende Rechtslage behaupten –, dass die Wahl der konkreten Mittel im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt. Dieser hat sich bei seiner Ausgestaltung davon leiten zu lassen, ein System bereitzustellen, das die Garantien des BVG‑Rundfunk einzulösen vermag. Es bedarf hier aber keiner weiteren Erörterung, mit welchen alternativen legistischen Vorkehrungen die Kautelen im Sinne der 'Gewährleistungsfunktion' des BVG Rundfunk (vgl dazu Korinek, Zur Rechtfertigung der Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im dualen System, in FS Schmitt Glaeser [2003], 487 [489f.]) bewerkstelligt werden können.

[…] Im Hinblick auf den Versuch des Antragstellers, […] aus den Materialien zum RGG (siehe Begründung des IA  1163/A, 20. GP ) Argumente abzuleiten, dass der Rundfunkbegriff des BVG-Rundfunk 'technologieoffen' und folglich das Livestreaming einschließend zu verstehen wäre, ist Folgendes festzuhalten:

Der Antragsteller vernachlässigt bei seiner Argumentation, dass auch die Materialien ausdrücklich von der 'unmittelbaren Wahrnehmbarmachung von Rundfunk' sprechen und davon, dass es für den 'Rundfunkkonsum' […] nicht auf eine bestimmte Gerätekonstellation ankommt. Nach Auffassung der Bundesregierung ist mit dieser zweifachen deutlichen Bezugnahme davon auszugehen, dass beim Begriff 'Rundfunk' das zum Zeitpunkt der Gesetzesvorlage vorherrschende Verständnis zugrunde gelegt wurde. Dieses Verständnis von Rundfunk als Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung bestimmt aber den Begriffsinhalt als die unbeschränkte, gleichzeitige, unmittelbare und flächendeckende Empfangsmöglichkeit durch eine praktisch unbegrenzte Anzahl an Rezipienten. Trotz fortschreitenden Breitbandausbaus und folgender Kapazitätserweiterungen bleibt die Verbreitung in Form einer 'Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung' das zentrale Wesensmerkmal des Rundfunkbegriffs. Zusammenfassend vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Materialen zum RGG keine Anhaltspunkte für die Auslegung bieten, der Gesetzgeber habe in einer vorausschauenden Betrachtung 'technologieoffen' jegliche theoretisch in Zukunft denkbare technische Konstellation zur Live-Ausstrahlung von Inhalten erfassen wollen. Dies ist auch insofern zu betonen, als sich Video-Streaming-Anwendungen nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen Ende der 1990er Jahre und auch Anfang der 2000er Jahre erst in den frühen Anfängen befanden, jedenfalls aber nur eine untergeordnete Rolle spielten, geschweige denn aber im Zeitpunkt der Gesetzwerdung schon vollständige 'Fernseh'-Programme gestreamt wurden. Bei Streaming handelt es sich, anders als bei Rundfunk, um einen Best-Effort-Dienst, bei dem eine vollständige und fehlerfreie Übertragung nicht garantiert, sondern von freien Kapazitäten abhängig ist (siehe dazu Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze, 4. Auflage 2018, S. 442 und 938-939).

[…]

Zu den auf die 'Gleichwertigkeit' von Streaming-TV und Broadcast-TV bezogenen Ausführungen

[…]

Wie bereits […] dargestellt, ist 'Livestreaming' kein Modell, das einen unbeschränkten, gleichzeitigen ('in Echtzeit') und unmittelbaren Empfang für eine unbeschränkte Anzahl potenzieller Empfänger sicherstellt. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit darf daher insbesondere auch nicht außer Acht gelassen werden, dass abhängig von der Streaming Plattform und der eingesetzten Streaming Hardware und ‑Software teils mit deutlich merkbaren Latenzen (dh Verzögerungen des Signals gegenüber der Ausstrahlung mittels Rundfunktechnologien) von mehreren zehn Sekunden zu rechnen ist. So wurde etwa im Zusammenhang mit der Fußball-EM in einschlägigen Fachmagazinen angeraten, möglichst eine WLAN-Verbindung zu nutzen und die Qualität des Streams so weit wie möglich zu verringern, wenn die Spiele am Mobilgerät gestreamt werden sollten. Bei der Übertragung könnten nämlich erhebliche Datenmengen anfallen, die das eigene Datenkontingent im Mobilfunktarif schon nach einem Fußballspiel aufbrauchen lassen […].

[…]

Der Antragsteller hebt in seinem Schriftsatz besonders deutlich die Gleichwertigkeit von Streaming für den Nutzer hervor, insbesondere auch, soweit es um den Umfang des bereitgestellten Angebots geht. […]

Lediglich der Korrektheit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass jedenfalls über die im Schriftsatz […] aufgezählten 'anderen' Plattformen die ORF‑Programme gar nicht empfangen werden können. Es handelt sich bei diesen nämlich um die Plattformen der mit dem ORF in unmittelbarer Konkurrenz stehenden privaten TV-Anbieter für die von diesen veranstalteten Programme. Damit soll freilich keineswegs pauschal in Abrede gestellt werden, dass ORF‑Sendungen über weitere Plattformen […] verfolgt werden können.

[…] Die Bundesregierung gibt aber gerade unter dem Aspekt der angeblichen Gleichwertigkeit noch Folgendes zu bedenken: Der ORF stellt (jedenfalls bis zum Ende der Frist für die Erstattung der vorliegenden Äußerung der Bundesregierung) selbst in seiner eigenen TVthek beim Programm ORFeins einen erheblichen Teil des täglichen Angebots, aber auch einzelne Sendungen aus ORF2 und ORFIII gar nicht via Livestream zur Verfügung. […] Es kann daher nicht davon die Rede sein, dass der Livestream bei allen vier vom ORF angebotenen Programmen lückenlos oder – um in der Diktion des Antragstellers zu bleiben – für den Nutzer 'gleichwertig' wäre.

[…] Schon angesichts dieser auf unterschiedlichen Ebenen herausgearbeiteten Unterschiede im Tatsächlichen verbietet sich nach Auffassung der Bundesregierung eine Erweiterung des Kreises der zur Entrichtung von Programmentgelt Verpflichteten unter dem Titel einer extensiven, angeblich aber gleichheitsrechtlich gebotenen Auslegung des verfassungsgesetzlich vorgegebenen Rundfunkbegriffs. Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass es sich bei der Verbreitung durch Streaming um einen 'anderen digitalen Übertragungsweg' handelt, wie soeben ausgeführt kann man das Streaming audiovisueller Inhalte jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht als der Verbreitung mit den aktuell etablierten Rundfunktechnologien ebenbürtig betrachten. Aus diesem Grund war auf die implizite Kritik des Antragstellers an der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30.6.2015, Ro 2015/15/0015, vorgenommenen Interpretation des Rundfunkbegriffs nicht weiter einzugehen.

