OGH 5Ob23/25f

OGH5Ob23/25f14.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei E*, vertreten durch die Forsthuber & Partner Rechtsanwälte (OG) in Baden, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei N* GmbH, *, vertreten durch die Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über die Revisionsrekurse der gefährdeten und der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 10. Dezember 2024, GZ 17 R 172/24a‑17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 7. November 2024, GZ 3 C 556/24x‑9, teilweise abgeändert, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00023.25F.0514.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

1. Der Antrag der gefährdeten Partei auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und deren Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen deren mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

2. Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung wird bestätigt. Sie wird jedoch unwirksam, wenn die gefährdete Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR beim Erstgericht erlegt.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die gefährdete Partei (in der Folge: der Antragsteller) ist (Strom‑)Netzkunde der Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Antragsgegnerin), die Netzbetreiberin an der Verbrauchsstelle einer ihm gehörenden Liegenschaft ist. Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag.

[2] Der Stromverbrauch des Antragstellers wird mit einem analogen Ferraris‑Zähler gezählt, der im Eigentum der Antragsgegnerin steht. Die Eichfrist für den Zähler ist 2021 abgelaufen. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den „eichfälligen“ Zähler gegen ein intelligentes Messgerät („Smart Meter“) auszutauschen und dieses auf Wunsch des Antragstellers entsprechend § 1 Abs 6 Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME‑VO) zu konfigurieren („Opt‑Out‑Konfiguration“). Der Antragsteller lehnt den Austausch unter Verweis auf sein Grundrecht auf Datenschutz und Achtung seines Privat‑ und Familienlebens sowie unter Berufung auf seine körperliche Unversehrtheit ab.

[3] Mit einem als „erste qualifizierte Mahnung vor Vertragsauflösung“ bezeichneten Schreiben vom 27. 9. 2024 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Hinweis auf die „Eichfälligkeit“ des Zählers sowie auf die vertraglichen Regelungen und gesetzlichen Vorgaben (einschließlich der Möglichkeit der „Opt‑Out‑Konfiguration“ des intelligenten Messgeräts) einen Termin für den Zählertausch bekannt. Für den Fall der Nichtbefolgung wies sie darauf hin, zur Unterbrechung der Stromlieferung und Auflösung des Netzzugangsvertrags berechtigt zu sein.

[4] Das Antwortschreiben des Antragstellers vom 7. 10. 2024, in dem er seine Bedenken wegen Datenschutz und Gesundheit thematisierte und seine Bereitschaft signalisierte, das bestehende Messgerät nacheichen oder ein geeichtes (analoges) Messgerät einbauen zu lassen, beantwortete die Antragsgegnerin mit dem als „letzte qualifizierte Mahnung vor Vertragsauflösung“ bezeichneten Schreiben vom 21. 10. 2024. Darin wies sie den Antragsteller auf die Eichfälligkeit des Stromzählers hin sowie darauf, dass ein Austausch auf ein neues Gerät einer bestimmten Marke vorgesehen sei. Die Aufrechterhaltung des Netzzugangsvertrags sei für sie unzumutbar; für den Fall, dass der Austausch weiterhin nicht möglich sei, wurde die Auflösung des Netzzugangsvertrags mit Wirkung zum 13. 11. 2024 erklärt.

[5] Dem Netzzugangsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der Antragsgegnerin (AB‑VN) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

VIII. Betrieb und Instandhaltung […]

2. N* und der Netzkunde haben die zu ihren jeweiligen Betriebsanlagen gehörenden elektrischen, baulichen oder sonstigen Teile entsprechend den geltenden technischen Regeln zu betreiben und instand zu halten. […]

9. Zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der N* ist diese[r] bzw. den legitimierten Beauftragten der N* der Zutritt zu den Anlagen des Netzkunden und zu den eigenen Anlagen zu gestatten. N* übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. Das Recht von N* gemäß Punkt XXVI. beinhaltet den Eingriff in den Besitz und das Eigentum des Netzkunden im erforderlichen Ausmaß. […]

XI. Messung und Messeinrichtungen

1. N* hat allen Netzkunden eine zuverlässige, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte durch die dem Netzkunden zugeordneten Messgeräte zu gewährleisten. N* führt die Erfassung der vom Netzkunden eingespeisten oder entnommenen Energie (Arbeit und allenfalls beanspruchte Leistung) durch.

2. Die erforderlichen Mess‑, Steuer‑ und Datenübertragungseinrichtungen (im Folgenden: Messeinrichtungen) werden von N* nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden hinsichtlich Art, Zahl, Ort und Größe festgelegt, eingebaut, überwacht, entfernt und erneuert, soweit nichts anderes vereinbart oder in der Systemnutzungsentgelt-Verordnung vorgesehen oder in den geltenden technischen Regeln festgelegt wurde.

