OGH 8Ob72/25h

OGH8Ob72/25h26.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen L*, geboren * 2012, *, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger, Bezirkshauptmannschaft Steyr‑Land, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters S*, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 14. November 2024, GZ 2 R 154/24h‑57, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 12. August 2024, GZ 1 Pu 37/20g‑53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00072.25H.0526.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen sprachen über Antrag vom 28. 5. 2024 dem damals zwölf Jahre alten Minderjährigen zusätzlich zum ihm aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung vom 1. 8. 2022 (ausgehend von einem monatlichen Einkommen des Vaters von 2.600 EUR und dessen damals noch zwei weiteren Sorgepflichten) gebührenden monatlichen Unterhalt von 416 EUR weitere 300 EUR monatlich, insgesamt 716 EUR monatlich ab 1. 5. 2024 zu, wobei sie von einem monatlichen Nettoeinkommen des Vaters von 3.690 EUR und (nunmehr mangels weiterer Sorgepflichten des Vaters) einem 20%‑igen Unterhaltsanspruch des Minderjährigen ausgingen.

[2] Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ab welcher Fahrtdauer die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Erreichung des Arbeitsplatzes unzumutbar sei, sodass die Kosten für die Benützung eines privaten Fahrzeugs von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzugsfähig seien.

Rechtliche Beurteilung

[3] Damit wird jedoch keine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt, zumal Fragen der Unterhaltsbemessung grundsätzlich solche des Einzelfalls sind (vgl RS0007204 [insb T12]) und es keine der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugängliche erhebliche Rechtsfrage ist, ob und in welchem Ausmaß bei einem Unterhaltspflichtigen berücksichtigungswürdige Belastungen vorliegen (vgl RS0113800).

[4] Da auch der Vater keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft, ist sein Revisionsrekurs entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

[5] 1.1. Vorauszuschicken ist, dass der rechtsmittelwerbende Vater des Minderjährigeneine Unterhaltserhöhung um 234 EUR auf 650 EUR monatlich bereits in seinem Rekurs nicht mehr angefochten hatte; rekurs- und revisionsrekursgegenständlich ist damit ausdrücklich nur eine Erhöhung um weitere 66 EUR pro Monat.

[6] 1.2. Der Revisionsrekurs führt hierfür zwei Umstände ins Treffen: Einerseits hätten die Vorinstanzen 3.000 EUR aus einer Zuteilung von Aktien aus der Mitarbeiterbeteiligung zu Unrecht nicht „herausgerechnet“. Andererseits sei dem Revisionsrekurswerber die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen, nicht zumutbar, weil die Anmarschzeit dann 78 Minuten für eine Strecke betragen und auch einen Fußweg von 15 Minuten einschließen würde, wogegen mit dem Auto die Strecke in 31 Minuten zu bewältigen wäre.

[7] Beides rechtfertigt nicht die Anrufung des Obersten Gerichtshofs.

[8] 2. Schon dass der Revisionsrekurs die rechnerische Nachvollziehbarkeit der Ermittlung der Bemessungsgrundlage durch die Tatsacheninstanzen weiterhin in Frage stellt, ist selbst nicht nachvollziehbar: Das Erstgericht hat ausdrücklich dargelegt und in der Begründung seines Beschlusses verständlich und zahlenmäßig aufgeschlüsselt, dass es auf Grundlage des Jahreslohnzettels L16 für 2023 (den auch der Revisionsrekurs selbst vorlegt und auf den er sich auch inhaltlich bezieht) vom darin ausgewiesenen Bruttojahresbezug von 58.757,90 EUR die tatsächlich einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge von 9.852,55 EUR sowie die dem Revisionsrekurswerber abgezogene Lohnsteuer von 4.631,53 EUR in Abzug gebracht hat, was jährlich 44.273,82 EUR bzw monatlich (3.689,49 EUR, somit gerundet) 3.690 EUR als Unterhaltsbemessungsgrundlage ergebe.

[9] 3.1. Im von den Vorinstanzen ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegten Lohnzettel L16 sind Abzüge von 3.000 EUR aus dem Titel „Mitarbeitergewinnbeteiligung gemäß § 3 Abs 1 Z 35 EStG 1988“ und von 3.201,17 EUR aus dem Titel „sonstige steuerfreie Bezüge“ ausgewiesen; beide genannten Beträge flossen laut dem Lohnzettel – mit anderen Abzugsbeträgen – in die Summe der Abzüge von 7.500,77 EUR ein und verminderten so die steuerpflichtigen Bezüge des Revisionsrekurswerbers (unter anderem) um diesen Betrag, sodass er Vorteile daraus zog, indem er – von einer um diese steuerfreien Bezugsteile verminderten Steuerbemessungsgrundlage (Kennziffer 245: 34.138,14 EUR) ausgehend – entsprechend geringere Lohnsteuer entrichtete.

