OGH 8Ob111/24t

OGH8Ob111/24t28.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions‑ und Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. M* G* (55 Cg 57/15s des Handelsgerichts Wien), 2. R* W* (55 Cg 56/15v des Handelsgerichts Wien), 3. R* Privatstiftung, * (55 Cg 59/15k des Handelsgerichts Wien), 4. Ing. F* E* (55 Cg 60/15g des Handelsgerichts Wien), 5. H* S* (55 Cg 128/16h des Handelsgerichts Wien), 6. S* * GmbH, * (55 Cg 129/16f des Handelsgerichts Wien), 7. DI A* K* (55 Cg 130/16b des Handelsgerichts Wien), 8. Mag. I* * K* (55 Cg 167/16v des Handelsgerichts Wien), 9. K* Ltd, *, Zypern (55 Cg 172/16d des Handelsgerichts Wien), 10. R* GmbH, * (55 Cg 173/16a des Handelsgerichts Wien), 11. D* Ges.m.b.H., * (55 Cg 174/16y des Handelsgerichts Wien), mit Ausnahme des Viertklägers alle vertreten durch Dr. Kurt Berger und Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, der Viertkläger vertreten durch Dr. Marin Löffler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 245.475,75 EUR sA (Erstklägerin), 259.654,80 EUR sA (Zweitkläger), 133.715,75 EUR sA (Drittklägerin), 1.412.171,81 EUR sA (Viertkläger), 311.250 EUR sA (Fünftkläger), 241.726,64 EUR sA (Sechstklägerin), 87.993,34 EUR sA (Siebentkläger), 634.137,67 EUR sA (Achtklägerin), 161.332,77 EUR sA (Neuntklägerin), 403.588,56 EUR sA (Zehntklägerin) und 1.024.448,69 EUR sA (Elftklägerin), über die Rekurse der viert‑ sowie der sechst‑ bis elftklagenden Parteien und die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2024, GZ 2 R 177/23y‑249.1, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. August 2023, GZ 55 Cg 57/15s‑242.1, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00111.24T.0328.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Rekurse der viert‑ sowie der sechst‑ bis elftklagenden Parteien und die Revision der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die viertklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.956,94 EUR (darin enthalten 492,82 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die sechst‑ bis elftklagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 7.603,56 EUR (darin enthalten 1.267,26 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den erst‑, zweit‑, dritt‑ und fünftklagenden Parteien die mit 5.176,75 EUR (darin enthalten 862,79 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der viertklagenden Partei die mit 3.593,40 EUR (darin enthalten 598,90 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger erwarben in den Jahren 2010 bis 2014 Wandelteilschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis 31. 8. 2015 der T* AG, deren Aktien an der Wiener Börse zum Handel zugelassen waren. Die Beklagte fungierte in den Geschäftsjahren 2006/2007 bis 2012/2013 als Abschlussprüferin der genannten Gesellschaft und erteilte in diesen Jahren den Einzelabschlüssen und den Konzernabschlüssen uneingeschränkte Bestätigungsvermerke. Am 27. 5. 2015 widerrief die Beklagte den Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2013. Über die T* AG wurde mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 9. 9. 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet.

[2] Das Erstgericht gab den auf Schadenersatz gestützten Zahlungsbegehren der Kläger statt. Aufgrund der festgestellten Mängel der Prüfung des Jahresabschlusses zum 30. 9. 2009 bejahte es die Haftung der Beklagten, weil die Kläger ohne den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk zum genannten Jahresabschluss die Wertpapiere nicht erworben hätten. Das Testat zum 30. 9. 2009 könne auch dann haftungsbegründend sein, wenn daneben spätere Bestätigungsvermerke kaufentscheidend gewesen seien, sodass zu den Prüfungen der weiteren Jahresabschlüsse keine Feststellungen zu treffen gewesen seien.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in Ansehung der Erst‑, Zweit‑, Dritt‑ und Fünftkläger sowie teilweise (im Umfang von 415.987,50 EUR) des Viertklägers. Im Übrigen, also teilweise zum Viertkläger sowie zu den Sechst‑ bis Elftklägern, hob es das angefochtene Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Insofern mangle es an ausreichenden Feststellungen, um beurteilen zu können, ob die (späteren) Veranlagungsentscheidungen noch im ausreichenden Zusammenhang mit dem erteilten Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2009 stünden bzw sei ausdrücklich festgestellt, dass die Investition nur im Vertrauen auf spätere Testate erfolgt sei.