3. Die Verpflichtung zum Einbau von intelligenten Messgeräten ('Smart Meter') ist N* gemäß § 83 Abs 1 ElWOG 2010 in Zusammenhang mit der Intelligente Messgeräte‑Einführungsverordnung (IME‑VO) vorgeschrieben. Die Entscheidung, ob konventionelle Messeinrichtungen oder intelligente Messeinrichtungen ('Smart Meter') eingesetzt werden, obliegt N* unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insbesondere § 83 Abs 1 ElWOG 2010 und IME‑VO). Insbesondere legt N* fest, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Gebiet intelligente Messgeräte eingesetzt werden. N* hat den Netzkunden schriftlich und zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes und die damit verbundenen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz sowie Bereitstellung und Übermittlung der Informationen gemäß §§ 81a bis 84a ElWOG 2010 zu informieren. […] N* hat den Wunsch eines Netzkunden, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen. […]

5. Will der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellen, hat er diesen Wunsch dem Netzbetreiber zeitgerecht mitzuteilen. Dieser hat daraufhin dem Netzkunden die hiefür geltenden Spezifikationen bekannt zu geben. Der Netzbetreiber gibt dabei die Zählertechnologie vor. Befindet sich der Netzkunde in einem Bereich, in welchem bereits intelligente Messgeräte zum Einsatz kommen, so hat er entsprechend der Intelligente Messgeräte- Anforderungsverordnung (IMA-VO 2011) und den Vorgaben des Netzbetreibers ein mit dem System des Netzbetreibers vollkompatibles Messgerät beizustellen. […]

7. Der Netzkunde stellt in seinem Bereich den erforderlichen Platz für die Messeinrichtungen auf eigene Kosten zur Verfügung und verpflichtet sich, diese nach den Anweisungen von N* zu verwahren. N* ist berechtigt, den Messplatz unentgeltlich zu nutzen und notwendige Umbauarbeiten vorzunehmen, die für einen allfälligen Tausch / Modernisierung der Messeinrichtung erforderlich sind. N* übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. […]

8. Die Messeinrichtungen werden entsprechend den im Maß‑ und Eichgesetz bzw. den in den Eichvorschriften festgelegten Zeitabständen geeicht. Der für die Nacheichung oder aus sonstigen technischen Gründen erforderliche Wechsel der betroffenen Messeinrichtungen wird nach Terminabstimmung und auf Wunsch im Beisein des Netzkunden oder dessen Vertreters durchgeführt. N* wird sich bemühen, auf Terminwünsche des Netzkunden einzugehen, wobei Termine oder Zeitfenster von 2 Stunden vereinbart werden können. Kann der Termin oder das Zeitfenster von 2 Stunden nicht eingehalten werden, ist mit dem Netzkunden ehestmöglich ein Ersatztermin zu vereinbaren. […]

XXVI. Aussetzung der Vertragsabwicklung

1. Jeder Vertragspartner darf seine Verpflichtungen aus dem Netzzugangsvertrag einschließlich der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen dann aussetzen und insbesondere die Netzdienstleistungen unterbrechen, wenn der andere Vertragspartner die Bestimmungen des Vertrages verletzt und nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung vorliegt. […]

2. Als Zuwiderhandlungen, die eine sofortige Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigen, gelten:

[…]

3. Alle übrigen Zuwiderhandlungen wie z.B. Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung) berechtigen N* nur dann zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung), wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweilig mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Bei jeder Mahnung hat N* auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Beratungsstelle des bestehenden Energielieferanten, soweit diese gemäß § 82 Abs 7 ElWOG einzurichten ist, hinzuweisen. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen (qualifiziertes Mahnverfahren). […]

XXVII. Vertragsauflösung aus wichtigem Grund

1. Das Recht beider Vertragspartner zur Auflösung des Netzzugangsvertrages aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

2. Ein wichtiger Grund liegt für N* insbesondere dann vor, wenn: [...]

b) der Netzkunde – trotz eines durchgeführten Mahnverfahrens nach Punkt XXVI. Ziffer 3 – die Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag nicht beendet; […]“

[6] Zwischen den Streitteilen ist vor einem Bezirksgericht ein Verfahren anhängig, in dem die Antragsgegnerin (als dort klagende Partei) die Verpflichtung des Antragstellers (als dort beklagter Partei) zur Duldung des Austausches des an der Verbrauchsstelle vorhandenen Strommessgeräts begehrt. Der Antragsteller hat vor diesem Bezirksgericht eine Widerklage erhoben, die auf Unterlassung des Ausbaus und Austauschs des Strommessgeräts an der Messstelle des Antragstellers und Einbau eines Stromzählers unter näheren, alternativ genannten Umständen, Zahlung eines Pönales und Feststellung der Schadenersatzpflicht der Antragsgegnerin für den Fall des Zuwiderhandelns gegen ihre Unterlassungspflicht gerichtet ist. Die Widerklage wurde vom Erstgericht teils ab‑, teils zurückgewiesen.

