European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00131.24H.0526.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 745,65 EUR (darin enthalten 119,05 EUR an 19 % USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 26. 8. 2011 von einem Händler einen Neuwagen Audi Q5 2.0 TDI quattro um 45.000 EUR. In diesem Fahrzeug ist ein Dieselmotor vom Typ EA189 der Abgasklasse Euro 5 verbaut. Die Beklagte ist Herstellerin dieses Motors, der mit einer Abschalteinrichtung des Abgasrückführungssystems (Umschaltlogik mit Erkennung des Prüfstandsbetriebs) ausgestattet war.
[2] Der Kläger begehrte 13.500 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden. Er stützte dies insbesondere auf Schutzgesetzverletzung und §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB. Er habe um diesen Betrag zu viel für das Fahrzeug bezahlt. Durch das Software‑Update sei der Mangel nicht behoben worden. Die Beklagte habe durch das sittenwidrige und arglistige Verhalten ihrer Repräsentanten und Übergabe einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung den nachteiligen Vertragsschluss herbeigeführt.
[3] Während im ersten Rechtsgang die Abweisung des Feststellungsbegehrens in Rechtskraft erwuchs, hob der Senat die Urteile der Vorinstanzen über das Zahlungsbegehren mit Beschluss vom 15. 2. 2024, 8 Ob 71/23h, zur Verfahrensergänzung durch das Erstgericht auf. Die Beklagte hafte als bloße Motorenherstellerin nicht wegen Schutzgesetzverletzung, eine unmittelbare Haftung der Beklagten sei aber nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB möglich. Der zu ersetzende Betrag könne vom Gericht nach freier Überzeugung innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des vom Kläger gezahlten und dem Wert des Fahrzeugs angemessenen Kaufpreises festgesetzt werden. Dies schließe allerdings nicht aus, dass die Wertminderung exakt festgestellt werde und der Käufer Ersatz derselben verlange.
[4] Im fortgesetzten Verfahren wurde der Anspruch dem Grunde nach außer Streit gestellt.
[5] Die Vorinstanzen gaben dem Zahlungsbegehren im Umfang von 2.250 EUR sA statt, das Mehrbegehren wiesen sie ab. Ausgehend von der überbundenen Rechtsansicht sprachen sie dem Kläger unter Anwendung von § 273 Abs 1 ZPO 5 % des Kaufpreises als Schadenersatz zu. Das Berufungsgericht berücksichtigte dabei den bereits lange zurückliegenden Fahrzeugerwerb sowie den Umstand, dass am Fahrzeug kein merkantiler Minderwert besteht.
[6] Die Revision ließ es zu, weil die Entscheidung des Senats im ersten Rechtsgang der überwiegenden Rechtsprechung widerspreche, wonach bei einem bloßen Motorenhersteller die Schadenshöhe nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln sei. Außerdem bedürfe es einer Klarstellung, ob Feststellungen wie hier, wonach ein mit einer unzulässigen Umschaltlogik ausgestattetes Fahrzeug um 15 % billiger hätte angeboten werden müssen als ein verordnungskonformes Fahrzeug, sofern binnen angemessener Frist kein Software‑Update zur Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Verfügung gestellt werden könne, ausreichten, um daraus einen konkreten Schaden abzuleiten.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der er den Zuspruch von weiteren 6.750 EUR sA anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Auch der Oberste Gerichtshof ist an seine in derselben Sache in einem früheren Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht gebunden. Daran ändert auch die Weiterentwicklung der Rechtsprechung nichts (RS0007010 [insb T14]; RS0043752 [T1]). Dass die jüngere Judikatur für die sich nicht auf Unionsrecht stützende Haftung des bloßen Motorenherstellers auf die relative Berechnungsmethode abstellt (RS0134498 [T7, T9]) kann daher im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen.
[9] 2. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0118891).
[10] 2.1. Die Vorinstanzen verstanden die Feststellung, wonach ein mit einer unzulässigen Umschaltlogik ausgestattetes Fahrzeug um 15 % billiger hätte angeboten werden müssen als ein verordnungskonformes Fahrzeug, sofern binnen angemessener Frist kein Software‑Update zur Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Verfügung gestellt werden könne, als bloße Feststellung des Verhaltens durchschnittlicher Käufer, das für eine konkrete Feststellung des Minderwerts nicht ausreiche. Angesichts der getroffenen Negativfeststellung zum „konkreten Verkehrswert des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs des Klägers zum Kaufzeitpunkt“ hält sich dieses Verständnis im Rahmen des den Vorinstanzen notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.
[11] 2.2. Soweit die Revision auf den festgestellten „Herstellungswert“ verweist, der nach den Entscheidungen zu 10 Ob 7/24p und 10 Ob 13/24w für die Ermittlung des Minderwerts heranzuziehen sei, ist festzuhalten, dass das Erstgericht – wie aus der Beweiswürdigung erhellt – damit auf die Selbstkosten der Beklagten abstellt. Die Judikatur zur (subsidiären) Relevanz der Herstellungskosten für die Ermittlung des gemeinen Werts (RS0118782) nimmt jedoch auf jenen Preis Bezug, zu dem der Geschädigte eine anstelle der zerstörten neu hergestellten Sache bei einem Dritten erwerben könnte, dies gegebenenfalls korrigiert um einen Abzug „neu für alt“ (siehe insb 8 Ob 43/17g). Dem entspricht der festgestellte „Herstellungswert“ nicht. Er lässt auch nicht erkennen, ob es sich um die Selbstkosten für die Herstellung des mängelfreien oder des mangelhaften Fahrzeugs handelt. Wenn die Vorinstanzen der genannten Feststellung keine Bedeutung beimaßen und angesichts der genannten Negativfeststellung zum Verkehrswert im mangelhaften Zustand die Wertminderung nach § 273 Abs 1 ZPO schätzten, ist dies im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.
[12] 3. Dass das Berufungsgericht für die konkrete Ausmittlung nach der genannten Bestimmung auch auf Umstände zurückgriff, die nach dem Vertragsabschluss lagen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sowohl die lange Dauer seit dem Fahrzeugerwerb als auch das Fehlen eines merkantilen Minderwerts sind im Rahmen einer solchen Schätzung als wertaufhellende Faktoren durchaus geeignet, Rückschlüsse auf den relevanten objektiven Minderwert im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (1 Ob 12/24g mwN) zuzulassen. Ein unvertretbares Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO, die von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt und daher keine über diesen hinausgehende Bedeutung hat (RS0121220), zeigt der Kläger nicht auf.
[13] Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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