[…] Zu den auf die 'Streaming Lücke' bezogenen Ausführungen

[…] [Zudem] behauptet [der Antragsteller] […] ohne jegliche Begründung, dass das derzeitige Finanzierungsmodell eine 'wesentliche Finanzierungslücke' oder eine 'beträchtliche' Lücke […] aufweise, 'welche zunehmen und auch langfristig die Finanzierung des ORF gefährden wird'.

[…] Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass alle diesbezüglichen Überlegungen über das vom Antragsteller skizzierte 'Risiko Einnahmenverlust' auf einem Gedankenexperiment beruhen, das von Schätzungen über eine hypothetische (erwünschte) Einnahmensituation anhand einer hypothetischen (vom Antragsteller erwünschten) Rechtslage ausgeht.

[…]

Nach Ansicht der Bundesregierung sind den Überlegungen des Antragstellers hinsichtlich des Kreises der zur Leistung eines Programmentgelt Verpflichteten aber konkret noch die nachfolgenden Erwägungen entgegenzuhalten. Das ORF‑G stellt im Wege der Bestimmungen des RGG für die Finanzierung des ORF darauf ab, ob ein entsprechendes Rundfunkempfangsgerät zumindest betriebsbereit gehalten wird (orientiert am Gegenstand des Individualantrags wird hier im Folgenden nur auf 'klassische' TV‑Geräte Bezug genommen). Es liegt folglich auf der Hand, zunächst die entsprechende Haushaltsausstattung zu betrachten:

[…] Diesbezüglich hebt der ORF selbst [auf seiner Homepage] hervor: 'Was die Ausstattung mit TV-Geräten betrifft, liegt in Österreichs Haushalten schon seit Jahren praktisch eine Vollversorgung vor: Im 4. Quartal 2019 verfügten 98 % aller österreichischen Privat‑Haushalte über ein Fernsehgerät. In 49 % dieser Haushalte kann auf mehr als ein TV-Gerät zurückgegriffen werden, Zweit- und Drittgeräte werden dabei vor allem in Schlafzimmern und in Kinder‑ bzw Jugendzimmern aufgestellt.' Zur Empfangssituation wird auf Folgende[s] hingewiesen: 'Insgesamt leben 95 % der österreichischen TV Bevölkerung (12+) in einem Haushalt mit Kabel bzw Satellitenanschluss, mit 55 % am weitesten verbreitet ist dabei der digitale Satellitenempfang (Stand: Dezember 2019).' Wenn ohnedies seit Jahren in 'praktisch' jedem österreichischen Haushalt ein Fernsehgerät vorhanden ist, drängt sich allerdings die Frage, worauf der Antragsteller eigentlich seine im Antrag geäußerten Sorgen wegen einer bereits bestehenden Finanzierungslücke gründet, geradezu auf.

[…]

Nach Auffassung der Bundesregierung belegen alle diese Daten, dass der vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfungspunkt des Fernseh(rundfunkempfangs)geräts weiterhin ein geeignetes Kriterium darstellt, um einen möglichst weiten Kreis an Programmentgeltpflichtigen zu erfassen und für die für die Erfüllung der nachzuweisenden Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Beitrags erforderlichen Mittel (ergänzt um die Werbeeinnahmen und sonstige[n] Erlöse) zu sorgen.

[…] Die seit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2015, Ro 2015/15/0015, bekannte und in der einschlägigen Medienberichterstattung regelmäßig hervorgehobene Tatsache, dass der Empfang von Livestreaming keine Programmentgeltpflicht begründet, dürfte jedenfalls nach dem vorstehend angeführten Datenmaterial nicht dazu geführt haben, dass die Teilnehmer in ungewöhnlich hoher Zahl ihre TV-Geräte entsorgt und eine Abmeldung von der GIS veranlasst haben. Auch die in den seit […] diesem Erkenntnis vergangenen Jahren verstärkt beworbenen Möglichkeiten diverser Streaming-Plattformen oder von Herstellern von Geräten ohne Tuner und Antennenanschluss […], den ORF 'gebührenfrei' zu konsumieren, dürften bislang keine dramatische Abwärtsbewegung bei den bei der GIS gemeldeten Rundfunkteilnehmern bewirkt haben. Der vom Antragsteller an unterschiedlichen Stellen als Bedrohungsszenario befürchtete 'Multiplikatoreffekt' war bislang jedenfalls nicht zu beobachten. Tatsächlich verzeichnete die GIS – folgt man den Aussagen ihres Geschäftsführers – im Laufe des Jahres 2019 'so viele Anmeldungen wie noch nie' […], mögen die Neuanmeldungen im Jahr 2020 auch aus nicht näher genannten Gründen zurückgegangen sein.

[…]

Zu den auf den Gleichheitsgrundsatz bezogenen Darlegungen

Mit seinen Ausführungen […] wiederholt der Antragsteller seine These der 'Gleichwertigkeit', ohne neue Argumente vorzutragen. Vielmehr verändert der Antragsteller nur die Perspektive, wenn er die angebliche Verfassungswidrigkeit nun aus dem Blickwinkel des das Programmentgelt (nicht) entrichtenden Publikums präsentiert. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist die Bundesregierung auf ihre obigen Ausführungen […] der Äußerung."

3. Der antragstellende ORF hat eine Replik erstattet, in der er der Äußerung der Bundesregierung entgegentritt (teilweise ohne Hervorhebungen im Original):

"Die Bundesregierung bringt zunächst vor, dass der ORF nicht Normadressat der angefochtenen Bestimmungen wäre. Dieser Ansicht der Bundesregierung ist entgegen zu treten:

§31 ORF[‑G] insgesamt und auch die angefochtenen Bestimmungen regeln [das] dem ORF zustehende[…] Programmentgelt; es handelt sich nach hA um ein Entgelt privatrechtlicher Natur. Daran und an einem der Entrichtung des Programmentgelts zugrundeliegenden Vertragsverhältnis zwischen dem Rundfunkteilnehmer und dem ORF ändert auch nichts, dass Aufgaben zur Einhebung des Programmentgelts an die GIS Info Service GmbH ('GIS') übertragen worden sind. Daher berühren §31 ORF-G und auch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar die Rechtsposition des ORF, noch dazu in einem für den ORF zentralen Punkt.