[4] Die Revision und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, es sei bislang in der Rechtsprechung noch nicht restlos geklärt, ob ein globales Vertrauen auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses und des Bestätigungsvermerks als Grundlage der Anlageentscheidung ausreiche oder ob ein Vertrauen auf konkrete Bilanzwerte, die sich letztlich als falsch herausgestellt hätten, vorgebracht und festgestellt werden müsse.

[5] Während der Viert‑ sowie die Sechst‑ bis Elftkläger mit ihren Rekursen die (gänzliche) Stattgebung ihrer Klagebegehren anstreben, beantragt die Beklagte in ihrer Revision die Abänderung des Teilurteils im Sinne der Klagsabweisung gegenüber den Erst‑ bis Fünftklägern.

Rechtliche Beurteilung

[6] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1, § 526 Abs 2 ZPO) sind die Rechtsmittel mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Zur vom Berufungsgericht genannten Rechtsfrage:

[7] 1.1. Der Behandlung der einzelnen Rechtsmittel ist voranzustellen, dass § 275 UGB über die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers als (eigentliches) Schutzgesetz (nur) zu Gunsten jener Gesellschaft wirkt, die ihn bestellt hat. Jedoch entfaltet der Vertrag zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft auch Schutzwirkungen zugunsten der potentiellen Gläubiger der Gesellschaft. Der Abschlussprüfer hat seinen Prüfungsauftrag so zu erfüllen, dass die durch seinen Bestätigungsvermerk geschaffene Vertrauensbasis zwischen der geprüften Gesellschaft und deren (potentiellen) Gläubigern tragfähig ist und schuldet ihnen jene Sorgfalt, die eine dem Gesetz entsprechende, ordnungsgemäße Abschlussprüfung für die Ausstellung des zu veröffentlichenden Bestätigungsvermerks nach § 274 UGB verlangt. Vernachlässigt der Abschlussprüfer diese Sorgfalt und stellt er deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, wird er einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit dieses Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig (RS0116077; RS0129123; RS0116076).

[8] 1.2. Ein solches Vertrauen kann nicht nur durch die Kenntnis des konkreten Bestätigungsvermerks geschaffen werden, sondern ist bei einer Beratung auch denkbar, wenn die auf die Anlageentscheidung positiv einwirkende Beratung von den erteilten Bestätigungsvermerken beeinflusst war. Dies setzt aber voraus, dass der Berater die Bestätigungsvermerke gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren hat (4 Ob 145/21h mwN).

[9] 1.3. Der geschädigte Anleger hat zu behaupten und zu beweisen, dass er seine Anlageentscheidung im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk getroffen und diesen zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat (RS0129123).

[10] 1.4. Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung genannte Rechtsfrage ist daher durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofs bereits in dem Sinne beantwortet, dass ein Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks ausreicht. Ein Vertrauen auf konkrete Bilanzwerte ist – anders als bei der Prospekthaftung nach § 11 Abs 1 KMG 1991 (8 Ob 144/24w) – nicht erforderlich.

2. Zum Rekurs des Viertklägers:

[11] 2.1. Der Viertkläger macht weiters als erhebliche Rechtsfrage geltend, ob Schadenersatzansprüche bereits aus einer Negativfeststellung dazu gerechtfertigt werden können, ob das Wertpapier bei ordnungsgemäßer Abschlussprüfung überhaupt emittiert worden wäre.

[12] Diese Frage ist schon deshalb zu verneinen, weil die Beweislast für den Kausalitätszusammenhang den Geschädigten trifft, sodass die Negativfeststellung zu Lasten der Kläger geht (RS0022686; RS0129123).

[13] Außerdem wird mit dem Abstellen auf eine im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk getroffene Disposition des Geschädigten (bzw eine entsprechende Beeinflussung seiner Entscheidung durch den Bestätigungsvermerk) der vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begünstigte Personenkreis von der Rechtsprechung im Sinne der von ihr entwickelten Grundsätze (vgl RS0022814) bewusst eng gezogen (4 Ob 145/21h mwN; 6 Ob 126/23g). Auf die Schutzwirkungen des zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer geschlossenen Vertrags können sich daher Personen, deren Anlegerentscheidung nicht im Zusammenhang mit dem erteilten Bestätigungsvermerk steht, nicht berufen (4 Ob 145/21h mwN).

