OGH 13Os109/24i

OGH13Os109/24i19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Vogel in der Finanzstrafsache gegen * W* wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 14. Mai 2024, GZ 64 Hv 107/23s‑98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00109.24I.0319.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und es wird die Sache an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * W* mehrerer Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie „als Gesellschafterin“ und faktische Geschäftsführerin (US 4) der W* GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem hiefür rechtskräftig verurteilten * Z*

(A) als Mittäterin (§ 11 erster Fall FinStrG) im Zuständigkeitsbereich des ehemaligen Finanzamts St. Veit Wolfsberg (US 1 iVm US 8) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, und zwar

1) an Körperschaftsteuer um insgesamt 85.177,52 Euro durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2018 und

2) an Kapitalertragsteuer um insgesamt 141.585,47 Euro, indem sie die sich aus ihr zuzurechnenden verdeckten Gewinnausschüttungen ergebende selbst zu berechnende Kapitalertragsteuer für die Jahre 2011 bis 2018 (im Urteil „in Bezug auf Februar“ des jeweiligen Jahres aufgegliedert [US 7]) nicht anmeldete und abführte, ferner

(B) als Mittäterin (§ 12 erster Fall StGB) in A*, S* und andernorts ihre Befugnis, über das Vermögen der genannten Gesellschaft, somit über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, „indem sie nicht versteuerte Barzahlungen von Kunden einbehielt (verdeckte Ausschüttungen) und dadurch die W* GmbH in einem nicht exakt feststellbaren, jedenfalls aber einen Betrag von EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 300.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen“ schädigte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Zum Schuldspruch nach dem FinStrG (A):

[4] Zutreffend zeigt die Beschwerde (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellungen zur Höhe der hinterzogenen Abgaben in Ansehung der gerichtliche Zuständigkeit begründenden Summe der strafbestimmenden Wertbeträge von (hier) mehr als 150.000 Euro (§ 53 Abs 1 FinStrG, vgl dazu Lässig in WK² FinStrG § 53 Rz 11 ff) offenbar unzureichend begründet sind. Denn die Urteilsannahmen, wonach die Angeklagte vorsätzlich insgesamt 226.763,09 Euro an Körperschaftsteuer und an Kapitalertragsteuer hinterzog (US 6 f), stützte das Erstgericht (pauschal) auf das als schlüssig und nachvollziehbar beurteilte Sachverständigengutachten (US 11), das jedoch nicht nur die im Urteil festgestellten, im Gutachten jeweils als „Höchstschaden“ bezeichneten Beträge von 85.177,52 Euro an Körperschaftsteuer und von 141.585,59 Euro an Kapitalertragsteuer ausweist, sondern jeweils auch die als „Mindestschaden“ bezeichneten Beträge von 24.177,52 Euro an Körperschaftsteuer und von 78.500 Euro an Kapitalertragsteuer (insgesamt daher 102.677,52 Euro [ON 97 S 57 iVm ON 75 S 34 und 38]). Dass das Erstgericht nicht darlegte, weshalb es von den beiden (in Summe 150.000 Euro überschreitenden)Maximalbeträgen ausging, stellt Nichtigkeit im Sinn der Z 5 vierter Fall her.

[5] Schon dieser Begründungsmangel erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs und des Strafausspruchs nach dem FinStrG, sodass sich ein Eingehen auf das weitere darauf bezogene Vorgehen erübrigt.

Zum Schuldspruch nach dem StGB (B):

[6] Untreue setzt in objektiver Hinsicht unter anderem die missbräuchliche Vornahme (oder Unterlassung) eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Rechtshandlung voraus. Ein rein faktisches Handeln zum Nachteil des Machtgebers ohne rechtlichen Charakter kommt als Tathandlung selbst dann, wenn es durch einen Machthaber erfolgt, nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0094733 und RS0095943, Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 20 und 24, zur Abgrenzung von Veruntreuung und Untreue RIS‑Justiz RS0094545 [T3, T8, T10, T11 und T16] sowie Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 48 ff).

[7] Davon ausgehend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend auf, dass die Feststellungen, wonach die Angeklagte das in der Buchhaltung nicht erfasste, von Zahnärzten für die gelieferten Zahnkronen übergebene Bargeld – soweit dieses nach Begleichung von betrieblichen Kosten übrig blieb – zwischen * Z* und sich selbst aufteilte (US 6 f), die Subsumtion nach § 153 StGB nicht zu tragen vermögen.

[8] Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren gegen den Schuldspruch B gerichteten Beschwerdevorbringen.

[9] Das angefochtene Urteil war daher – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zur Gänze aufzuheben (§ 285e StPO).

[10] Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

 

Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang bleibt hinzuzufügen:

[11] -) Der Tatbestand des § 33 Abs 1 FinStrG (in der weiterhin geltenden Fassung BGBl 1975/335) blieb – ungeachtet wiederholter Änderungen des gesetzlichen Umfelds dieser Bestimmung – von den im Urteil genannten Tatzeitpunkten bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz unverändert. Urteilszeitrecht und Tatzeitrecht sind daher hier unter dem Aspekt der Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO, vgl dazu RIS‑Justiz RS0087102 und 13 Os 129/18x) ident (jüngst 13 Os 115/23w, 116/23t).

[12] -) Unmittelbarer Täter im Sinn des § 11 erster Fall FinStrG – und daher auch Mittäter – kann nur derjenige sein, den (selbst) eine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht trifft. Ein Nichtabgabepflichtiger kann ein Finanzvergehen bloß in einer sonstigen Täterschaftsform (Bestimmungstäterschaft oder Beitragstäterschaft: § 11 zweiter oder dritter Fall FinStrG) begehen (RIS‑Justiz RS0086880 und RS0086915, eingehend Lässig in WK² FinStrG § 11 Rz 4 ff).

[13] Faktische Geschäftsführer können dann unmittelbare Täter (§ 11 erster Fall FinStrG) im Sinn des FinStrG sein, wenn sie auch die abgabenrechtlichen Agenden de facto wahrnehmen (RIS‑Justiz RS0119794 [T2] und RS0086711 [T8], Lässig in WK2 FinStrG § 11 Rz 2).

[14] -) Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber oder diesen nahestehende Personen, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (vgl Kirchmayr/Voit in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 27 Rz 36 ff). Anmeldungs‑ und Abgabepflichtiger in Bezug auf die Kapitalertragsteuer ist hier der Schuldner der Kapitalerträge (§ 96 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 3 erster Satz EStG iVm § 95 Abs 2 Z 1 lit a EStG), fallbezogen also die GmbH. Unmittelbarer Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG ist insoweit daher die zu deren Vertretung berufene Person (Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 32). Selbständige Tat im Bereich der Kapitalertragsteuer ist jeweils das Unterlassen der Abfuhr der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflicht, hier binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge (§ 96 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 3 erster Satz EStG, RIS‑Justiz RS0124712 [T1]).

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