OGH 7Ob76/25i

OGH7Ob76/25i21.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Malesich, Dr. Weber, Mag. Fitz und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* P*, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Seiersberg‑Pirka, gegen die beklagte Partei D*‑AG, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten 1. F* S*, 2. Fe* S*, vertreten durch hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 100.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. März 2025, GZ 7 R 64/24x‑43, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00076.25I.0521.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die inzwischen verstorbene Versicherungsnehmerin hatte bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:

§ 15 Wer erhält die Versicherungsleistung?

(1) Die Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir an Sie als unseren Versicherungspartner oder an ihre Erben, falls Sie uns keine anderen Personen genannt haben, die bei Eintritt des Versicherungsfalls die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben sollen (Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls können Sie das Bezugsrecht jederzeit widerrufen.

[...]

(4) Die Einräumung bei Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts (vgl Abs 1) sowie eine Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns vom bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt werden. Der bisherige Berechtigte sind in dem Fall Sie; es können aber auch andere Personen sein, sofern Sie bereits vorher Verfügungen vorgenommen haben.

Rechtliche Beurteilung

[2] 1.1. § 166 VersVG trifft für die Kapitallebensversicherung Regelungen über die Bezugsberechtigung. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Bezeichnung eines Dritten als Bezugsberechtigter betrifft das Verhältnis zum Versicherer. § 166 VersVG begründet ein Gestaltungsrecht des Versicherungsnehmers zur Bezeichnung eines Bezugsberechtigten (7 Ob 52/20b mwN; 7 Ob 154/21p). § 166 VersVG soll einerseits dem Versicherungsnehmer die freie Verfügbarkeit bezüglich der Begünstigung einräumen und andererseits den Versicherer davor schützen, dass er, obwohl er bei der Auszahlung der ihm bekanntgegebenen Begünstigung entsprochen hat, von dem ohne seine Kenntnis an die Stelle des bisher Begünstigten gesetzten neuerlich in Anspruch genommen wird (7 Ob 52/20b mwN). Bei der Ausübung dieses Gestaltungsrechts handelt es sich im Regelfall um eine mangels abweichender Vereinbarung formfrei mögliche, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (7 Ob 52/20b mwN; 7 Ob 151/21p).

[3] 1.2. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalls verwirklicht sich das Bezugsrecht und der bis dahin widerrufliche Bezugsberechtigte erwirbt den Anspruch auf die Versicherungsleistung unmittelbar, originär und unwiderruflich (RS0125496).

[4] 2.1. Auszulegen ist hier die formularmäßig vorgegebene Willenserklärung der Versicherungsnehmerin im Versicherungsantrag vom 31. 5. 2006. Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen ist (RS0014160; RS0113932 ua).

[5] 2.2. Die Versicherungsnehmerin unterfertigte den Versicherungsantrag, der im Feld „Bezugsrecht im Todesfall“ als Empfänger namentlich beide Nebenintervenienten – ihre Söhne – mit Geburtsdaten und dem Zusatz „zu je 50 %“ aufweist.

[6] 2.3. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die Versicherungsnehmerin den durch ihre Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt ihrer Erklärung gemacht habe, die Erklärung von der Beklagten objektiv nur dahin verstanden habe werden können, dass sie die beiden Nebenintervenienten als Bezugsberechtigte im Todesfall habe einsetzen wollen, weil ihre Nennung in diesem Feld sonst keinen Sinn ergäbe und auch kein Widerspruch zu der (nicht angekreuzten) Auswahlmöglichkeit betreffend namentlich bezeichnete Empfänger bestehe und eine gesonderte Nachfrage der Beklagten, ob ihre „Interpretation der Erklärung“ auch tatsächlich dem Willen der Versicherungsnehmerin entsprochen habe, nicht angezeigt gewesen sei. Diese Rechtsansicht ist nicht zu beanstanden.

[7] 3.1. Die Vorinstanzen beurteilten den vorliegenden Sachverhalt, wonach bis zum Eintritt des Versicherungsfalls (17. 6. 2022) keine Anzeige der Versicherungsnehmerin als bisher Berechtigte über die Einräumung eines Bezugsrechts an den Kläger und ein damit verbundener Widerruf des Bezugsrechts der Nebenintervenienten erfolgt war, dahin, dass im Verhältnis zur Beklagten keine wirksame Bezugsrechtsänderung zu Gunsten des Klägers vorgenommen worden sei. Die allfällige vertragliche Vereinbarung zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Kläger aus dem Jahr 2015 über die „Übertragung der Lebensversicherung“ an Letzteren entfalte keine Wirkungen gegenüber der Beklagten, sei doch deren Übermittlung erst nach dem Tod der Versicherungsnehmerin nicht als eine gegenüber der Beklagten (rechtzeitig) manifestierte Willenserklärung der Versicherungsnehmerin anzusehen. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.

[8] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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