[14] Die Rechtsprechung stellt also auf ein Vertrauen in den konkreten Bestätigungsvermerk ab. In diesem Sinne wurde ein abstraktes Vertrauen auf die Prüfung einer Bank durch Wirtschaftsprüfer nicht für ausreichend und insbesondere der Umstand nicht für haftungsbegründend erachtet, dass eine ordnungsgemäße Prüfung dazu geführt hätte, dass der Bank der Geschäftsbetrieb sofort untersagt worden wäre. Der Umstand, dass die geprüfte Gesellschaft wegen eines fehlerhaften Vermerks noch Jahre weiterexistieren konnte, wodurch ein Investment in diese Gesellschaft überhaupt erst möglich war, kann demnach für eine Haftung nicht ausreichen (6 Ob 126/23g). Dies gilt auch dann, wenn bloß eine bestimmte Wertpapieremission bei ordnungsgemäßer Prüfung unterblieben wäre (vgl bereits 8 Ob 105/13v; 7 Ob 194/13z).

[15] 2.2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, das untersucht hat, ob die jeweilige Vermögensdisposition im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2009 erfolgt ist, steht im Einklang mit dieser Judikatur. Dass vor den Folgetransaktionen des Viertklägers weitere Jahresabschlüsse erstellt und mit einem uneingeschränkten Testat versehen wurden, hat es dabei zutreffend (vgl 3 Ob 58/23k) nicht als Ausschlussgrund für eine auf dem älteren Bestätigungsvermerk beruhende Haftung gewertet, sondern den aufhebenden Beschluss darauf gegründet, dass die Feststellungen nicht hinreichend seien, um eine Disposition im Vertrauen auf das Testat zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2009 zu bejahen oder zu verneinen.

[16] Wenn aber das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RS0042179).

[17] 2.3. Zum Widerruf des Bestätigungsvermerks führt der Rekurs selbst aus, dass ein solcher zu erfolgen hat, wenn der Abschlussprüfer nachträglich das Fehlen der Voraussetzungen für die Erteilung des Testats erkennt.

[18] Dementsprechend mag es im gegenständlichen Fall zutreffen, dass sich aus der Art des Fehlers im Zusammenhang mit dem unstrittigen Inhalt des Widerrufs des Bestätigungsvermerks zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2013 die Fehlerhaftigkeit auch der Jahresabschlüsse zum 30. 9. 2010, 30. 9. 2011, 30. 9. 2012 ableiten ließe.

[19] Allein daraus wäre für den Viertkläger allerdings noch nichts gewonnen, weil die Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut (RS0042656) des § 275 Abs 2 UGB nicht für Mängel der Jahresabschlüsse, sondern nur für die Verletzung der Pflicht zur gewissenhaften Prüfung haftet.

[20] Aus der Textierung des Widerrufs folgt im gegenständlichen Fall nur, dass damit die Unrichtigkeit der Bewertung des maßgeblichen Vermögensbestandteils der geprüften Gesellschaft offengelegt wurde; ein Eingeständnis eines Prüffehlers der Beklagten ist dem Widerruf jedoch nicht zu entnehmen.

[21] Soweit der Viertkläger seine Folgetransaktionen im Vertrauen auf einen der späteren Bestätigungsvermerke getätigt hat, erblickte das Berufungsgericht daher im Fehlen von Feststellungen zur Prüfung der Jahresabschlüsse ab jenem zum 30. 9. 2010 zutreffend einen sekundären Feststellungsmangel.

[22] 2.4. Nach ständiger Rechtsprechung kann von einer unrichtigen Lösung einer Frage des Verfahrensrechts, die für die Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung ist, im Fall der Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht an das Erstgericht auch ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen nur dann gesprochen werden, wenn eine Selbstergänzungspflicht nach der ratio des § 496 Abs 3 ZPO geradezu auf der Hand liegt, also eine gravierende Verkennung der Rechtslage vorliegt (8 Ob 145/06s = RS0108072 [T2]; 8 ObA 14/20x; 10 ObS 125/20k). Eine derartige Unvertretbarkeit ist hier aber angesichts der Bezugnahme des Berufungsgerichts auf noch nicht abzusehende Weitungen des Verfahrens (vgl RS0044905; RS0042125 [T7, T8]) zumindest nicht augenfällig und wird auch im Rekurs nicht behauptet.

3. Zum Rekurs der Sechst‑ bis Elftkläger:

[23] 3.1. Zur zeitlichen Wirkung eines Bestätigungsvermerks für die Folgejahre wird auf die obigen Ausführungen zum Rekurs des Viertklägers (ErwGr 2.2.) verwiesen.

