European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00115.25F.1111.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Konsumentenschutz und Produkthaftung, Unionsrecht
Spruch:
1. Das Verfahren wird fortgesetzt.
2. Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.210,46 EUR (darin enthalten 368,41 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte 2015 einen von der Beklagten hergestellten PKW gebraucht um 56.000,01 EUR mit einem Kilometerstand von 12.138 km.
[2] Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO 715/2007/EG . Es ist mit einem Dieselmotor der Abgasklasse Euro 5 mit 195 kW/265 PS ausgestattet.
[3] Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Benützungsentgelts von 14.429,64 EUR, insgesamt also 41.570,32 EUR sA, Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs, in eventu Zahlung von 16.800 EUR an zu viel bezahltem Kaufpreis. Im Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut, unter anderem ein Thermofenster mit einer aktiven Abgasrückführung (AGR) nur zwischen +11 und +30 Grad Celsius. Hätte er dies gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Die Beklagte habe ihn vorsätzlich in die Irre geführt und geschädigt, zumal die Angaben zum Fahrzeug bewusst unrichtig gewesen seien. Das von der Beklagten angebotene Software‑Update stelle kein Angebot einer Mängelbehebung dar. Auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum könne sich die Beklagte nicht berufen.
[4] Die Beklagte bestritt das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das dem Kläger angebotene und vom Kraftfahrt‑Bundesamt (KBA) geprüfte und freigegebene Software‑Update stelle eine taugliche Verbesserung dar. Weiters wandte die Beklagte eine Gegenforderung für „Wertminderung wegen Kollisionsschäden bis zur Höhe des Klagsbetrags“ ein.
[5] Das Erstgerichtsprach aus, dass die Klageforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
[6] In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Am Schadenseintritt könne selbst das Software-Update nichts ändern. Durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung habe die Beklagte gegen Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG verstoßen. Auf ein fehlendes Verschulden könne sich die Beklagte nicht berufen, weil eine Offenlegung der konkreten Abschalteinrichtung gegenüber dem KBA nicht erfolgt sei.
[7] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück.
[8] Dem Kläger sei der Beweis gelungen, dass im Fahrzeug eine nach der Grundregel des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung verbaut sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass nach einem Aufspielen des (vom Kläger nicht angenommenen) Software‑Updates (wonach es zwischen -10 und +40 Grad Celsius bei betriebswarmem Motor zu keiner Korrektur der AGR‑Rate abhängig von der Umgebungstemperatur komme) schon begrifflich gar keine Abschalteinrichtung mehr vorgelegen wäre. Außerdem lasse sich anhand des Vorbringens der Beklagten nicht beurteilen, ob nicht selbst nach dem Aufspielen des Software‑Updates die Abschalteinrichtung Thermofenster unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und einen sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Diese dem Vorbringen der Beklagten anhaftenden Unklarheiten gingen zu ihren Lasten.
[9] Besonders berücksichtigungswürdige Umstände, die für die Annahme eines Rechtsirrtums sprächen, habe die Beklagte in erster Instanz nicht konkret vorgebracht. Nicht zuletzt bringe sie selbst zum Ausdruck, dass dem KBA gerade nicht alle Details des Thermofensters bekannt gewesen seien, insbesondere nicht der konkrete Temperaturbereich. Damit komme aber schon von vornherein kein deckungsgleicher Irrtum einer Behörde in Betracht, der Grundlage eines entschuldbaren Rechtsirrtums sein könnte.
[10] Allerdings komme ein Schadenersatzanspruch der Beklagten aufgrund von (allfälligen) während der Nutzungsphase eingetretenen, zu einer Wertminderung des Fahrzeugs führenden Schäden jedenfalls insofern in Betracht, als diese Schäden auf das Verschulden des Klägers zurückzuführen seien. Das Erstgericht werde daher das von der Beklagten zu Kollisionsschäden am Fahrzeug beantragte kfz‑technische Sachverständigengutachten einzuholen und Feststellungen zu behaupteten Kollisionsschäden am Fahrzeug und einer daraus resultierenden Wertminderung bzw einem damit verbundenen Reparaturaufwand zu treffen haben.
[11] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs mit der Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob und wie in der Nutzungsphase des Fahrzeugs eingetretene, wertmindernde (optische und sonstige) Schäden zu berücksichtigen seien.
