OGH 2Ob35/25y

OGH2Ob35/25y25.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Schartner § Mag. Kofler Rechtsanwälte GmbH in Altenmarkt im Pongau, gegen die beklagte Partei J*, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder, Mag. Michaela Hütteneder‑Estermann, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. N *, und 2. I*, beide vertreten durch BAH Heim & Hitzenbichler Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Beseitigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2025, GZ 53 R 349/24s‑41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00035.25Y.0325.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Parteien sind Eigentümer aneinander grenzender Liegenschaften. Die Klägerin kaufte die Liegenschaft von der Erstnebenintervenientin, deren Mutter, die Zweitnebenintervenientin, ihr die Liegenschaft geschenkt hatte. Zuvor hatte die Zweitnebenintervenientin schon dem Beklagten eine Teilfläche von etwa 80 m2 verkauft, worauf bei Abschluss des Schenkungsvertrags auch Bezug genommen wurde. Zu einer grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags kam es aber nicht. Der Beklagte errichtete auf der Teilfläche Stützmauern und nutzte sie für die Anlage eines Pools.

[2] Das Berufungsgericht wies die auf Beseitigung der vom Beklagten errichteten Anlagen gerichteten Klage ab, weil die Klägerin insofern nicht Eigentümerin geworden sei. Ihr Eigentumserwerb richte sich nach dem Inhalt des Kaufvertrags, der auf die „bestehenden Grenzen, im heutigen Zustand“ Bezug nehme. Es seien daher nach dem Parteiwillen die mit den Stützbauten des Beklagten tatsächlich in der Natur bestehenden Grenzen maßgeblich. Das im Kaufvertrag auch genannte (bestimmte) Flächenmaß sei für die Klägerin nicht wesentlich gewesen, sei es ihr doch primär um die Verschaffung einer Wohnmöglichkeit gegangen.

[3] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist für den Umfang des Eigentumserwerbs an einer – wie hier nicht im Grenzkataster eingetragenen – Liegenschaft nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Wille der Parteien entscheidend (RS0011236 [T12]), der sich in sichtbaren natürlichen Grenzen manifestieren kann (RS0011236 [T16]). Weder die Katastralmappe noch die Grundbuchsmappe machen einen Beweis über die Größe und die Grenzen des Grundstücks (RS0038593; RS0049554 [T5]). Das Vertrauen auf die Darstellung der Grenzen in der Grundbuchsmappe ist nicht geschützt. Diese dient nur der Veranschaulichung der Lage des Grundstücks, maßgeblich ist der in der Natur festzustellende Verlauf der Grenze (7 Ob 239/04d mwN). Anderes gilt (nur), wenn das Grundstück nach dem übereinstimmenden Parteiwillen in dem aus der Mappe hervorgehenden Umfang ohne Bestimmung der Grenzen in der Natur verkauft worden ist (RS0011236 [T4]). Wo die „Naturgrenze“ verläuft, ist eine Tatfrage (1 Ob 48/21x Rz 6). Fragen, die sich in diesem Zusammenhang aus der – hier nicht vorliegenden – Aufnahme eines Grundstücks in den Grenzkataster ergeben müssten, sind mangels Relevanz nicht zu prüfen.

[5] 2. Ein Problem der Vertragsauslegung kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0044358 [T11]). Eine solche vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

[6] Das Berufungsgericht hat hier unter Hinweis darauf, dass für die Klägerin die Wohnmöglichkeit im Vordergrund stand, auch im Kaufvertrag auf die „bestehenden Grenzen, im heutigen Zustand“ Bezug genommen wurde und kein bestimmtes Flächenausmaß zugesichert war, einen Eigentumserwerb der Klägerin auch an der durch eine Stützmauer abgegrenzten Teilfläche jedenfalls vertretbar verneint.

[7] Zwar kann sich der maßgebliche Parteiwille nach der Rechtsprechung an den „sichtbaren Naturgrenzen manifestieren“. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Eigentumserwerb nach Maßgabe der Naturgrenzen bei – hier nur aufgrund von Bewuchs – nicht gegebener Sichtbarkeit von vornherein nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprechen könnte. Maßgeblich ist vielmehr die Vertragsauslegung im Einzelfall, die hier am Wortlaut des Vertrags anknüpft und keine über den Einzelfall hinausgehenden Fragen aufwirft.

[8] Soweit die Klägerin auf eine planliche Darstellung im Kaufvertrag verweist, steht diese (nur) im Zusammenhang mit der Lage des Grundstücks in der Wildbachgefahrenzone.

[9] 3. Der Beseitigungsanspruch der Klägerin scheitert daher schon an ihrer fehlenden Eigentümerstellung an der relevanten Teilfläche. Auf einen Eigentumserwerb des Beklagten bzw dessen Rechtsverhältnis zur Zweitnebenintervenientin kommt es nicht an. Der natürliche Grenzverlauf entlang der vom Beklagten errichteten Mauer (vgl zum Begriff der „Naturgrenze“: RS0130738), ist entgegen den Revisionsausführungen dem Ersturteil auch ausreichend deutlich zu entnehmen.

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