[7] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Sicherungsantrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des von ihr vor dem Bezirksgericht eingeleiteten Verfahrens zu verbieten, mit einer Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) zu drohen oder den Netzzugang abzuschalten, um die Zustimmung des Antragstellers zum Einbau eines intelligenten Messgeräts zur Stromaufzeichnung („Smart Meter“) oder eines Messgeräts einer dem Antragsteller – mangels näherer Beschreibung durch die Antragsgegnerin – unbekannten Art, Type und Beschaffenheit zu bewirken sowie den Strombezugsvertrag mit dem Antragsteller (nur) aus dem Grund zu beenden, dass dieser sich weigere, statt des vorhandenen Ferraris‑Zählers ein Messgerät ihm unbekannter Type, Art, Beschaffenheit bzw ein Messgerät iSd § 83 Abs 1 ElWOG („Smart Meter“) einbauen zu lassen. Der Antragsteller meint, aufgrund des aufrechten Netzzugangsvertrags einen Anspruch auf Netzzugang zu haben und nicht verpflichtet zu sein, den Austausch des „eichfälligen“ mechanischen Zählers durch ein intelligentes Messgerät zu dulden.

[8] Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Sicherungsantragsund entgegnet, aufgrund der Weigerung des Antragstellers, ihr den Austausch des „eichfälligen“ Zählers zu ermöglichen, zur (Androhung der) Aussetzung ihrer vertraglichen Pflicht auf Gewährung des Netzzugangs und zur (Androhung der) Vertragsauflösung aus wichtigem Grund berechtigt zu sein.

[9] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Antragsteller verstoße gegen die in Punkt VIII Z 9 und Punkt XI Z 7 AB‑VN vorgesehene Mitwirkungsobliegenheit. Das sei eine „übrige Zuwiderhandlung“ gemäß Punkt XXVI Z 3 AB‑VN und eine Verletzung einer „wesentlichen anderen Pflicht“ gemäß Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN. Die Weigerung des Antragstellers, der Antragsgegnerin eine rechtskonforme Abrechnung zu ermöglichen, mache es ihr unmöglich, ihre eigentliche Vertragsleistung des Netzanschlusses und der Netznutzung zu erbringen. Die Antragsgegnerin sei daher nach Punkt XXVI Z 3 und Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN zur (Androhung der) Stromabschaltung und Vertragsauflösung berechtigt. Dass sie das dafür vorgesehene (qualifizierte) Mahnverfahren nicht eingehalten habe, sei weder behauptet noch bescheinigt worden. Einen Anspruch des Antragstellers auf Netzzugang ohne „Smart Meter“ habe er nicht bescheinigt.

[10] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung im Umfang der Abweisung des beantragten Verbots zur Beendigung des Strombezugsvertrags. Im Übrigen änderte es die Entscheidung ab und erließ die beantragte einstweilige Verfügung, allerdings mit Wirkung bis zur Beendigung eines von der gefährdeten Partei bei der Regulierungskommission der Elektrizitäts‑ und Erdgaswirtschaft gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei binnen vier Wochen einzuleitenden oder bereits eingeleiteten Streitschlichtungsverfahren gemäß § 22 Abs 2 ElWOG bzw – falls innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids eine Klage dagegen eingebracht werden sollte – bis zur rechtskräftigen Beendigung des über diese Klage eingeleiteten Verfahrens.

[11] Die behauptete Nichtigkeit aufgrund Unzuständigkeit des Erstgerichts verneinte das Rekursgericht mit der Begründung, das Sicherungsbegehren im Provisorialverfahren weiche qualitativ von der beim Bezirksgericht erhobenen Widerklage des Antragstellers ab. In der Sache ging es davon aus, der Oberste Gerichtshof habe zu 3 Ob 191/24w betreffend vergleichbare AB‑VN festgehalten, dass die Weigerung des Netzbenutzers, dem Netzbetreiber für einen geplanten Zählertausch Zutritt zu einem Objekt zu gewähren, es nicht rechtfertige, anstelle der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe faktisch zur Selbsthilfe im Wege der (Androhung der) Stromabschaltung zu greifen. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall. Hauptverfahren sei allerdings nicht das über Klage der Antragsgegnerin eingeleitete Verfahren vor dem Bezirksgericht, sondern ein erst einzuleitendes bzw bereits eingeleitetes Streitschlichtungsverfahren über den Unterlassungsanspruch des Antragstellers. Damit sei die einstweilige Verfügung zu befristen. Da ein Strombezugsvertrag zwischen den Parteien nicht bestehe, sei insoweit die Abweisung zu bestätigen.

