European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00052.25K.0521.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Diebeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.997,90 EUR (darin enthalten 329,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte am 21. 3. 2023 vom Beklagten einen PKW, Erstzulassung 2018, Kilometerstand: 157.000, zu einem Preis von 25.500 EUR. Der Beklagte sicherte dabei die Verkehrs‑ und Betriebssicherheit des Fahrzeugs zu; Gewährleistungsansprüche wurden ausgeschlossen.
[2] Der Beklagte hatte das Fahrzeug 2022 mit einem Kilometerstand von 133.000 gekauft und in der Folge vorwiegend für kurze Strecken verwendet. Der Kläger wurde auf das Fahrzeug durch ein Inserat aufmerksam, in dem der Beklagte ua auf das kurz davor erfolgte Service mit diversen Filterwechseln und darauf verwies, dass der Großteil der Kilometer auf der Autobahn „gemacht“ worden sei.
[3] Der Kläger fuhr mit dem PKW am 23. 3. 2023 eine Strecke von 370 km nach Kroatien. Am Folgetag starb das Fahrzeug immer wieder nach einer ganz kurzen Strecke ab. Der Kläger kontaktierte daraufhin die Service‑Hotline des Fahrzeugherstellers, wo er die Auskunft bekam, der Ladedrucksensor sei Ursache für das Absterben des Motors. Die in der Folge vom Kläger aufgesuchte Werkstätte in Kroatien bestätigte diese Diagnose, baute den Sensor aus und reinigte ihn, woraufhin sich das Fahrzeug wieder starten ließ und nicht mehr abstarb. Der Kläger beauftragte dennoch den (befreundeten) Mechaniker mit einer weiteren Überprüfung des Fahrzeugs, weil es schlecht beschleunigte. Nach einer Testfahrt des Mechanikers äußerte dieser die Vermutung einer weiteren Verstopfung eines Ventils, weshalb der Kläger für den nächsten Tag einen weiteren Termin in der Werkstatt vereinbarte. Am Weg zu diesem Termin holte der Kläger zunächst den befreundeten Mechaniker zu Hause ab. Er ließ dort das Fahrzeug am Stand laufen, dann fuhr neuerlich der Freund mit dem Fahrzeug, wobei es wieder abstarb. Danach fuhren die beiden Männer zu einer Teststrecke und testeten das Beschleunigungsverhalten des Fahrzeugs; danach wollten sie in die Werkstatt fahren. Das Fahrzeug begann aber davor unter der Motorhaube zu brennen, wodurch es letztlich einen Totalschaden erlitt. Ursache für den Brand des Fahrzeugs war die Überhitzung des Dieselpartikelfilters. Der Dieselpartikelfilter war bereits vor der Fahrt des Klägers nach Kroatien so stark verschmutzt, dass das Fahrzeug die aktive Nachverbrennung eingeleitet hatte, eine gänzliche Regeneration desselben auf der Fahrt nach Kroatien aber nicht erfolgen konnte. Aus diesem Grund trat in Kroatien der Notbetrieb ein, sodass sich der Motor zwar kurz starten ließ, aber immer wieder abstarb. Eine starke Belegung des Dieselpartikelfilters fällt nur durch das Aufleuchten einer Kontrollleuchte auf. Eine solche leuchtete aber weder vor noch nach Abschluss des Kaufvertrags auf.
[4] DerKläger begehrte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – die Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises im Rahmen der Wandlung des Kaufvertrags aufgrund Gewährleistung.
[5] Der Beklagte wandte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – den vereinbarten Gewährleistungsausschluss ein. Das Fahrzeug sei im Übergabezeitpunkt verkehrs‑ und betriebssicher gewesen. Jedenfalls aber habe der Kläger den Brand des Fahrzeugs durch sein unsachgemäßes Verhalten verursacht.
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege ein zulässiger Gewährleistungsausschluss vor; das Fahrzeug sei im Übergabezeitpunkt verkehrs- und betriebssicher gewesen.
[7] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung hinsichtlich des Wandlungsbegehrens ab. Die Belegung des Dieselpartikelfilters mit Ruß und Asche, welche zu dessen Überhitzung und schließlich zum Brand geführt habe, sei bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs latent vorhanden gewesen. Mit Blick auf die Zusicherungen des Beklagten (volle Fahrbereitschaft sowie Verkehrs‑ und Betriebssicherheit, Komplettcheck) in Zusammenschau mit dem Kaufpreis sei davon auszugehen, dass sich diese Zusicherungen nicht nur punktuell auf den Übergabezeitpunkt erstreckt hätten. Grundsätzlich müsse sich ein Käufer, dem die Fahrbereitschaft zugesichert werde, darauf verlassen können, dass das Fahrzeug nicht Mängel aufweise, die die Fahrbereitschaft erheblich beeinträchtigen würden. Die starke Verschmutzung des Dieselpartikelfilters sei Ursache für das zwingende „Weiterfressen“ des Mangels gewesen, weil dessen Regeneration bei der langen Fahrt nach Kroatien nicht erfolgen habe können und es letztlich zur Überhitzung des Dieselpartikelfilters und zu dem dadurch ausgelösten Fahrzeugbrand gekommen sei. Die Frage des Gewährleistungsbehelfs sei aufgrund des durch das Weiterfressen des Mangels eingetretenen Zustands zu beantworten, weshalb das Wandlungsbegehren zu Recht bestehe.
