European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00023.25W.0319.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist der Betriebshaftpflichtversicherer der Klägerin. Auf das Versicherungsverhältnis sind die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) in der Fassung 01/2016 sowie die „Betrieb & Planen – Deckungserweiterungen PREMIUM GA 92“ anzuwenden. Diese lauten auszugsweise:
Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung:
„ Artikel 1
Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
1. Versicherungsfall
1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt 2) erwachsen oder erwachsen könnten.
[...]
2. Versicherungsschutz
2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen *);
*) in der Folge kurz 'Schadenersatzverpflichtungen' genannt.
[...]
Artikel 5
Bis zu welcher Höhe und bis zu welchem Umfang leistet der Versicherer
[...]
5. Rettungskosten; Kosten
5.1 Die Versicherung umfasst den Ersatz von Rettungskosten.
[...]
Artikel 7
Was ist nicht versichert (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht
1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
[...]
1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung;
[...]“
Ergänzende Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung:
„ Abschnitt B Ergänzende Regelungen für spezielle Betriebs‑ und Nichtbetriebsrisken
Vorbemerkung: Deckung reiner Vermögensschäden
Falls in den nachstehenden Bestimmungen oder in einer besonderen Vereinbarung laut Polizze die Deckung reiner Vermögensschäden vorgesehen ist, so gilt Folgendes:
1. Reine Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personen‑ noch Sachschäden sind (Art 1, Pkt 2 AHVB) noch sich aus solchen Schäden herleiten.
[...]“
Betrieb & und Planen – Deckungserweiterungen PREMIUM GA 92:
„Reine Vermögensschäden – eingeschränkte Deckung
1. Reine Vermögensschäden, die durch unvorhergesehene Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Beladung, Entladung, Lieferung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten, sind abweichend von Art 1 AHVB mitversichert.
2. Reine Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden noch Sachschäden sind (Art 1, Pkt 2 AHVB) noch sich aus solchen Schäden herleiten.
3. Abschnitt B, Vorbemerkung EHVB findet Anwendung.
4. [...] Ausgeschlossen bleiben Schäden aus der Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung von Verträgen sowie aus der Nichteinhaltung von Fristen und Terminen sowie aus der Überschreitung von Kostenvoranschlägen und Krediten.
Reine Vermögensschäden – erweiterte Deckung
Gemäß Abschnitt B, Vorbemerkung EHVB sind im Rahmen der Pauschalversicherungssumme mitversichert.“
Rechtliche Beurteilung
[2] 1.1 In der Betriebshaftpflichtversicherung ist die Ausführung der bedungenen Leistung grundsätzlich nicht versichert (RS0081685), soll doch das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen werden (RS0081518 [T4, T7, T8]). Demgemäß umfasst Art 7 AHVB das Leistungsversprechen des Versicherers Ansprücheaus Gewährleistung für Mängel (Art 7.1.1 Gewährleistungs-klausel) sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 7.1.3 Erfüllungsklausel) nicht.
[3] 1.2 Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich somit nicht auf die Ausführung der bedungenen Leistung und auf Erfüllungssurrogate (RS0081685 [T1]), also auf diejenigen Schadenersatzansprüche, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht wird (7 Ob 18/24h mzwN). Entscheidend ist dabei nicht die rechtliche Grundlage, aus der der Anspruch hergeleitet wird Maßgeblich ist vielmehr, ob die Kosten durch den Versicherungsnehmer oder Dritte aufgewendet werden müssen, um den Dritten in den Genuss der vertragsgerechten Leistung des Versicherungsnehmers zu bringen und/oder ob sie das Zurückbleiben der tatsächlichen Leistung hinter dem Versprochenen kompensieren sollen (7 Ob 18/24h, vgl RS0081685 [T2]).
[4] 1.3 Gedeckt sind hingegen Schadenersatzansprüche aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen (7 Ob 18/24h mwN). Mangelfolgeschäden sind Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks beziehen, sondern daraus resultieren, dass die mangelhafte Leistung an anderen Vermögenswerten Schäden hervorrief (RS0114204 [T4]).
