European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0210DS00006.24F.0429.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte
Spruch:
Der Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
In Stattgebung der Berufung wegen des Strafausspruchs wird eine Geldbuße von 300 Euro verhängt.
Der Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwältin in *, des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie am 2. April 2019 den negativen Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 35, zur AZ * betreffend * M* vom 12. März 2019 an die Behörde retourniert und es dabei unterlassen, M* darüber zu informieren.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die wegen des Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes (siehe dazu RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0128656&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T1]) der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe erhobene Berufung der Disziplinarbeschuldigten.
[4] Dieser kommt keine Berechtigung zu:
[5] Nach § 9 RAO ist ein Rechtsanwalt insbesondere dazu verpflichtet, seinen Klienten von allen wesentlichen Vorkommnissen rechtzeitig und ohne Aufschub zu informieren (RIS‑Justiz RS0123612) und ihm in jedem einzelnen Fall über den Ausgang der Sache zu berichten (RIS‑Justiz RS0055943, RS0055939). Dem entspricht der unmittelbar gegen seinen aktuellen rechtsanwaltlichen Vertreter gerichtete Anspruch des Mandanten auf vollständige und zeitnahe Information über den Verfahrensausgang (RIS‑Justiz RS0055525). Dieses legitime Interesse des Klienten, über Verlauf und Ausgang eines Verfahrens Bescheid zu erhalten, besteht unabhängig von einer weiteren (erfolgversprechenden) Bekämpfbarkeit der betroffenen Entscheidung (vgl 9 Bkd 4/07), sodass das diesbezügliche Berufungsvorbringen, wonach der Zurückweisungsbescheid der MA 35 vom 12. März 2019 selbst im Fall der sofortigen Information der Mandantin hierüber nicht mehr mit Erfolg bekämpfbar gewesen wäre, ins Leere geht.
[6] Ebenfalls unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO rügt die Disziplinarbeschuldigte das Unterbleiben der Anwendung des § 39 DSt (vgl RIS‑Justiz RS0133799). Mit diesem Vorbringen und dem zu dessen Untermauerung behaupteten (vorgeblichen) Feststellungsmangel bringt sie jedoch lediglich einen Berufungsgrund zur Darstellung (vgl etwa 27 Os 3/16t).
[7] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Erkenntnis festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass der Disziplinarrat bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099810&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
[8] Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die weitere Rechtsrüge, indem sie nicht von der Feststellung ausgeht, wonach die Beschuldigte ihre Mandantin nicht über den eingelangten Bescheid informierte (ES 4), sondern diese Konstatierung bloß durch die Behauptungen ersetzt, die Beschuldigte hätte versucht, der Mandantin den Zurückweisungsbescheid über deren Bruder zu übermitteln, und eine Kontaktaufnahme mit der Mandantin sei für die Beschuldigte unmöglich gewesen.
[9] Weshalb es für das Bestehen der Informationspflicht der Beschuldigten darauf ankommen sollte, dass der Bruder der Mandantin in seinem eigenen Verfahren alle geforderten Unterlagen vorlegte, sodass sein Aufenthaltstitel antragsgemäß verlängert wurde, oder, dass das Ergehen des Zurückweisungsbescheids allein auf Versäumnisse der Mandantin zurückzuführen ist, macht die Berufungswerberin nicht deutlich.
[10] Indem sie schließlich Mutmaßungen zum fehlenden Interesse der Mandantin an der weiteren Mandatsbetreibung anstellt, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund abermals nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht.
[11] Die Schuldberufung im engeren Sinn vermag mit dem Hinweis auf die Angaben der Disziplinarbeschuldigten, wonach diese „zuvor Meldeauskünfte eingeholt“ habe und es nicht ausgeschlossen sei, dass sie versucht habe, über den Bruder der Mandantin zuzustellen, keine erheblichen Bedenken an der in freier Beweiswürdigung getroffenen Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat und dessen Feststellung (ES 4) zu erwecken, wonach die Disziplinarbeschuldigte die Mandantin nicht über den eingelangten Bescheid informierte.
[12] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war demgemäß der Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen Schuld nicht Folge zu geben.
[13] Im Recht ist jedoch die Berufung der Disziplinarbeschuldigten wegen Strafe.
[14] Der Disziplinarrat verhängte über diese nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 500 Euro, wobei kein Umstand als erschwerend, als mildernd die Unbescholtenheit gewertet wurde. Insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass seit der Anzeigeerstattung im Juni 2021 bis zur Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses immerhin fast vier Jahre verstrichen sind, erweist sich die verhängte Geldstrafe als überhöht und war demnach auf 300 Euro herabzusetzen.
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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