[8] Das Berufungsgerichtließ die ordentliche Revision – nachträglich – zur Frage zu, inwieweit der Käufer beim Gebrauchtwagenkauf Verschleiß‑ und Abnützungserscheinungen hinnehmen müsse, wenn ihm zwar nicht konkret der Austausch des kurz nach der Übergabe schadhaften Verschleißteils, jedoch ein Komplettcheck einen Monat vor der Übergabe, der Austausch diverser anderer Verschleißteile und die Fahr‑ und Betriebssicherheit zugesichert worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[9] Da der Beklagte in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[10] 1. Die Vorinstanzen sind hier zu Recht von einem grundsätzlich zulässigen – mangels Verbrauchergeschäft bleiben § 3 VGG und § 9 KSchG unbeachtlich – Gewährleistungsausschluss ausgegangen.
[11] 2. Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist grundsätzlich durch Auslegung im Einzelfall (§§ 914 f ABGB) nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln. Dabei ist nicht nur am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (RS0016561 [insb auch T3]). Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen (RS0018561). Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht grundsätzlich auch auf geheime und solche Mängel, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen (RS0018564), aber nicht auch auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften (RS0018523; RS0018555). Bei Kauf eines Gebrauchtwagens gilt im Allgemeinen die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs‑ und Betriebssicherheit als vereinbart (2 Ob 243/23h mwN).
[12] 3. Wenn das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund im vorliegenden Fall aufgrund der Angaben des Beklagten von einer Zusicherung der Fahrbereitschaft, Verkehrs‑ und Betriebssicherheit des Fahrzeugs ausgegangen ist, auf die sich der vereinbarte Gewährleistungsverzicht nicht bezieht, hält sich das im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung und ist damit nicht korrekturbedürftig.
[13] 4. In dem der Entscheidung zu 4 Ob 96/24g zugrundeliegenden Fall wurde zwischen zwei Privaten lediglich vereinbart „Ich verkaufe Ihnen und Sie kaufen von mir das mir gehörige Fahrzeug […] in gebrauchtem Zustand, wie besichtigt und probegefahren, ohne jede Gewährleistung“, darüberhinaus über den Zustand des Fahrzeugs aber nicht gesprochen, weshalb eine schlüssige Zusicherung der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit dort verneint wurde. Das ist mit der hier in den Vertragstext aufgenommenen Zusage der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit in Zusammenschau mit der Anpreisung des Fahrzeugs als voll fahrbereit und dem zusätzlichen Hinweis auf ein durchgeführtes Service nicht vergleichbar, weshalb aus dieser Entscheidung für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen ist.
[14] 5. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Mangelfolgeschaden vor, wenn durch den Mangel ein weiterer Schaden verursacht wurde, der Schaden also nicht nur im Vorhandensein des Mangels besteht (RS0022885). Dagegen kann ein Mangelschaden im „Weiterfressen“ eines bereits bei Übergabe angelegten Mangels bestehen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es – gerade bei geheimen Mängeln – wenn der Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt bereits latent, also seiner Anlage nach, vorhanden war (RS0018498; vgl 9 Ob 3/09w [bei Übergabe lockerer Befestigungsbolzen führt zu Zahnriemenriss]; 5 Ob 193/21z [Längung der Steuerkette zum Zeitpunkt der Übergabe führt zu Motorschaden]; 2 Ob 243/23h [permanente Feuchtigkeit führt letztlich zur Durchmorschung der Bodenplatte]; jeweils „Weiterfressermängel“). Bei solchen Anlage‑ oder „Weiterfressermängeln“ sind auch die bis zur Entdeckung des Mangels eingetretenen Folgeerscheinungen Gegenstand der primären Gewährleistungsansprüche des Übernehmers (5 Ob 193/21z mwN).
[15] 5.1. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht auf Basis der getroffenen Feststellungen ohne Korrekturbedarf davon ausgegangen, dass der stark verschmutzte Dieselpartikelfilter, der sich auch durch eine lange Autofahrt wie sonst üblich nicht mehr regenerieren ließ und zu einer solchen Überhitzung führte, die einen Brand im Motorraum auslöste, einen im Zeitpunkt der Übergabe angelegten Mangel darstellt, der insgesamt Gegenstand des Gewährleistungsanspruchs des Klägers – hier konkret die Wandlung – ist.
[16] 6. Der Beklagte kommt in seiner Revision auch auf ein dem Kläger zuzurechnendes schuldhaftes Verhalten, welches letztlich den Brand verursacht habe, zurück. Das widerspricht der in der Entscheidung 1 Ob 186/09y vertretenen Rechtsauffassung, wonach eine Schadens-minderungspflicht des Käufers nach § 1304 ABGB bei einem verschuldensunabhängigen Gewährleistungsanspruch gar nicht in Betracht komme.
[17] Die in Teilen des Schrifttums für den Bereich der Gewährleistung befürwortete analoge Anwendung des § 1304 ABGB (vgl etwaP. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer 7 § 932 ABGB Rz 22a; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 933a Rz 272; Ring, Mitverschulden bei Gewährleistung [2018], 105 f, vgl auch Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 162 f: „Den Übernehmer trifft eine Obliegenheit, dem Weiterfressen des Mangels zu begegnen“), muss hier schon deshalb nicht näher untersucht werden, weil schon die dafür jedenfalls erforderliche Sorglosigkeit des Übernehmers – angesichts des Nichtaufleuchtens der Kontrollleuchte und der Hinzuziehung von Fachkräften – nicht ersichtlich ist.
[18] 7. Die Revision ist daher insgesamt mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
[19] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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