[12] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands des dem Sicherungsantrag stattgebenden Beschlusses 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Der Revisionsrekurs sei insoweit zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur – in vielen gleichgelagerten Verfahren relevanten – Frage fehle, ob die Weigerung des Netzbenutzers, dem Netzbetreiber Zutritt zum Objekt zu gewähren, selbst dann keine Vertragsauflösung rechtfertige, wenn der Zähler „eichfällig“ sei.

[13] Gegen den dem Sicherungsantrag stattgebenden Teil richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit einem auf dessen vollinhaltliche Abweisung gerichteten Abänderungsantrag, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[14] Formell gegen die gesamte Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem primären Antrag, „über den Zuständigkeitsstreit abzusprechen“, wobei die Zuständigkeit des Gerichts gegeben sei, wo das Hauptverfahren anhängig ist, hilfsweise dem Antragsbegehren vollinhaltlich mit Wirksamkeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die Klage der Antragsgegnerin stattzugeben, in eventu werden Aufhebungsanträge gestellt.

[15] Der Antragsteller beantragt, dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben.

[16] Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs des Antragstellers zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[17] Der Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher unzulässig. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist auch teilweise berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs des Antragstellers:

[18] 1. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung war zurückzuweisen, weil eine solche im Gesetz nicht vorgesehen ist (9 Ob 8/19w; RS0044000; vgl § 526 Abs 1 ZPO). Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, inwieweit eine Verhandlung einer Klärung der hier strittigen Rechtsfragen dienlich sein sollte.

[19] 2. Vorausgeschickt sei, dass das Rekursgericht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur mit Rechtsfragen zum antragstattgebenden Teil seiner Entscheidung begründete. Formal bekämpft der Antragsteller den antragsabweisenden Teil zwar ebenfalls, inhaltliche Ausführungen dazu fehlen allerdings. Jedenfalls wäre es aber Sache des Antragstellers gewesen, erhebliche Rechtsfragen iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, die das Rekursgericht (zu seinen Lasten) unrichtig gelöst hat. Dies gelingt ihm nicht, was kurz (§ 510 Abs 3 ZPO iVm §§ 78 EO, 528a ZPO) zu begründen ist:

[20] 3. Den Unzuständigkeits‑ und Überweisungsbeschluss des vom Antragsteller im Provisorialverfahren zunächst angerufenen Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 27. 10. 2024 (2 C 1047/24k‑8) hat das Rekursgericht mit Beschluss vom 21. 1. 2025 zu 18 R 219/24w bestätigt. Den dagegen erhobenen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof am 27. 2. 2025 zu 8 Ob 28/25p als absolut unzulässig zurück. Die Zuständigkeit des Erstgerichts wurde damit rechtskräftig bejaht. Dass aufgrund des Umstands, dass sich das Rekursgericht auch hier inhaltlich mit der behaupteten Nichtigkeit wegen örtlicher Unzuständigkeit befasst und diese verneint hat, dies vor dem Obersten Gerichtshof im Regelfall ohnedies nicht mehr aufgegriffen werden könnte (RS0097225 [T1, T8]), sei nur ergänzend erwähnt.

[21] 4. Die Ausführungen „Zum Sicherungsbegehren bei abgelaufener Eichung“ wenden sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts (inhaltlich laufen sie auf eine Argumentation einer – vom Antragsteller ohnedies eingebrachten – Rechtsmittelbeantwortung hinaus); sie bedürfen keiner näheren Erörterung.

[22] 5. Der behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO liegt nicht vor, zumal das Gericht gemäß § 391 Abs 1 Satz 1 EO die Zeit, für welche es die einstweilige Verfügung bewilligt, von Amts wegen zu bestimmen hat, ohne dabei an die Anträge der Parteien gebunden zu sein; es hat deshalb die Fristbestimmung erforderlichenfalls auch ohne Antrag der gefährdeten Partei beizusetzen (RS0005363). Der ausführlich begründeten Auffassung des Rekursgerichts, das Hauptverfahren sei nicht das zwischen den Parteien anhängige Verfahren zur Duldung des Zählertausches bzw der Widerklage, sondern ein erst einzuleitendes bzw nach den Behauptungen des Antragstellers bereits eingeleitetes Streitschlichtungsverfahren über seinen Anspruch auf Unterlassung der Beendigung des Netznutzungsvertrags vor der Regulierungsbehörde nach § 22 ElWOG (unter Verweis auf 3 Ob 191/24w), sodass die einstweilige Verfügung für die Dauer dieses Schlichtungsverfahrens bzw eines allenfalls daran anschließenden gerichtlichen Verfahrens zu befristen sei, tritt der Antragsteller im übrigen nicht inhaltlich substanziiert entgegen.