Aber selbst dann, wenn man der Bundesregierung dahingehend folgen wollte, dass die angefochtenen Bestimmungen sich nach ihrer sprachlichen Formulierung (nur) an die Rundfunkteilnehmer, die zur Zahlung des Programmentgelts verpflichtet sind, und an die GIS, die für die Einhebung des Programmentgelts zuständig ist, richten (würden), wäre die Anfechtungsberechtigung des ORF zu bejahen:

Die Bundesregierung verkennt, dass der VfGH nach Zweck und Inhalt von angefochtenen Regelungen auch nicht unmittelbar von einer Regelung adressierte Rechtspersonen als Normadressaten ansieht, wenn durch die Regelung nicht nur deren persönliche Situation berührt wird, sondern auch in die – insbesondere auch durch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geprägte – Rechtssphäre eingegriffen wird.

[…]

Die ausreichende Finanzierung des ORF ist eine der wesentlichen Pfeiler der im BVG Rundfunk normierten Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aus dem BVG Rundfunk lässt sich daher eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Sicherstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ableiten. Im ORF-G wird das Programmentgelt als Finanzierung des ORF gesetzlich geregelt. Das Programmentgelt ist die Hauptfinanzierungsquelle des ORF.

Das Programmentgelt wird in §31 ORF-G geregelt. Es gebührt dem ORF als Gegenleistung für die Bereitstellung des Programms und wird von den Rundfunkteilnehmern bezahlt. Die GIS hebt das Programmentgelt gemeinsam mit der Rundfunkgebühr ein und überweist das eingehobene Programmentgelt vierteljährlich an den ORF. Das Programmentgelt fließt dem ORF zu. […]

Die angefochtenen Bestimmungen zum Programmentgelt sind ihrem Inhalt und Zweck nach von einer solchen Wirkung auf den ORF als Empfänger des Entgelts, dass damit nicht nur dessen tatsächliche Situation berührt wird, sondern auch in die – insbesondere auch durch die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des BVG Rundfunk geprägte – Rechtssphäre des ORF eingegriffen wird.

[…]

Darüber hinaus ist die Ansicht der Bundesregierung verfehlt, dass keine aktuelle (gegenwärtige) Betroffenheit des ORF vorliegt. Bereits jetzt nutzen zahlreiche Österreicher die Programme des ORF ausschließlich via Streaming und zahlen daher kein Programmentgelt. Es handelt sich dabei um eine Situation, die derzeit aktuell besteht und sich in der Zukunft fortsetzen und verschlimmern wird. Weiters melden sich bereits jetzt zahlreiche Nutzer mit dem Argument (verkürzt) 'Streaming ist GIS-frei' ab. Im Jahr 2021 sind bis zu ca 1.100 solche Abmeldungen pro Monat zu verzeichnen, wobei zusätzlich noch rund 4.000 Abmeldungen pro Monat hinzukommen, welche als Abmeldegrund angeben, dass sie keine Rundfunkempfangseinrichtung mehr besitzen – sohin zusammen rund 60.000 Abmeldungen pro Jahr mit stetig steigender Tendenz. In diesen Zahlen sind jene neuen Haushalte noch gar nicht berücksichtigt, die sich mit derselben Begründung erst gar nicht anmelden. […] Der ORF ist sohin aktuell in seiner Rechtssphäre betroffen.

[…]

Der wesentliche[…] Begründungsduktus der Bundesregierung in der Sache liegt darin, dass zwischen Streaming-TV und Broadcast-TV wesentliche Unterschiede im Tatsächlichen liegen, wobei die Bundesregierung auch die Bedeutung des Streaming‑TV zu gering einschätzt, welche nach Ansicht der Bundesregierung im Ergebnis ein Streaming betreffend 'technologieoffenes' Verständnis des Rundfunkbegriffs verbieten.

[…]

Bis zum Beginn der Streamingdiskussion sind technische Innovationen, die sich nachhaltig etabliert haben, als Rundfunkempfangseinrichtungen angesehen worden, insbesondere Kabel- und Satelliten-Set Top Boxen; dies ungeachtet des Umstandes, dass der historische Gesetzgeber diese technologischen Entwicklungen nicht vorhergesehen hatte. Streaming hat sich nachhaltig etabliert.

Live-Streaming-Plattformen mit eigener Netzinfrastruktur (zB A1 Xplore TV) setzen jetzt bereits eine Multicasting Technik ein, welche eine unmittelbare Punkt-zuMehrpunkt-Verbreitung ermöglicht. Multicasting ist in den im Aufbau begriffenen 5G Netzen ein systeminhärenter Dienst. Es sind auch bei hoher zeit[..]gleich-paralleler Nutzung keine Leistungseinschränkungen nachweisbar.

Die über die drei österreichischen (in Intensivem Wettbewerb zueinander stehenden) Mobilfunkanbieter zur Verfügung stehende flächendeckende mobile Breitband-Versorgung samt den zusätzlichen leitungsgebundenen Internetanschlüssen sichert hinreichend (flächendeckende) Empfangbarkeit über Streaming. Das Internet hat 2020 seine zentrale Bedeutung für systemkritische Kommunikations- und IT-Anwendungsfälle bewiesen und ist heute (jedenfalls in Österreich) ebenso eine auf höchstem Service-Level wie mit höchster Verfügbarkelt betriebene Netzinfrastruktur. Das Streaming linearer Rundfunkprogramme nimmt heute eine gleichberechtigte Stellung im Verbreitungsnetz-Mix öffentlicher und privater Medienunternehmen ein."

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. Der als Stiftung des öffentlichen Rechts mit Rechtspersönlichkeit durch das ORF‑G (siehe §1 Abs1) eingerichtete "Österreichische Rundfunk" (ORF) begründet seine unmittelbare rechtliche Betroffenheit damit, dass §31 Abs10 ORF‑G dem ORF für die Bereitstellung von Programmen einen Rechtsanspruch auf Programmentgelt gegenüber jenen Rundfunkteilnehmern einräume, die an ihrem Standort mit Programmen des ORF terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt werden. Dem Programmentgelt liege ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis zwischen dem ORF und dem jeweiligen Rundfunkteilnehmer zugrunde. Zwar hebe die "GIS Gebühren Info Service GmbH" (GIS) das Programmentgelt ein, dieses fließe aber dem ORF zu. Das Programmentgelt diene dazu, eine ausreichende Finanzierung des ORF und damit die verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen, sodass die von dieser Bestimmung ausgehenden Wirkungen keine bloßen (wirtschaftlichen) Reflexwirkungen darstellten. Vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt zahlreiche Haushalte die Programme des ORF nur streamten und dafür kein Programmentgelt zahlten, weil sie die Programme nicht über eine "klassische" Rundfunktechnologie (also über technische Module zum Empfang von terrestrisch, über Kabel oder über Satellit verbreitete Programme), sondern über das Internet empfingen, entgingen dem ORF bereits jetzt wesentliche Einnahmen, sodass der Eingriff in die Rechtssphäre auch aktuell sei.

