OGH 9ObA17/25b

OGH9ObA17/25b29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat des U*, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert: 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2025, GZ 7 Ra 86/24d‑28, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 24. Juli 2024, GZ 22 Cga 19/24h‑22, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00017.25B.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist Arbeitgeberin der im U*, einer Krankenanstalt, beschäftigten Arbeitnehmer. Der Kläger ist Angestelltenbetriebsrat der Beklagten.

[2] Arbeitnehmer der Beklagten erhalten für geleistete Überstunden und sonstige Mehrarbeit ein Zeitausgleichsguthaben, dasin der Folge nach den gegebenen Möglichkeiten abgebaut werden kann.

[3] Mit der vorliegenden Klage gemäß § 54 Abs 1 ASGG möchte der klagende Betriebsrat festgestellt haben, dass den bei der Beklagten angestellten Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit der Beklagten geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukommt, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen.

[4] Dazu brachte der Kläger vor, dass immer wieder Arbeitnehmer vor bzw bei Antritt des Beginns der mit der Beklagten vereinbarten Zeitausgleichsphase bzw oftmals auch während des Zeitausgleichs erkrankten. Zwischen den Streitteilen herrsche nun Uneinigkeit darüber, ob den erkrankten Arbeitnehmern ein Recht zum Rücktritt von der getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung zukomme. Der Kläger sei der Ansicht, ein solches Rücktrittsrecht sei zumindest in jenen Fällen zu bejahen, in denen der vereinbarte Zeitausgleich auch den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung der Arbeitnehmer, die auch eine entsprechende Erholung der Arbeitnehmer erfordere, auszugleichen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Arbeitnehmer entweder zuvor Plusstunden im Zusammenhang mit der Erbringung von Nachtarbeit erworben oder weil sie über die volle oder – bei Teilzeitbeschäftigten – vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus gearbeitet hätten.

[5] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz wandte sie ein, dass die Vereinbarung von Zeitausgleich letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit führe, ohne dass die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstelle. Die gegenteilige Rechtsansicht des Klägers würde zu einer Umgehung der zwingenden Entgeltbestimmungen nach dem NÖ LVBG bzw dem NÖ LBG führen. Auch bei einem Nichtverbrauch von Zeitausgleichsstunden und auch von Freizeitguthaben aufgrund von Nachtschwerarbeit würde eine zusätzliche Entlohnung geschaffen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sei.

[6] Das Erstgericht schloss sich der Rechtsauffassung der Beklagten an und wies das Klagebegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte ebenfalls die Rechtsauffassung der Beklagten. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rechtsansichten im Schrifttum kam es zum Ergebnis, dass den Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung generell kein Recht zum Rücktritt von einer mit dem Arbeitgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukomme. Dies auch dann nicht, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden seien – den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die Erkrankung eines Arbeitnehmers stelle keinen wichtigen Grund dar, der ihm ein Recht zum Rücktritt von einer mit dem Arbeitgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung einräumen würde. Da bei einem Zeitausgleich der primäre Zweck nicht in der Erholung, sondern in einer weitgehenden Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit liege, stelle das Argument der Vereitelung des Erholungszwecks während des Krankenstands keinen wesentlichen Grund für einen Rücktritt des Arbeitnehmers von der abgeschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung dar. Auch falle der Umstand der Erkrankung des Arbeitnehmers in dessen eigene Sphäre.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob Arbeitnehmern im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit dem Arbeitgeber geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukomme, insbesondere wenn der Zeitausgleich den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[9] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

[12] 1.1. Voranzustellen ist, dass von der begehrten Feststellung unstrittig mindestens drei Arbeitnehmer der Beklagten betroffen sind und ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung gegeben ist (§ 54 Abs 1 ASGG; RS0085572). Die noch vom Berufungsgericht behandelte und bejahte Frage der aktiven Klagslegitimation sowie die von ihm verneinte Frage der Identität des im Verfahren 25 Cga 41/16d des Landesgerichts St. Pölten (9 ObA 10/18p) gemachten Anspruchs werden von der Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr substantiiert aufgegriffen.

