OGH 8Ob36/25i

OGH8Ob36/25i28.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI G*, und 2. A*, beide vertreten durch Dr. Christian Puchner und Mag. Martin Streitmayer, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Christoph Zauhar, LL.M., Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2025, GZ 5 R 145/24s‑52.1, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00036.25I.0328.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (und des gleichlautenden Vertragsaufhebungsgrundes nach § 1118 erster Fall ABGB) liegt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RS0020940 [T6]; RS0067832; RS0068076; RS0102020; RS0067939), oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der anderen Mieter gefährdet werden (RS0020940 [T11]; RS0021031; RS0070348).

[2] Der sorglose Umgang mit Wasser, wenn dadurch Wasserschäden drohen, ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich als nachteiliger Gebrauch in diesem Sinne anzusehen (vgl RS0128773; RS0020981 [T24]; RS0067832 [T10]).

[3] 1.2. § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG und § 1118 erster Fall ABGB sollen die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Grundlage für einen Auflösungsanspruch ist ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (RS0020867). Ein Verschulden des Mieters ist nicht erforderlich; es genügt, dass sich der Mieter des nachteiligen Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrundezulegen ist (RS0020981; RS0067957 [T5]; RS0070243 [T1]; RS0070433 [T1, T5]; RS0020867).

[4] 1.3. Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt und dies dem Mieter bewusst sein musste, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0021018; RS0068103) und wirft – von krassen Fehlbeurteilungen der Vorinstanzen abgesehen (vgl RS0044088) – keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0068103 [T3]).

[5] 2.1. Dem die Aufkündigung der vom Beklagten gemieteten Wohnung zum 30. 11. 2021 für rechtswirksam erklärenden Ersturteil lagen Feststellungen über mehrere Wasserschäden zugrunde, nämlich im Jänner 2020 (bei dem der Beklagte im Badezimmer das Wasser nicht abgedreht hatte, es aufgrund Verstopfung aller Abflüsse überlief und in die Wohnung unterhalb rann), am 4. 11. 2020 (bei dem der Beklagte aufgrund eines Telefonats vergessen hatte, das laufende Wasser zur Befüllung eines Kübels in der Spüle abzudrehen und wiederum aufgrund eines verstopften Abflusses Wasser austrat und in der Wohnung darunter von der Decke tropfte), am 26. 8. 2021 (wobei im Zuge einer Fahrnisexekution feuchte Zeitungen im Badezimmer am Boden vorgefunden wurden, was der Beklagte mit einem Wasseraustritt aus der Waschmaschine wenige Tage zuvor erklärte) und am 28. 9. 2021 (als der Beklagte im Zuge einer Feuchtigkeitsmessung zur Erklärung der Feuchte im Badezimmer angab, dass es durch die Waschmaschine zwei Wochen zuvor abermals zu einer Überschwemmung gekommen sei). Am 24. 11. 2022 – nach Zustellung der Aufkündigung – kam es wieder zu einem nassen Fleck an der Decke der unter dem Bestandobjekt liegenden Wohnung; eine Leckortung, welche aufgrund von Terminschwierigkeiten erst am 13. 12. 2022 möglich war, ergab, dass ein bestimmungswidriger Wasseraustritt des Abwassers bei Waschtisch und Badewanne, ein bestimmungswidriger Wasseraustritt des Mischwassers beim Unterputzmischer der Badewanne, undichte Armaturen beim Waschtisch im Bad und eine verstopfte Abwasserleitung vorlagen. Die Zu‑ und Abwasserleitungen im gemieteten Objekt sind mehrere Jahrzehnte alt und nicht saniert. Die Armaturen sind teilweise undicht und die Abflüsse immer wieder verstopft. Die Sanierung der Wohnung unterblieb aufgrund der Weigerung des Beklagten im Verfahren nach § 18 MRG.