[24] 3.2. Auch zu den Sechst‑ bis Elftklägern hat das Berufungsgericht die eingangs (ErwGr 1.) genannten Grundsätze der Rechtsprechung in seiner Entscheidung nicht nur wiedergegeben, sondern auch zumindest vertretbar auf die Feststellungen zu den einzelnen Klägern angewendet.

[25] Dabei wertete es die Feststellungen zu den Erwerbsvorgängen der Sechst‑, Siebent‑, Acht‑, Zehnt‑ und Elftkläger für nicht hinreichend, um eine Disposition im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2009 bejahen oder verneinen zu können.

[26] Insoweit allerdings das Berufungsgericht Tatsachengrundlagen noch für ergänzungsbedürftig erachtet, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RS0042179 [T20]).

[27] 3.3. Zur Vermögensdisposition der Neuntklägerin wurde festgestellt, dass diese nicht im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss zum 30. 9. 2009, sondern auf jenen zum 30. 9. 2013 erfolgte. Dass der Widerruf dieses Testats nichts am sekundären Feststellungsmangel zu den dazu behaupteten Prüfungsmängeln ändert, wurde zum Rekurs des Viertklägers bereits ausgeführt (ErwGr 2.3.).

4. Zur Revision der Beklagten:

[28] 4.1. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO ist durch mangelhafte Begründung ebenso wenig gegeben wie der Nichtigkeitsgrund des § 477 Z 9 iVm § 503 Z 1 ZPO. Nur der Mangel der Gründe, nicht aber eine mangelhafte Begründung, bildet diesen Nichtigkeitsgrund (RS0042133 [insb T1]; RS0042206; RS0007484 [insb T6]). Die Bezugnahme des Berufungsgerichts auf eine im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht in Geltung stehende Norm (hier: die Begriffsbestimmungen nach § 189a UGB) bewirkt daher weder Nichtigkeit noch einen sonstigen Verfahrensmangel. Von einer derart mangelhaften Fassung des Berufungsurteils, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte (RS0007484; RS0042133 [T12]), kann keine Rede sein.

[29] Nur ein Widerspruch im Spruch selbst begründet Nichtigkeit, nicht einer in den Entscheidungsgründen (RS0041306 [T4]; RS0042171 [T2]; RS0042133 [insb T2]). Der behauptete Widerspruch in der rechtlichen Beurteilung zur Haftungsbegrenzung nach § 275 Abs 2 iVm § 221 Abs 4 UGB ist deshalb schon vom Ansatz her nicht geeignet, eine Nichtigkeit des Berufungsurteils zu bewirken.

[30] Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes begründet lediglich einen Verfahrensmangel und keine Nichtigkeit (RS0041480 [T3]). Aber auch ein Verfahrensmangel ist zu verneinen, weil eine im Verfahren vorgelegte Urkunde, die ihrem Inhalt nach unstrittig ist, der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ohne Weiteres zugrunde zu legen ist. Ihre Berücksichtigung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfordert keine amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RS0121557 [insb T3]). Ein Anwendungsfall des § 488 Abs 4 ZPO liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen abgegangen ist, sondern diese zulässigerweise um unstrittige Umstände ergänzt hat.

[31] 4.2. Übersteigen die Ansprüche mehrerer Geschädigter zusammen den Haftungshöchstbetrag des § 275 Abs 2 UGB, hat eine Aufteilung nach dem Prioritätsprinzip zu erfolgen. Die Erschöpfung des Haftungsfonds durch erfolgte Auszahlungen kann nur dann als anspruchsvernichtender Einwand berücksichtigt werden, wenn sie bereits vor Schluss der Verhandlung in erster Instanz eingetreten und nachgewiesen ist. In allen anderen Fällen kann das Erreichen der Haftungsgrenze nur mehr im Exekutionsverfahren durch Oppositionsklage geklärt werden (RS0131576 [insb T1]).

[32] Da die Beklagte derartige Auszahlungen vor Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht geltend gemacht hat und der Zuspruch an die Erst- bis Fünftkläger mit dem angefochtenen Teilurteil insgesamt die niedrigste Grenze des § 275 Abs 2 UGB (idF BGBl I 2005/120) von 2.000.000 EUR nicht übersteigt, sind die Haftungshöchstgrenzen des § 275 Abs 2 UGB für die gegenständliche Entscheidung nicht von Bedeutung.

