OGH 9Nc5/25x

OGH9Nc5/25x24.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Beate Schauer & Mag. Thomas Stöger Rechtsanwälte GnbR in Bruck an der Leitha, gegen die beklagte Partei R*, Ägypten, wegen 400 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090NC00005.25X.0324.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.

 

Begründung:

[1] Der Kläger strebt die Verpflichtung der beklagten Fluglinie mit Sitz in Ägypten zur Zahlung von 400 EUR sA aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen an. Sein bei der Beklagten im Rahmen einer Pauschalreise gebuchter Flug von Hurghada nach Wien-Schwechat am 5. 11. 2023 sei mehr als neun Stunden verspätet angekommen.

[2] Der Kläger beantragt beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN unter Anschluss der Klage und des Beschlusses des Bezirksgerichts Schwechat vom 4. 2. 2025, womit sich dieses für international unzuständig erklärt und die Klage – unter Nichtbeachtung des § 101a JN – zurückgewiesen hat, die Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts in Österreich. Die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts seien aufgrund des Zurückweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Schwechat nicht gegeben. Der Ankunftsort sei in Österreich (Flughafen Wien-Schwechat) gelegen, womit jedenfalls ein Naheverhältnis zum Inland bestehe. Die Rechtsverfolgung am Sitz der Beklagten in Ägypten sei aussichtslos, unmöglich bzw unzumutbar, insbesondere weil der Verfahrensaufwand unverhältnismäßig wäre und zwischen Österreich und Ägypten kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechteverordnung bestehe. Die Klägerin beabsichtige eine Exekutionsführung in Österreich, insbesondere auf Vermögensgegenstände, welche von der Beklagten im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit immer wieder nach Österreich verbracht würden (insbesondere Flugzeuge und sonstige Betriebsmittel) bzw auf Forderungen, welche der Beklagten aus ihrer Geschäftstätigkeit in Österreich und gegen Schuldner in Österreich erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

[4] 1. Bei der Entscheidung über einen Ordinationsantrag ist der Oberste Gerichtshof an eine rechtskräftige Entscheidung über die internationale Zuständigkeit Österreichs gebunden (RS0046568 [T5]). Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage steht dem Ordinationsantrag nicht entgegen. Im Fall seiner Stattgebung ist die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen (RS0046568 [T4]).

[5] 2. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 Z 2 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

[6] 3. § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]). Letzteres wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Exekution im Inland angestrebt wird, eine am Sitz des Beklagten ergangene Entscheidung hier aber nicht vollstreckt würde (RS0046148 [T17]).

[7] 4. Der Oberste Gerichtshof hat die Ordination in gleichgelagerten Fällen, wenn der Kläger Ansprüche nach der EU‑FluggastVO sonst in einem Drittstaat einklagen müsste und zwischen diesem Drittstaat und Österreich kein Vollstreckungsübereinkommen besteht, bereits mehrfach bewilligt (für Ägypten 5 Nc 2/20v; 8 Nc 18/20v ua). Ausschlaggebend war jeweils die Erwägung, dass zwischen Österreich und Ägypten kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechte-Verordnung besteht und zudem unionsrechtliche Erwägungen (effet utile) zu berücksichtigen sind.

[8] 5. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts (in örtlicher Hinsicht) ist auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Die Zuweisung der Sache an das Bezirksgericht Schwechat entspricht diesen Kriterien, lag doch zum einen der Ankunftsort in dessen Sprengel und wurde zum anderen die Klage bereits bei diesem Gericht behandelt (vgl 7 Nc 22/22b Rz 10).

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