OGH 15Os3/25t

OGH15Os3/25t26.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Sadoghi und Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Brüggler LL.M., BSc in der Strafsache gegen * Z* wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 20 Hv 33/24i des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen die Ausscheidungs‑ und Abtretungsverfügung dieses Gerichts vom 19. Juni 2024 sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 13. September 2024, AZ 9 Ns 20/24w, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Ramusch LL.M., LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00003.25T.0326.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 20 Hv 33/24i des Landesgerichts Linz verletzen

A/ die prozessleitende Verfügung dieses Gerichts vom 19. Juni 2024 auf Ausscheidung und Abtretung eines Teils des Verfahrens an das Bezirksgericht § 27 StPO idF BGBl I 2004/19 iVm § 36 Abs 4 StPO,

B/ der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 13. September 2024, AZ 9 Ns 20/24w, § 38 StPO.

Diese Verfügung und dieser Beschluss werden aufgehoben.

 

Gründe:

[1] Mit beim Landesgericht Linz zu AZ 20 Hv 33/24i eingebrachtem Strafantrag vom 15. Mai 2024, AZ 15 St 99/24g, legte die Staatsanwaltschaft * Z* ein als die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (1/) und die Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 und 3 WaffG (2/) subsumiertes Verhalten zur Last (ON 10).

[2] Nach dem hier relevanten Vorwurf zu 2/ hat er in L* von einem unbekannten Zeitpunkt bis 14. Mai 2024 unbefugt verbotene Waffen im Sinn des § 17 Abs 1 Z 6 WaffG (einen Totschläger und einen Schlagring) sowie trotz Waffenverbots (§ 12 WaffG) andere Waffen, nämlich eine Machete, ein Buschmesser, mehrere Kampf‑ und ein Springmesser besessen.

[3] In der Hauptverhandlung am 19. Juni 2024 verfügte der Einzelrichter des Landesgerichts die Ausscheidung des Verfahrens in Ansehung des Anklagepunktes 2/ „mit Ausnahme des Schlagrings, des Springmessers und des Totschlägers“ und dessen Abtretung nach § 36 Abs 4 StPO an das Bezirksgericht (ON 22, 2).

[4] Im verbliebenen Umfang erkannte er Z* mit Urteil vom selben Tag der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (1/) und – in Bezug auf den diesem verbotenen Besitz des Totschlägers, des Schlagrings und des Springmessers von einem unbekannten Zeitpunkt bis 14. Mai 2024 – der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 und 3 WaffG (2/) schuldig. Dieses Urteil erwuchs sogleich in Rechtskraft.

[5] Das nach § 36 Abs 4 StPO befasste Bezirksgericht legte die Akten in Ansehung der Abtretung zur Entscheidung eines Kompetenzkonflikts nach § 38 dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Linz vor. Dieses sprach mit Beschluss vom 13. September 2024, AZ 9 Ns 20/24w, aus, dass das Landesgericht Linz für das von der Ausscheidung betroffene Hauptverfahren weiterhin zuständig sei (ON 26).

Rechtliche Beurteilung

[6] Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, stehen die prozessleitende Verfügung des Landesgerichts Linz (A/) und der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz (B/) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Zu A/:

[7] Der verbotene Waffenbesitz stellte fallbezogen eine einzige (Dauer‑)Tat im materiellen Sinn dar (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 516 ff). Dass mehrere als Waffen infrage kommende Gegenstände davon umfasst waren und eine Subsumtion nach § 50 Abs 1 Z 2 und Z 3 WaffG in Rede stand (vgl RIS‑Justiz RS0130142; zur Möglichkeit echter Idealkonkurrenz vgl RIS‑Justiz RS0129796), änderte daran nichts. Somit lagen keine teilbaren Lebenssachverhalte vor, die ausgeschieden und abgetreten hätten werden können (vgl RIS‑Justiz RS0116581; Nordmeyer, WK‑StPO § 27 Rz 4 und [zu den Begriffen] § 190 Rz 18).

[8] Da die prozessleitende Verfügung sich nur auf einzelne Gegenstände, nicht aber auf selbständige Taten bezog, verletzte sie den hier analog anzuwendenden § 27 StPO idF BGBl I 2004/19 iVm § 36 Abs 4 StPO und war rechtlich unwirksam (vgl RIS‑Justiz RS0117261, RS0119781 [insb T1] zur Unwirksamkeit von Erledigungen, die sich nicht auf selbständige Taten, sondern auf einzelne Tataspekte oder Gegenstände beziehen).

Zu B/:

[9] Durch den am 19. Juni 2024 ergangenen Schuldspruch nach § 50 Abs 1 Z 2 und 3 WaffG (2/) wurde die Anklage im Umfang dieser Tat zur Gänze – auch in Betreff der unwirksam ausgeschiedenen Gegenstände – erledigt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 502, 519, 563 f). Solcherart gab es kein Hauptverfahren mehr, das hinsichtlich der „Restgegenstände“ noch zu führen gewesen wäre.

[10] Ohne „offenes“ Verfahren konnte auch nicht wirksam über eine diesbezügliche Zuständigkeit entschieden werden. Indem das Oberlandesgericht dennoch darüber (vgl BS 2) mit Beschluss absprach (statt etwa die Akten dem Landesgericht mit einem entsprechenden Hinweis zurückzustellen), wurde § 38 StPO verletzt.

[11] Beide – unwirksamen – Rechtsakte waren zur Klarstellung zu beseitigen (vgl RIS‑Justiz RS0116267).

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