[10] 3.2. Der Revisionsrekurswerber fordert, von dieser Unterhaltsbemessungsgrundlage einen Abzug in Höhe von (exakt) 3.000 EUR vorzunehmen, was er gemäß der schon in erster Instanz angestellten, seinem Vorbringen zugrunde liegenden Berechnung unter Hinweis auf Landesgericht Salzburg 21 R 548/06v, EFSlg 113.317, damit begründete, dass es sich dabei um eine „Zuteilung von Aktien aus einer Mitarbeiterbeteiligung“ handle, die herauszurechnen sei, weil er darüber noch nicht frei verfügen könne. Im Revisionsrekurs wird weiters gerügt, das Rekursgericht habe sich nicht mit dem (im an ihn gerichteten Rekurs als Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens relevierten) Unterbleiben von Beweisaufnahmen zum Erhalt von Mitarbeiteraktien auseinandergesetzt, diese Leistungen entgegen dem Vorbringen des Vaters nicht herausgerechnet und den Rekurs damit nicht erledigt; der Vater sei demgegenüber einerseits seiner diesbezüglichen Behauptungslast nachgekommen und habe andererseits nie behauptet, anstelle seiner Aktien wäre eine Mitarbeitergewinnbeteiligung (im Sinne des auf § 3 Abs 1 Z 35 EStG 1988), auf welche sich aber die Vorinstanzen unter Ignorierung seines Vorbringens bezogen hätten, herauszurechnen.

[11] Der Revisionsrekurswerber stellt damit erkennbar auf § 3 Abs 1 Z 15 lit b bzw lit c EStG 1988 ab, wonach der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Abgabe von Kapitalanteilen (Beteiligungen) am Unternehmen des Arbeitgebers (bis zu einem Betrag von 3.000 EUR jährlich) bzw der Vorteil für Arbeitnehmer und deren Angehörige aus der unentgeltlichen oder verbilligten Abgabe von Aktien an Arbeitgebergesellschaften durch diese selbst oder durch eine Mitarbeiterbeteiligungsstiftung (bis zu einem Betrag von 4.500 EUR jährlich pro Dienstverhältnis) steuerfrei ist, wenn die Beteiligung über die Behaltefrist von fünf Jahren behalten wird bzw dem Arbeitnehmer die für ihn als wirtschaftlicher Eigentümer (vgl LStR 2002, BMF-010222/0111-IV/7/2017, Rz 90o) treuhändig zu verwahrenden und zu verwaltenden Aktien nicht vor Beendigung des Dienstverhältnisses ausgefolgt werden.

[12] 3.3. Hierzu besteht aber bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, welche davon ausgeht, dass die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners grundsätzlich nach seinem Gesamteinkommen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben zu beurteilen und hierfür entscheidend das tatsächliche Nettoeinkommen ist; es kommt auf die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden Mittel an, wobei die Steuerbemessungsgrundlage, wenn erforderlich, nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu korrigieren ist (RS0013386).

[13] Zur Unterhaltsbemessungsgrundlage zählen demnach alle tatsächlich erzielten Einnahmen in Geld, Naturalien oder geldwerten Leistungen aus Erwerbstätigkeit, aus Vermögenserträgen und freiwilligen Drittleistungen, über die der Unterhaltspflichtige verfügen kann oder die zumindest seine Bedürfnisse verringern; ausgenommen sind nur jene Einnahmen, die gänzlich dem Ausgleich eines echten Mehraufwands dienen (vgl RS0107262, RS0047489, RS0109238, RS0086684). Bei Vorteilen aus der Nutzung von Betriebseinrichtungen, aus Zuwendungen des Arbeitgebers für Zukunftssicherung, aus der Abgabe von Mitarbeiterbeteiligungen, freien oder verbilligten Mahlzeiten und am Arbeitsplatz verabreichten Getränken handelt es sich um Vorteile, die nicht einem solchen Ausgleich eines echten Mehraufwands dienen, sondern um solche, welche die Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen jedenfalls verringern. Ihre Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage entspricht ständiger Rechtsprechung (6 Ob 278/01b = RS0109238 [T3]; vgl 6 Ob 6/21g Rz 5).

[14] Bei den vom Revisionsrekurswerber angesprochenen Leistungen handelt es sich somit – ungeachtet des Umstands, dass ihm endgültige Steuerfreiheit hierfür erst nach fünf Jahren bzw bei Beendigung des Dienstverhältnisses zugute kommt – um solche zur Deckung seines Bedürfnisses nach der Sicherung künftigen Auskommens, für die selbst aufzukommen er sich erspart hat und die daher (ebenso wie etwa dem Arbeitnehmer ebenfalls nicht unmittelbar zukommende Leistungen aus einer – hier nicht gegenständlichen – Zukunftssicherung nach § 3 Abs 1 Z 15 lit a EStG 1988 [vgl 6 Ob 278/01b]) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Warum ein bloßes Anwartschaftsrecht vorliegen sollte, ist schon angesichts des Umstands, dass der Vater aus den Aktien zu versteuernde Dividenden bezogen zu haben behauptet, nicht nachvollziehbar; einer Auseinandersetzung mit dem Landesgericht Salzburg, 21 R 548/06v, EFSlg 113.317, kann angesichts der dort anders gearteten Sachverhaltsgrundlage unterbleiben.