[6] 2.2. Das Berufungsgericht bejahte wie das Erstgericht das Vorliegen erheblich nachteiligen Gebrauchs im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG. Der Beklagte habe nach den Feststellungen um den Zustand der Abflüsse gewusst, sodass ihm die Nachteiligkeit seines Verhaltens zumindest bewusst sein habe müssen. Ein vertrauenswürdiger Mieter würde Wasserhähne, zumal bei verstopften Abflüssen nicht unbeaufsichtigt laufen lassen, da es dadurch eben zu einem Überlaufen von Wasser kommen könne, wodurch wiederum eine Verletzung der Substanz des Mietgegenstands drohe. Durch seinen sorglosen Umgang mit Wasser habe der Beklagte daher spätestens durch Verursachung des Wasserschadens am 4. 11. 2020, somit eines zweiten Wasserschadens innerhalb eines Jahres, den Kündigungsgrund verwirklicht. Ausdem Umstand, dass es nach Aufkündigung im November 2022 wieder zu einem Wasserschaden gekommen sei, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen wäre.

[7] 2.3. Diese Einschätzung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[8] 3. Die außerordentliche Revision des Beklagten führt dagegen ins Treffen, bei zwei der Vorfälle habe der bloß geringfügige Wasseraustritt mit Zeitungspapier beseitigt werden können; selbst bei den sonstigen Austritten „relevanter Wassermengen“ sei es zu keinen gravierenden Schäden an der Bausubstanz gekommen und es hätten auch weder drohende (Substanz‑)Schäden noch sonstige Feuchtefolgeschäden festgestellt werden können.

[9] Die Revision zeigt damit weder eine erhebliche Rechtsfrage noch eine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf.

[10] 3.1. Dass keine Rechtsprechung für Fälle vorliege, in denen Wasseraustritte keinen konkreten „bauphysisch relevanten“ Schaden angerichtet hätten, trifft nicht zu: Erheblich nachteiliger Gebrauch ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann gegeben, wenn die körperliche Substanz des Bestandgegenstands beschädigt wird, sondern auch schon dann, wenn eine erhebliche Substanzverletzung bloß droht (RS0020940 [T5, T6]).

[11] 3.2. Dass zumindest zweimalige Wasseraustritte, als deren Folge Wasser durch die Decke in andere Wohnungen drang, darunter zu subsumieren sind, ist von der Rechtsprechung gedeckt und hier zumindest vertretbar.

[12] 3.3. Wenn sich die Rechtsansicht der zweiten Instanz im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hält, hätte auch die Frage, ob im Einzelfall auch eine andere Beurteilung des Sachverhalts vertretbar wäre, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl RS0112106; RS0114267 [T1]; RS0108494).

[13] Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob in anderen den Kündigungsgrund bejahenden veröffentlichten Fällen Wasseraustritte schwerere Folgen ausgelöst hätten; zu 4 Ob 209/22x war aber zumindest das zugrundeliegende Verhalten des Mieters, das zum Verlust seiner Vertrauenswürdigkeit führte, dem hier zu beurteilenden Tatbestand in zumindest den zwei Fällen mit (auch nach Ansicht des Klägers) „relevanten Wassermengen“ sehr ähnlich.

[14] 3.4. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass bei zwei der anderen festgestellten relevanten Gelegenheiten eine „Sanierung“ durch Auslegen von Zeitungspapier möglich gewesen wäre, zumal dieses noch Tage nach dem Wasseraustritt vorhanden bzw erhöhte Feuchtigkeit feststellbar war.

[15] 3.5. Auch dass die Vorinstanzen nicht von einmaligen, isolierten Vorfällen ausgingen, sondern insgesamt sorgloses Verhalten des Mieters bejahten, ist keineswegs unvertretbar, zumal sich die Austrittsursachen – einerseits unbeobachtetes, zum Austritt aufgrund verstopfter Abflüsse führendes Laufenlassen von Wasser, andererseits offenbar erhebliche Wasseraustritte aus der Waschmaschine – binnen kurzen Abständen wiederholten.

[16] Die Einschätzung, dass der Vorfall nach der Aufkündigung jedenfalls keinen hinreichenden Grund geboten hat, die massiven Zweifel am vertrauenswürdigen Umgang des Beklagten mit Wasser zu zerstreuen, ist schon angesichts des sich bei dieser Gelegenheit – trotz Aufkündigung – weiterhin zeigenden Zustands insbesondere der Abflüsse ebenfalls zumindest vertretbar.

[17] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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