OGH 4Ob45/24g

OGH4Ob45/24g18.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. *, und 2. *, beide vertreten durch Grauf Hartl Kröpl Pirker Rechtsanwälte OG in Völkermarkt, wegen 5.459,92 EUR sA und Feststellung (Streitwert 17.600 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2023, GZ 1 R 298/23b‑56, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 28. Juni 2023, GZ 6 C 76/23v‑42, geändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00045.24G.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Bestandrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wirdFolgegegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestelltwird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 6.376,65 EUR (darin 738,01 EUR USt und  1.678,60 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Vater der beiden Beklagten war Eigentümer eines Seegrundstücks. 1958 verkaufte er dem Vater der Klägerin ein nahe gelegenes, nicht an den See angrenzendes Grundstück (in der Folge: Binnengrundstück). Aus diesem Anlass schlossen die beiden einen Mietvertrag, der den Vater der Klägerin, seine Ehepartner, seine Nachkommen und bis zu drei gleichzeitig anwesende Gäste zur Mitbenützung des Seegrundstücks berechtigt durch Begehen, Parken mit Personenkraftfahrzeugen, Mitbenützung des Stegs, und „Mitbenützung der Bade‑ und Bootshausanlage in der Weise, dass der Mieter auf eigene Kosten ein gesondertes Badehausabteil errichtet, dessen Ausführung im Einvernehmen mit dem Vermieter zu erfolgen hat und welches nach Maßgabe der Bauführung des Mieters als Zubehör des bestehenden Badehauses in das Eigentum des Vermieters übergeht“. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und sollte auch auf die Erben der Parteien übergehen; auf die Erben des Mieters jedoch nur, wenn es sich dabei um Ehepartner und Nachkommen handle und diesen auch das Binnengrundstück gehöre. Der Mieter hatte jährlich 200 ATS an Mietzins sowie 25 % der (laufenden) Erhaltungskosten zu zahlen. Der Mietvertrag sollte bei Verkauf des Binnengrundstücks durch den Mieter enden. Der Vermieter durfte nur bei qualifiziertem Mietzinsrückstand, unleidlichem Verhalten oder erheblich nachteiligem Gebrauch kündigen. Zugleich wurde dem Mieter als Eigentümer des Binnengrundstücks (und dessen Rechtsnachfolgern aus dem oben genannten Familienkreis) eine Grunddienstbarkeit des Gehens und Parkens auf dem Seegrundstück eingeräumt.

[2] 1963 hoben die beiden Väter den bisherigen Mietvertrag auf und schlossen zugleich einen neuen (im Folgenden auch so bezeichneten) Mietvertrag. Anlass dieser Änderungen war, dass der Vater der Klägerin vom Vater der Beklagten ein weiteres Grundstück (ohne Seezugang) gekauft hatte. Mit dem Mietvertrag 1963 wurde ihm zusätzlich zu den bisherigen Rechten am Seegrundstück der Ausbau von zwei der vorhandenen drei Felder des Bootshauses auf eigene Kosten und die Unterbringung eines Bootes gestattet. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Mieter zum Ersatz von 25 % der (laufenden) Erhaltungskosten und zu einer Einmalzahlung von 5.000 ATS. Erneut sollte das Mietverhältnis auf die Erben übergehen, auf Mieterseite aber nur auf Eigentümer des Binnengrundstücks aus dem bereits im vorigen Vertrag genannten Personenkreis. Weiter heißt es: „Aus diesem Grunde endet das Mietverhältnis nur im Falle der Veräußerung [des Binnengrundstücks] durch den heutigen Mieter oder durch seine vorerwähnten Erben, es sei denn, der Erwerber ist ein Nachkomme des heutigen Mieters oder der Vermieter stimmt der Fortsetzung des Mietvertrags zu“. Sonst sind in diesem Vertrag Kündigungsgründe oder ‑beschränkungen nicht angeführt.

[3] Keiner der beiden Mietverträge wurde im Grundbuch eingetragen. Weder die Väter noch deren Rechtsnachfolger haben von den schriftlichen Verträgen abweichende oder darüber hinausgehende Vereinbarungen getroffen.