3. Die Bundesregierung hält dem entgegen, dass sich die Bestimmung des §31 Abs10 ORF-G an die zur Entrichtung des Programmentgeltes verpflichteten Rundfunkteilnehmer und die zur Einhebung des Programmentgeltes zuständige Stelle, also die GIS, richte und der ORF selbst nicht Normadressat sei. Die Bestimmung greife sohin nicht in die Rechtssphäre des ORF ein, sondern habe lediglich Auswirkungen auf dessen wirtschaftliche Interessen. Selbst unter der Annahme, dass eine rechtliche Betroffenheit vorliege, fehle es dem Eingriff an Aktualität. Der ORF habe nicht dargelegt, dass es ihm aktuell wegen der fehlenden Einnahmen aus dem Programmentgelt nicht möglich sei, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen.

4. Der Antrag ist zulässig:

4.1. §31 ORF-G gestaltet unter den Vorgaben des BVG Rundfunk ein gesetzliches Rechtsverhältnis, an dem der ORF (als Empfänger des Programmentgeltes) beteiligt ist. Die Regelungen über Art und Ausmaß dieses Programmentgeltes gestalten damit die Rechtssphäre des ORF. Er ist daher durch die gesetzliche Regelung, dass Rundfunkteilnehmer iSd §2 Abs1 RGG nach näherer Maßgabe zur Leistung des Programmentgeltes verpflichtet sind, in seiner Rechtssphäre betroffen, womit ihm im Lichte des ArtI Abs2 und 3 BVG Rundfunk iVm Art10 EMRK die Rechtsmacht zur Wahrnehmung dieser Rechte zukommt (siehe im Hinblick auf eine Befreiungsregelung VfSlg 16.581/2002; die Rechtssphäre des ORF ist gleichermaßen betroffen, wenn, wie hier in Rede stehend, die zur Leistung des Programmentgeltes betroffenen Personen abgegrenzt werden).

Da mit den angefochtenen Bestimmungen geregelt wird, wer derzeit zur Leistung des Programmentgeltes verpflichtet ist, betreffen diese Regelungen den ORF auch aktuell. Nur in Bezug auf die durch §31 Abs10 ORF-G unter Verweis auf §2 Abs1 RGG abgegrenzten Personen kann der ORF ein Programmentgelt der Höhe nach festsetzen, das nach Maßgabe von §31 Abs17 und 18 ORF-G durch die GIS einzubringen ist.

Der ORF ist an der Einbringung der Rundfunkgebühren und damit der gleichzeitigen Einhebung des Programmentgeltes nicht beteiligt (diese richten sich nach §4 Abs1 iVm §6 RGG), womit ihm auch keine andere Möglichkeit zusteht, eine behauptete Rechtsverletzung im Wege eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (siehe abermals VfSlg 16.581/2002).

4.2. Der dritte Eventualantrag grenzt – anders als der Haupt- und der erste und zweite Eventualantrag – die angefochtenen Bestimmungen auch nicht zu eng ab. Mit dem Wegfall der Verweisung in §31 Abs10 ORF-G und der Verknüpfung der Einhebung des Programmentgeltes mit dem Verfahren zur Einbringung der Rundfunkgebühren nach dem RGG in §31 Abs17 und Abs18 ORF-G würde die vom antragstellenden ORF behauptete verfassungswidrige Bestimmung der zur Leistung des Programmentgeltes verpflichteten Personen beseitigt. Damit blieben die gesetzlichen Regelungen zur Einhebung von Rundfunkgebühren nach dem RGG – unabhängig von der Verpflichtung zur Leistung eines Programmentgeltes und der Einbringung dieses Entgeltes – bestehen. Gegen die Vorschreibung und Einhebung von Rundfunkgebühren nach dem RGG richten sich die Bedenken des antragstellenden ORF nicht.

Es ist auch nicht erforderlich, jene Bestimmungen in den an §31 Abs10 ORF‑G anschließenden Absätzen des §31 ORF-G (mit) anzufechten, die Ausgleichszahlungen des Bundes für dem ORF entfallendes Programmentgelt regeln, weil – auf Grund der entsprechenden Verweisung in §31 Abs10 ORF-G – die im RGG vorgesehenen Befreiungen von der Rundfunkgebühr auch eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes miteinschließen (siehe §3 Abs5 RGG). Bei Aufhebung der vom ORF angefochtenen Bestimmungen in §31 Abs10 ORF-G würden diese Regelungen zwar insoweit ihren Anwendungsbereich verlieren, ihr Fortbestand würde aber zu keinem dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt führen, sodass insoweit nicht von einem untrennbaren Zusammenhang auszugehen ist (vgl VfSlg 19.972/2015, 20.102/2016).

Ob, treffen die Bedenken des antragstellenden ORF zu, mit einer Aufhebung nur von Teilen der angefochtenen Bestimmungen das Auslangen gefunden werden kann, ist im Zuge der Entscheidung in der Sache zu klären (siehe VfSlg 19.972/2015, 20.111/2016).

4.3. Auch dass der ORF in seinem Antrag begehrt, näher bezeichnete Wortfolgen in §31 Abs10 ORF‑G sowie §31 Abs17 und Abs18 jeweils zur Gänze "idgF BGBl I 55/2014" als verfassungswidrig aufzuheben, und damit die angefochtenen Gesetzesstellen unrichtig bezeichnet, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrages (VfSlg 20.313/2019, 20.395/2020). Dem in §62 Abs1 erster Satz VfGG festgelegten Erfordernis einer genauen und eindeutigen Bezeichnung ist hier mit der wörtlichen Wiedergabe der angefochtenen Wortfolgen und Bestimmungen Genüge getan (VfSlg 19.616/2012, 20.038/2016, 20.395/2020).

4.4. Vor diesem Hintergrund erweist sich – da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind – der dritte Eventualantrag des ORF als zulässig. Damit braucht auf die weiteren Eventualanträge des ORF nicht eingegangen zu werden (siehe VfSlg 20.401/2020; VfGH 27.9.2021, G98/2021). Der Hauptantrag sowie der erste und zweite Eventualantrag sind als unzulässig zurückzuweisen.

B. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.1. Die Finanzierung des ORF als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter (zum damit angesprochenen Konzept des Public Service Broadcasting siehe Barendt, Broadcasting Law, 1995, 51 ff.; Hoffmann-Riem, Die Unabhängigkeit des Rundfunks, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek [Hrsg.], Unabhängigkeit der Medien, 2011, 49 [55 ff.]) ist als ein Aspekt der den Bundesgesetzgeber nach dem BVG Rundfunk treffenden Gewährleistungspflichten grundsätzlich im ORF-G geregelt, wobei der Gesetzgeber dabei sowohl durch unionsrechtliche, insbesondere beihilfenrechtliche Vorgaben als auch durch die ihn aus ArtI Abs2 und 3 BVG Rundfunk treffenden Verpflichtungen im Hinblick auf die demokratische und kulturelle Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmt ist. Der Gesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung der ihn auf Grund von ArtI Abs2 und 3 BVG Rundfunk treffenden Funktions- und Finanzierungsverantwortung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine Mischfinanzierung entschieden. Einerseits erhält der ORF im Wege des gesetzlich geregelten Programmentgeltes staatlich garantierte Finanzmittel (umgangssprachlich "Gebührenfinanzierung") im Hinblick auf den ihm gesetzlich übertragenen öffentlich-rechtlichen Auftrag. Andererseits ermöglicht das Gesetz dem ORF die Finanzierung von Aktivitäten im Rahmen seines (ebenso gesetzlich festgelegten) Unternehmensgegenstandes aus wirtschaftlichen Erträgen, insbesondere aus Werbeerlösen. Auch diese Finanzierung ist gesetzlich geregelt und begrenzt.

Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF umfasst gemäß §1 Abs2 ORF-G die Aufträge nach §§3 bis 5 ORF-G und gliedert sich in einen technischen Versorgungsauftrag und einen Programmauftrag (siehe Erläut zur RV 634 BlgNR 21. GP , Allgemeiner Teil). Zum Versorgungsauftrag des ORF zählen gemäß §3 Abs1 ORF‑G drei österreichweit und neun bundeslandweit empfangbare Hörfunkprogramme und zwei österreichweit empfangbare Fernsehprogramme sowie gemäß §3 Abs8 ORF-G auch die Veranstaltung eines Sport-Spartenprogrammes gemäß §4b ORF‑G, eines Informations- und Kulturspartenprogrammes gemäß §4c ORF-G sowie die Ausstrahlung eines Fernsehprogrammes für das europäische Publikum gemäß §4d ORF-G. Diese Programme kann der ORF nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit gleichzeitig mit der Ausstrahlung ohne Speichermöglichkeit online bzw um bis zu 24 Stunden zeitversetzt ohne Speichermöglichkeit online bereitstellen (siehe mit näherer Regelung §3 Abs4a ORF‑G). Weiters zählt zum Versorgungsauftrag auch die Bereitstellung von mit den genannten Rundfunkprogrammen in Zusammenhang stehenden Onlineangeboten gemäß §4e und §4f ORF-G.

Das Programmentgelt ist insbesondere in §31 ORF-G näher bestimmt, indem gesetzlich geregelt ist, wer zur Leistung dieses Programmentgeltes in welcher Höhe verpflichtet ist. Die Höhe des Programmentgeltes ist – insbesondere mit Blick auf unionsrechtliche Vorgaben (siehe näher Fuchs, Umsetzungsformen des Public Value-Auftrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek [Hrsg.], Public Value im Rundfunkrecht, 2010, 59 [62 ff.]; Holoubek/Gärner/Grafl, Recht der Massenmedien, in: Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht I4, 2019, 1351 [1370 ff.]) – so festzulegen, dass unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung der öffentlich-rechtliche Auftrag – unter Bedachtnahme auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung – erfüllt werden kann. Dabei ist die Höhe des Programmentgeltes mit jenem Betrag begrenzt, der erforderlich ist, um die voraussichtlichen Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags angesichts der zu erwartenden Zahl der zur Entrichtung des Programmentgeltes Verpflichteten in einem Zeitraum von fünf Jahren ab Festlegung des Programmentgeltes (Finanzierungsperiode) decken zu können (§31 Abs2 ORF-G). Gemäß §31 Abs3 ORF-G entsprechen die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags im Grundsatz und nach Maßgabe näherer gesetzlicher Konkretisierung den Kosten, die zur Erbringung des öffentlich-rechtlichen Auftrags anfallen unter Abzug der erwirtschafteten Nettoerlöse aus kommerzieller Tätigkeit im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlicher Tätigkeit. Näheres ist in §31 Abs2 ff ORF-G geregelt. Nach Maßgabe dieser Vorgaben legt der ORF selbst, nämlich der Stiftungsrat mit Genehmigung des Publikumsrates auf Antrag des Generaldirektors, die konkrete Höhe des Programmentgeltes fest (vgl §31 Abs1 und Abs8 ORF‑G).

Den Kreis der Personen, die zur Leistung des Programmentgeltes verpflichtet werden, bestimmt §31 Abs1 ORF-G zunächst grundsätzlich dahingehend, dass jeder zum Empfang der Hörfunk- bzw Fernsehsendungen des ORF berechtigt ist, dies allerdings nur gegen ein fortlaufendes Programmentgelt. Im Grundsatz knüpft der Gesetzgeber daher die mögliche Teilhabe an den vom ORF verbreiteten Rundfunkprogrammen an die Verpflichtung zur Leistung eines Programmentgeltes und begründet auf diese Weise ein gesetzliches Rechtsverhältnis zwischen dem ORF und den potentiellen Nutzerinnen und Nutzern seiner Programme (vgl IA 1759/A 24. GP , 2, der vom "synallagmatischen Charakter des Programmentgeltes im Sinne einer Gegenleistung für die erfolgte Bereitstellung der im öffentlich-rechtlichen Auftrag gelegenen Vollprogramme durch den Österreichischen Rundfunk [vgl VfSlg 7717/1975]" spricht).

Näherhin bestimmt §31 Abs10 ORF-G die zur Leistung des Programmentgeltes verpflichteten Personen dahingehend, dass jedenfalls "Rundfunkteilnehmer" iSd §2 Abs1 RGG zur Leistung des Programmentgeltes verpflichtet sind, wenn sie an ihrem Standort mit den Programmen des ORF, die seinem Versorgungsauftrag gemäß §3 Abs1 ORF-G unterfallen, versorgt werden. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften.

Damit verknüpft der Rundfunkgesetzgeber in §31 Abs10 ORF-G die Festlegung, wer zur Leistung des Programmentgeltes an den ORF verpflichtet ist, mit der Abgrenzung der Personen, die nach dem RGG zur Entrichtung von Rundfunkgebühren verpflichtet sind. Rundfunkgebühren sind Abgaben, die der Bund nach Maßgabe der Ausgestaltung der Gebührenpflicht im RGG (siehe insb. §3 Abs1 RGG) im Wege der GIS als gesetzlich mit der Einhebung dieser Abgaben betrautem beliehenen Rechtsträger (VfSlg 17.421/2004 und näher Leitl-Staudinger, Gebührenfinanzierung aus innerstaatlicher Sicht, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek [Hrsg.], Das Recht der Rundfunkfinanzierung, 2008, 41 [45 ff.]) einhebt (§4 Abs1 RGG). Die Erträge aus diesen Rundfunkgebühren kommen insbesondere im Wege der RTR‑GmbH bzw bei ihr angesiedelter Rechtsträger der Förderung der (elektronischen) Medien im privaten Sektor, aber auch allgemein der Förderung kultureller Zwecke zugute (näher §20a Abs2, §§21 bis 33 und §§35 f. KOG).

