OGH 9ObA66/24g

OGH9ObA66/24g19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Haider | Obereder | Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Dr. Guido Bach, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, in eventu Zahlung von 1.104,62 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2024, GZ 8 Ra 40/24x‑18, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Dezember 2023, GZ 15 Cga 34/23a-10, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00066.24G.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 453,17 EUR (darin enthalten 75,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1. 7. 2008 bis 30. 6. 2023 beschäftigt.

[2] Punkt V. des Dienstvertrags vom 16. 5. 2008 lautet wie folgt:

„Als Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Pensionskasse gilt der Jahresbezug, maximal jedoch der Gehalt der Gruppe VI, Stufe 35, 14 Mal jährlich mit den schemamäßigen Erhöhungen“.

[3] Am 20. 9. 2010 erfolgte eine „einvernehmliche Änderung des Dienstvertrags“:

„(...)

Zum Punkt V.

Pension

Als Bemessungsgrundlage für die Beitr ä ge zur Pensionskasse gilt der fixe Jahresbezug (exklusive Erfolgsprämie). Die Anwartschaft gilt als erfüllt. Der Dienstgeber leistet einen Pensionskassenbeitrag in Höhe von 6% der Bemessungsgrundlage.“

[4] Die Klägerin war vom 7. 9. 2021 bis 28. 2. 2023 im Krankenstand. Nach dem Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs erhielt sie gemäß § 20 des anzuwendenden Kollektivvertrags für Angestellte der österreichischen Landes‑Hypothekenbanken (KV) von 2. 12. 2021 bis Oktober 2022 einen kollektivvertraglichen 49%igen Krankengeldzuschuss. Für diesen Zeitraum bezahlte die Beklagte für die Klägerin keine Beiträge an die Pensionskasse. Am 1. 7. 2023 trat die Klägerin die Alterspension an.

[5] Bei der Beklagten wurde 2018 eine Betriebsvereinbarung über ein beitragsorientiertes Pensionskassenmodell (BV) abgeschlossen. Diese regelt die Dienstgeberbeiträge wie folgt:

„§ 13 Dienstgeberbeiträge

(1) Der Dienstgeber verpflichtet sich ab Eintritt des jeweiligen AWB [Anwartschaftsberechtigten] in den persönlichen Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung und nach Erfüllung einer allfälligen Wartezeit (§ 2) monatlich (12x p.a.) zur Finanzierung der Versorgungsleistungen Beiträge (Dienstgeberbeiträge) in Höhe von a) 2,7%

(...)

des anrechenbaren Gehaltes an die Pensionskasse zu leisten.

Als anrechenbares Gehalt gilt die Einreihung und Einstufung in das geltende Gehaltsschema gemäß Abschnitt II des gültigen Kollektivvertrages, jedoch ohne sonstige kollektivvertragliche Zulagen (ausgenommen die Ausgleichszulage und Überleitungszulagen, die im Kollektivvertrag in den Überleitungsbestimmungen im Abschnitt VI als anrechenbar geregelt sind), und zuzüglich jener Zulagen und sonstigen Gehaltsbestandteile, die ausdrücklich und schriftlich als pensionsanrechenbar bestimmt wurden. Für die Bemessung der Beiträge wird von 14 Monatsgehältern jährlich ausgegangen. Sofern bisher abweichende Vereinbarungen betreffend die Beitragshöhe getroffen wurden, gelten diese weiter.

(...)

(5) Für Dienstnehmer, die einen Karenzurlaub oder den ordentlichen Präsenzdienst antreten, wird ab Beginn ihrer Abwesenheit die Beitragsleistung durch den Dienstgeber eingestellt. Für Zeiten in denen der Dienstgeber kein Entgelt an den AWB leistet, wie z.B. unbezahlter Urlaub, erfolgt keine Beitragszahlung in die Pensionskasse. (...)“

[6] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte auch im Zeitraum 2. 12. 2021 bis 31. 10. 2022 eine Beitragspflicht zur Pensionskasse hinsichtlich der Klägerin treffe. In eventu sei die Beklagte schuldig zu erkennen, 1.104,62 EUR an die A* AG binnen 14 Tagen zu zahlen.

[7] Nach Ende der Entgeltfortzahlung habe die Klägerin von 2. 12. 2021 bis 28. 2. 2023 Krankengeld von der ÖGK bezogen. Weiters habe die Beklagte von 2. 12. 2021 bis Oktober 2022 einen (kollektivvertraglichen) Zuschuss zum Krankengeld nach § 20 KV bezahlt. Dieser Zuschuss stelle jedenfalls Entgelt dar, für das die Beklagte eine Beitragspflicht zur Pensionskasse treffe. Der Klagsbetrag des Eventualbegehrens entspreche 2,7 % der erhaltenen Krankengeldzuschüsse von 40.912 EUR.