[4] Nach dem Tod der Väter waren die beiden Beklagten jeweils Hälfteeigentümer des Seegrundstücks, die Klägerin war und ist Alleineigentümerin des Binnengrundstücks.

[5] 2007 leiteten die Beklagten ein Räumungsverfahren gegen die Klägerin wegen Mietzinsrückstands und unleidlichen Verhaltens ein. Die Klage wurde in zweiter Instanz rechtskräftig mangels Kündigungsgründe abgewiesen.

[6] Der Zweitbeklagte verkaufte seinen Anteil am Seegrundstück 2009 an eine natürliche Person (im Folgenden: Käufer). Die Erstbeklagte veräußerte ihren Anteil am Seegrundstück 2019 an eine GmbH, die ihn 2020 wiederum an den Käufer des anderen Hälfteanteils weiterverkaufte, sodass der Käufer seither Alleineigentümer des Seegrundstücks ist.

[7] Die Beklagten wiesen bei den Verkäufen ihrer Hälfteanteile die jeweiligen Erwerber auf die Nutzungsrechte der Klägerin und die vorangegangenen Rechtsstreite hin.

[8] Der Käufer des Seegrundstücks erklärte mit Schreiben vom 12. 3. 2020 gegenüber der Klägerin die Aufkündigung des Mietvertrags 1963 zum 30. 6. 2020. Die Klägerin brachte daraufhin eine Klage gegen den Käufer des Seegrundstücks auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Aufkündigung und des Weiterbestands des Mietvertrags 1963 ein. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen, weil dem dort beklagten Käufer der Bestandsache Seegrundstück ein Kündigungsrecht nach § 1120 ABGB zukomme, auf das er auch nicht konkludent verzichtet habe. Die Klägerin hatte dem Käufer des Seegrundstücks 5.459,92 EUR an Prozesskosten zu ersetzen.

[9] Die Klägerin begehrt die Zahlung der Prozesskosten aus dem Feststellungsprozess als Schadenersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagten und ihre Rechtsnachfolger der Klägerin und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des Binnengrundstücks für alle Nachteile der Klägerin und ihrer Rechtsnachfolger aus der vom Käufer des Seegrundstücks erklärten Kündigung haften. Ihr Vater habe beim Kauf des Binnengrundstücks vom Vater der Beklagten auf einem immerwährenden Zugang zum Seegrundstück bestanden. Der Mietvertrag 1963 könne nur durch die Veräußerung des Binnengrundstücks enden, was den Beklagten seit dem Prozessverlust im Räumungsverfahren auch bekannt sei. Die Vertragsteile hätten 1963 darauf abgezielt, dem Mieter eine eigentümerähnliche Stellung einzuräumen. Dennoch hätten die Beklagten das Seegrundstück veräußert, ohne ihre Pflichten aus dem Mietvertrag 1963 auf die jeweiligen Erwerber zu überbinden. Die Beschaffung einer gleichwertigen Badegelegenheit wäre der Klägerin, wenn überhaupt, nur mit beträchtlichem finanziellem Aufwand möglich. Die Kosten seien noch nicht absehbar, sie würden sich wohl jede Badesaison ändern.

[10] Die Beklagtenwandten ein, dass der Mietvertrag 1963 weder einen Kündigungsverzicht noch eine Pflicht zur Überbindung auf Erwerber des Seegrundstücks enthalte. Überdies wäre ein unbestimmbarer Kündigungsverzicht sittenwidrig.

[11] Das Erstgericht wies die Klage ab. Eine Pflicht des Vermieters zur Überbindung der Nutzungsrechte des Mieters bei Veräußerung des Seegrundstücks an den Käufer sei im Räumungsprozess 2007 nicht geprüft worden, sodass die Entscheidung dort keine Bindungswirkung entfalte. Der Mietvertrag 1963 enthalte keine solche Pflicht, sodass der Käufer des Seegrundstücks die Klägerin nach § 1120 ABGB kündigen könne. Außerdem habe der Mietvertrag 1963– anders als der Mietvertrag 1958 – für den Vermieter ohnehin keine Kündigungsbeschränkungen vorgesehen. Den Beklagten sei daher weder rechtswidriges noch schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen.