§31 Abs17 und 18 ORF-G bindet die Einhebung des Programmentgeltes iSd §31 ORF-G an die Einbringung der Rundfunkgebühren nach dem RGG. Das Programmentgelt ist zwingend gleichzeitig (unter einem) mit den Rundfunkgebühren nach den einschlägigen Regelungen des RGG einzuheben (§31 Abs17 ORF‑G). Nach §31 Abs18 ORF-G können rückständige Programmentgelte zugunsten des ORF in gleicher Weise wie rückständige Rundfunkgebühren im Verwaltungsweg hereingebracht werden (siehe auch §6 Abs3 RGG).

2.2. Die Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkgebühren nach Maßgabe des §3 RGG setzt gemäß §2 Abs1 RGG voraus, dass eine Person eine Rundfunkempfangseinrichtung iSd §1 Abs1 RGG betreibt bzw betriebsbereit hält (und damit zum Rundfunkteilnehmer iSd §2 Abs1 RGG wird). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind "Rundfunkempfangseinrichtungen" iSd RGG "lediglich jene Geräte, die 'Rundfunktechnologien' verwenden (drahtloser terrestrischer Weg, Kabelnetze, Satellit). [...] Ein Computer, über den mittels dieser Rundfunktechnologien Rundfunkprogramme empfangen werden können (etwa mittels TV- oder Radiokarte, DVB-T Modul), ist demnach als Rundfunkempfangsgerät zu beurteilen. Ein Computer lediglich mit einem Internetanschluss – ohne Rundfunktechnologie – ist hingegen kein Rundfunkempfangsgerät" (VwGH 30.6.2015, Ro 2015/15/0015). Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum RGG führt im Hinblick auf das Programmentgelt nach der geltenden Rechtslage zu folgender Regelung, wer zur Leistung des Programmentgeltes an den ORF verpflichtet ist:

Nach §31 Abs10 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 ORF‑G ist "jedenfalls" ein "Rundfunkteilnehmer" iSd §2 Abs1 RGG zur Zahlung des Programmentgeltes verpflichtet, wenn er an seinem Standort mit den vom Versorgungsauftrag des §3 Abs1 ORF-G erfassten Programmen terrestrisch (analog oder DVB‑T) versorgt wird. §2 Abs1 RGG erklärt (in der ihm vom Verwaltungsgerichtshof beigemessenen Bedeutung) weiters auch Personen zu rundfunkgebührenpflichtigen Rundfunkteilnehmern, deren Empfangseinrichtung Rundfunkprogramme des ORF im Wege der Verbreitung über Kabelnetz oder Satellit erfasst, nicht aber Personen, deren Empfangseinrichtung bloß internetfähig ist, auch wenn diese Personen damit Rundfunkprogramme des ORF im Internet streamen können (siehe VwGH 30.6.2015, Ro 2015/15/0015). §31 Abs10 Satz 2 ORF-G ordnet weiters an, dass sich Beginn und Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes (sowie die Befreiung von dieser Pflicht) nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften richten. §31 Abs17 ORF-G knüpft daran an und bestimmt, dass das Programmentgelt gleichzeitig mit den Rundfunkgebühren und in gleicher Weise wie diese einzuheben ist. Ausdrücklich bestimmt §31 Abs17 zweiter Halbsatz ORF-G, dass "eine andere Art der Zahlung [...] die Schuld nicht [tilgt]." Aus diesem Regelungszusammenhang folgt, dass Programmentgelt an den ORF zu leisten hat, wer nach Maßgabe des RGG zur Entrichtung von Rundfunkgebühren verpflichtet ist (und dem ORF eine abweichende Abgrenzung der zur Leistung des Programmentgeltes verpflichteten Personen ebenso gesetzlich verwehrt ist, wie das Programmentgelt auf andere Weise als im Wege des RGG einzuheben bzw einheben zu lassen).

Damit ist zur Leistung des Programmentgeltes nach §31 Abs10 iVm §31 Abs17 ORF‑G iVm §2 Abs1 RGG verpflichtet, wer über eine Rundfunkempfangseinrichtung Rundfunkprogramme des ORF auf drahtlosem terrestrischen Weg, über Kabelnetze oder über Satellit empfangen kann (dabei kommt es auf die Möglichkeit, nicht auf die technische Qualität und auch nicht darauf an, ob die Empfangseinrichtung für diese Programme genützt wird oder nicht, siehe VfSlg 17.807/2006; näher Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze4, 2018, 297 f.).

2.3. Wie der Gesetzgeber in den genannten Bestimmungen die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren und (wegen der Verknüpfung in §31 ORF-G) damit auch zur Leistung des Programmentgeltes an den ORF festlegt, führt also dazu, dass Personen, die über ein internetfähiges Empfangsgerät verfügen, das aber keinen Empfang von Rundfunkprogrammen des ORF auf terrestrischem Weg, über Kabel oder Satellit ermöglicht, keiner Verpflichtung zur Entrichtung der Rundfunkgebühr und damit auch nicht der Verpflichtung zur Bezahlung des Programmentgeltes unterliegen; dies ungeachtet der Tatsache, dass sie über dieses internetfähige Empfangsgerät ORF-Programme, die über das Internet verbreitet werden, hören und sehen können.

2.4. Aus Sicht des antragstellenden ORF entsteht auf Grund dieser gesetzlichen Regelung der Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes eine sogenannte "Streaming-Lücke", weil Personen, die zwar (unabhängig von empfangstechnischen Einzelheiten wie Verzögerungen) dieselben Programme des ORF hören und sehen ("streamen") können wie Personen, die (Programmentgeltpflicht auslösend) die Rundfunkprogramme des ORF auf terrestrischem Weg, über Kabel- oder Satellitenübertragung nutzen, keiner Verpflichtung zur Zahlung eines Programmentgeltes unterliegen.

