OGH 13Os50/25i

OGH13Os50/25i15.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Schiener in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) und Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. März 2025, GZ 37 Hv 14/25f‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00050.25I.1015.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch I umfassten Taten auch nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB und § 130 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 (jeweils iVm Abs 1 erster Fall) StGB sowie in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall ([zu ergänzen] iVm Abs 1 erster Fall), Abs 3 ([zu ergänzen] iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB (I) sowie des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (IV) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in I*

(I) gewerbsmäßig (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert teils durch Einbruch in Wohnstätten (I 1 und 4) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht (I 2), und zwar

1) am 3. Jänner 2025 * B* und * M* Gegenstände in 5.000 Euro übersteigendem Gesamtwert, nämlich ein Rennrad im Wert von ca 3.000 Euro und ein weiteres Rennrad unbekannten Werts (US 7 und 10), einen Rucksack, mehrere Elektronikgeräte, zwei Mobiltelefone, mehrere Paar Ski, eine Armbanduhr und Reinigungsutensilien, indem er die Wohnungstür auftrat,

2) am 3. Jänner 2025 * Ba* eine Geldbörse, indem er diese aus ihrem Einkaufskorb entnahm,

3) am 1. Dezember 2024 * S* eine Umhängetasche samt Geldbörse, mehreren Schlüsseln, einer Garagenfernbedienung und Raucherutensilien, indem er diese an sich nahm,

4) am 13. Dezember 2024 * T* einen Laptop, eine Powerbank, zwei Mobiltelefone, einen Föhn, Kleidungsstücke, eine Sporttasche, ein Springseil und Gegenstände des täglichen Bedarfs im Gesamtwert von 800 Euro, indem er die Wohnungstür auftrat,

5) am 12. Dezember 2024 Gewahrsamsträgern der M* GmbH Getränke im Gesamtwert von 600 Euro, indem er diese in einen Einkaufswagen lud und damit das Geschäftslokal verließ, sowie

6) am 30. November 2024 * A* eine Geldbörse samt 300 Euro Bargeld, indem er diese an sich nahm, weiters

(IV) am 30. November 2024 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz A* durch Täuschung über seine Zahlungswilligkeit zur Vornahme einer Taxifahrt, somit zu einer Handlung verleitet, welche diesen im Betrag von 70 Euro am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf Z 5, „9a“ und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zum Schuldspruch I:

[4] Indem die Mängelrüge (Z 5) die festgestellte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu sämtlichen Tatzeitpunkten (US 7) als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) releviert, sich dabei aber bloß mit einzelnen Elementen der – im Übrigen weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechenden (dazu RIS-Justiz RS0116732 und RS0118317) – Argumentationskette auseinandersetzt, versäumt sie es prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370 und RS0099507) die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 9 f) in den Blick zu nehmen.

[5] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) fehlt es schon an einem Vorbringen, welche erheblichen, in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt geblieben sein sollten (siehe aber RIS-Justiz RS0099563).

[6] Soweit die Rüge im Übrigen aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstige Schlüsse ableitet, übt sie bloß unzulässig Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[7] Zutreffend zeigt die Mängelrüge hingegen auf, dass die für die Subsumtion nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB entscheidende Feststellung, dass – worin das Erstgericht erkennbar eine notwendige Bedingung (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410)für das festgestellte Überschreiten der Wertqualifikation erblickte (vgl US 10) – eines der zu I 1 weggenommenen Rennräder einen Wert von „zirka EUR 3.000,00“ aufwies (US 7), unbegründet blieb (Z 5 vierter Fall).

[8] Dieser Mangel erfordert die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I umfassten Taten auch nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB.

[9] Hingegen geht der weitere Beschwerdeeinwand (Z 5 vierter Fall, nominell verfehlt auch Z 10) fehl. Denn die Tatrichter haben die Feststellungen zu gewerbsmäßigem Handeln im Sinn des § 70 Abs 1 StGB (in Bezug auf die Begehung von Diebstählen, auch durch Einbruch in Wohnstätten [US 6 f und 10]) ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze auf die zahlreichen und zielgerichteten Angriffe, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen des Angeklagten und seinen Geldbedarf zur Finanzierung seines Suchtgiftkonsums gegründet (US 10). Dass diese Begründung den Angeklagten nicht überzeugt, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (RIS-Justiz RS0118317 [T9]).