[13] 1.2. Vorauszuschicken ist auch, dass dem Feststellungsbegehren kein einseitiger, vom Dienstgeber angeordneter Zeitausgleich zugrunde liegt, sondern eine zwischen den Arbeitsvertragsparteien abgeschlossene Zeitausgleichsvereinbarung. Dass derartige Vereinbarungen nicht getroffen würden, behauptet die Beklagte auch gar nicht.

[14] 2. Die Revision räumt ein, dass ein Rücktrittsrecht von einer Zeitausgleichsvereinbarung „fraglich sein“ möge, wenn die Zeitausgleichsvereinbarung darauf abstelle, eine andere Verteilung der Arbeitszeit festzulegen bzw eine weitgehende Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit zu erreichen. Der maßgebliche Unterschied zu den klagsgegenständlichen Fällen liege aber darin, dass diese Zeitausgleichsvereinbarungen Konstellationen beträfen, in denen der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. In diesen Fällen komme den Arbeitnehmern aber ein Rücktrittsrecht von der Zeitausgleichsvereinbarung zu, weil der Erholungszweck keine untergeordnete Rolle spiele, was besonders gelte, wenn eine berufliche Tätigkeit ein Höchstmaß an Sorgfältigkeit, Konzentration und Ausdauer bedürfe, um beispielsweise nicht Leib und Leben von Menschen in Gefahr zu bringen. Dieses Ergebnis stehe auch im Einklang mit grundsätzlichen urlaubsrechtlichen Erwägungen des Obersten Gerichtshofs.

Dazu ist auszuführen:

[15] 3. Nach der Rechtsprechung hat die Vereinbarung über Zeitausgleich zwar auch Entgeltcharakter („bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht“), führt aber nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit (9 ObA 34/23z Rz 19). So wird (auch) die Gewährung einer Ersatzruhe für Nachtdienste im Allgemeinen nicht als „zusätzliches“ Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft qualifiziert, sondern als Frage der Verteilung der Arbeitszeit (9 ObA 34/23z Rz 19; RS0052257; RS0051784; RS0051781). Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich für Überstunden haben keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Auch die Zeit des Krankenstands kann daher zur Abdeckung des Überstundenguthabens herangezogen werden (RS0128851). Dies wird damit begründet, dass nicht der Unfall (die Krankheit) des Klägers in der Freistellungsphase den Entfall der Arbeitsleistung bewirkte, sondern die mangelnde Verpflichtung des Klägers zur Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer kann nämlich nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein, in denen eine Arbeitspflicht des Dienstnehmers besteht (8 ObA 97/21d Rz 11 mwN = RS0128851 [T4]).

[16] 4.1. Es ist ebenfalls ständige Rechtsprechung, dass der Zeitausgleich zwar ähnliche Zwecke wie der Erholungsurlaub verfolgt, allerdings der Erholungszweck beim Zeitausgleich weniger von Bedeutung ist, als beim Urlaub (RS0051632). Eine allfällige analoge Anwendbarkeit des Urlaubsrechts beschränkt sich daher darauf, dass auch der Zeitausgleich individuell zu vereinbaren ist (8 ObA 272/94 = RS0051632 [T4]).

[17] 4.2. Auch wenn bei dem nach Art V § 3 Abs 1 Satz 1 Z 2 NSchG‑Nov 1992 erworbenen Zeitguthaben, das als Zeitausgleich für die Erschwernisse der Nachtschwerarbeit durch das Pflegepersonal in Krankenanstalten gedacht ist (9 ObA 267/97y; vgl 9 ObA 34/23z Rz 14), der Erholungszweck im Vordergrund steht (9 ObA 267/97y; 9 ObA 10/18p mwN), kommt es letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit (RS0052257 [T3]). In diesen Fällen können aber die Grundsätze des Urlaubsrechts über den Zeitpunkt des Urlaubsantritts auf die Frage des Zeitpunkts der Inanspruchnahme des Zeitausgleichs angewendet werden (9 ObA 267/97y).