[5] 2.1 Nach § 62 VersVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalls den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Er hat unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Rettungsaufwands durch den Versicherer. Die Rettungskosten müssen grundsätzlich objektiv dem Zweck dienen, den versicherten Schaden abzuwenden oder zu vermeiden (RS0080425 [T2]). Unter die Rettungspflicht und demnach auch unter den Begriff Rettungskosten fallen daher nur Kosten, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte (7 Ob 63/15p mwN, 7 Ob 195/22k). Von vornherein nicht unter den Begriff der Rettungskosten fallen auch all jene Ausgaben, die „sowieso“, das heißt ohne Rücksicht auf die Rettungsmaßnahme erwachsen wären (7 Ob 14/89, 7 Ob 195/22k). Unvorhergesehener Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung ist nicht als Rettungskosten zu qualifizieren (vgl 7 Ob 196/14w).
[6] 3.1 Die Klägerin war mit der Planung, Fertigung und Montage von medizintechnischen Funktionsmöbeln aus Metall für Operationssäle beauftragt worden. Im Zuge der Montage vor Ort stellte sich heraus, dass die Schränke nicht den technischen und vertraglichen Anforderungen an Stabilität und Tragfähigkeit entsprachen, weil die ausziehbaren Läden bei Belastung herauskippten. Die Klägerin und ihre Auftraggeberin vereinbarten daraufhin, dass die Klägerin die seitlichen Bleche mit den mangelhaften Stanzungen mit neu produzierten Blechen doppelt und die ausziehbaren Läden und die Edelstahl‑Blechfächer neu produziert. Weiters einigten sie sich auf einen neuen Fertigstellungstermin.
[7] Die Klägerin begehrt nun die Zahlung des ihr dafür entstandenen Aufwands.
[8] 3.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Ersatz dieses Aufwands sei nach Art 7 AHVB ausgeschlossen, ist nicht zu beanstanden. Durch die Vereinbarung der konkreten Sanierung und des neuen Fertigstellungstermins wurde die Erfüllungspflicht der Klägern modifiziert und den neuen Umständen angepasst, um eine Stilllegung der Operationssäle zu vermeiden. Die Kosten für die Erfüllung dieser modifizierten Vereinbarungsind dem Risikoausschluss der Erfüllungsklausel nach Art 7.1.3 AHVB zu unterstellen.
[9] 3.3.1 Die Klägerin vertritt nun, dass durch ihr Eingreifen (Sanierung aufgrund der neuen Vereinbarung mit der Auftraggeberin) ein reiner Vermögensschaden – Vertragsstrafen und weitaus höhere Forderungen, die aufgrund der sonst drohenden (hypothetischen) Sperre der Operationssäle von rund 3 Mio EUR entstanden wären – abgewehrt worden sei. Der geltend gemachte Betrag stelle daher, von der Beklagten zu ersetzende (vorgezogene) Rettungskosten dar.
[10] 3.3.2 Entgegen der Ansicht der Klägerin ging das Berufungsgericht ohnedies davon aus, dass aufgrund der Deckungserweiterung durch Klausel GA 92 für reine Vermögensschäden grundsätzlich Versicherungsdeckung für die eben von der Klägerin angesprochenen (Mangelfolge‑)Schäden bestanden hätte.
[11] 3.3.3 Das Berufungsgericht kam aber weiters zu dem Ergebnis, dass die Klägerin neben den behaupteten Schadenersatzforderungen für Mangelfolgeschäden jedenfalls demAnspruch auf Erfüllung der modifizierten Vereinbarung der Auftraggeberin ausgesetzt gewesen wäre. Der hier von der Klägerin geltend gemachte unvorhergesehene Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung sei nicht als Rettungskosten zu qualifizieren. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der bereits bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, sodass auf die weitere – vom Rechtsmittelwerber vorausgesetzte – Rechtsfrage, ob in der Haftpflichtversicherung eine Vorerstreckung der Rettungsobliegenheit überhaupt anzunehmen ist (vgl dazu Vonkilch in Fenyves/Perner/Riedler VersVG § 62 Rz 21), nicht mehr eingegangen werden muss.
[12] 3.3.4 Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin und ihre Auftraggeberin die vertragliche Verpflichtung der Klägerin auch im Hinblick auf den Fertigstellungstermin modifizierten, stellt sich die Frage, ob davor ein Fixgeschäft vorlag, nicht.
[13] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO),
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