[12] Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten, mit dem sie eine abweisende Entscheidung anstrebt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[13] Der Kläger beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[15] 1. Mit Beschluss vom 25. 2. 2025, 1 Ob 164/24k, hat der Oberste Gerichtshof das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen vom 27. 10. 2023 des Landgerichts Ravensburg (Deutschland), Rechtssache C‑666/23 , unterbrochen. Nachdem das Urteil des EuGH nunmehr vorliegt, ist das Verfahren amtswegig fortzusetzen.
2. Zur Zulässigkeit des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO
[16] Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, das Rechtsmittel aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Rekurs trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059). Die Anfechtung der berufungsgerichtlichen Entscheidung setzt nämlich voraus, dass das Rechtsmittel die unrichtige Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage geltend macht. Nur dann muss die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jede Richtung überprüft werden (RS0048272). Das ist hier nicht der Fall.
3. Zur Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung
[17] 3.1. Stützt der klagende Käufer eines Kraftfahrzeugs einen Schadenersatzanspruch auf das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG hat er den Eintritt eines Schadens infolge des Vorhandenseins einer Abschalteinrichtung zu behaupten und zu beweisen. Soweit sich die Beklagte auf eine Ausnahme vom Verbot einer Abschalteinrichtung stützt, liegt es in weiterer Folge an ihr, die für die Verbotsausnahme erforderlichen Voraussetzungen zu behaupten und zu beweisen (RS0106638 [T20]); verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten (4 Ob 171/23k [Rz 23]).
[18] (a) Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe das Vorliegen einer Abschalteinrichtung nicht bewiesen, übersieht, dass sie dem Vorbringen des Klägers, das Thermofenster sei nur in einem Temperaturbereich zwischen +11 und +30 Grad Celsius aktiv, nicht entgegengetreten ist, sodass das Berufungsgericht insofern von einem schlüssigen Tatsachengeständnis (§ 267 ZPO) ausgegangen ist. Dem steht die Negativfeststellung des Erstgerichts zum relevanten Temperaturbereich nicht entgegen (2 Ob 130/23s [Rz 2]). Auf die auf Beweislasterwägungen zurückgreifende Alternativbegründung des Berufungsgerichts kommt es somit nicht mehr an.
[19] (b) Bei reduzierter Abgasrückführung im überwiegenden Teil des Jahres (wie hier bei einem Thermofenster in einem Temperaturbereich zwischen +11 und +30 Grad Celsius)ist die in diesem Sinn programmierte Abschalteinrichtung selbst dann nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig, wenn sie erforderlich wäre, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (3 Ob 142/22m vom 25. 5. 2023 [Rz 46]).
[20] Damit bestehen keine Bedenken an der Auffassung des Berufungsgerichts, es liege eine unzulässige Abschalteinrichtung vor.
[21] 3.2. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob das dem Kläger angebotene, aber nicht angenommene Software‑Update diese unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt hätte.
[22] (a) Die Behauptungs- und Beweislast für die Beseitigung der Unzulässigkeit einer zuvor vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtung und Herstellung eines den Zulassungsvorschriften entsprechenden Zustands durch ein Software‑Update trifft den Fahrzeughersteller. Verbleibende Unklarheiten gehen auch insoweit zu seinen Lasten (6 Ob 127/24f [Rz 8 mwN] ua). Das gilt auch für die vermeintliche Schadensbeseitigung bzw Schadensminderung durch ein angebotenes, aber nicht aufgespieltes Software-Update (6 Ob 127/24f [Rz 9]).
[23] Die Ausführungen der Beklagten, die darauf hinauslaufen, dass den Kläger die Beweislast insbesondere auch dafür treffe, dass nach dem Software‑Update noch eine Abschalteinrichtung vorliegen würde, verkennen diese Rechtslage.
