European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00012.25Y.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerinnen begehrten die Genehmigung der Annahme an Kindes statt aufgrund des zwischen ihnen geschlossenen Adoptionsvertrags.
[2] Die Zweitantragstellerin ist die leibliche Tochter der Erstantragstellerin. Nach ihrer Geburt am 10. Juli 1965 wurde die Zweitantragstellerin im Krankenhaus irrtümlich mit einem anderen Kind vertauscht und einer anderen Mutter gegeben, deren Tochter die Erstantragstellerin übergeben erhalten hatte. Bereits seit ihrem 15. Lebensjahr hatte die Zweitantragstellerin Zweifel an ihrer Abstammung. Im Februar 2023 holte sie schließlich ein Abstammungsgutachten ein, durch das sich die fehlende Verwandtschaft mit ihrer rechtlichen Familie (konkret: ihrer „Schwester“) herausstellte. Durch weitere Nachforschungen kam sie im März 2024 in Kontakt mit der (damals in Deutschland lebenden) Erstantragstellerin. Ein im April 2024 von den beiden Antragstellerinnen eingeholtes weiteres Gutachten erwies ihre leibliche Verwandtschaft (Mutter und Tochter). Die Zweitantragstellerin organisierte eine Wohnung für die Erstantragstellerin in ihrer Nähe und die beiden sind seither in einem engen Kontakt. Die rechtlichen Eltern der Zweitantragstellerin sind bereits verstorben.
[3] Das Erstgericht wies den Adoptionsantrag ab.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Zwar hindere nach herrschender Auffassung ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind die Adoption grundsätzlich nicht, die Adoption sei jedoch unzulässig, wenn die durch sie angestrebte Rechtsstellung des Kindes – wie hier – ohnehin bereits bestehe. Eine Berichtigung der unrichtigen Eintragung in der Geburtsurkunde der Zweitantragstellerin sei im Verwaltungsweg über die Personenstandsbehörde (Standesamt) zu erwirken. Sofern die Verwaltungsbehörden die Voraussetzungen für eine Berichtigung als nicht gegeben erachten sollten, sei auch eine deklarative Feststellung im Rahmen eines Abstammungsverfahrens denkbar.
[5] Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs zur Frage für zulässig, ob eine Adoption zur Herstellung der richtigen familienrechtlichen Beziehung möglich sei.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[7] 1. Der Umstand, dass der Obersten Gerichtshof zu einer bestimmten Frage oder Sachverhaltskonstellation noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, kann die Zulässigkeit des Revisionsrekurses für sich allein noch nicht begründen, wenn – wie hier – die Rechtslage durch den klaren Wortlaut der anzuwendenden Norm eindeutig ist oder die relevanten Grundsätze in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt sind (vgl RS0107773; RS0102181; RS0042656).
[8] 2.1 Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, schließt das Gesetz eine Adoption unter Verwandten zwar nicht ausdrücklich aus. Unzulässig ist sie aber dann, wenn die durch die Adoption angestrebte Rechtsstellung des Kindes ohnehin schon besteht (vgl RS0118009). So ist etwa die Adoption des unehelichen Kindes durch seinen leiblichen Vater nicht zulässig (6 Ob 179/05z; Deixler-Hübner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 191 Rz 2 mwN).
[9] 2.2 Gemäß § 143 ABGB ist die Mutter eines Kindes „die Frau, die das Kind geboren hat“. Dies gilt immer, und zwar selbst dann, wenn das Kind genetisch nicht von der gebärenden Frau abstammt (vgl 7 Ob 212/97w; Höllwerth in KBB7 § 143 Rz 1). Ein Begehren auf Feststellung der Mutterschaft zu einem Kind ist nach der Rechtsprechung zulässig; darüber ist im Außerstreitverfahren zu entscheiden (3 Ob 229/07h = RS0122958; Höllwerth in KBB7 § 143 Rz 3).
[10] 2.3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den beiden Antragstellerinnen als Mutter und Tochter sind infolge der Geburt bereits von Gesetzes wegen gegeben. Der Argumentation der Antragstellerinnen, dass die rechtliche Beziehung zwischen Mutter und Kind in den Fällen eines unmittelbar nach der Geburt vertauschten Kindes „erst durch einen eigenen Rechtsakt der Adoption begründet werden müsste“ und die vertragliche Vereinbarung das „geeignete Instrument“ sei, um die zwischen Elternteil und Kind gesetzlich vorgesehenen Rechte und Pflichten herzustellen, ist daher nicht zu folgen.
[11] 3. Auch mit dem Hinweis darauf, dass im Fall einer Kindesvertauschung ein ursprünglicher Fehler korrigiert werden solle und eine Missbrauchsgefahr, der die Regelungen über die Erwachsenenadoption entgegensteuern sollen, ohne Zweifel nicht bestehe, lässt sich keine erhebliche Rechtsfrage begründen. Grundlage des zugrunde liegenden Antrags ist die leibliche Abstammung der Zweitantragsstellerin und damit die Verwandtschaft der Antragstellerinnen als Mutter und Tochter. Das gerechtfertigte Anliegen der Antragstellerinnen, diese Beziehung auch in der Geburtsurkunde der Zweitantragstellerin richtigzustellen, ist im Verfahren vor den Personenstandsbehörden zu verfolgen. In diesem Sinn hat das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die unrichtigen Urkunden über die Geburt der Zweitantragstellerin im Verwaltungsweg zu korrigieren sind (vgl Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 137b ABGB, Rz 7 mwN).
[12] 4. Andere Rechtsfragen werden nicht geltend gemacht. Das Rechtsmittel ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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