[23] 6. Gegen die Abweisung des Verbots, den Strombezugsvertrag zu beenden, führt der Antragsteller nur ins Treffen, er habe erkennbar den „Netzzugangsvertrag“ zwischen den Streitteilen gemeint. Er bekämpft dies daher nur formal, nicht aber inhaltlich. Im Übrigen hat das Rekursgericht der Antragsgegnerin zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung des Netzzugangs auf Basis des zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrags ohnehin auch verboten, den Netzzugang zu beenden, sodass die Argumentation des Antragstellers weder nachvollziehbar ist noch eine erhebliche Rechtsfrage anspricht.

[24] 7. Soweit sich der Antragsteller gegen die Kostenentscheidung wendet, übersieht er, dass das Gericht zweiter Instanz in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig entscheidet (RS0044233). § 528 Abs 2 Z 3 ZPO schließt die Überprüfung der Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens durch den OGH aus (RS0044228; vgl auch RS0053407).

[25] 8. Der Revisionsrekurs des Antragstellers war daher zurückzuweisen.

[26] 9. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Gemäß §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO hat sie daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung.

II. Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:

[27] 1. Das Rekursgericht hat die Zulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs in der Begründung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich bejaht. Der Revisionsrekurs tritt dem nicht entgegen. Damit liegt eine bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs iSd § 42 Abs 3 JN vor (vgl RS0114196 [T9a]).

[28] 2. § 381 Z 2 EO ermöglicht die Erlassung einstweiliger Verfügungen zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldansprüche, wenn solche Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

[29] 3. Der Antragsteller beantragt die Sicherung des Anspruchs auf Gewährung des Netzzugangs auf der Grundlage des mit der Antragsgegnerin geschlossenen (und unstrittig aufrecht bestehenden) Netzzugangsvertrags. Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, dass sie aufgrund der Weigerung des Antragstellers, den „eichfälligen“ mechanischen Zähler durch ein intelligentes Messgerät (allenfalls in der „Opt‑Out‑Konfiguration“) ersetzen zu lassen, zur (Androhung der) Trennung der Netzverbindung berechtigt sei.

[30] 4. Zu klären ist, ob die Antragsgegnerin ein den Netzzugangsvertrag verletzendes Verhalten des Antragstellers bescheinigt hat, das „nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) darstellt oder als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag“ (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN) zu werten ist. Im ersten Fall ermöglichen die AB‑VN der Antragsgegnerin die Aussetzung ihrer Pflicht auf Gewährung des Netzzugangs (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN), im zweiten Fall die Auflösung des Netzzugangsvertrags aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN). Als Beispiel einer Vertragsverletzung, die den Netzbetreiber – nach zwei qualifizierten Mahnungen – zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) berechtigt, führt der Vertrag die „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung)“ an (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN).

[31] 5. Der Oberste Gerichtshof hat zu 3 Ob 191/24w, 7 Ob 167/24w und 9 Ob 95/24x (betreffend vergleichbare AB‑VN einer anderen Netzbetreiberin) dargelegt, dass die Weigerung des Netzbenutzers, der Netzbetreiberin Zugang zu seinem Objekt zu gewähren, damit sie einen (grundsätzlich funktionsfähigen) Stromzähler austauschen kann, qualitativ nicht den Fällen des Zahlungsverzugs und der Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung gleichzuhalten sei. Die Weigerung des Netzbenutzers rechtfertige es daher nicht, dass die Netzbetreiberin, statt gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ihr Recht auf Austausch des Zählers faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchzusetzen versuche. Diese rechtliche Beurteilung, die das Rekursgericht für den vorliegenden Fall übernommen hat, betraf Fälle, in denen die Netzbetreiberin mechanische Zähler mit gültiger Eichung austauschen wollte (3 Ob 191/24w: Eichung bis Dezember 2026; 7 Ob 167/24w: Eichung bis Dezember 2028; 9 Ob 95/24x: Eichung bis Dezember 2031).

[32] 6. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass der vorliegende Fall insofern anders gelagert ist, als der im Objekt des Antragstellers verwendete Zähler – anders als die Zähler in den Vorentscheidungen – „eichfällig“ ist. Der Antragsteller bestreitet weder, dass der Zähler nach dem Maß‑ und Eichgesetz (MEG) eichpflichtig ist, noch, dass die Antragsgegnerin die Eichpflicht zu erfüllen hat oder dass die Gültigkeit der Eichung des Zählers (Nacheichfrist) abgelaufen ist. Aufgrund dieses Sachverhaltselements bedarf die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts aufgrund folgender Erwägungen einer Klarstellung:

[33] 6.1. Die Netzbenutzer haben dem Netzbetreiber ein Systemnutzungsentgelt zu entrichten. Dieses setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen, die (dem Grunde nach) gesetzlich vorgegeben sind (§§ 51 ff ElWOG 2010) und (der Höhe nach) durch Verordnung der Regulierungsbehörde bestimmt werden (§ 51 Abs 2 ElWOG 2010 iVm der Verordnung der Regulierungskommission der E‑Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden [Systemnutzungsentgelte‑Verordnung 2018 – SNE‑V 2018]). Die Höhe des Systemnutzungsentgelts hängt (auch) vom Verbrauch ab, den der Elektrizitätszähler ermittelt.

[34] 6.2. Gemäß § 7 Abs 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) sind Messgeräte, deren Richtigkeit durch ein rechtlich geschütztes Interesse gefordert wird, nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes A des MEG eichpflichtig. Wer ein eichpflichtiges Messgerät verwendet oder bereit hält, ist gemäß § 7 Abs 2 MEG dafür verantwortlich, dass es geeicht ist. Gemäß § 8 Abs 1 Z  4 lit a MEG unterliegen Elektrizitätszähler ohne und mit abrechnungsrelevanten Zusatzeinrichtungen oder Tarifeinrichtungen, die im amtlichen oder rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden, der Eichpflicht. Gemäß § 14 MEG sind eichpflichtige Messgeräte innerhalb bestimmter Fristen zur Nacheichung vorzulegen. Für Elektrizitätszähler sieht § 15 Z 7 lit b und c sowie Z 10 MEG, abhängig von der konkreten Ausgestaltung, Nacheichfristen von zehn oder zwanzig Jahren vor. § 18 Z 1 lit b MEG ermächtigt die Bundesministerin oder den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, durch Verordnung die gemäß § 15 MEG bestehende Nacheichfrist hinsichtlich bestimmter Messgeräte um jeweils höchstens fünf Jahre zu verlängern, wenn durch Prüfungen von Teilmengen der in einem bestimmten Jahr geeichten Messgeräte nach festzulegenden allgemein anerkannten statistischen Verfahren zu erwarten ist, dass die Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Messgeräte für diesen Zeitraum gewährleistet ist. § 1 der aufgrund dieser Ermächtigung ergangenen Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Verlängerung der Nacheichfrist für Elektrizitätszähler und elektrische Tarifgeräte regelt eine solche Verlängerungder Nacheichfrist um jeweils fünf Jahre für die in § 15 Z 7 lit b und c sowie Z 10 MEG angeführten Elektrizitätszähler, wenn deren Richtigkeit vor Ablauf der Gültigkeit der Eichung durch eine Stichprobenprüfung nachgewiesen worden ist.

[35] 6.3. Der Zweck der Eichpflicht ist die Sicherstellung der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der eichpflichtigen Messgeräte für die Dauer der Nacheichfrist (vgl § 18 Z 2, § 38 Abs 4, 6 MEG und § 1 der VO über die Verlängerung der Nacheichfrist für Elektrizitätszähler und elektrische Tarifgeräte). Ein Elektrizitätszähler, dessen Nacheichfrist abgelaufen ist, erfüllt diesen gesetzlichen Zweck nicht; er gewährleistet keine richtige Messung des Stromverbrauchs. Damit ist auch die richtige Abrechnung des vom Netzbenutzer auf der Grundlage des ElWOG 2010, der SNE‑V und des Netzzugangsvertrags geschuldeten Systemnutzungsentgelts gefährdet. Die Netzbetreiberin läuft in dieser Konstellation Gefahr, durch eine falsche Stromverbrauchsmessung und -abrechnung nicht das in Gesetz und Verordnung vorgesehene Systemnutzungsentgelt zu erhalten. Umgekehrt läuft auch der Netzbenutzer Gefahr, zu viel Entgelt zu zahlen.

