European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0070OB00020.76.0318.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 5.769,12 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 285,12 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die beiden LKW des Beklagten * und * waren bei der Klägerin gegen Haftpflicht versichert. Der Beklagte hat die Lenkung dieser Fahrzeuge wiederholt Z* überlassen. Z* hat mit diesen Fahrzeugen am 11. Juli 1972, am 1. September 1972, am 22. September 1972 und am 11. Dezember 1972 Unfälle verschuldet. Die Klägerin als Haftpflichtversicherer mußte an die Geschädigten Leistungen von insgesamt 151.403,60 S erbringen. Mit der Behauptung, Z* habe keine gültige Lenkerberechtigung besessen, weshalb die Überlassung der Lenkung der LKW gegen Art. 6 Abs. 2 lit. b AKHB verstoße, begehrt die Klägerin unter Berufung auf § 158 f VersVG den Ersatz der von ihr erbrachten Leistungen.
Der Beklagte bestritt zwar nicht, daß er Z* die Lenkung des LKW überlassen und dieser die behaupteten Unfälle verschuldet habe, wendete jedoch ein, Z* sei im Besitz einer jugoslawischen Lenkerberechtigung gewesen. Der Beklagte habe daher der Meinung sein können, daß diese Lenkerberechtigung auch in Österreich Geltung habe. Im übrigen sei das Fehlen einer Lenkerberechtigung für die Unfälle nicht kausal gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei von folgenden zusätzlichen Feststellungen aus:
Z* ist im Besitz eines jugoslawischen Führerscheines vom 8. Oktober 1968 und eines internationalen Führerscheines vom 3. April 1972, beide ausgestellt in Belgrad für die Gruppe B, C und E, gewesen. Ab dem 18. Juli 1973 war er in *, polizeilich gemeldet. Am 16. Juli 1974 wurde er in Vollziehung einer bis zum Jahre 2027 ausgesprochenen Landesverweisung nach Jugoslawien abgeschoben. Er weist eine polizeiliche Vormerkung vom 28. Dezember 1971 wegen § 99 Abs. 3 lit. a StVO und mehrere polizeiliche Vormerkungen nach dem 11. Dezember 1972 auf. Im Jahre 1971 wurde er wegen Übertretung nach § 411 StG verurteilt, am 22. April 1972 wegen eines in alkoholisiertem Zustand begangenen Verbrechens nach §§ 8, 155 lit. a StG verhaftet. Am 12. Mai 1972 wurde er gegen Abnahme des Reisepasses wieder enthaftet. Gegenüber den Erhebungsbeamten der Klägerin hat Z* im Jahre 1974 angegeben, im Mai 1970 nach Österreich gekommen zu sein. Diese Jahreszahl berichtigte er später auf 1971. Weiter habe er sich im August 1971 einen internationalen Führerschein gelöst. Dies hat der Erhebungsbeamte der Klägerin nicht überprüfen können, weil sich der Führerschein im Depot der Polizeibehörde befand.
Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, es sei nicht zu erweisen gewesen, daß Z* die erforderliche Lenkerberechtigung und die Fahrkenntnisse gefehlt hätten. Nach dem Vorbringen der Klägerin seien die Unfälle nur auf Sorgfaltsverletzungen zurückzuführen gewesen. Solche berechtigten aber nach Art. 6 AKHB nicht zum Regreß. Auch der behauptete Mangel der Lenkerberechtigung liege nicht vor. Überdies begründe ein solcher Mangel noch nicht die Leistungsfreiheit, wenn er nicht von Einfluß auf den Umfang des Versicherungsfalles sei. Eine Feststellung aber, daß der Mangel der Lenkerberechtigung für die Unfälle kausal gewesen wäre, habe nicht getroffen werden können.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf auf Grund des Strafaktes gegen Z* und einer vom Erstgericht eingeholter Auskunft des Zentralmeldeamtes der Bundespolizeidirektion * folgende zusätzlichen Feststellungen:
Z* war vom 26. Jänner (wohl richtig 5.) 1971 bis zum 25. September 1972 in *, polizeilich gemeldet. Er befand sich mit seiner Frau seit 24. bzw. 25. Mai 1971 in Österreich und wohnte an der vorgenannten Adresse. Am 26. Jänner 1973 teilte der Beklagte dem Strafgericht mit, daß Z* bei ihm beschäftigt und unter seiner Adresse postalisch zu erreichen sei. Die Strafurteile wurden dem Genannten unter dieser Anschrift am 5. Februar bzw. 7. August 1973 zugestellt.