[24] (b) Der Oberste Gerichtshof hat im Anschluss an die Entscheidung des EuGH zu C‑128/20 , GSMB Invest, bereits klargestellt, dass der Begriff „normaler Fahrzeugbetrieb“ auf die Verwendung dieses Fahrzeugs unter tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind, verweist. Entgegen der Meinung der Beklagten kommt es für diese Betrachtung nicht auf einen – noch dazu europaweiten – Durchschnittswert an (9 Ob 58/23d [Rz 52 mwN]). Ein Thermofenster, das die Abgasrückführung erst außerhalb von -10 und +40 Grad Celsius reduziert, ist (erst einmal) eine dem grundsätzlichen Verbot unterfallende Abschalteinrichtung (6 Ob 177/23g [Rz 34]).
[25] Damit in Einklang steht die Auffassung des Berufungsgerichts, es wäre an der Beklagten gelegen, eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Abschalteinrichtung nach Durchführung des Software‑Updates im Sinn des Art 5 Abs 2 Satz 2 VO 715/2007/EG zu behaupten und zu beweisen.
[26] (c) In Anbetracht der Tatsache, dass die Ausnahme eng auszulegen ist, könnte eine Abschalteinrichtung nach der Rechtsprechung allerdings nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführsystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Dabei ist eine Abschalteinrichtung nur dann „notwendig“ im Sinn des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG , wenn zum Zeitpunkt der EG‑Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (10 Ob 31/23s [Rz 27]; 9 Ob 58/23d [Rz 48] ua). Der EuGH hielt zu C‑128/20 , GSMB Invest (Rn 40, 51, 54), fest, dass es sich beim AGR‑Ventil, dem AGR‑Kühler und dem Dieselpartikelfilter um vom Motor getrennte Bauteile handelt und die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors nicht als „Beschädigung“ oder „Unfall“ im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden können (6 Ob 175/23p [Rz 65]).
[27] (d) Die Beklagte hat in erster Instanz (nur) vorgebracht, dass es bei der Rückführung des mit Kohlenwasserstoff und Partikeln versetzten Abgases zur Versottung und Motorschäden bis hin zum totalen Motorausfall kommen könne, wenn dies bei zu niedrigen Temperaturen stattfinde. Um dies zu verhindern werde die Abgasrückführung zum Teil temperaturgesteuert. Die AGR könne erst nach Erwärmung der AGR‑Bauteile insbesondere der Zylinderwand und des Zylinderkopfes sicher und sinnvoll auf hohem Niveau betrieben werden. Würde man die AGR bei Kaltstart auf zu hohem Niveau betreiben, würde es zu erheblichen Risiken in Form von Zündaussetzern, Wasserschlag, Motorölverdünnung oder Vereisung kommen. Überdies könnten zu hohe Partikel‑Emmissionen des Motors zu einer hohen Frequenz von Regenerationen des Dieselpartikelfilters führen. Bei einer zu hohen Belastung des Dieselpartikelfilters erhöhe sich auch das Risiko eines Dieselpartikelfilterbrandes.
[28] Ausgehend von diesem Vorbringen der Beklagten ist die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, es würde auch noch nach dem angebotenen Software‑Update eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG vorliegen, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insbesondere fehlt ein Vorbringen, dass das in Rede stehende Thermofenster im Zeitpunkt des Software‑Updates die einzige technische Lösung und dessen Einrichtung ausschließlich notwendig gewesen wäre, um unmittelbare Risiken für den Motor abzuwenden, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb darstellen.
4. Zum behaupteten Rechtsirrtum
[29] 4.1. Mittlerweile hat der EuGH mit Entscheidung vom 1. 8. 2025, C‑666/23 , CM, DS gegen Volkswagen AG, ECLI:EU:C:2025:604, zur Frage, inwieweit sich der Fahrzeughersteller auf einen Rechtsirrtum berufen kann, wie folgt Stellung genommen:
„1. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 7. Mai 2009 geänderten Fassung sind in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge dahin auszulegen, dass sie im Rahmen einer vom Käufer eines Kraftfahrzeugs erhobenen Klage auf Ersatz des durch das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne dieses Art. 5 Abs. 2 verursachten Schadens den Hersteller des Fahrzeugs daran hindern, sich zu seiner Entlastung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung zu berufen, der darauf zurückzuführen sein soll, dass für diese Abschalteinrichtung oder das damit ausgerüstete Fahrzeug von der zuständigen Behörde eine EG-Typgenehmigung erteilt wurde oder diese Behörde, wenn sie von diesem Hersteller dazu befragt worden wäre, seine rechtliche Beurteilung bezüglich der angeblichen Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung bestätigt hätte.
2. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 sowie Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung Nr. 715/2007 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 566/2011 der Kommission vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie verlangen, dass der Erwerber eines Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn dem Erwerber wegen einer im Sinne dieses Art. 5 Abs. 2 unzulässigen Abschalteinrichtung, die vom Hersteller nach der EG‑Typgenehmigung für dieses Fahrzeug mittels eines Software-Updates installiert wurde, ein Schaden entstanden ist.“
[30] 4.2. Ein Rechtsirrtum kann daher nicht geltend gemacht werden (9 Ob 92/25g [Rz 31 f]).
5. Benützungsentgelt und (allfällige) Fahrzeugschäden
[31] 5.1. Der Oberste Gerichtshof hat zu 2 Ob 82/23g (Rz 16) und 2 Ob 241/22p (Rz 45) ausgeführt, dass es bei der Frage, ob und in welchem Ausmaß Schäden am zurückzustellenden Fahrzeug – soweit sie sich nicht ohnehin als bloß übliche Gebrauchsspuren darstellen – zu berücksichtigen sind, nicht um die Bemessung des Benützungsentgelts (Gebrauchsnutzens) geht, sondern darum, ob der Kläger als Bereicherungsschuldner für Schäden am zurückzustellenden Fahrzeug einzustehen hat. In beiden Fällen hatte die dortige Beklagte „die Voraussetzungen für einen derartigen Schadenersatzanspruch nicht dargelegt“, sodass schon deshalb keine Berücksichtigung der Wertminderung des Fahrzeugs aufgrund vorhandener Schäden erfolgen konnte.
[32] 5.2. Das Berufungsgericht hat daraus geschlossen, dass ein Schadenersatzanspruch der Beklagten aufgrund von während der Nutzungsphase eingetretenen, zu einer Wertminderung des Fahrzeugs führenden Schäden jedenfalls insofern in Betracht komme, als diese Schäden auf das Verschulden des Klägers zurückzuführen seien.
[33] Dem tritt die Beklagte in ihrem Rekurs nicht entgegen. Sie meint nur, dass sich aus der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 ergäbe, dass Fahrzeugschäden (verschuldensunabhängig) zum Benützungsentgelt hinzuzurechnen seien.
[34] Das trifft nicht zu. Vielmehr gab der 10. Senat in der Rz 112 dieser Entscheidung lediglich eine Literaturmeinung wieder, wonach in der Nutzungsphase eingetretene Schäden oder eine merkantile Wertminderung (gemeint: infolge einer Reparatur) dem Benützungsentgelt hinzugerechnet werden sollten (Pfeffer/Wegrath in FS Danzl 743), ohne daraus weitere Konsequenzen abzuleiten. Diese Literaturmeinung hat auch der 2. Senat in seinen Entscheidungen zitiert, er hat eine (verschuldensunabhängige) Berücksichtigung allfälliger (Kollisions‑)Schäden am Fahrzeug bei Bemessung des Benützungsentgelts im Zusammenhang mit Dieselfällen aber eindeutig abgelehnt.
[35] Von einer uneinheitlichen Rechtsprechung, die die Zulässigkeit des Rekurses begründen könnte, kann daher insofern keine Rede sein. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagten bei während der Nutzungsphase eingetretenen Schäden am Fahrzeug ein (aufrechnungsweise eingewendeter) Schadenersatzanspruch gegen den Kläger zustehen könnte, wird nicht bekämpft.
[36] 5.3. Da es aufgrund des Rechtsmittels der Beklagten zu keiner umfassenden Prüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts kommt, nimmt der Senat ausdrücklich auch nicht zu der dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Rechtsansicht Stellung. Das gilt insbesondere für die Frage, ob das Vorbringen der Beklagten zur Darstellung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Bereicherungsschuldner überhaupt als ausreichend beurteilt werden kann und unter welchen Voraussetzung dieser zustehen könnte (vgl etwa Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1437 ABGB Rz 48; Mader in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2016] § 1437 Rz 18; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.08 § 329 Rz 2 [Stand 15. 9. 2023, rdb.at]; Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 329 Rz 1 [Stand 1. 7. 2016, rdb.at]).
[37] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0123222 [T8, T14]).
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