5. Die unter Pkt 3. referierte Rechtsprechung wird im Schrifttum kontroversiell diskutiert:

[18] 5.1. Schrank (Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, 10.5.5.Nr.5 Zeitausgleich – Unterbrechung durch Krankenstand? – OGH 29. 5. 2013, 9 ObA 11/13b und 10.5.5.Nr.6 Unterbrechung durch Krankheit – OGH 27. 2. 2018, 9 ObA 10/18p; ders in AZG7 § 10 Rz 42; ders in Entgeltliche Freizeit im Arbeitsrecht, ZAS 2024/43, 239 [242 f]), Laimer/Przeszlowska (OGH: Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, RdW 2013/470, 478), Adamovic (Replik zu Klein DRdA 2014/7, 457), Kiesel (Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, ZAS 2013/54, 327), Mosing (Krankenstand im Zeitausgleich, ASoK 2014, 11) und Niksova (Krankheit unterbricht Urlaub, aber nicht den Zeitausgleich, EvBl 2013/123, 870) stimmen der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs im Wesentlichen zu.

[19] 5.2. Hingegen lehnen sie Mayr (Zeitausgleich und Krankenstand, ecolex 1996, 186; ders in Zeitausgleich und Krankenstand, ÖZPR 2013/72, 105; ders in Was passiert mit einem vereinbarten Zeitausgleich, wenn man krank wird?, ÖZPR 2015/42, 74), Felten (in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 10 Rz 42), Klein (in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 § 10 AZG Rz 14; ders in Krankheit unterbricht nicht Zeitausgleich, DRdA 2014/7, 53; vgl auch ders, Duplik zu Adamovic, Replik zu Klein, DRdA 2014, 458), Gerhartl (Unterbricht ein Krankenstand den Zeitausgleich?, ASoK 2013, 357 und Mosler (in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 19e AZG Rz 4) ab.

[20] 6.1. Zeitausgleich für Leistung von Überstunden oder Feiertagsarbeit bedarf grundsätzlich einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (RS0052428 [T1]). (Hier nicht in Betracht kommende) Ausnahmen nach § 19f Abs 1 und 3 AZG sehen eine einseitige Festsetzung des Zeitpunkts des Zeitausgleichs unter den dort normierten Voraussetzungen vor. Auch in den Fällen des § 10 Abs 4 AZG hat der Arbeitnehmer ein (einseitiges) Wahlrecht, ob er eine Abgeltung in Geld oder durch Zeitausgleich möchte. Hat der Arbeitnehmer das Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme von Überstundenvergütung und Zeitausgleich ausgeübt, ist er damit an die einmal getroffene Wahl gebunden (RS0051642). Da in diesen Fällen kein Zeitausgleich vereinbart wurde, kommt ein Rücktritt des Arbeitnehmers von einer Zeitausgleichsvereinbarung schon begrifflich nicht in Frage.

[21] 6.2. Nach der Rechtsprechung sind die Parteien grundsätzlich an eine einmal getroffene (Urlaubs- als auch) Zeitausgleichsvereinbarung gebunden (9 ObA 11/13b mwN). In Ausnahmefällen kann ein einseitiges Abgehen des Arbeitgebers aus betrieblichen Gründen von einer Zeitausgleichsvereinbarung zulässig sein, wie auch davon ausgegangen wird, dass der Arbeitgeber von einer getroffenen Urlaubsvereinbarung aus wichtigem Grund zurücktreten kann, wenn dies aus betrieblichen Gründen unumgänglich notwendig ist und daher das Festhalten an der Urlaubsvereinbarung unzumutbar wäre (9 ObA 62/18k Pkt 5; RS0077424 [T2]). Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch nicht zu beurteilen.

[22] 7. In der Literatur bestehen geteilte Meinungen zur Frage, ob ein Rücktritt (und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen) von einer einmal getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung möglich ist:

[23] 7.1.  Mayr (Zeitausgleich und Krankenstand, ecolex 1996, 186), Laimer/Przeszlowska (OGH: Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, RdW 2013/470, 478) und Radlingmayr (Zeitausgleich: Rücktritt aus wichtigem Grund, RdW 2022/576, 704) bejahen – im Wesentlichen unter Berufung auf die anzuwendenden Regeln über das Dauerschuldverhältnis und die Vereitelung des Erholungswerts des Arbeitnehmers im Falle dessen Erkrankung – den Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung, wenn ein wichtiger Grund, etwa eine schwere Erkrankung, vorliegt.