[12] Das Berufungsgericht gab dem Zahlungsbegehren zur Gänze statt, dem Feststellungsbegehren nur insoweit, als es die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin, nicht aber gegenüber ihren Rechtsnachfolgern feststellte. Auf das Bestandverhältnis sei das MRG nicht anwendbar. Der Mietvertrag 1963 habe das Kündigungsrecht des Vermieters so sehr eingeschränkt, dass das Bestandverhältnis nur im Falle der Veräußerung des Binnengrundstücks an einen Dritten ende. Daneben bestehe jedoch das außerordentliche Kündigungsrecht wegen Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag, weshalb die vorliegende Einschränkung (nur) des (ordentlichen) Kündigungsrechts nicht sittenwidrig sei. Bei Verkauf der Liegenschaft seien die Erwerber des Seegrundstücks gemäß § 1120 ABGB in den Mietvertrag 1963 eingetreten. Nach der Rechtsprechung binde der Kündigungsverzicht des Vaters der Beklagten diese Erwerber jedoch nicht. Ein Vermieter habe schon nach § 1120 ABGB die Pflicht, die Kündigungsbeschränkungen zu überbinden, sodass keine Vertragslücke und kein Raum für ergänzende Vertragsauslegung bestehe. Für das vorzeitige Ende des Mietverhältnisses müssten die Beklagten deshalb volle Genugtuung leisten. Ansprüche ihrer Rechtsnachfolger, also Dritter, könne die Klägerin jedoch nicht geltend machen.

[13] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR. Es ließ die ordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu.

[14] Die Revision der Beklagten strebt die gänzliche Klagsabweisung an; hilfsweise die Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungs‑ bzw Erstgericht.

[15] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und berechtigt.

[17] 1. Eingangs ist im Sinne des Klagsvorbringens festzuhalten, dass der zwischen den Vätern im Jahr 1963 abgeschlossene Vertrag ein Mietvertrag ist.

[18] 1.1 § 1090 ABGB definiert den Bestandvertrag als einen Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

[19] 1.2 Der Umstand, dass dem Vater der Klägerin am Seegrundstück nur ein Mitbenützungsrecht eingeräumt wurde, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Bestandvertrags. Ein Bestandvertrag über eine unbewegliche Sache setzt nämlich nicht voraus, dass dem Bestandnehmer die ausschließliche Nutzung des Bestandgegenstands eingeräumt worden ist (RS0025022; idS auch Lovrek in Rummel/Lukas 4 §§ 1092–1094 ABGB Rz 46 unter Hinweis auf den früher gebräuchlichen „Bettgehervertrag“).

[20] 1.3 Ebenso wenig hindert die Einmalzahlung von 5.000 ATS die Annahme eines Bestandvertrags.

[21] 1.3.1 Zum einen hat sich der Vater der Klägerin ohnedies auch zur Übernahme eines Teils der Erhaltungskosten und damit zu laufenden Zahlungen verpflichtet.

[22] 1.3.2 Zum anderen kann das Entgelt auch in einer einmaligen (Geld-)Leistung bestehen (7 Ob 69/98t; 9 Ob 21/20h). Diese einmalige Leistung kann neben laufenden Entgeltzahlungen vereinbart werden (RS0020682; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1092 Rz 16; Lovrek in Rummel/Lukas 4 §§ 1092–1094 Rz 53); es ist aber auch möglich, dass nur eine einmalige Gegenleistung vereinbart wird (RS0020682; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1092 Rz 16). Zu berücksichtigen ist, dass im Anlassfall der Bestandgegenstand ein Seegrundstück für Erholungszwecke betraf. Der Vertrag fiel damit nicht unter das MRG (bzw MG). Die Einmalzahlung war – ähnlich wie bei einer „Ablöse“ – eine mögliche und bei (wie hier:) freier Mietzinsbildung auch ohne Weiteres eine zulässige Form der Mietzinsleistung (5 Ob 167/98i; RS0068036 [T4]; Lovrek in Rummel/Lukas 4 §§ 1092–1094 Rz 61).