In rechtlicher Beziehung ging das Berufungsgericht davon aus, daß Z* seit Mai 1971 seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatte. Im Hinblick auf § 64 Abs. 5 KfG sei er daher zum Zeitpunkt der in Frage stehenden Unfälle zum Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Grund der in Jugoslawien ausgestellten Lenkerberechtigungen nicht mehr berechtigt gewesen. Bezüglich des Fehlens der Kausalität des Mangels der Lenkerberechtigung für die Unfälle sei der Versicherungsnehmer beweispflichtig. Der bloße Hinweis auf eine im Ausland erteilte Lenkerberechtigung tue mangelnde Kausalität noch nicht dar. Mehr habe der Beklagte nicht vorgebracht. Dem Beklagten müsse aber auch das Nichtkennen der fehlenden Lenkerberechtigung des Z* zum Verschulden angerechnet werden. Gerade bei ausländischen Führerscheinen bestehe die Verpflichtung zu einer besonders sorgfältigen Überprüfung. Daß allenfalls Polizeiorgane den ausländischen Führerschein des Z* als gültig anerkannt hätten, besage deswegen nichts, weil einerseits der Beklagte nicht präzisiert habe, daß diese Kontrolle nach Ablauf der Jahresfrist erfolgt sei und andererseits der Ablauf dieser Frist dem Polizeibeamten nicht bekannt gewesen sein mußte. Aus diesem Grunde sei die Klägerin gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. b AKHB leistungsfrei, weshalb sie gemäß § 158 f VersVG Regreß nehmen könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Es wird die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles begehrt. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 371 Abs. 2 ZPO ist die Parteienvernehmung ein subsidiäres Beweismittel. Ob dieser Beweis durchzuführen gewesen wäre, ist eine Beweisfrage (RZ 1966, 165). Es liegt kein Verfahrensmangel vor, wenn das Berufungsgericht im Falle einer Beweiswiederholung oder Beweisergänzung von der Parteienvernehmung Abstand nimmt (SZ 24/176; SZ 23/38 u.a.).
Das Vorbringen in der Klagebeantwortung, es werde bestritten, daß ein Rückgriffsanspruch besteht, ist eine Rechtsausführung und stellt keine Tatsachenbehauptung dar. Die erforderlichen Tatsachenbehauptungen hat der Beklagte erst im nächsten Absatz der Klagebeantwortung dahin aufgestellt, Z* habe bei seiner Einstellung im Betrieb des Beklagten keinen Reisepaß zur Verfügung gehabt, weshalb der Beklagte nicht feststellen habe können, ob Z* die Absicht habe, in Österreich einen Wohnsitz zu begründen. Außerdem habe sich der Genannte mehrfach mit seinem Führerschein Polizeiorganen gegenüber ausgewiesen. Nur zu diesen Behauptungen wurde die Einvernahme des Z* als Zeuge beantragt. Da das Berufungsgericht nicht von einem gegenteiligen Sachverhalt ausgegangen ist, kann die Unterlassung der Einvernahme dieses Zeugen keinen Verfahrensmangel bilden.
