European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00005.25M.0325.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Beim Bezirksgericht St. Johann im Pongau ist zu AZ 455 A 78/22f das Verlassenschaftsverfahren nach dem 2022 verstorbenen Erblasser anhängig. In diesem gaben der Kläger unter Berufung auf ein Testament vom 7. 5. 2012, der Sohn des Klägers unter Berufung auf ein Testament vom 5. 3. 2020 und der leibliche Sohn des Erblassers aufgrund des Gesetzes widerstreitende bedingte Erbantrittserklärungen ab. In einem weiteren Testament vom 10. 2. 2020 hatte der Erblasser den Beklagten zum Alleinerben eingesetzt und sämtliche früheren letztwilligen Verfügungen widerrufen. Der Beklagte beteiligte sich bisher nicht am Verlassenschaftsverfahren. Der Grund dafür liegt darin, dass der Beklagte annimmt. dass die (gemeint: jüngeren) Testamente ungültig sind. Er beabsichtigt nicht, Ansprüche „gegen die Verlassenschaft oder Dritte“ geltend zu machen.
[2] Die Vorinstanzen wiesen – nach Bejahung des streitigen Rechtswegs durch den Obersten Gerichtshof (2 Ob 162/23x; zustimmend Kietaibl, Zur Feststellungsklage gegen den untätigen Erben, ÖJZ 2024/74) – die auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Testaments vom 10. 2. 2020 wegen Testierunfähigkeit des Erblassers gerichtete Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses ab.
[3] Der dagegen gerichtete, aufgrund des 30.000 EUR übersteigenden Bewertungsausspruchs des Berufungsgerichts in eine außerordentliche Revision umzudeutende, mit einer ordentlichen Revision verbundene Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs (RS0123405) zeigt keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Das rechtliche Interesse an der – hier angestrebten – Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts des Beklagten besteht grundsätzlich dann, wenn der Beklagte ein solches Recht zu haben behauptet. Es ist dabei gleichgültig, ob ein solches Recht im Einzelfall überhaupt bestehen kann, also objektiv gesehen möglich ist, oder ob bei richtiger Beurteilung von Haus aus feststeht, dass es keine gesetzliche Grundlage hat. Es genügt dazu eine den Kläger belastende fälschliche Berühmung. Das rechtliche Interesse erfordert neben der Berühmung eines solchen Rechts aber auch eine dadurch hervorgerufene Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers (RS0039096).
[5] 2. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, denen in der Regel keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0039177 [T1]). Auch ob eine die Rechtsstellung des Rechteinhabers gefährdende Berühmung eines Rechts vorliegt, kann regelmäßig nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0039096 [T12]).
[6] 3. Die Vorinstanzen haben ein Feststellungsinteresse unter Hinweis darauf verneint, dass einerseits nach dem derzeitigen Stand des Verlassenschaftsverfahrens noch nicht einmal gesichert sei, dass die Verlassenschaft auch dem Kläger eingeantwortet werde, und andererseits der Beklagte gar nicht beabsichtigte, in Zukunft Ansprüche geltend zu machen. Diese Auffassung ist im Hinblick auf das festgestellte Verhalten des Beklagten, aus dem keinerlei Berühmung ableitbar ist, jedenfalls vertretbar.
[7] 4. Zwar kann – wie die Revision ins Treffen führt – die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts mangels Geschäftsfähigkeit eines Vertragspartners auch von einem am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Dritten geltend gemacht werden (RS0014654). Auch dies setzt aber – wie die Revision selbst zutreffend ausführt – das Bestehen eines hier von den Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig verneinten rechtlichen Interesses voraus.
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