[23] 1.3.3 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass bei einer Bestandzinsvorauszahlung unter dem Gesichtspunkt des bestimmten Bestandzinses feststehen muss, welche Dauer der Gebrauchsüberlassung damit abgegolten sein soll (RS0020722; RS0020589). Hinweise, dass die Parteien des Vertrags mit der Einmalzahlung eine Bestandzinsvorauszahlung vereinbart haben, sind weder aus dem Vorbringen noch den Feststellungen abzuleiten.

2. Zur Frage der Überbindung des Mietvertrags:

[24] 2.1 Die Beklagten vertreten den Standpunkt, dass sich weder aus dem Gesetz noch aus den Verträgen eine Verpflichtung ergeben würde, wonach sie den Bestandvertrag auf den Käufer hätten überbinden müssen. Die Klägerin vertritt die gegenteilige Rechtsposition, dass die Beklagten deshalb schadenersatzpflichtig seien, weil sie eine Überbindung des Bestandvertrags unterlassen hätten. Damit blenden beide Streitteile die Regel des § 1120 ABGB aus.

[25] 2.2 Obligatorische Rechtsverhältnisse gehen bei einer Einzelnachfolge grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über (RS0011871). In § 1120 ABGB ordnet allerdings das Gesetz ausnahmsweise für den Bestandvertrag die Vertragsübernahme eines Dauerschuldverhältnisses an (RS0011871 [T8, T10, T13]). Der Käufer tritt ex lege in das Vertragsverhältnis ein (RS0104141; RS0021208; Rassi in KBB7 § 1120 ABGB Rz 1).

[26] 2.3 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass es hinsichtlich des Bestandvertrags auf eine vertragliche Überbindungspflicht gar nicht ankommt, weil der Bestandvertrag ex lege auf den Käufer übergegangen ist.

[27] 3. Der Bestandnehmer, dessen Recht (wie im Anlassfall) nicht im Grundbuch eingetragen ist, muss allerdings – nach dem Grundsatz „Kauf bricht Miete“ (zB 1 Ob 111/16d) – gemäß § 1120 Satz 1 ABGB nach Aufkündigung dem Käufer weichen.

[28] 4. Der Bestandnehmer, dem zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt wird, als es nach dem Bestandvertrag möglich gewesen wäre, hat aber nach § 1120 Satz 2 ABGB Schadenersatzansprüche gegen den bisherigen Bestandgeber (RS0021217) und nach allgemeinen Grundsätzen (Rassi in KBB7 § 1120 ABGB Rz 1). Die Klägerin stützt ihren Schadenersatzanspruch auf diese Bestimmung. Sie ist nicht im Recht, weil – wie die Beklagten richtig aufzeigen – der Mietvertrag 1963 keinen wirksamen immerwährenden Kündigungsverzicht enthält.

[29] 4.1 Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Mietvertrag 1963 nur einen (wirksamen) Verzicht des Vermieters auf die ordentliche Kündigung enthalte. Der Senat teilt diese Rechtsauffassung nicht. Während der Mietvertrag 1958 ausdrücklich festlegt, aus welchen Gründen der Vermieter kündigen darf, enthält der Mietvertrag 1963 keine Regelungen zu einer Kündigung. Stattdessen heißt es in Punkt 3, dass der Vertrag auf die Erben des Vermieters und auf bestimmte Erben des Mieters übergehen soll (enge Familienmitglieder, die Eigentümer des Binnengrundstücks sind) und der Vertrag deshalb nur bei Verkauf des Binnengrundstücks ende, sofern der Erwerber nicht zum Kreis der engen Familienmitglieder gehört. Nach dem Vertragswortlaut ist damit eine Kündigung des Vertrags nicht möglich.

