OGH 1Ob164/24k

OGH1Ob164/24k25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Ing. J*, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei M* AG, *, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 41.570,32 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Juli 2024, GZ 3 R 73/24m‑29.1, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 10. April 2024, GZ 36 Cg 75/23s‑21, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00164.24K.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Das Verfahren über den Rekurs der beklagten Partei wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofsder Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen vom 27. Oktober 2023 des Landgerichts Ravensburg (Deutschland), Rechtssache C‑666/23 , unterbrochen.

Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

[1] Der Kläger kaufte 2015 einen von der Beklagten hergestellten PKW gebraucht um 56.000,01 EUR mit einem Kilometerstand von 12.138 km. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO 715/2007/EG . Es ist mit einem Dieselmotor der Abgasklasse EU 5 mit 195 KW/265 PS ausgestattet.

[2] Der Kläger begehrt unter Hinweis auf unzulässige Abschalteinrichtungen die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Benützungsentgelts von 14.429,64 EUR, insgesamt also 41.570,32 EUR sA, Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs, in eventu Zahlung von 16.800 EUR an zu viel bezahltem Kaufpreis.

[3] Die Beklagte bestritt das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, behauptete einen entschuldbaren Rechtsirrtum und wandte eine Gegenforderung für „Wertminderung wegen Kollisionsschäden bis zur Höhe des Klagsbetrags“ ein.

[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.

[5] Das Berufungsgericht hob das Urteil auf. Es bejahte das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und verneinte das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums, erachtete aber eine Ergänzung des Verfahrens zur Frage möglicher Schäden am Fahrzeug für erforderlich. Den Rekurs ließ es zur Frage der Relevanz solcher Schäden zu.

[6] Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten, mit dem sie insbesondere unter Behauptung eines entschuldbaren Rechtsirrtums eine abweisende Entscheidung anstrebt. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[7] Das Verfahren über den Rekurs ist zu unterbrechen.

[8] 1. Im Verfahren 2 O 331/19 ua hat das Landgericht Ravensburg (Deutschland) am 27. 10. 2023 dem Gerichtshof der Europäischen Union (C‑666/23 ) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann der Schadenersatzanspruch des Fahrzeugerwerbers gegen den Fahrzeughersteller wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Begründung verneint werden,

a) dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum des Herstellers vorliege?

wenn ja:

b) dass der Verbotsirrtum für den Hersteller unvermeidbar sei, da die für die EG‑Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständige Behörde die eingebaute Abschalteinrichtung tatsächlich genehmigt hat?

wenn ja:

c) dass der Verbotsirrtum für den Hersteller unvermeidbar sei, da die Rechtsauffassung des Fahrzeugherstellers von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bei ent -sprechender Nachfrage von der für die EG‑Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung)?

[9] 2. Auch im vorliegenden Fall ist die Beantwortung dieser Vorlagefragen von Relevanz für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten.

[10] 3. Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen und diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist das Verfahren daher zu unterbrechen (RS0110583).

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