Dies hält der ORF insbesondere deswegen für eine verfassungswidrige Gestaltung seiner Rechtssphäre, weil es sich um eine unsachliche Eingrenzung des Kreises der programmentgeltpflichtigen Personen handle, und weil diese technologieabhängige Bestimmung des Rundfunkteilnehmers als programmentgeltspflichtige Person der technologieneutralen und insoweit entwicklungsoffenen Rundfunkdefinition des ArtI Abs1 BVG Rundfunk widerspreche. Da "Streaming" eine mittlerweile gleichwertige Verbreitungsform zu analogen oder digitalen Verbreitungen auf terrestrischem Weg, über Kabelnetze oder über Satellit darstelle, die überdies zukünftig immer wichtiger werde, verletze diese Regelung auch die aus dem BVG Rundfunk folgende Finanzierungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

2.5. Die Bundesregierung hält dem entgegen, dass sich eine solche konkrete Finanzierungsvorgabe aus dem BVG Rundfunk nicht ableiten lasse. Eine allfällige Finanzierungsverpflichtung beschränke sich lediglich darauf, ein Finanzierungssystem bereit zu stellen, das die Garantien des BVG Rundfunk einzulösen vermag. Die Wahl der konkreten Mittel liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Dieser werde nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber nur bestimmte, nach wie vor bei einer Gesamtbetrachtung weitaus dominierende Verbreitungsformen der dem Versorgungsauftrag unterliegenden Rundfunkprogramme des ORF als Anknüpfungspunkt für die Rundfunkgebührenpflicht und die Programmentgeltpflicht wähle.

3.1. BVG Rundfunk und Art10 EMRK konstituieren – über Art10 Abs1 Satz 3 EMRK verbunden (VfGH 6.10.2021, E2477/2021) – eine Funktionsverantwortung des Gesetzgebers in demokratischer und kultureller Hinsicht für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung. Diese beruht auf der in Art10 EMRK gewährleisteten individuellen Rundfunkfreiheit ebenso wie auf den institutionellen Vorgaben des BVG Rundfunk (davon geht der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, vgl etwa VfSlg 12.822/1991 mit Hinweisen zur Vorjudikatur) und soll umfassend die Freiheit des öffentlichen Diskurses im Wege des Rundfunks gewährleisten. Erfasst von dieser Gewährleistungspflicht ist – ungeachtet eines, die entsprechende Kommunikation individualrechtlich absichernden weiteren Schutzbereiches des Art10 Abs1 EMRK – Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk. Für den in dieser Verfassungsbestimmung umschriebenen Rundfunk gelten die institutionellen Garantien des ArtI Abs2 und Abs3 BVG Rundfunk in Verbindung mit, derartigen Rundfunk ebenso von seinem Schutzbereich miteinschließend, Art10 EMRK.

3.2. Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk hat eine technische ("Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw längs oder mittels eines Leiters") und eine inhaltliche, publizistische ("Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild") Komponente. Erstere ist insofern technologiebestimmt, als sie auf elektronische und nicht auf Printmedien abstellt, aber ansonsten in dem Sinn technologieoffen gestaltet ist, dass technische Entwicklungen miteingeschlossen sind. Nur so können die an die Bestimmung von Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk anknüpfenden Garantien in Art1 Abs2 und 3 BVG Rundfunk auch in einer sich verändernden technologischen Welt wirksam bleiben. Die publizistische Komponente stellt auf eine spezifisch massenmediale Bedeutung des Rundfunks ab, die sich insbesondere aus der Wirkkraft der Verbindung von Wort, Ton und Bild und dem in der Programmgestaltung und Programmsetzung zum Ausdruck kommenden Einfluss auf den demokratischen und kulturellen öffentlichen Kommunikationsprozess ergibt. ArtI Abs1 BVG Rundfunk steht dabei mit den Funktions‑ und Entwicklungsgarantien der Absätze 2 und 3 dieses Bundesverfassungsgesetzes in einer Wechselwirkung (vgl Berka, Das BVG-Rundfunk: Rundfunkrechtliches Leitprinzip für einen modernen Rundfunk oder obsoletes Verfassungsrecht?, FS Öhlinger, 2004, 584 [589]; Wiederin, Die Rundfunkdefinition des BVG-Rundfunk: Versuch einer Rehabilitierung, MR 2021, 215 [221]). Auf Einzelheiten dieses verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs kommt es in der Folge nicht an.

3.3. Für den vorliegenden Zusammenhang ist die Feststellung ausreichend, dass sich die auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beziehenden rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf seine Finanzierung und die dabei zu gewährleistende Unabhängigkeit (sowohl von, seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigenden, staatlichen als auch privaten Einflussnahmen und Abhängigkeiten), insoweit am Rundfunkbegriff des ArtI Abs1 BVG Rundfunk auszurichten haben, als dieser im Grundsatz bestimmt, für welche Rundfunkkommunikation die Funktionsverantwortung des ArtI Abs2 und 3 BVG Rundfunk gilt. In der so definierten Rundfunkordnung muss dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine nach Maßgabe des BVG Rundfunk und des Art10 EMRK funktionsadäquate Stellung zukommen. Darauf bezieht sich die Finanzierungsgarantie des BVG Rundfunk für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich. Innerhalb dieser Vorgaben hat, wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Gestaltungsspielraum.

Das bedeutet aber nicht, dass die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konstitutive staatlich garantierte Finanzierung zur Wahrnehmung seiner besonderen demokratischen und kulturellen Aufgabe (in der Terminologie des ORF-G: seines "öffentlich-rechtlichen Auftrags", siehe §1 Abs2 Satz 2 ORF-G) bei einem Finanzierungsmodell wie dem des "Programmentgeltes" gemäß §31 ORF-G uneingeschränkt am Rundfunkbegriff des ArtI Abs1 BVG Rundfunk ansetzen muss. Solange eine den Vorgaben des BVG Rundfunk insgesamt entsprechende Finanzierung des ORF gewährleistet ist, kann der Gesetzgeber grundsätzlich bei der Abgrenzung der Personen, die er zur Leistung eines Programmentgeltes und damit für eine entsprechend staatlich garantierte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heranzieht, etwa auch typisieren, Mehrfachnutzungen berücksichtigen, auf Aspekte der Verwaltungsökonomie Bedacht nehmen oder Differenzierungen aus sozial- und rundfunkpolitischen Zielsetzungen vornehmen.

3.4. Damit stellt sich vorliegend ausschließlich die Frage, ob die Ausnahme aller Personen, die ORF‑Programme ausschließlich über internetfähige, aber für den Empfang von Rundfunkprogrammen über terrestrischen Weg, Kabel- oder Satellitenempfang nicht geeignete Geräte hören oder sehen können, mit den rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben oder sonstigen Verfassungsverbürgungen, insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz, vereinbar ist.