[15] Für einen dem Revisionsrekurswerber vorschwebenden Abzug des Geldwertes der von ihm empfangenen Leistungen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage ist keinesfalls Raum.

[16] 3.4. Aus diesem Grund kann auch dahingestellt bleiben, ob dem Revisionsrekurswerber – wie von den Vorinstanzen aufgrund des Lohnzettels angenommen – eine Gewinnbeteiligung (also Barauszahlung) von 3.000 EUR (vgl § 3 Abs 1 Z 35 EStG 1988) oder – wie im Revisionsrekurs vertreten wird, aber aus dem Lohnzettel nicht zweifelsfrei und zahlenmäßig nachvollziehbar hervorgeht – eine Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers zukam bzw ihm Aktien an Arbeitgebergesellschaften abgegeben wurden (vgl § 3 Abs 1 Z 15 lit b bzw lit c EStG 1988): Alle derartige Zuwendungen des Arbeitgebers wären als Teil der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu behandeln. Es liegen daher – ungeachtet des das Unterhaltsverfahren prägenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl 4 Ob 146/24k Rz 9 mwN) – weder relevante Verfahrensmängel noch eine rechtliche Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor.

[17] 3.5. Soweit der Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel ein von ihm in erster Instanz durch Einbeziehung in seine Anspruchsberechnung selbst implizit zugestandenes Nettoeinkommen aus Dividenden von 2.014,98 EUR nochmals anspricht, kann er sich insofern als nicht beschwert erachten. Dieses Nettoeinkommen scheint im Lohnzettel nicht auf und wurde von den Vorinstanzen – vom Minderjährigen unangefochten – gerade nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen, sodass dadurch der Unterhalt rechnerisch ohnehin um bereits mehr als die Hälfte (nämlich 33,58 EUR monatlich) des im Rechtsmittelverfahren strittigen Erhöhungsbetrags geringer bemessen wurde als er nach den Darlegungen des Vaters selbst berechtigt gewesen wäre.

[18] 4.1. Kosten bei Benützung eines Personenkraftwagens für Fahrten zum und vom Arbeitsplatz sind nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen nur dann als Abzugsposten anzuerkennen, wenn der unselbstständig erwerbstätige Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichen kann (RS0047472).

[19] 4.2. Hier besteht schon nach den Feststellungen der Vorinstanzen eine öffentliche Verkehrsverbindung zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsplatz des Revisionsrekurswerbers, welche etwa eine Stunde in Anspruch nimmt, und es ist die Zustiegstelle vom Heim des Revisionsrekurswerbers in etwa 15 Minuten Fußweg erreichbar.

[20] 4.3. Der vom Rekursgericht formulierten und vom Revisionsrekurswerber aufgegriffenen Zulassungsfrage kommt nicht die von § 62 Abs 1 AußStrG geforderte Qualität zu, zumal die (Rechts‑)Frage der Zumutbarkeit notwendigerweise nur von den Umständen des konkreten Einzelfalls ausgehend beurteilt werden kann und sich allgemeingültige Aussagen oder „Handlungsanleitungen“ hierzu keinesfalls gewinnen lassen (vgl auch RS0111469). Die von den Vorinstanzen bejahte, auch zeitliche, Zumutbarkeit der konkreten Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trotz (allerdings nur) bei optimaler Verkehrslage im Raum * um mehr als die Hälfte geringerer Fahrtdauer für rund 30 Straßenkilometer mit dem Auto hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[21] 4.4. Eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zeigt auch der Revisionsrekurs nicht auf. Geringere Bequemlichkeit der Anreise zum Arbeitsort ist kein Kriterium der (Un‑)Zumutbarkeit.

[22] Die Frage eines „Fahrtkostenselbstbehaltes“ stellt sich schon mangels erhöhter Arbeitsplatzfahrtkosten nicht. Dass die durchschnittlichen Fahrtkosten, die jedem Arbeitnehmer entstehen, bereits in die Höhe der Prozentsätze Eingang gefunden haben, ist im Übrigen keine beweisbedürftige Behauptung, sondern entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl 6 Ob 52/22y Rz 13; 10 Ob 59/06h = RS0121470 [T1]; 3 Ob 41/17a). Warum Pendlerpauschale und Pendlereuro im konkreten Einzelfall entgegen der überwiegenden (meist zweitinstanzlichen) Rechtsprechung, wonach steuerliche Frei‑ und Absetzbeträge die Unterhaltsbemessungsgrundlage grundsätzlich nicht mindern (vgl Kolmasch in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKomm6 [2023] § 231 Rz 82 mwN aus der Rsp), aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage auszuscheiden wären, legt der Revisionsrekurs nicht dar; eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich auch hier nicht, zumal nach ständiger Rechtsprechung der Unterhalt nicht exakt mathematisch zu berechnen, sondern in dem Einzelfall angemessener Weise zu bemessen ist (vgl RS0057284 [T6, T9, T10, T14]).

[23] 5. Kosten wurden – dem § 78 iVm § 101 Abs 2 AußStrG entsprechend – nicht verzeichnet.

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