[33] 4.3. Da die Rechtsrüge zu den Vermögensdispositionen der einzelnen Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist die Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603). Dass ein Vertrauen auf die Richtigkeit des Bestätigungsvermerks als Grundlage der Anlageentscheidung ausreicht, um die Schutzwirkung des Vertrags zwischen Abschlussprüfer und geprüfter Gesellschaft zugunsten des Anlegers zu begründen (und sohin kein Vertrauen auf einzelne Bilanzwerte erforderlich ist), wurde bereits ausgeführt (ErwGr 1.).

[34] 4.4. Die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, ist eine quaestio mixta, die sowohl Tatsachen‑ als auch Rechtselemente enthält. Was konkret von einem gewissenhaften Abschlussprüfer zu fordern ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Abschlussprüfung abzuleiten. Die einzufordernde Sorgfalt bemisst sich nach der aus objektiver Sicht zu beurteilenden Verkehrsauffassung. Maßgeblich ist, welcher Prüfungsstandard normativ geboten ist, um dem gesetzlichen Zweck der Abschlussprüfung gerecht zu werden (RS0130434).

[35] Für die Beurteilung, ob eine Abschlussprüfung lege artis durchgeführt wurde, sind im Tatsachenbereich die geprüften Daten und die ihnen zugrunde liegenden wesentlichen unternehmensinternen Vorgänge sowie die Prüfungsmethoden und ‑schritte zu erheben, aber auch der Inhalt der zum Prüfungszeitpunkt veröffentlichten nationalen und internationalen Standards der beteiligten Verkehrskreise. Der rechtlichen Beurteilung unterliegt es, ob die strittige Prüfung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände den umschriebenen gesetzlichen Anforderungen entsprach (RS0130434 [T3]).

[36] Der Abschlussprüfer handelt dann rechtmäßig, wenn er die Abschlussprüfung so durchführt wie ein (iSd § 1299 ABGB) sorgfältiger durchschnittlicher Abschlussprüfer. Dabei ist seine Sorgfalt an den Berufsstandards einerseits und andererseits am abstrakten Ziel der Abschlussprüfung einer möglichst getreuen Darstellung der Vermögens‑ und Ertragslage des Unternehmens zu messen (RS0130434 [T4]).

[37] Angesichts des festgestellten Zurückbleibens der gegenständlichen Abschlussprüfung hinter dem berufsüblichen Standard in gleich mehreren Punkten ist der rechtliche Schluss der Vorinstanzen, dass die Prüfung des Jahresabschlusses zum 30. 9. 2009 durch die Beklagte nicht lege artis durchgeführt wurde, nicht korrekturbedürftig.

[38] 4.5. Inwieweit sich ein Anleger ein Mitverschulden am Scheitern seiner Veranlagung anrechnen lassen muss, kann nur im Einzelfall entschieden werden (RS0078931 [T5]) und begründet daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Bereitschaft der Kläger, ein riskantes Investment abzuschließen, kein Mitverschulden begründet, weil sich nicht dieses allgemeine Risiko verwirklicht hat, ist nicht zu beanstanden.

5. Ergebnis:

[39] Im Ergebnis zeigt daher keines der Rechtsmittel eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Sowohl die Rekurse der Viert‑ und Sechst‑ bis Elftkläger als auch die Revision sind daher zurückzuweisen.

6. Kostenentscheidung:

[40] Der vom Erstgericht ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 Satz 1 ZPO erfasst nicht den Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision (RS0129365 [T3]). Die demnach zu fassende Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Parteien haben in ihren Rechtsmittelbeantwortungen auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der jeweiligen Gegenseite hingewiesen.

[41] Werden mehrere Verfahren mit Gerichtsbeschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sind die obsiegenden Parteien je durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten, verbleibt einer jeden der eigene Ersatzanspruch auf Basis nur des sie betreffenden Streitwerts (RS0072286 [T1]). Die Bemessungsgrundlage der Revisionsbeantwortung der Erst‑, Zweit‑, Dritt‑ und Fünftkläger beträgt daher nur 950.096,30 EUR, jene der Revisionsbeantwortung des Viertklägers nur 415.987,50 EUR und jene der Rekursbeantwortung der Beklagten nur 3.549.411,98 EUR. Bei Letzterer gebührt überdies nur ein Streitgenossenzuschlag von 35 %. Von den Kosten der Rekursbeantwortung entfallen entsprechend ihren Anteilen am Streitwert 28 % auf den Viertkläger und 72 % auf die Sechst- bis Elftkläger.

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