Inwieweit die aus den Urkunden vom Berufungsgericht gezogenen Schlußfolgerungen im Hinblick auf den Wohnsitz des Z* richtig sind, ist ebenso eine Rechtsfrage wie die Frage, ob auf Grund des festgestellten Sachverhaltes die mangelnde Kausalität des Fehlens einer gültigen Lenkerberechtigung anzunehmen ist.
Das Berufungsverfahren war sohin nicht mangelhaft.
Daß für die Auslegung des Begriffes „Wohnsitz“im Sinne des § 64 KfG die Bestimmung des § 66 JN heranzuziehen ist, hat das Berufungsgericht richtig ausgeführt. Diesbezüglich nimmt die Revision gegen dieses Urteil nicht Stellung. Nach § 66 Abs. 1 JN ist der Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der Wohnsitz kann auch durch schlüssige Handlungen begründet werden (Fasching I, 373). Welche Kriterien für die Annahme der Begründung des Wohnsitzes maßgebend sind, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt. Was die Einleitung eines Strafverfahrens mit der Begründung eines Wohnsitzes zu tun haben soll, ist unerfindlich. Die vom Berufungsgericht zum Teil zusätzlich festgestellten und zum Teil aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommenen Fakten (Begründung eines gemeinsamen Haushaltes mit seiner Ehegattin in *, Berufsausübung beider Ehegatten, relativ lange Dauer des Aufenthaltes) sowie der Umstand, daß Z* nicht einmal nach einer strafgerichtlichen Verurteilung Österreich verlassen hat, sondern außer Landes geschafft werden mußte, ergeben die Richtigkeit der Schlußfolgerung auf die Begründung des Wohnsitzes in Österreich. Daß bei Annahme des Wohnsitzes des Z* in Österreich die Ausführungen des Berufungsgerichtes über das Fehlen einer gültigen Lenkerberechtigung des Genannten richtig sind, bestreitet auch die Revision nicht.
Bezüglich der Beweispflicht für die mangelnde Kausalität der Obliegenheitsverletzung des Art. 6 Abs. 2 lit. b AKHB kann auf die eingehenden und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (siehe auch Stiefel-Wussow-Hofmann, KfzVers9, 154 f). Die Revision setzt dem nur einen Hinweis auf den im Ausland ausgestellten Führerschein entgegen und vertritt den Standpunkt, in einem solchen Fall dürfen keine strengen Anforderungen an den Gegenbeweis bezüglich der Kausalität gestellt werden. Die bloße Behauptung ausreichender Fahrpraxis kann jedenfalls keine hinreichende Grundlage für einen solchen Gegenbeweis sein (ZVR 1973/115). Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß nach § 64 Abs. 6 KfG in der zur Zeit der Unfälle geltenden Fassung Besitzern einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung, die seit länger als sechs Monaten ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatten und glaubhaft machten, daß sie auf Grund dieser Lenkerberechtigung seit mindestens einem Jahr Kraftfahrzeuge der Gruppe gelenkt hatten, für die die Lenkerberechtigung erteilt wurde, bei materieller Gegenseitigkeit auf Antrag eine Lenkerberechtigung mit dem gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen war, wenn bei ihnen keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit (§ 66), der geistigen und körperlichen Eignung und fachlichen Befähigung bestand. Wurde daher das versicherte Fahrzeug ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis gefahren, weil die ausländische Fahrerlaubnis des Fahrers im Inland nicht mehr gilt, so kann sich der Versicherer auf seine Leistungsfreiheit aus der Verletzung der Führerscheinklausel nicht berufen, wenn der Versicherungsfall weder auf Unkenntnis der inländischen Verkehrsvorschriften noch auf mangelnder Eignung des Fahrers beruhte (VersR 1969, 147; Stiefel-Wussow-Hofmann, Anm. 64, 65 zu § 2 AKB, Prölß-Martin, VVG20, 849 – Die Entscheidung EvBl 1967/367 betraf einen Fall nach KfG 1955, weshalb sie überholt ist). Im vorliegenden Fall wird schon in der Klage ein Zustandekommen der Unfälle auf eine Art behauptet, die keinen Schluß auf Unkenntnis der österreichischen Verkehrsvorschriften zuläßt.