[8] Die Beklagte bestreitet. Die Zahlung des kollektivvertraglichen Krankengeldzuschusses begründe keine Beitragspflicht zur betrieblichen Pensionskasse. Gemäß § 13 Abs 1 der BV sei die Bemessungsgrundlage für die zu entrichtenden Pensionskassenbeiträge nur das „anrechenbare Gehalt“ ohne sonstige kollektivvertragliche Zulagen. Auch die Bestimmungen des Dienstvertrags aus 2008 bzw 2020 hinsichtlich der Beiträge zur Pensionskasse würden keinen Bezug auf „Entgelt“ oder die Einbeziehung der Krankengeldzuschüsse nehmen.

[9] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren mangels Feststellungsinteresse ab. Dagegen gab es dem Eventualbegehren Folge. § 13 Abs 5 der BV regle den Entfall der Beitragspflicht und nehme auf den Begriff „Entgelt“ Bezug, ohne diesen zu definieren. Es sei daher vom gesetzlichen Entgeltbegriff auszugehen. Der kollektivvertragliche Krankengeldzuschuss sei unter den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff zu subsumieren, da die Beklagte trotz Unterbleiben der Arbeitsleistung verpflichtet sei, eine am sonst zu zahlenden Entgelt orientierte Entgeltfortzahlung zu leisten. Daher treffe die Beklagte auch eine Betragspflicht zur Pensionskasse.

[10] Das Berufungsgericht gab der gegen die Stattgebung des Eventualbegehrens gerichteten Berufung der Beklagten nicht Folge. Nach § 13 Abs 1 der BV sei grundsätzlich das „anrechenbare Gehalt“, nicht aber sonstige kollektivvertragliche Zulagen in die Bemessungsgrundlage der zu entrichtenden Pensionskassenbeiträge einzubeziehen. Diese Regelung stelle daher nicht auf die faktische Entgeltleistung an den Dienstnehmer ab. Erst § 13 Abs 5 der BV schränke diese Verpflichtung für bestimmte Fälle ein. Da die BV „Entgelt“ nicht definiere, sei bei Auslegung auf den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff abzustellen. Der KV spreche in § 20 selbst von „Bezügen im Krankheitsfall“. Dies erscheine auch schlüssig, da er sich an den vollen Geld- und Sachbezügen des Dienstnehmers orientiere. Es handle sich daher um keine kollektivvertragliche Zulage. Bemessungsgrundlage für die zu leistenden Beiträge zur Pensionskasse sei allerdings das „anrechenbare Gehalt“. Die Klägerin habe nur den tatsächlich entrichteten Krankengeldzuschuss exklusive Sonderzahlungen ihrem Begehren als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Dadurch sei die Beklagte jedoch nicht beschwert.

[11] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da der Auslegung einer Betriebsvereinbarung regelmäßig wegen des größeren Personenkreises der betroffenen Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung zukomme, wenn höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle und die Regelung nicht eindeutig sei.

[12] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage zur Gänze abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[13] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[15] 1. Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen (RS0050963). Grundsätzlich ist der gegenwärtige objektive Sinngehalt maßgebend (RS0008874). Dabei ist im Zweifel zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RS0008897 [T2]).

[16] 2. Die vom Dienstgeber zu leistenden Beiträge zur Pensionskasse ergeben sich aus § 13 der BV. Abs 1 dieser Bestimmung regelt die Höhe dieser Beiträge, die ab Eintritt des Dienstnehmers zu leisten sind, nämlich einen bestimmten Prozentsatzdes anrechenbaren Gehalts. Dieses wird näher definiert, als das Gehalt, das sich aus Einreihung und Einstufung laut KV ergibt. Zulagen sind nur in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit sie im KV als anrechenbar geregelt sind oder ausdrücklich und schriftlich als pensionsanrechenbar bestimmt wurden.

[17] 3. § 13 Abs 5 der BV regelt die Fälle, in denen trotz aufrechtem Dienstverhältnis kein Dienstgeberbeitrag zur Pensionskasse zu leisten ist: Karenzurlaub, Präsenzdienst und Zeiten in denen der Dienstgeber kein Entgelt an den Dienstnehmer leistet, wie zB bei unbezahltem Urlaub.

[18] Entgegen der Revision regelt diese Bestimmung daher nicht „ausschließlich den Fall des unbezahlten Karenzurlaubs oder ordentlichen Präsenzdienstes“. Vorgesehen ist vielmehr der Entfall der Beitragspflicht grundsätzlich dann, wenn kein Entgelt zu leisten ist. Im Umkehrschluss ist daher in Zeiten, in denen Entgelt geleistet wird, auch ein Pensionskassenbeitrag zu zahlen.