Die Bundesregierung bejaht diese Frage, indem sie darauf verweist, dass nach wie vor die weitaus überwiegende Nutzung der Programme des ORF über die herkömmlichen Rundfunktechnologien Terrestrik, Kabel und Satellit erfolgt und damit bei einem so anknüpfenden Programmentgelt auch keine Gefährdung der einschlägigen Finanzierung des ORF besteht.

Der ORF hält dem entgegen, dass der Ausschluss des aus heutiger Sicht zukunftsbestimmenden Kommunikationsmediums und damit der Personen, die ein einschlägiges Nutzungsverhalten wählen, aus dem Kreis derer, die für die Finanzierung des ORF in die Pflicht genommen werden, nicht nur die Basis seiner einschlägigen Programmentgelt-Finanzierung schon derzeit schmälert und künftig noch erheblich schmälern würde, sondern dass dies auch unter Gleichbehandlungsaspekten nicht gerechtfertigt sei.

3.5. Damit ist der ORF im Ergebnis im Recht:

Den Gestaltungsvorgaben des ArtI Abs2 und Abs3 BVG Rundfunk kommt es wesentlich auf die demokratische und kulturelle Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gesamtrundfunkordnung an. Dabei hat die aus diesen Verfassungsbestimmungen folgende Funktions- und Finanzierungsverantwortung des Gesetzgebers für den öffentlich‑rechtlichen Rundfunk – auf Grund des Zusammenhanges zwischen dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des ArtI Abs1 BVG Rundfunk und den daran anknüpfenden Garantien der Absätze 2 und 3 dieses Bundesverfassungsgesetzes – Rundfunk iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk vor Augen.

Eine Finanzierung über Programmentgelt, wie sie das ORF-G derzeit vorsieht, also durch Verpflichtung aller potentiellen Nutzerinnen und Nutzer der Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu seiner Finanzierung beizutragen, hat auch einen die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit sichernden Aspekt. Bei dieser Finanzierung über Programmentgelt ist es wesentlich, dass grundsätzlich alle, die Rundfunk iSd BVG Rundfunk potentiell empfangen und damit über Rundfunk am öffentlichen Diskurs – auf den die umfassende Rundfunkfreiheit, die das BVG Rundfunk vor Augen hat, abstellt und um dessentwillen dieses Bundesverfassungsgesetz entsprechende Garantien für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorsieht – teilhaben können, in die gesetzliche Finanzierung des ORF einbezogen werden, und nicht eine wesentliche Gruppe aus Gründen der Nutzung eines bestimmten, nach dem Stand der Technik gängigen Verbreitungsweges ausgenommen wird.

Angesichts der Zielsetzungen, die ArtI Abs2 BVG Rundfunk dem Gesetzgeber für die Gestaltung der Rundfunkordnung vorgibt, umfasst diese Gewährleistungspflicht auch Rundfunkprogramme, die, wenn sie auch die publizistische Komponente des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs des ArtI Abs1 BVG Rundfunk erfüllen, über das Internet verbreitet werden. Nach Stand und Entwicklung der Kommunikationstechnologie ist, worauf der ORF zu Recht hinweist, "Internet-Rundfunk" mit "Broadcasting-Rundfunk" im Hinblick auf die Zielsetzungen des BVG Rundfunk vergleichbar. Geht der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Finanzierungsverantwortung für den ORF von einer Finanzierung über ein Programmentgelt aus, dann darf er im Hinblick auf die Vorgaben des BVG Rundfunk nicht ein für die Rundfunkordnung insgesamt wesentliches Nutzungsverhalten von dieser Finanzierungsverpflichtung ausnehmen, weil er damit die Finanzierungslast bei grundsätzlich vergleichbarer Teilhabemöglichkeit im Lichte der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie das BVG Rundfunk vor Augen hat, maßgeblich ungleich verteilt.

Zwar ist der Gesetzgeber bei einer Finanzierung des ORF über Programmentgelt gehalten, die Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes im Hinblick auf einen Empfang von Rundfunkprogrammen des ORF über das Internet näher und differenziert auszugestalten (siehe den Punkt 3.3.). Die gänzliche Ausnahme maßgeblich möglicher kommunikativer Teilhabe an den Programmen des ORF ist aber mit einem teilhabeorientierten Finanzierungssystem, wie es der Gesetzgeber im Wege des Programmentgeltes mit Blick auf die Unabhängigkeitsvorgaben des BVG Rundfunk gewählt hat, und damit mit dessen Anforderungen nicht vereinbar.

Indem die maßgeblichen Bestimmungen in §31 Abs10 ORF-G in Verbindung mit §31 Abs17 und Abs18 ORF-G bewirken, dass Personen, die die Programme des ORF nur über das Internet nutzen können, deswegen nicht zur Entrichtung des Programmentgeltes verpflichtet sind, verstoßen sie gegen die dargestellten Vorgaben des BVG Rundfunk.

3.6. Die vorstehenden Überlegungen gelten für die hier in Rede stehende gesetzliche Regelung der Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes. Ob überhaupt und inwieweit sie allenfalls auf die Einhebung von anderen Zwecken im Zusammenhang mit der Gestaltung der Rundfunkordnung zugutekommenden Rundfunkgebühren iSd RGG zu übertragen sind, ist hier nicht zu erörtern.

4. Zur Beseitigung des festgestellten Verfassungsverstoßes ist es ausreichend, jene Bestimmungen im ORF-G aufzuheben, die die Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes an die im RGG geregelte Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkgebühren binden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher – wie im dritten Eventualantrag angefochten – die Wortfolge ", jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB‑T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften" in §31 Abs10 ORF‑G idF BGBl I 126/2011 sowie §31 Abs17 idF BGBl I 50/2010 und, wegen des untrennbaren Zusammenhanges mit der Einhebung des Programmentgeltes auf die im RGG geregelte Weise, auch §31 Abs18 ORF-G idF BGBl I 50/2010 als verfassungswidrig aufzuheben.

V. Ergebnis

1. Die Wortfolge ", jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§2 Abs1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß §3 Abs1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften" in §31 Abs10 ORF-G, BGBl 379/1984, idF BGBl I 126/2011 sowie §31 Abs17 und §31 Abs18 ORF-G idF BGBl I 50/2010 sind wegen des Verstoßes gegen das BVG Rundfunk als verfassungswidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.

Hinsichtlich des Hauptantrages sowie des ersten und zweiten Eventualantrages ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B‑VG. Diese Frist ermöglicht es dem Gesetzgeber, eine (allenfalls auch unter rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben) für erforderlich gehaltene Neuregelung über die Verpflichtung zur Leistung eines Programmentgeltes und gegebenenfalls eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragende Verbindung der Einhebung des Programmentgeltes gemäß dem ORF-G mit der Einbringung der Rundfunkgebühren nach dem RGG zu treffen.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §65a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

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