Was dagegen die Eignung des Lenkers anlangt, ergeben sich im Hinblick auf sein bis zum ersten Unfall an den Tag gelegtes Verhalten erhebliche Bedenken. Er wies nicht nur eine Vormerkung wegen § 99 Abs. 3 lit. a StVO, und eine Verurteilung wegen § 411 StG auf, sondern wurde ca. 2 ½ Monate vor dem ersten Unfall wegen Verdachtes des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung in Haft genommen und erst ca. 2 Monate vor diesem Unfall entlassen. Nach § 66 Abs. 2 lit. c KfG ist aber bei einem Verbrechen der schweren körperlichen Beschädigung gemäß § 66 Abs. 1 KfG die Unzuverlässigkeit anzunehmen, wobei gemäß Abs. 3 für die Wertung im Sinne des Abs. 1 die seit der Tat verstrichene Zeit maßgebend ist. Es muß daher bezweifelt werden, ob bei dem gegebenen Sachverhalt die Zuverlässigkeit des Z* im Sinne des § 66 KfG gegeben war. Im Hinblick auf diese Bedenken hätte der Beklagte einwandfrei beweisen müssen, daß trotzdem die fehlende Lenkerberechtigung des Z* für die Unfälle nicht kausal war. Einen solchen Beweis hat er nicht erbracht.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Versicherungsnehmer mit Recht das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis annehmen durfte, ist ein strenger Maßstab anzulegen (ZVR 1970/139, ZVR 1969/289 u.a.). Von einem Versicherungsnehmer muß die Kenntnis des Umstandes, daß ausländische Lenkerberechtigungen nicht uneingeschränkt in Österreich gültig sind, erwartet werden. Dies verpflichtet ihn aber zu besonderer Vorsicht gegenüber derartiger Berechtigungen. Wenn ihm die Voraussetzungen für die Gültigkeit einer ausländischen Berechtigung nicht bekannt sind, darf er die Lenkung des versicherten Fahrzeuges einer nur mit einer solchen Berechtigung ausgestatteten Person nur dann überlassen, wenn er sich über die Gültigkeitsvoraussetzungen gehörig informiert hat. Diesbezüglich hat sich der Beklagte nur auf das Fehlen eines Reisepasses berufen. Der Reisepaß besagt jedoch über die Gültigkeit einer Lenkerberechtigung nichts. Im übrigen müßte es dem Beklagten als Verschulden angelastet werden, wenn er bei nicht aufgeklärtem Sachverhalt einer Person die Lenkung seines Fahrzeuges überläßt. Der Beklagte hat keine Umstände behauptet, die ihm eine Feststellung der wesentlichen Voraussetzungen für die Annahme der Lenkerberechtigung des Z* überhaupt unmöglich gemacht oder ihn gezwungen hätten, diesem die Lenkung des Fahrzeuges vor einer solchen Feststellung zu überlassen. Die mangelnde Beanstandung durch einschreitende Polizeiorgane befreite den Beklagten nicht von seiner Pflicht zu jener Feststellung, weil ein Polizeiorgan nicht ohne weiteres Verfahren die Voraussetzungen der Gültigkeit einer ausländischen Lenkerberechtigung feststellen kann (z.B. ist die Dauer des Wohnsitzes im Inland bei einem solchen Einschreiten nicht feststellbar). Außerdem hat der Beklagte gar nicht behauptet, wann diese Kontrollen stattgefunden haben sollen, weshalb nicht beurteilt werden kann, ob ein Schluß von ihnen auf die Gültigkeit der Lenkerberechtigung möglich gewesen wäre.
Da sohin das Berufungsgericht die Sache auch rechtlich richtig beurteilt hat, war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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