European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070NC00022.22B.0915.000
Spruch:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Begründung:
[1] Mit der an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien gerichteten und in der Folge an das Bezirksgericht Schwechat überwiesenen Klage vom 18. August 2021 begehren die Kläger, das beklagte Flugunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich zur Zahlung von jeweils 250 EUR sA zu verurteilen. Sie stützen sich dabei auf die Verordnung 261/2004/EG über Fluggastrechte (in der Folge: EU‑FluggastVO). Der von der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne des Art 2 EU‑FluggastVO am 7. Juli 2019 durchgeführte Flug von London nach Wien‑Schwechat habe mehr als drei Stunden Verspätung gehabt, weshalb den Klägern der begehrte Betrag zustehe.
[2] Mit Beschluss vom 20. Jänner 2022 erklärte sich das Erstgericht für international unzuständig. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Landesgericht Korneuburg mit Beschluss vom 7. April 2022 keine Folge.
[3] Mit ihrem – für diesen Fall erhobenen, an den Obersten Gerichtshof gerichteten – Ordinationsantrag gemäß § 28 JN beantragen die Kläger die Ordination an ein sachlich zuständiges inländisches Gericht. Eine Rechtsverfolgung im Vereinigten Königreich stelle für sie als Verbraucher eine übermäßige Erschwernis dar. Zur effektiven Durchsetzung ihrer Ansprüche nach der EU‑FluggastVO sei eine Ordination geboten.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.
[5] 1. An die rechtskräftige Verneinung der internationalen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Schwechat ist der Oberste Gerichtshof gebunden (2 Nc 12/19s mwN).
[6] 2. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 Z 2 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
[7] 3. Die Kläger begehren eine Ordination nach dieser Bestimmung, die Fälle abdecken soll, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]). Letzteres wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Exekution im Inland angestrebt wird, eine am Sitz des Beklagten ergangene Entscheidung hier aber nicht vollstreckt würde (RS0046148 [T17]). Dem Vorbringen der Kläger lässt sich gerade noch ausreichend deutlich entnehmen, dass sie die Vollstreckung in Österreich anstreben.
[8] 4. Die Frage der Anwendung der EU‑FluggastVO (vgl Art 3 Abs 1) auf den vorliegenden Fall bedarf hier keiner Klärung, weil die materiell‑rechtliche Schlüssigkeit der beabsichtigten oder mit dem Ordinationsantrag verbundenen Klage nicht Gegenstand der Prüfung der Ordinationsvoraussetzungen ist (vgl 7 Nd 504/89; 9 Nc 8/22h mwN).
[9] 5. Der Oberste Gerichtshof hat Ordinationsanträgen bereits in zahlreichen Entscheidungen stattgegeben, wenn der Kläger Ansprüche nach der EU‑FluggastVO sonst im Vereinigten Königreich einklagen müsste, weil im Hinblick auf die geringe Höhe der Klagsforderung die Erlangung einer Entscheidung eines britischen „oberen Gerichts“ kaum möglich sein werde (vgl den Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen, BGBl 1962/224 idgF), weshalb von einer faktischen Unmöglichkeit der Exekutionsführung in Österreich aufgrund eines in Großbritannien erlangten Titels auszugehen sei (7 Nc 7/22x mwN, 5 Nc 5/22p, 10 Nc 6/22x, 9 Nc 8/22h, ua).
[10] 6. Diese Voraussetzungen liegen auch hier vor, weshalb der Ordinationsantrag berechtigt ist. Bei der Auswahl des zu bestimmenden Gerichts ist auf die Kriterien der Sach‑ und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, lag doch der Ankunftsort in dessen Sprengel und wurde die Klage bereits bei diesem Gericht behandelt (7 Nc 7/22x mwN).
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