OGH 9Ob45/25w

OGH9Ob45/25w27.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. E*, geboren *2012, 2. N*, geboren * 2014 und 3. T*, geboren * 2018, alle wohnhaft bei der Mutter Dr. J*, diese vertreten durch Matt & Smodics Anwälte OG in Bregenz, wegen Obsorge, über den (richtig:) außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dr. R*, vertreten durch Battlogg Rechtsanwalts GmbH in Schruns, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 13. Februar 2025, GZ 3 R 39/25w‑411, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00045.25W.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Eltern der drei minderjährigen Kinder besteht seit Auflösung deren Lebensgemeinschaft im Jahre 2020 ein ausgeprägter Obsorge- und Kontaktrechtsstreit mit zahlreichen wechselseitigen Anträgen. Beiden Eltern kommt die Obsorge zu. Die Kinder leben im Haushalt der Mutter. Dem Vater wurde ein Kontaktrecht eingeräumt.

[2] Verfahrensgegenständlich ist ein Antrag des Vaters auf Erlassung einer „einstweiligen Verfügung“, mit dem die Fremdunterbringung der Kinder angeordnet werden soll, weil die angeordnete Elternberatung gescheitert sei.

[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach den Feststellungen besteht aufgrund der hochkonflikthaften Situation zwischen den Eltern schon seit längerem eine Kindeswohlgefährdung. Eine „Fremdplatzierung“ würde aber aller Voraussicht nach dazu führen, dass sich die Kommunikationsbasis zwischen den Eltern weiter verschlechtert und der Konflikt, aufgrund dessen die Kindeswohlgefährdung besteht, weiter eskaliert. Überdies ist zu befürchten, dass die Kinder sich einem Kontaktrecht zum Vater noch weiter verschließen würden. Da die Kinder- und Jugendhilfegruppen nur über begrenzte Kapazitäten verfügen, wären die Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur von der Mutter sondern auch voneinander getrennt. Um eine Beruhigung der Situation und einen Wiederaufbau einer positiven Beziehung zwischen dem Vater und den Kindern zu ermöglichen, kommen ein begleitetes Kontaktrecht oder begleitete Übergaben im Besuchscafé infrage. Eine Fremdunterbringung fördert derzeit nicht das Kindeswohl, sondern wäre diesem abträglich.

[4] Rechtlich begründete das Erstgericht die Antragsabweisung im Wesentlichen damit, dass die vom Vater beantragte Maßnahme der Fremdunterbringung nach § 107 Abs 3 AußStrG nicht das Wohl der Kinder fördere, sondern vielmehr diesem abträglich sei.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Fremdunterbringung der Kinder als einstweilige Maßnahme im Sinne des § 107 Abs 2 AußStrG läge nicht im Interesse des Kindeswohls und es sei von einer solchen Maßnahme dessen Förderung nicht zu erwarten.

Rechtliche Beurteilung

[6] Das dagegen vom Vater erhobene, inhaltlich richtig alsaußerordentlicher Revisionsrekurs zu behandelnde (RS0036258) Rechtsmittel, mit dem die Antragsstattgabe angestrebt wird, ist nicht zulässig. Das Rekursgericht verstößt mit seiner Entscheidung nicht gegen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach Kindeswohlgefährdungen von den Pflegschaftsgerichten umgehend rasch und endgültig abzustellen sind. Auch sonst zeigt der Rechtsmittelwerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[7] 1. Nach § 107 Abs 2 AußStrG kann das Gericht die Obsorge und die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte nach Maßgabe des Kindeswohls auch vorläufig einräumen oder entziehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat das Gericht eine solche vorläufige Entscheidung schon dann zu treffen, wenn zwar für die endgültige Regelung noch weitergehende Erhebungen (etwa die Einholung oder Ergänzung eines Sachverständigengutachtens) notwendig sind, aber eine rasche Regelung der Obsorge oder der persönlichen Kontakte für die Dauer des Verfahrens Klarheit schafft und dadurch das Kindeswohl fördert (RS0129538 [T9]).

[8] Die Voraussetzungen für die Erlassung vorläufiger Maßnahmen sind somit in dem Sinn reduziert, dass diese nicht erst bei akuter Gefährdung des Kindeswohls, sondern bereits zu dessen Förderung erfolgen dürfen (9 Ob 58/24f Rz 12 mwN).

[9] Die Entscheidung, ob und welche Maßnahme nach § 107 AußStrG zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich ist und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Daher kommt ihr im Regelfall keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zu, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RS0130780). Ob gelindere Mittel ausreichen, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0132193 [T2]).

[10] 2. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sind die antragsabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig. Soweit der Vater im Revisionsrekurs diese festgestellten Umstände, nämlich die im Fall der beantragten Fremdunterbringung zu befürchtende Trennung der Kinder nicht nur von der Mutter, sondern auch voneinander, die weitere Verschlechterung der Kommunikation zwischen den Eltern, die weitere Eskalation des Konflikts und die Möglichkeit, dass sich die Kinder nach Fremdunterbringung einem Kontakt zum Vater noch mehr verschließen, ignoriert und er unterstellt, dass durch eine Fremdunterbringung die in der Beeinträchtigung der Beziehung zum Vater liegende Kindeswohlgefährdung beseitigt oder reduziert würde und die Maßnahme damit im Interesse des Kindeswohls liege, geht der Revisionsrekurs nicht vom festgestellten Sachverhalt, sondern von einem „Wunschsachverhalt“ aus. Insofern ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603).

[11] Die lange Dauer des Verfahrens und der vom Vater behauptete Umstand, dass vom Gericht bislang keine wirksamen Maßnahmen ergriffen worden seien, um sein Kontaktrecht durchzusetzen, ist für die unter Berücksichtigung des Kindeswohls als leitendem Gesichtspunkt zu treffende Entscheidung über die beantragte vorläufige Maßnahme der Fremdunterbringung der Kinder nicht ausschlaggebend.

[12] Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte