European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00052.25P.0411.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Erwachsenenschutzrecht, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Vater des Betroffenen ist seit 2. 2. 2021 im ÖZVV als gesetzlicher Erwachsenenvertreter seines Sohnes mit umfassender Vertretungsbefugnis nach § 269 Abs 1 Z 1 bis 8 ABGB registriert. Diese gesetzliche Erwachsenenvertretung wurde mittlerweile bis zum 27. 12. 2026 verlängert.
[2] Die Mutter des Betroffenen regte die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für ihren Sohn an und erklärte sich grundsätzlich bereit, die Erwachsenenvertretung zu übernehmen. Sie brachte in der Folge zahlreiche an das Erstgericht gerichtete Anträge ein, und zwar mit sinngemäßen Begehren, den aktuellen Erwachsenenvertreter durch Widerruf der gesetzlichen Erwachsenenvertretung aus seiner Funktion zu entlassen und sie selbst zur gerichtlichen Erwachsenenvertreterin zu bestellen.
[3] Das Erstgericht stellte das Verfahren zur Überprüfung des Erfordernisses der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Betroffenen gemäß § 122 AußStrG ein. Die Anträge der Mutter, das Gericht möge „den aktuellen Erwachsenenvertreter durch Widerruf der gesetzlichen Erwachsenenvertretung aus seiner Funktion entlassen“ und die Erwachsenenvertretung für den Betroffenen künftig ihr übertragen, wurden abgewiesen und ihre übrigen Anträge mangels Parteistellung zurückgewiesen.
[4] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter gegen die Einstellung des Verfahrens und die Abweisung ihrer Anträge mangels Parteistellung zurück. Es ließ dagegen den Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Mutter dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig:
[5] 1. Wem in Verfahren die Parteistellung oder die Rechtsmittellegitimation abgesprochen wird und dessen Rechtsmittel dementsprechend zurückgewiesen wurde, der ist grundsätzlich legitimiert, die Überprüfung dieser Rechtsansicht im Rechtsmittelweg zu verlangen (RS0006793 [T6]). Der Revisionsrekurs der Mutter des Betroffenen ist daher nicht schon mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (4 Ob 78/21f mwN). Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist jeder im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene Beschluss des Rekursgerichts bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage anfechtbar, also auch dann, wenn dieser auf Zurückweisung eines Rekurses lautet (RS0120565 [T12]).
[6] Eine solche erhebliche Rechtsfrage spricht die Mutter des Betroffenen im Zusammenhang mit der Frage ihrer Rekurslegitimation im Revisionsrekurs allerdings nicht an:
[7] 2. Auch im Verfahren außer Streitsachen steht ein Rechtsmittel grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch die Entscheidung in seinen eigenen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt ist (RS0006641).
[8] 3. Die in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG vorausgesetzte „rechtlich geschützte Stellung“ ist noch nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse, sondern es ist auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen (idS RS0128451). Außerhalb der gesetzlichen Sonderregelung des § 127 Abs 3 AußStrG werden im Erwachsenenschutzverfahren ausschließlich die Interessen der betroffenen Person selbst geschützt (vgl 3 Ob 148/19i [ErwGr 4.2.]; 6 Ob 144/22b, Rz 9).
[9] 4. Nach dem klaren Wortlaut der zuletzt genannten Bestimmung kommt einem Angehörigen des Betroffenen das Rechtsmittelrecht gegen einen Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters (nur) im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters zu. Diese Vorschrift über das Verfahren zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist nach § 128 Abs 1 AußStrG auch auf das Verfahren über die Erweiterung, Einschränkung, Übertragung, Erneuerung und Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung anzuwenden (vgl auch ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 70).
[10] 5. Wenn das Rekursgericht aus dieser klaren Gesetzeslage, wonach sich das Rechtsmittelrecht auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters beschränkt, die Schlussfolgerung zieht, dass die Mutter des Betroffenen ua bezüglich des „Widerrufs der gesetzlichen Erwachsenenvertretung“ und der Einstellung des von ihr angeregten Verfahrens auf Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters keine Parteistellung genießt, wirft das keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf.
[11] 6. Das gelingt dem Rechtsmittel auch mit der Behauptung nicht, dass § 127 Abs 3 AußStrG „lückenhaft“ sei.
[12] 6.1 Der Gesetzgeber hat die Parteistellung der Angehörigen nämlich ganz bewusst beschränkt (vgl ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 69: „soll ihnen keine volle Parteistellung zukommen“). Zum Rekursrecht finden sich in den Materialien nur einschränkende Aussagen (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 69 „...allerdings bloß im Hinblick auf die Person des Erwachsenenvertreters. Dass überhaupt ein Erwachsenenvertreter bestellt oder mit welchem Wirkungsbereich dieser betraut wurde, kann vom Angehörigen nicht [erfolgreich] angefochten werden. Ein Rekursrecht kommt ihnen überdies nicht zu, soweit die betroffene Person ihre Verständigung nach Abs 1 abgelehnt hat. Abs 3 kommt schließlich nicht bei der Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters zur Anwendung.“).
[13] 6.2 Dieses restriktive Verständnis zur eingeschränkten Parteistellung bzw zum damit korrespondierenden engen Rechtsmittelrecht deckt sich auch mit der bisherigen Rechtsprechung (3 Ob 148/19i; 3 Ob 188/21z; 6 Ob 144/22b; 4 Ob 123/23a; 7 Ob 79/24d uva).
[14] 7. Mangels einer Rechtsfrage in der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
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