[36] 6.4. Gemäß Punkt XI Z 3 AB‑VN obliegt die Entscheidung, ob konventionelle oder intelligente Messeinrichtungen („Smart Meter“) eingesetzt werden, der Antragsgegnerin „unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen“. Dass die Antragsgegnerin durch die Auswahl des konkreten intelligenten Messgeräts gegen den Netzzugangsvertrag oder das Gesetz verstoßen hätte, behauptet der Antragsteller nicht. Dass er bereit wäre, ein eigenes (analoges) Messgerät beizustellen oder den Ferraris‑Zähler nacheichen zu lassen, ändert nichts daran, dass die Antragsgegnerin gemäß Punkt XI Z 5 AB‑VN das Recht hat, die Bereitstellung eines „Smart‑Meters“ (allenfalls in „Opt‑Out‑Konfiguration“) zu verlangen und die Zählertechnologie vorzugeben.

[37] 6.5. Vor diesem Hintergrund könnte ein in der dauerhaften Weigerung, der Antragsgegnerin Zutritt zum Objekt zu gewähren, um einen „eichfälligen“ Zähler auszutauschen, gelegener Verstoß des Antragstellers gegen Punkt VIII Z 9 und Punkt XI Z 7 AB‑VN nicht als eine bloß „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) zu werten sein, sondern als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN), weil dann ein der „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen“ (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN) vergleichbarer Fall vorläge, wenn der Netzbenutzer eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung verhindert.

[38] 7. Ein solcher Verstoß ist hier aber nicht zu beurteilen. Der Antragsteller hält der Antragsgegnerin vielmehr entgegen, dass sie der Eichpflicht auch dadurch nachkommen könne, dass sie den vorhandenen Stromzähler nacheiche oder ihn gegen einen digitalen Zähler ohne Kommunikationsmodul austausche. Er verweigert den Zutritt zum Objekt damit ausschließlich zur Verhinderung des Austausches des vorhandenen eichfälligen Stromzählers durch eine ganz bestimmte andere Art. Wäre ein Austausch des vorhandenen eichfälligen Stromzählers in einer vom Antragsteller gewünschten Form rechtlich zulässig und faktisch möglich, würde kein der „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen“ (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN) vergleichbarer Fall vorliegen, wenn und weil eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung weiterhin möglich wäre.

[39] 7.1. Dass ein Austausch mit einem (geeichten) Zähler in der vom Antragssteller gewünschten Form (analog oder digital ohne Kommunikationsmodul) rechtlich nicht zulässig oder faktisch nicht möglich wäre, behauptet die Antragsgegnerin im Revisionsrekurs ebenso wenig wie dass bei Berücksichtigung der vom Antragsteller genannten alternativen Möglichkeiten eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung nicht mehr möglich wäre. Auf die diesbezügliche Beurteilung des Rekursgerichts geht der Revisionsrekurs gar nicht ein, insbesondere tritt er der Beurteilung des Rekursgerichts, dass nicht ersichtlich sei, inwiefern die Antragsgegnerin die Verpflichtung gemäß § 83 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 IME‑VO aufgrund des konkreten Einzelfalls nicht erfüllen könne, nicht entgegen. Im Gegensatz zur Argumentation der Antragsgegnerin in erster Instanz enthält § 1 IME‑VO keine Verpflichtung zum Einbau eines intelligenten Messgeräts konkret beim Antragsteller, sondern (lediglich) eine Zielverpflichtung: Nach § 1 Abs 1 Z 2 IME‑VO hat jeder Netzbetreiber (im Rahmen der technischen Möglichkeiten) bis Ende 2024 mindestens 95 vH der an sein Netz angeschlossenen Zählpunkte als intelligente Messgeräte auszustatten. Angesichts der Behauptung der Antragsgegnerin in erster Instanz, dass (schon) 99,97 % ihrer Strommessgeräte „Smart Meter“ seien, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Antragsgegnerin dieser Zielverpflichtung nicht bereits nachgekommen wäre (und auch bei Einbau eines Stromzählers ohne Kommunikationsmodul beim Antragsteller weiterhin nachkommen würde).

[40] 7.2. Im Ergebnis trifft der Antragsteller mit seinem Verhalten daher (bloß) die Entscheidung, welche Art von Messeinrichtung bei ihm zum Einsatz kommen soll. Da eine solche Entscheidung gemäß Punkt XI Z 3 AB‑VN „unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen“ der Antragsgegnerin obliegt und sie selbst in dem Fall, dass der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellt, gemäß Punkt XI Z 5 AB‑VN die Zählertechnologie vorgeben kann, könnte in dem Verhalten des Antragstellers eine Zuwiderhandlung gegen den Netzzugangsvertrag vorliegen, der dieses Wahlrecht grundsätzlich der Antragsgegnerin zuordnet.