[24] 7.2.  Gerhartl (Unterbricht ein Krankenstand den Zeitausgleich?, ASoK 2013, 357) geht ganz allgemein davon aus, dass ein Rücktrittsrecht auch dann bejaht werden müsse, wenn ein Zeitausgleich von einen Tag unterschreitender Dauer bei Kenntnis des Hinderungsgrundes zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vereinbart werden hätte können.

[25] 7.3.  Kurzböck (Unterbricht eine Erkrankung den Zeitausgleich?, PVP 2013/45, 177) geht (ohne nähere Begründung) davon aus, dass für den Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung die gleichen Grundsätze gelten müssten, wie beim krankheitsbedingten Rücktritt von einer Urlaubsvereinbarung.

[26] 7.4. Hingegen lehnt Schrank (AZG7 § 10 Rz 42) die Möglichkeit des Rücktritts von einer Zeitausgleichsvereinbarung als Umgehung der höchstgerichtlichen Judikatur über die Irrelevanz einer Erkrankung während eines konsumierten Zeitausgleichs ab.

[27] 7.5.  Niksova (Krankheit unterbricht Urlaub, aber nicht den Zeitausgleich, EvBl 2013/123, 873 f) betont, dass die Frage, ob der Krankenstand ein wichtiger Grund sei, welcher zum Rücktritt von einer geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung berechtige, nicht von der Ratio des Zeitausgleichs losgelöst betrachtet werden könne. Folge man dem Obersten Gerichtshof und bejahe beim Zeitausgleich primär den Zweck der anderen Verteilung der Arbeitszeit, sei dies wohl zu verneinen.

[28] 7.6. Nach Kiesel (Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, ZAS 2013/54, 332) könnten nur schwerwiegende Umstände, die dem Entgelt- und Arbeitszeitverteilungscharakter des Zeitausgleichs in keiner Weise mehr entsprächen, zum Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen. Anders als beim Urlaub trete der Erholungszweck deutlich in den Hintergrund, weil es beim Zeitausgleich vor allem um Abgeltung von vorgeleisteter Arbeit gehe. Wie der Arbeitnehmer seine Freizeit während des Zeitausgleichs verbringen wollte, stelle dabei ein unbeachtliches Motiv dar, sodass eine Erkrankung grundsätzlich unbeachtlich bleibe.

[29] 7.7.  Mosing (Krankenstand im Zeitausgleich, ASoK 2014, 11) verneint ein Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers bei Vorliegen von Gründen, mit denen bereits bei Vertragsabschluss gerechnet werden müsste und damit ein krankheitsbedingtes Rücktrittsrecht von einer Zeitausgleichsvereinbarung.

[30] 8. Der erkennende Senat vertritt die Rechtsauffassung, dass ein Rücktritt des Arbeitnehmers von einer zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung wegen einer Erkrankung des Arbeitnehmers (auch dann) nicht zulässig ist, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die gegenteilige Rechtsansicht im Schrifttum argumentiert im Wesentlichen mit dem beim Zeitausgleich relevanten Erholungszweck. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch bereits mehrmals festgehalten, dass der Erholungszweck beim Zeitausgleich weniger von Bedeutung ist, als beim Urlaub. Der primäre Zweck beim Zeitausgleich liegt nicht in der Erholung, sondern in einer weitgehenden Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit. Auch wenn beim Ausgleich von Plusstunden, die die vom Feststellungsbegehren betroffenen Arbeitnehmer der Beklagten im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus geleistet haben, der Erholungszweck eher in den Vordergrund rücken mag, kommt es im Ergebnis nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Es wäre zudem ein Wertungswiderspruch, würde man eine Unterbrechung des bereits zeitlich fixierten Zeitausgleichs wegen einer Erkrankung des Arbeitnehmers verneinen, einen Rücktritt des Arbeitnehmers von der konkreten Verbrauchsvereinbarung aus diesem Grund aber bejahen.

[31] Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.

[32] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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