European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00057.25K.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Der Antrag auf Anberaumung einer Revisionsverhandlung wird abgewiesen.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] I. Gemäß § 509 Abs 1 ZPO entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Revision grundsätzlich in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorherige mündliche Verhandlung. Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und auch sonst keine Gründe für eine Revisionsverhandlung erkennbar sind, besteht kein Anlass, iSd § 509 Abs 2 ZPO ausnahmsweise eine solche Verhandlung anzuberaumen. Der diesbezügliche Antrag der Beklagten, der nicht näher begründet ist, ist daher abzuweisen (RS0043679 [T5]; vgl RS0043689).
[2] II. Die Klägerin ist Strom-Verteilernetzbetreiberin. Die Beklagte ist Endverbraucherin und bezieht aufgrund eines Netznutzungsvertrags mit der Klägerin Strom. An einer Adresse der Beklagten befindet sich ein von der Klägerin zur Verfügung gestellter und in ihrem Eigentum stehender Ferraris-Zähler, dessen Eichfrist abgelaufen ist. Die Klägerin forderte die Beklagte zum Austausch dieses mechanischen Messgeräts gegen einen digitalen „Smart Meter“ auf, wobei ihr die Wahl zwischen einer Standard-Variante, oder einer von der Beklagten gewählten Konfiguration eingeräumt wurde.
[3] Die Klägerin begehrte zunächst die Verpflichtung der Beklagten, den Ausbau des Strommessgeräts „zum Zweck des periodischen Austausches mit einem digitalen und den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Strommessgerät durch Zutritt zur Messstelle“ zu dulden.
[4] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Einbau eines „Smart Meters“ – wobei im Übrigen nicht konkretisiert sei, welches Gerät verbaut werden solle –, sei (auch in der Opt-out-Variante) nach § 83 Abs 1 ElWOG 2010 angesichts ihrer Weigerung unzulässig, diskriminierend und verletze sie in ihren Persönlichkeitsrechten, insbesondere im Recht auf Datenschutz, wegen des zu erwartenden Elektrosmogs im Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, weiters im Hausrecht und im Recht auf Eigentum.
[5] In der Tagsatzung vom 30. 4. 2024 modifizierte die Klägerin ihr Begehren dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Ausbau des Strommessgeräts mit der Messgeräte-Seriennummer: * durch Zutritt zur Messstelle, werktags zwischen 08:00 Uhr und 16:00 Uhr durch die klagende Partei bzw von ihr zu beauftragende Dritte zu dulden. Der Anspruch werde auf ihr Eigentumsrecht gestützt, die Beklagte könne den Einbau eines Strommessgeräts gänzlich verweigern und sich selbst um eine Stromversorgung kümmern. Da der Einbau des Austauschgeräts nicht verfahrensgegenständlich sei, könnten denkunmöglich datenschutzrechtliche oder gesundheitliche Aspekte tangiert sein.
[6] Das Erstgericht gab diesem modifizierten Klagebegehren statt. Die Beklagte könne auf Grundlage der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen die Herausgabe der Messeinrichtung nicht verwehren. Im Übrigen sei die Klägerin bereits aufgrund ihres Eigentumsrechts berechtigt, von der Beklagten die Herausgabe des bei ihr befindlichen Ferraris-Zählers zu fordern.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Klägerin habe einen aus dem Eigentumsrecht resultierenden Anspruch auf Ausbau des Zählers.
[8] Den Streitgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob es für die Klägerin als unter Kontrahierungszwang stehender Netzbetreiberin zulässig sei, sich in Bezug auf das Entfernen eines Strommessgeräts auf ihr Eigentumsrecht zu stützen, wenn die Konsumentin grundsätzlich Strom beziehen wolle, aber den Einbau des angebotenen Messgeräts ablehne, nicht aber den Einbau eines Ferraris-Zählers.
[10] 1. Die Revision der Beklagten gegen diese Entscheidung ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[11] 2. Gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO hat das Berufungsgericht für den Fall, dass der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR bzw 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Das Berufungsgericht ist dabei an eine Bewertung des Klägers nicht gebunden (RS0043252). Eine offenkundige Überbewertung liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das eigene Vorbringen der Klägerin nachvollziehbar dargelegt, warum es einen 5.000 EUR übersteigenden Streitwert annimmt. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revisionsbeantwortung beziehen sich offenbar zu einem Großteil nicht auf das vorliegende Verfahren.
[12] 3. Die Entscheidung des Erstgerichts erging über das modifizierte Klagebegehren. Zu beurteilen ist daher ausschließlich die Zulässigkeit des auf das Eigentumsrecht gestützten Ausbaus nicht aber der Einbau eines neuen Strommessgeräts.
[13] 4. Ob die Beklagte einen Anspruch auf einen solchen Einbau hat und welches Gerät insofern den gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen entspricht, wäre nur dann zu prüfen, wenn sie einen Einwand der Zug-um-Zug-Leistung (8 Ob 14/25d; 8 Ob 109/24y mwN) erhoben hätte. Auf den Umstand, dass die Klagsforderung nur Zug um Zug gegen eine vom Kläger zu erbringende Gegenleistung zu erfüllen ist, ist nämlich von Amts wegen nicht Bedacht zu nehmen (RS0020997 [T1]). Der Einwand muss nicht ausdrücklich erhoben werden, sondern es genügt, dass der Beklagte die den Einwand begründenden Tatsachen vorbringt (RS0011499 [T3, T4]; vgl RS0020997 [T14]).
[14] 5. Ob die Beklagte ein entsprechendes Vorbringen erstattet hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (RS0042828 [insb T1, T14, T23, T27]).
[15] 6. Das Berufungsgericht ist angesichts des Klagebegehrens von der Irrelevanz eines einzubauenden Geräts und damit vom Fehlen hinreichender Behauptungen der Beklagten zur Erhebung eines Zug-um-Zug-Einwands ausgegangen. Diese Auslegung des Parteienvorbringens ist zumindest vertretbar.
[16] 7. Die vom Berufungsgericht aufgezeigte Rechtsfrage stellt sich daher hier nicht. Schon deshalb besteht auch kein Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH oder eine Verfahrensunterbrechung wegen des zu C‑468/24 beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens (vgl 8 Ob 14/25d).
[17] 8. Zu berücksichtigen ist weiters, dass Elektrizitätszähler eichpflichtig sind (§ 8 Abs 1 Z 4 MEG). Dementsprechend sind sie innerhalb bestimmter Fristen zur Nacheichung vorzulegen (§§ 14, 15 MEG). Unstrittig ist das bei der Beklagten eingebaute Gerät eichfällig. Als solches ist es daher zur Erfüllung allfälliger vertraglicher Verpflichtungen zur Bereitstellung eines dem Gesetz entsprechenden Messgeräts nicht mehr geeignet.
[18] Die Beklagte hat sich zwar darauf berufen, dass eine Nacheichung möglich ist, aber über die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes hinaus kein Vorbringen dazu erstattet, dass die dafür notwendigen Voraussetzungen auch tatsächlich erfüllt sind. Dafür, dass das Gerät trotz Eichfälligkeit weiter benutzt werden kann, wäre aber die Beklagte behauptungs‑ und beweispflichtig.
[19] 9. Welches andere Gerät die Klägerin aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen statt des nicht mehr ordnungsgemäß benutzbaren Geräts einbauen muss, ist, wie dargelegt, nicht Gegenstand des Verfahrens.
[20] 10. Die Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[21] 11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Eine Verbindungsgebühr steht ihr jedoch nicht zu.
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