[41] 7.3. Die Frage, ob ein Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, aufgrund des Unionsrechts (vgl die diesbezügliche Vorlagefrage an den EuGH zu C‑468/24 ) oder aufgrundder vom Antragsteller gesundheitlichen oder datenschutzrechtlichen (vgl die diesbezüglichen Vorlagefragen an den EuGH zu C‑468/24 ) Bedenken zu berücksichtigen hat, muss hier nicht geklärt werden. Selbst wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausginge, dass diese vom Antragsteller erhobenen Bedenken gegen den Einbau eines „Smart Meters“ nicht zutreffen und der Antragsteller den Einbau somit zu dulden hätte, läge nämlich eine Vertragsverletzung vor, der durch die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe begegnet werden könnte und es wäre auch dann nicht ersichtlich, warum der Antragsgegnerin eine Verbrauchsmessung und Abrechnung in einer vom Antragsteller gewünschten Form nicht zumindest vorübergehend – bis zur Klärung, ob den Antragsteller die von ihr behauptete Duldungspflicht trifft – zumutbar (oder weniger zumutbar als dem Antragsteller die Stromabschaltung und Auflösung des Netzzugangsvertrags) sein sollte.

[42] 7.4. Bei der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Zuwiderhandlung handelt es sich somit um eine „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) und nicht um eine „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN), sodass die Antragsgegnerin weder zur Aussetzung der Vertragsabwicklung noch zur Vertragsauflösung berechtigt ist.

[43] 7.5. Die Antragsgegnerin hat daher keinen Sachverhalt bescheinigt, der sie nach den AB‑VN zur (Androhung der) Unterbrechung der Netzdienstleistung gegenüber dem Antragsteller berechtigt, sei es durch Aussetzung der Vertragsabwicklung (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) oder nach Vertragsauflösung aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN).

[44] 8. Dass im vorliegenden Fall durch die unberechtigte (Androhung der) Abschaltung des Stroms ein unwiederbringlicher Schaden iSd § 381 Z 2 EO zu befürchten ist, wird im Revisionsrekurs – zutreffend (9 Ob 95/24x Rz 31; 7 Ob 167/24w Rz 17) – nicht bezweifelt. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass der Antragsteller den Einbau eines „Smart Meters“ (mit einer „Opt‑Out‑Konfiguration“) zu dulden (und sie dafür Zugang zum Objekt zu erhalten) habe, ist dies nicht Gegenstand des Provisorialverfahrens, in dem es vielmehr um die Berechtigung der Antragsgegnerin geht, einen solchen Anspruch durch (Drohung mit) Stromabschaltung oder Auflösung des Netzzugangsvertrags durchzusetzen (9 Ob 95/24x Rz 26; 7 Ob 167/24w Rz 13; 3 Ob 191/24w Rz 22). Da die Zufügung des angedrohten Übels (die Abschaltung des Stroms vor gerichtlicher Klärung des Duldungsanspruchs der Antragsgegnerin) nicht erlaubt ist, ist auch die Drohung mit diesem Übel mit Widerrechtlichkeit behaftet (vgl RS0014873 [T1]).

[45] 9. Das Rekursgericht hat die einstweilige Verfügung (im noch gegenständlichen Umfang) somit zu Recht erlassen.

[46] 10. Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist jedoch – auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag erst durch das Rechtsmittelgericht (RS0005496) – nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts vom Erlag einer Sicherheit durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruchs abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (RS0005711 [T7]). Die Kaution dient somit lediglich zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten (RS0005453). Die Bemessung der Sicherheitsleistung liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines dem Antragsgegner eventuell drohenden Schadens (RS0005584).

[47] 10.1. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung bringt einen derartigen beachtlichen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsgegnerin mit sich. Im Fall des Bestehens einer Duldungspflicht des Antragstellers zum Einbau eines „Smart Meters“ wäre der – vom Antragsteller dann unrechtmäßig erzwungene – Einbau eines anderen Messgeräts mit höheren Kosten für die Antragsgegnerin verbunden (neuerlicher Wechsel des Messgeräts). Die Antragsgegnerin befürchtet auch bei Einbau eines Messgeräts in der vom Antragsteller gewünschten Form die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Geldstrafe. Auch wenn sie diese Befürchtung nicht mit der für die Abweisung des Sicherungsantrags hinreichenden Sicherheit konkretisieren konnte, kann eine Bestrafung im Rahmen eines solchen Verwaltungsstrafverfahrens mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens auch nicht ausgeschlossen werden. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe ist daher gerechtfertigt. Sollte sie sich als unzureichend herausstellen, kann sie jederzeit erhöht werden (RS0005584 [T5]).

[48] 10.2. Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts in Vollzug gesetzt wurde, ist der Auftrag zum Erlag der Sicherheit zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (RS0005722 [T1]).

[49] 11. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO (geringfügiges Obsiegen) und hinsichtlich der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Antragstellers auf § 393 Abs 1 EO.

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