OGH 13Os90/25x

OGH13Os90/25x13.8.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. August 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin OKontr. Schaffhauser in der Strafsache gegen * C* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 68 St 323/24a der Staatsanwaltschaft Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 30. Juni 2025, AZ 18 Bs 165/25h, (ON 80.3) nach Anhörung der Generalprokurator in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00090.25X.0813.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Grundrechte

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] * C* wurde aufgrund eines gerichtlich bewilligten Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Wien (ON 4) am 11. Oktober 2024 in Slowenien festgenommen (ON 10) und am 3. Jänner 2025 nach Bewilligung der Übergabe unter Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes (ON 40.3) an die österreichischen Behörden übergeben (ON 39). Gegenstand des Haftbefehls war – soweit hier von Relevanz – der Vorwurf, der Genannte habe vom November bis zum Dezember 2020 in W* vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge dem * K* überlassen, und zwar zumindest 5.000 Gramm Speed (beinhaltend Amphetamin‑Base), 1.000 Gramm Ecstasy (beinhaltend MDMA) und 100 Gramm Kokain (beinhaltend Cocain).

[2] Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte über * C* mit Beschluss vom 5. Jänner 2025, AZ 351 HR 288/24s, (ON 45) die Untersuchungshaft, die es danach mehrfach, zuletzt am 11. Juni 2025, aus den Haftgründen der Flucht‑ und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fortsetzte (ON 73).

[3] Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des * C* nicht Folge und setzte die über diesen verhängte Untersuchungshaft aus denselben Haftgründen fort (ON 80.3).

[4] Dabei erachtete es * C* dringend verdächtig, er habe vom November bis zum Dezember 2020 in W* in mehrfachen Angriffen mit an kontinuierliche Tatbegehung geknüpftem Additionsvorsatz anderen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge überlassen, und zwar Speed (beinhaltend zumindest 10 % Amphetamin), Ecstasy (beinhaltend zumindest 40 % MDMA) und Kokain (beinhaltend zumindest 59 % Cocain), nämlich

a) dem * K* zumindest 5.000 Gramm Speed, 1.000 Gramm Ecstasy und 100 Gramm Kokain sowie

b) anderen Abnehmern 1.300 Gramm Kokain.

[5] Diese Handlungen subsumierte das Oberlandesgericht Wien dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG.

Rechtliche Beurteilung

[6] Gegen diesen Beschluss richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, die eine Verletzung des Grundsatzes der Spezialität (§ 31 Abs 1 EU‑JZG) und des Beschleunigungsgebots, eine unzulässige Verwertung ausländischer Beweisergebnisse, eine Überschreitung der Frist des § 178 Abs 2 StPO sowie eine Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) behauptet.

[7] Soweit die Beschwerde durch die Annahme eines dringenden Tatverdachts auch in Ansehung der im Europäischen Haftbefehl nicht genannten Überlassung von weiteren 1.300 Gramm Kokain an unbekannte Abnehmer (b) den Spezialitätsgrundsatz des § 31 Abs 1 EU-JZG als verletzt erachtet, beschränkt sie sich auf die bloße Behauptung, die Annahme des Beschwerdegerichts (BS 5 f), es liege zu den von a und b umfassten Taten eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine Tat im Sinn des Prozessrechts vor (siehe dazu Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28‑31 Rz 19 ff sowie RIS-Justiz RS0113754 und RS0127374 [insbesondere T8], zum Abstellen auf den prozessualen Tatbegriff für die Klärung des Umfangs der Spezialitätsbindung sieheHinterhofer in WK2 EU-JZG § 31 Rz 13 ff), sei „nicht korrekt“. Solcherart wird weder die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts prozessordnungskonform in Frage gestellt noch ein Rechtsfehler methodengerecht argumentiert, womit die Beschwerde insoweit einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich ist (RIS-Justiz RS0106464).

[8] Davon ausgehend entzieht sich auch die Kritik, das Oberlandesgericht hätte für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verlängerung der Untersuchungshaft über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus (§ 178 Abs 2 StPO) den Verdacht der Übergabe von 1.300 Gramm Kokain an bislang unbekannte Abnehmer nicht heranziehen dürfen (vgl BS 10) und deswegen gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen, einer inhaltlichen Erwiderung.

[9] Entgegen dem auf § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO gestützten Beschwerdevorbringen gründete das Oberlandesgericht den dringenden Tatverdacht zu b keineswegs auf „formell noch nicht im Akt“ befindliche „ausländische [...] Beweisergebnisse“, sondern auf Ermittlungsergebnisse der österreichischen Kriminalpolizei (BS 3 f). Damit geht auch dieser – sich nicht am Beschlussinhalt orientierende – Einwand schon im Ansatz ins Leere (vgl RIS-Justiz RS0119370). Dass die Begründung der Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts „nicht rechtens“ sei und solcherart „die gesamte EU-JZG umgangen und ausgehebelt“ würde, bringt die Beschwerde ohne Ableitung aus dem Gesetzvor (siehe aber erneut RIS‑Justiz RS0106464).

[10] Mit der Behauptung einer Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) wird keine Garantie des Grundrechts auf persönliche Freiheit (Art 5 MRK) oder eine der über Art 5 Abs 2 bis 5 MRK angesprochenen Garantien des Art 6 Abs 1 MRK thematisiert und solcherart der Anfechtungsrahmen einer Grundrechtsbeschwerde verlassen (jüngst 15 Os 49/25g, 50/25d mwN).

[11] Die Grundrechtsbeschwerde war somit ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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