[30] 4.2 Nach der Rechtsprechung ist bei Dauerschuldverhältnissen das außerordentliche Kündigungsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Kern unverzichtbar und eine entgegenstehende Vereinbarung sittenwidrig. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse in besonderem Maß dem Einfluss von Veränderungen unterliegen, weil auch sorgfältigste Parteien nicht für alle künftigen Entwicklungen vertragliche Vorsorge treffen können. Grundgedanke ist der Schutz vor unzumutbarer Vertragsfortsetzung (5 Ob 4/14w [3.1] mwN). Immerwährende Nutzungsverhältnisse will § 1090 ABGB ausschließen (RS0020283). Die Regelung zur Vertragsdauer im Mietvertrag 1963 ist damit sittenwidrig und nichtig.

[31] 4.3 Wegen der nichtigen Regelung über die Vertragsdauer enthielt der Vertrag damit keine Regelungen über seine Beendigung. In einem solchen Fall greift primär das dispositive Recht ein, dessen Zweck es gerade ist, für im Vertrag nicht geregelte Fragen Regeln zur Verfügung zu stellen (RS0017829 [T1]). Dass im Anlassfall das MRG (bzw das MG) und die dort normierten Kündigungsbestimmungen gelten, lässt sich weder aus den Feststellungen noch aus dem Vorbringen beider Streitteile ableiten. Es kommt somit § 1116 ABGB (unter Bedachtnahme auf § 560 ZPO) zur Anwendung, wonach es dem Bestandgeber (in casu: den Beklagten und davor ihrem Vater) bereits vor dem Verkauf des Seegrundstücks möglich war, den Bestandvertrag ordentlich aufkündigen.

[32] 4.4 Der Anwendung der Regeln über die ordentliche Kündigung kann mangels prozessualer Bindung nicht entgegengehalten werden, dass die Beklagten im Räumungsverfahren 2007 gegenüber der Klägerin unterlegen sind. Eine Bindungswirkung besteht immer nur in Bezug auf die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht an die Lösung der dort beurteilten Vorfragen (RS0042554; RS0041180; RS0041342; RS0041567 [T8]). Im Räumungsverfahren verneinte das Berufungsgericht in seiner abweisenden Entscheidung die dort geltend gemachten Kündigungsgründe (Mietzinsrückstand und unleidlichen Verhaltens). Das Vorliegen von Kündigungsgründen bildete im Prozess 2007 nur die Vorfrage zur Klärung des Hauptanspruchs (= wirksame Beendigung des Bestandverhältnisses im Jahr 2007). Die Abweisung des Klagebegehrens im Räumungsverfahren entfaltet im gegenständlichen Schadenersatzprozess für die (Vor‑)Frage, ob den Beklagten bereits vor dem Verkauf eine ordentliche Kündigung möglich gewesen wäre, damit keine Bindungswirkung.

[33] 4.5 Dass der Bestandvertrag allenfalls nur befristet dahin abgeschlossen worden sei, dass dieser erst mit der „Amortisation“ der im Jahr 1963 erfolgten Einmalzahlung von 5.000 ATS ende und eine solche im Juni 2020 (!) noch nicht erfolgt sei, hat die Klägerin vor allen Instanzen nicht im Ansatz behauptet, sodass diese Frage dahinstehen kann.

[34] 4.6 Ob das Kündigungsrecht vom Käufer überhaupt binnen angemessener Frist geltend gemacht wurde, was die Voraussetzung für den Ausschluss vereinbarter Kündigungsbeschränkungen gewesen wäre (RS0014349 [T3]; Rassi in KBB7 § 1120 ABGB Rz 6 mwN), kann dahinstehen, weil sich die Klägerin im Anlassfall – wie aufgezeigt – auf besondere Kündigungseinschränkungen gar nicht berufen kann.

[35] 5. Damit entstand der Klägerin durch die Kündigung des Käufers schon deshalb kein Schaden, weil sie per 30. 6. 2020, also 57 Jahre nach Abschluss des (zweiten) Mietvertrags, nicht zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt wurde, als es nach dem Mietvertrag 1963 möglich gewesen wäre.

[36] 6. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben, und die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen klagsabweisenden Urteils abzuändern. Die Entscheidung über die Verpflichtung der Klägerin auch zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens (zweiter und dritter Instanz) beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Die Bemessungsgrundlage betrug allerdings nur 23.059,92 EUR.

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