[10] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – in Bezug auf die Qualifikationen nach § 130 Abs 3 und § 130 Abs 2 zweiter Fall (jeweils iVm Abs 1 erster Fall) StGB dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaften, die von Amts wegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[11] Nach (hier allein infrage kommend) § 70 Abs 1 Z 3 StGB begeht eine Tat gewerbsmäßig, wer sie in der Absicht ausführt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wobei nach § 70 Abs 3 StGB eine frühere Tat oder Verurteilung außer Betracht bleibt, wenn seit ihrer Begehung oder Rechtskraft bis zur folgenden Tat mehr als ein Jahr vergangen ist. Zeiten, in denen der Täter auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, werden in diese Frist nicht eingerechnet. Das unter § 70 Abs 1 Z 3 StGB angeführte Erfordernis, „bereits zwei solche Taten begangen“ zu haben, kann erst ab der dritten Tat erfüllt sein (RIS‑Justiz RS0130965 [T2]). „Solche Taten“ meint die Verwirklichung jenes Tatbestands in objektiver und subjektiver Hinsicht, dessen gewerbsmäßige Begehung geprüft wird (RIS‑Justiz RS0130965 sowie Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/5).

[12] Als Vortaten im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 StGB kommen daher für die Annahme der Qualifikation nach § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB (hier) Einbruchsdiebstähle in Wohnstätten (§ 129 Abs 2 Z 1 StGB) in Betracht (erneut Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/5).

[13] Hievon ausgehend wird in den Entscheidungsgründen, denen zufolge der Angeklagte bloß zwei Einbruchsdiebstähle in Wohnstätten (I 1 und 4) und vier weitere Diebstähle nach § 127 StGB (I 2, 3, 5 und 6) begangen hat (US 6 ff), keine ausreichende, die Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB erfüllende, Sachverhaltsgrundlage für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit nach § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB geschaffen.

[14] Ebenso wenig bieten die erstgerichtlichen Konstatierungen eine Grundlage für die Annahme der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB. Denn diesbezüglich stellten die Tatrichter nur fest, dass der Angeklagte mit seit 24. Oktober 2023 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Oktober 2023, AZ 39 Hv 88/23z, wegen „Einbruchsdiebstählen“ zu einer Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt wurde, sich in diesem Verfahren in Haft befand und wegen „Therapie statt Strafe“ enthaftet wurde (US 6). Ob diese Vorverurteilung wegen eines Diebstahls durch Einbruch in eine Wohnstätte erfolgte, der eine Grundlage für die Annahme der Qualifikation nach § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB bietet, kann dem Urteil aber nicht entnommen werden.

[15] Für die Subsumtion nach § 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB fehlt der angefochtenen Entscheidung die Sachverhaltsgrundlage, weil ihr Feststellungen zu einer Tat, die (neben dem Grundtatbestand ausschließlich) der Qualifikationsnorm des § 129 Abs 1 StGB zu unterstellen wäre, nicht zu entnehmen sind. Idealkonkurrenz zu § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB scheidet insoweit infolge Spezialität aus ([zur Rechtslage vor BGBl I 2015/112] RIS-Justiz RS0113904 [T2], zum Begriff Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 32 ff).

[16] Das in Bezug auf die Annahme der Qualifikationen des § 130 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 (jeweils iVm Abs 1 erster Fall) StGB aufgezeigte Urteilsdefizit bewirkt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO und erfordert die Aufhebung des Urteils in diesem Umfang.

[17] Mit Blick auf die teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils durch die amtswegige Maßnahme erfolgte Kassation erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere, darauf bezogene Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum Schuldspruch IV:

[18] Entgegen dem Rügevorbringen (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellungen zum Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz des Angeklagten (US 8) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 11 iVm US 8) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

[19] Soweit die Rüge Konstatierungen zu einem zum Zeitpunkt der Täuschungshandlung bestehenden Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz vermisst (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5), dabei aber die genau dazu getroffenen Feststellungen (US 8) übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[20] Auf die vom Angeklagten selbst verfasste „Beschwerde“ (ON 38) war nicht einzugehen, weil im Gesetz nur eine (von einem Verteidiger unterfertigte) Rechtsmittelausführung vorgesehen ist (RIS‑Justiz RS0100175 und RS0100046 [T2]).

[21] Es war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das angefochtene Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO, teils iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen.

[22] Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[23] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

[24] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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