[19] 4. Nach den Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung nach § 8 AngG behält der Arbeitnehmer im Krankheitsfall für einen bestimmten Zeitraum seinen Anspruch auf jenes Entgelt, das er vor der Dienstverhinderung bezogen hat.

[20] Zusätzlich regelt § 20 KV in Abschnitt IV unter der Überschrift „Bezüge im Krankheitsfall“ Folgendes:

„(1) Für die im kündbaren Dienstverhältnis stehenden Dienstnehmer gelten für die Bezüge im Krankheitsfall folgende Bestimmungen:

a) Im Allgemeinen gelten hinsichtlich der Fortzahlung des Entgeltes im Falle der Erkrankung eines Dienstnehmers die Bestimmungen der §§ 8 und 9 AngG mit der Maßgabe, dass das volle Entgelt auch dann bezahlt wird, wenn nach § 8 (1) und (2) AngG nur eine teilweise Entgeltzahlung gebührt.

b) Über die im § 8 AngG vorgesehenen Zeiträume hinaus erhalten im ungekündigten Dienstverhältnis stehende Dienstnehmer nach Vollendung einer fünfjährigen in der Bank verbrachten Dienstzeit als Dienstnehmer bis zu einer Krankheitsdauer von sechs Monaten, nach Vollendung einer zehnjährigen in der Bank als Dienstnehmer verbrachten Dienstzeit bis zu einer Krankheitsdauer von zwölf Monaten (beide Male vom Ende des vollen Entgeltanspruches nach dem AngG an gerechnet) einen monatlichen Zuschuss zu den gesetzlichen Leistungen (Krankengeld, Familiengeld usw).

c) Dieser Zuschuss beträgt 49 % der vollen Geld- und Sachbezüge, wobei jedoch der Zuschuss zusammen mit dem Krankengeld nicht mehr als die Entgeltleistung vor der Erkrankung abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge des Dienstnehmers ausmachen darf. Kollektivvertragsbedingte sowie infolge tourlicher Vorrückungen eintretende Erhöhungen der Geld- und Sachbezüge, die während der Krankheit erfolgen, werden berücksichtigt.

(...)“

[21] Diese Regelung erweitert somit die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 8 AngG) zu Gunsten des Arbeitnehmers.

[22] 5. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin regelt § 20 KV damit keinen kollektivvertraglichen „Zuschuss“ zum sich aus Einreihung und Einstufung laut Abschnitt II des KV ergebenden Gehalt, sondern sieht die Weiterzahlung von 49 % der vollen Geld- und Sachbezüge für einen bestimmten Zeitraum vor. Nicht die Zusammensetzung des Entgelts wird geregelt, sondern wie lange es im Krankheitsfall zusteht. Gegen die weitere Ansicht der Revisionswerberin, dass es sich beim Krankengeldzuschuss nach § 20 KV um eine „Zulage“ handle, spricht darüber hinaus auch der Umstand, dass der Kollektivvertrag den Begriff der „Zulage“ in mehrfacher Hinsicht verwendet (zB § 10, Sozialzulagen; § 42, Ausgleichszulage Schema neu; § 43 Überleitungszulagen), § 20 KV jedoch wie ausgeführt die Überschrift „Bezüge im Krankheitsfall“ trägt.

[23] Für die in § 20 KV genannte Zeit ist der Dienstgeber daher zur Zahlung von Entgelt verpflichtet und damit auch zur Beitragszahlung an die Pensionskasse. Dass sich diese Verpflichtung aus dem Kollektivvertrag ergibt und nicht aus dem Dienstvertrag oder unmittelbar aus dem Gesetz ändert daran nichts.

[24] 6. Wenn die Beklagte darauf verweist, dass nach der Betriebsvereinbarung Pensionsbeiträge nur bei Bestehen eines Gehaltsanspruchs zu leisten sind, so übersieht sie daher, dass wie in gesetzlich geregelten Fällen der Entgeltfortzahlung auch in den von § 20 KV erfassten Fällen ein solcher Gehaltsanspruch (wenn auch nur zu 49 %) besteht.

[25] 7. Richtig ist, dass die Höhe des zugesprochenen Betrags von der Klägerin auf Basis des Krankengeldbezugs errechnet wurde und nicht auf Grundlage des „anrechenbaren Gehalts“. Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin damit von einer im Ergebnis geringeren Bemessungsgrundlage ausgegangen ist, wodurch die Beklagte nicht beschwert sei. Mit diesem Argument setzt sich die Beklagte in ihrer Revision nicht auseinander. Auf die Höhe des geltend gemachten Anspruchs muss daher nicht weiter eingegangen werden.

[26] 8. Der Revision der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

[27] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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